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Die Wasserrutsche

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07.04.2016
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Die Wasserrutsche

Mein Kopf pocht. Vorsichtig öffne ich die Augen einen Spalt weit, doch das helle Licht lässt sie wieder zusammenkneifen. Anscheinend wache ich gerade auf. Mein Körper ist kalt und nass, als ob ich im Wasser liege. Unter meinem Körper gleitet eine spiegelglatte Wand. Rutsche ich? Mit meiner Hand berühre ich die Oberfläche, die aus Plastik zu bestehen scheint. Mir ist total übel. Speichel sammelt sich in meinem Mund. Durch hastiges Schlucken versuche ich, den Würgereiz zu bändigen. Doch ich scheitere daran: Der warme Mageninhalt ergießt sich über meinen Bauch. Ätzender Geschmack liegt auf der Zunge. Ich spüle meinen Mund mit dem Wasser aus, in dem ich liege. Es schmeckt nach Chlor. Vor Ekel spucke ich es sofort wieder aus, wische mir hastig über den Mund. Wo bin ich?

Ein kurviger, kreisrunder grüner Tunnel. Diffuses Licht schimmert durch die helle Milchglasdecke. Ich bin perplex und vollkommen überfordert von dem Wahrgenommenen. Es sieht wie in einer gewöhnlichen Wasserrutsche aus, aber wie bin ich hierhergekommen? Meine Geschwindigkeit ist relativ langsam, schließlich lag ich mit meinem gesamten Körper auf dem Rinnsal. Po und Rücken fühlen sich gereizt an, als ob ich schon längere Zeit gerutscht bin. Wo bin ich hier, was ist hier … Ich habe Angst. Starke Angst. Sie lässt meine Hände gegen die seitliche, trockene Wand pressen. Mein Körper stoppt. Meine Beine legen sich quer zur Rutsche, vermutlich, damit ich einen besseren Halt bekomme. Ich habe nicht das Gefühl, dass ich Herr meines Körpers bin. Ich habe noch nicht einmal das Gefühl, dass ich klar denke. Träume ich das alles? Ich beobachte den komplexen Lichteinfall durch die Milchglasdecke auf das leicht dampfende Wasser. Solche Eindrücke könnte mein Gehirn nie simulieren, es kommt mir alles äußerst real vor. Das Pochen im Kopf überlagert meine wirren Überlegungen. Vorsichtig taste ich meinen Hinterkopf mit den schrumpeligen Fingerkuppen ab. Ich habe mich offenbar gestoßen und so das Bewusstsein verloren. Zitternd blicke ich in den leeren Tunnel zurück, durch den ich kam. Hoffentlich rutscht niemand in mich hinein. Aber denjenigen müsste ich hören, denn es ist ruhig. Nein, es ist sogar richtig still! Kein Kinderlachen, kein Hämmern, kein Geschrei. Auch das sonst so beruhigende Plätschern des Wassers wird von der Stille verschluckt. Hat das Schwimmbad schon geschlossen? Aber warum wurde dann das Wasser nicht abgestellt? Meine Hände gleiten über die raue Decke. Ich kann durch das grüne Glas künstliche Lichter in regelmäßigen Abständen erkennen. Sachte neige ich meinen Kopf, um die Entfernung der Lichter hinter der Decke schätzen zu können. Ich glaube, sie sind sehr nah. Es wirkt fast so, als ob diese Rutsche durch einen engen Tunnel führt. Der Gedanke erschreckt mich. Ein flüsterndes „Hilfe“ gelangt aus meinem Hals und verpufft in der Luft. Das kraftlose Wort hat hoffentlich niemand gehört. Jeder vernunftbegabte Mensch würde einfach weiterrutschen. Ich muss ein Versager sein, der zu dumm ist, eine harmlose Wasserrutsche hinunterzurutschen. Der Ausgang muss sich ja irgendwo da unten befinden ... doch der Blick ins Ungewisse lässt mich zögern. Der Gedanke, dass mir irgendwann ein Gitter oder eine zugemauerte Wand den Weg versperrt, ist fürchterlich. Nein, ich muss positiv denken. Vielleicht werde ich am Auslauf erwartet, ich sollte ein wenig auf meine Erscheinung achten. Mein Körper ist immer noch völlig verschmiert. Dem Erbrochenen nach zu urteilen habe ich irgendwas mit Artischocken gegessen. Notdürftig wische ich es mir vom Bauch und insbesondere aus dem Bauchnabel. Meine Hände streifen die seltsame, giftgrüne Badehose. Vedammt, wer hat mir die überhaupt angezogen? Sie hebt sich optisch kaum von der Rutsche ab, scheint beinahe ein Teil von ihr zu sein. Haben alle Badegäste in diesem … Schwimmbad so eine an? An ihrem vorderen Ende in Hüfthöhe befindet sich ein metallisches Objekt, indem ein runder, schwarzer Kern eingefasst ist. Es sieht aus wie eine Schnalle, doch ich trage keinen Gürtel. Ich stecke meine Daumen zwischen Hose und Körper, hebe den Stoff hoch und hoffe, dass ich eine mir vertraute Unterhose darunter trage, eine kleine Spur von heute Morgen. Oder ist es gerade Morgen? Ich habe überhaupt kein Zeitgefühl. Vielleicht rutsche ich auch schon mehrere Tage?
Nein, unter der Hose befindet sich nur meine nackte, bleiche Haut. Derjenige, der mich hier hineingesteckt hat, hat also Macht über meinen Körper gehabt. Ich lasse die Hose auf meinen Bauch klatschen. Das muss ein Scherz sein! Vielleicht bin ich in einer Fernsehsendung mit versteckter Kamera. Scheiße, ist diese seltsame Schnalle eine Kamera? Ich blicke das Objekt an. Mein ängstliches Gesicht spiegelt sich in der schwarzen Oberfläche. Ich sehe jetzt womöglich das, was jemand anders am Bildschirm sieht. Unheimlich. Ich muss das Ding loswerden! Krampfhaft zerre ich daran, jedoch kann ich es nicht von meiner Hose lösen. Sie ist fest mit ihr verbunden. Soll ich die Hose ausziehen und nackt rutschen? Adrenalin steigt in mir hoch. Ich weiß noch nicht einmal, wie ich die Hose loswerden kann. Sie würde zwangsläufig dem Ende entgegentreiben, und dort will ich auch hin. Ja, da will ich hin. Ich setze erneut zum Rutschen an, doch was lauert hinter der nächsten Kurve? Ich komme mir unendlich hilflos vor und spüre, wie Tränen meinen Körper verlassen wollen. Nein, ich sollte die Tränen für mich behalten, Flüssigkeit sparen. Die Rutsche ist schon nass genug.
Scheiß was drauf, ich rutsche jetzt. Ganz langsam, im Sitzen. Vorsichtig schliddere ich hinab. Hinter der nächsten Kurve … befindet sich eine weitere. Dahinter noch eine. Ich lege mich flach auf das Wasser, um die Fahrt etwas zu beschleunigen. Dann hebe ich zaghaft mein Becken an und rutsche auf den Schulterblättern. Als ich merke, dass die Rutsche weitestgehend gleichförmig verläuft, werde ich noch mutiger und überkreuze die Beine, so dass ich nur auf drei Berührungspunkten rutsche. Leider schmerzen die Fugen zwischen den einzelnen Rutschen-Elementen so am stärksten. Sie sind ungewöhnlich breit und scharf. Ich rutsche jetzt ziemlich schnell, doch es ist anstrengend, die Körperspannung zu halten. Mittlerweile hoffe ich nicht nur auf den Auslauf, sondern auch auf gerade Streckenabschnitte, damit mich die Zentrifugalkräfte nicht an den Rand pressen. Mit beiden Händen versuche ich, die Badehose zwischen die Pobacken zu klemmen; damit will ich die Reibungskraft senken, falls die Hose die Rutsche berührt. Die Fugen kratzen dabei an meinem linken Ellenbogen. Ich schreie auf und hebe ihn an. Das Rot des tropfenden Blutes bildet mit dem Grün der Rutsche eine dissonante Farbkombination. „Kann ich jetzt bitte das Ende dieser Drecksrutsche erreichen!“, krächze ich wütend in die Leere, mein erster vollständiger Satz. Diesmal hoffe ich, gehört zu werden. Ich tauche den Arm unter das Wasser. Das Blut wird weggespült.

Zusammengekauert wimmere ich in einer Kurve. Diese Rutsche ist nicht für Menschen gemacht! Seit meinem Erwachen rutschte ich mehrere Stunden. Das Grün der Rutsche ist erdrückend, meine Hände und Füße sind völlig verschrumpelt. Hinter der Streckenführung kann ich kein System erkennen. Der eher harmlose Schwierigkeitsgrad der Rutsche scheint aber nicht zu variieren. Dennoch ist mein Rücken aufgescheuert, da die Fugen meinen Körper auspeitschen. Auf dem Bauch zu rutschen ist unerträglich. Im Sitzen bin ich relativ langsam, doch die Hose bietet Schutz vor den Fugen. Zum Glück habe ich sie nicht entsorgt. Nun rollen die Tränen über meine Wange und lassen sich in das Wasser fallen. Nach der Kotze und dem Blut ist dies die dritte Körperflüssigkeit, die sich mit dem Wasser vermischt. Und es wird leider nicht die letzte bleiben. Ich muss ein großes Geschäft machen. Ich musste schon die ganze Zeit! Jetzt kann ich es aber nicht mehr länger verdrängen. Vorsichtig ziehe ich meine Hose herunter, dabei achte ich darauf, dass das Metallobjekt von mir weg zeigt.

Nach zweifelhaften Reinigungsversuchen ziehe ich meine Hose wieder hoch. Wenn ich jetzt weiter rutsche, gleite ich womöglich über meine eigenen Exkremente. Vielleicht wäre jetzt die richtige Gelegenheit, etwas zu schlafen. Ich drehe mich zur Seite und suche eine stabile Position. Es dauert sehr lange, bis ich einschlafen kann. Sehr lange.

Ich wache auf. Das ätzende Grün frisst sich sofort in meine Augen. Ich muss hier raus! Mit meinen Füßen trete ich wild gegen die Decke, doch sie ist widerstandsfähig. Ich bekomme sie nie kaputt – was auch immer das bringen soll. Ich habe tierischen Durst, aber von dem Chlorwasser bekomme ich bestimmt Durchfall. Wo zur Hölle kann man so eine unendliche Rutsche bauen? Ist sie unendlich? Oder wiederholt sich die Strecke? Ich schlage bei dem Gedanken verzweifelt um mich. Vielleicht befinde ich mich in einem gigantischen Hamsterrad! Oder befördert mich ein unsichtbarer Teleporter immer wieder an den Beginn der Rutsche? Vielleicht steckt er irgendwo zwischen den Rutschen-Elementen. Das würde erklären, warum die Fugen dermaßen breit sind. Vielleicht muss ich nur eine kurze Strecke zurück zum Start der Rutsche krabbeln, um den Teufelskreis so zu beenden. Ich spüre, wie meine Gesichtsmuskeln ein Lächeln bilden. Endlich habe ich einen Einfall, einen kleinen Hoffnungsschimmer. Ich drehe mich auf den Bauch und spreize die Arme und Beine auseinander, so dass zwischen ihnen das Wasser hinunterfließt. Vorsichtig ziehe ich mich hinauf. Vor mir befindet sich eine Linkskurve. Ich rutsche mehrmals ab, doch ich komme voran. Hinter der Kurve … ein langer Tunnel. Nichts Außergewöhnliches. Stöhnend krabbele ich weiter die Rutsche hinauf. Nach der zehnten Biegung erkenne ich, dass die Aktion komplett lächerlich ist und dass ich psychisch am Ende bin. Ich lasse mich in das Wasser fallen und die Fugen mein aufgeweichtes Fleisch abschaben.

Dann ein freier Fall. Schwerelosigkeit. Meine Gliedmaßen fliegen befreit durch die Luft, ein paradiesischer Zustand. Keine Reibung, keine Enge. Dann klatscht meinem Haut schmerzhaft gegen eine Wasseroberfläche. Flüssigkeit wird in meine Nase gepresst. Ich bin irgendwo im Wasser, komplett orientierungslos. Wo ist oben? Mehrmals drehe ich mich horizontal, dann vertikal. Endlich tauche ich auf, schnappe nach Luft, huste laut, höre ein Hallen. Die Sicht ist verschwommen, ich habe Wasser im Auge, wische es weg, schnappe erneut nach Luft, orientiere mich, bin verwirrt, dass ich nicht mehr in der Rutsche bin. Stattdessen befinde ich mich … in einem gigantischen Hallenbad. Das menschenleere Becken ist so riesig wie ein … nein, zwei Fußballfelder. Der Anblick der Halle gleicht einer monströsen Kathedrale. Die Wände sind mit gold-blauen Ornamenten verziert. Zahlreiche Lichtstrahlen fallen durch Buntglasfenster der linken Wand. Davor türmen sich mehrere Lüftungsrohre vom Boden in die Höhe, Monolithen gleich. Auf der gegenüberliegenden rechten Seite hängt ein schwerer, roter Samtvorhang. Mein Blick wandert an ihm hinauf, er hängt an Metallringen, die etwa die Größe von Autoreifen haben. Wie kommt es, dass der Vorhang nicht durch sein eigenes Gewicht auseinanderreißt? Das kuppelartige, reich verzierte Dach gleicht einem Himmel. Mein Gott, wie hoch mag das sein? Mir wird schwindelig. Und so viele detaillierte Verzierungen, die das Auge sprengen! Hinter mir ist die gesamte Wand von unzählbar vielen Rutschen-Ausgängen durchlöchert, sie sieht aus wie eine künstliche Wabe. Nur durch ein einziges Loch fließt Wasser, in etwa 10 Metern Höhe. Durch dieses bin ich anscheinend gefallen. Der höchste Rutschenausgang befindet sich knapp unter der Decke. Mir läuft ein Schauer über den nassen Rücken. Das hätte ich garantiert nicht überlebt.
Nicht weit von mir entfernt treibt ein kleiner, weißer Rettungsring. Hastig schwimme ich auf ihn zu, doch mein Körper ist geschwächt. Endlich kann ich den Reifen umklammern. Jemand klatscht in die Hände, das Geräusch lässt mich zusammenzucken. Es hallt mehrfach zwischen den Wänden hin und her, so dass ich nicht genau ausmachen kann, woher der einsame Applaus kommt. Am weit entfernten Ende des Beckens ragt ein überdimensionaler Sprungturm hinauf. Ich glaube, dass das Geräusch aus dieser Richtung stammt. Ich kann die vielen Absprungmöglichkeiten nicht zählen, sind es dreißig? Gar vierzig? Dann erkenne ich einen glatzköpfigen Mann auf einer zentralen Absprungstelle in etwa 25 Metern Höhe, die Arme hält er hinter seinem Rücken. Ein schwarzer Anzug mit hellblauer Krawatte umkleidet seinen schlanken Körper. Er ist weit entfernt, doch er scheint mich genau zu beobachten. Jetzt winkt er mich herbei. Es wird anstrengend, seiner Aufforderung nachzukommen. Vielleicht sollte ich lieber zum seitlichen Beckenrand schwimmen und von dort laufen. Am Beckenrand stehen muskulöse Bademeister in exakt gleichmäßigen Abständen. Ihre Brüste sind vorgewölbt, die Köpfe aufrecht. Jeder ist mit einer Rettungsstange bewaffnet, die er aufrecht in der rechten Hand hält. Die Bademeister starren ins Nichts, trotzdem fühle ich mich von ihnen überwacht. Die Wasserwellen, die ich verursache, wirken auf der spiegelglatten Wasseroberfläche wie ein gigantisches, auf mich gerichtetes Fadenkreuz. Wird das Personal mich aus dem Becken lassen? Ein lautes Räuspern des Mannes dringt zu mir, er scheint ungeduldig zu sein. Noch zögere ich, aber als ich das deutliche Echo des Räusperns vernehme, folge ich seinem Befehl. Meinen Bauch schiebe ich über den Ring und paddele mit den Beinen herum. Die Hände sind bereits damit ausgelastet, mich am Reifen festzuhalten. Ich werde mit dieser Technik sehr lange brauchen. Bewege ich mich überhaupt vorwärts? Der Mann baut auf der Absprungstelle eine kleine Leinwand auf. Seine Bewegungsabläufe wirken routiniert, vermutlich hat er sie dort schon oft aufgestellt. Möchte er von dort oben eine Präsentation halten? Mir fällt auf, dass einige Absprungstellen über ihm deutlich größer und komfortabler sind. Sind die besseren „Meeting-Sprungbretter“ seinen Vorgesetzten vorbehalten? Ich bin am Rand meiner Kräfte, und ich habe noch nicht einmal ein Viertel der Strecke zurückgelegt. Wie lange werde ich für den Rest der Strecke brauchen? Hinter dem Sprungturm entdecke ich eine quadratische Analoguhr. Jedoch kann ich sie nicht lesen, da das weiße Ziffernblatt nur die Zahlen von 1 bis 3 zeigt. Dafür ist die Uhr mit 12 Zeigern ausgestattet. Ob man das irgendwie umrechnen kann?

Keuchend befinde ich mich ich ein paar Dutzend Meter vor dem Sprungturm, den Ring fest umklammert. Eine blonde, schlanke Frau, offensichtlich eine Angestellte des Bades, läuft zur Sprunganlage und erklimmt die Leiter, einhändig, in der anderen befindet sich nämlich ein Teller mit einer ansehnlichen Portion Pommes. Oh, wie hungrig ich bin! Doch der Teller ist wohl nicht für mich bestimmt. Das Lächeln der Dame wirkt aufgesetzt, ihr Hinaufsteigen der Leitern unbeholfen. Insgesamt macht sie einen etwas dümmlichen Eindruck. Möchte sie zu dem Mann? Dieser starrt mich regungslos an, offenbar hat er jetzt alles vorbereitet. Worauf wartet er dann? Auf die Frau? Nach einigen Minuten räuspert er sich, sein Gesicht wirkt plötzlich erfreut. Er muss diese Mimik ewig studiert haben, geradezu eins mit ihr sein, denn sie sitzt perfekt.
„Welcome! Welcome to the most superb Leisure Pool Franchise of the World: Aquament!“ Der Mann spricht mit einem auffälligen schweizerischen Akzent. Sein Tonfall erinnert an einen Ansagesprecher im Fernsehen, die Akustik kommt einer Kirche gleich. Irgendwo müssen Lautsprecher installiert sein. Die Leinwand zeigt jetzt irgendeinen Film, ich kann nichts Genaues erkennen. Eine billig produzierte Musik dudelt leise im Hintergrund und lässt darauf schließen, dass ein Imagevideo des Schwimmbades läuft.
„Aquament …“, die Stimme des Mannes durchbricht die Musik, „… bietet Lösungen für den Bedarf des Badeerlebnisses und ist für unsere Kunden ein kompetenter Spaßgarant. Pleasent Pools, slippery Slides, debonair Diving-Platforms …“
Leider kann ich nicht alles übersetzen, mein Englisch ist nicht gut.
„ … und natürlich …“, die Frau hat inzwischen die Absprungstelle erreicht, der Mann schnappt sich eine Pommes von ihrem Teller und beißt herzhaft hinein. „… formidable Finger Food, oder? Wir schwimmen bei allem obenauf.“ Er zwinkert mir zu und schnippt den Rest der Pommes in seinen Mund. „Aquament versteht sich als …“ Die Musik verstummt unerwartet, die Leinwand ist schwarz. Ein weißer Kreis dreht sich in der Mitte. Der Mann unterbricht seinen Vortag und macht sich an seinem Laptop zu schaffen. Er murmelt dabei vor sich hin, einige Wortfetzen erreichen mich. „Fabelhaft … auch noch rumfuhrwerken, oder? … vermaledeites WLAN!“
Ich sehe mich ratlos um. Ich bemerke einige Drohnen, die elegant durch die Luft fliegen, graziler als Vögel. Dieses Schwimmbad scheint ihr natürlicher Lebensraum zu sein. Ganz gewiss ist es jedoch nicht meins. Aber was verbindet mich mit dem Bad? „Nun … gut“, höre ich den Mann sagen. Er schaut auf mich herab, leicht verlegen. Dann setzt er wieder sein professionelles Grinsen auf.
„Ich darf Sie willkommen heißen als Candidate for Pool Attendant Executive. Sie haben die Chance unseres spontanen Offhand Job Advertisements genutzt und befinden sich nun in einem der größten Franchise-Unternehmen überhaupt: Die Aquamant Corporation. Und diese Filiale hier in Bingelsbach gilt als Vorreiter der Innovation.“
Habe ich mich wirklich hier beworben? Auf der Leinwand werden drei Wörter eingeblendet, die ich nicht lesen kann.
„Das sind die drei A-Cornerstones unserer Young Professionals: Agility. Awareness. Affability. Wir haben Ihre Performance ausgiebigst analysiert. Sehen Sie hier Ihr Onride-Video!“
Die Leinwand verfärbt sich rot. Ich kneife die Augen zusammen. Es ist ein Rutschentunnel. Das habe ich gefilmt? Die Schnalle ist tatsächlich eine Kamera! Aber warum ist die Rutsche rot gefärbt?
„Sehen Sie genau hin. Hier, Zone Red, in der Linkskurve LK608, ziemlich wackelige Angelegenheit. Dann die Rechtskurve RK587. Bämm, oder? In your Face! Ihre Agility-Score hat sich mit dem lächerlichen Sturz verflüchtigt. Sie verlieren daraufhin ihren Happy Hoop …“
Was verliere ich? Jetzt muss ich genau hinschauen. Ich sehe, wie ein weißes Objekt die Rutsche hinunterrutscht. Es könnte der Reifen sein, an den ich mich klammere. Die Rutsche ist offensichtlich dafür ausgelegt, dass man mit diesem Reifen hinunterrutscht!
„Dann sind Sie bewusstlos. Good night, sleep tight!“
Die Rutsche färbt sich Gelb. Hatte ich eine Gehirnerschütterung? Das würde erklären, warum ich mich an nichts erinnern kann.
„In Zone Yellow sind Sie komplett weggetreten. Von Awareness kann also keine Rede sein, oder?“
Er drückt auf seine Fernbedienung, das Video spult vor, sehr lange vor. Dann ist die Rutsche plötzlich grün. Die Farbe brennt sich in meine Netzhaut. Ich muss wegsehen, der Anblick schmerzt.
„Sie erwachen in Zone Green, die eigentlich als Chillout-Lounge gedacht ist. Und, Kruzifix, Sie halten an! Das ist verboten! Absolut mieses Workflow-Management. Die Demolierungsversuche unserer Rutsche … untragbar. Affability-Score … geht gegen null Prozent. Schauen Sie sich das mal an, so eine Scheiße hier!“
Er saugt die Luft durch seine Zähne.
„Alles in allem war es überhaupt keine sexy Performance, oder?“
Er schnalzt mit der Zunge.
„Ich darf sie nun entlassen. Dabei möchte ich Ihnen die Chance bieten, eine unserer neuesten Attraktion einzuweihen. Begleitet wird das Erlebnis vom Ensemble Edenthal.“
Die Bademeister, die vor dem riesigen Vorhang standen, marschieren zur Fensterseite. Der Vorhang öffnet sich, das Knarzen hallt durch das gesamte Bad. Eine Bühne mit einem umfangreichen Orchester kommt zum Vorschein. Es ist mindestens 100-köpfig, ich kann die Instrumente nicht alle erfassen. Eine Scheibe trennt das Orchester von der Halle.
„Sie können übrigens Ihre Chamäleon-Badehose als kleines Give Away betrachten“, fügt der Mann beiläufig an. Er kettet sich mit mehreren glänzenden Handschellen an dem stabilen Geländer fest. Die Bademeister verschwinden alle in den riesigen Metallröhren, die ich für Lüftungsschächte gehalten habe. Die seltsame Pommes-Frau ist mittlerweile hinabgestiegen und läuft ebenfalls in einen dieser Metallbunker, ihren köstlich gefüllten Teller noch immer in der Hand. Mehrere dramatische, tiefe Töne einer Tuba durchbrechen die Stille. Ich bemerke entsetzt, dass der Wasserpegel sinkt, wie man es von einem Wellenbad kennt. Hektisch schwimme ich zum vorderen Rand des Beckens, doch es ist zwecklos: Ich erreiche ihn nicht, kann mich nicht hochziehen. Der Mann schaut genau auf mich hinab.
„Ladies and Gentleman …“
Er spreizt seine Finger und streckt die Arme dem Wasser entgegen, als ob er es beschwören wollte.
Töne von Streichinstrumenten erfüllen den Raum. Sprühregen zieht auf. Irgendwo an diesem Himmel sind wohl Wasserdüsen angebracht.
„… Aquament Corporation presents …“
Der Mann hebt seine Arme hinauf in die Decke. Der Regen wird stärker, prasselt hart auf sein steifes Gesicht. Wind zieht über die Wasseroberfläche und reißt die Leinwand von dem Sprungturm hinunter. Auch der Beamer fällt hinab ins Wasser, Funken sprühen aus dem Apparat.
„… mit freundlicher Unterstützung der Schwimmbad-Baufachbetriebe Bingelsbach …“
Die Musik spitzt sich dramatisch zu, setzt dann aus. Dann bellt der Mann ins Mikrofon:
„… THE MOTHERFUCKING TWISTER OF TERROR!“
Ein Blitz schlägt von der Kuppel aus in die Spitze des Sprungturms ein. Sein gewaltiger Knall bringt das Wasser zum Beben. Der Mann fällt durch die Druckwelle nach vorne, wird aber durch die Handschellen gehalten. Das Orchester spielt einen hohen Ton, dann setzen knallende E-Gitarren ein. Eine brutale Strömung zieht mich vom Beckenrand weg. Ich schwimme dagegen an, bin ihr aber hilflos ausgeliefert. Der Takt des Schlagzeugs erhöht sich. Die Wassermassen des Regens vermischen sich mit dem aufgewirbelten Wasser des Beckens. Meine Hände greifen in die Luft, versuchen vergeblich, mich über Wasser zu halten. Ich werde um einen absinkenden, dunklen Strudel getrieben. Dieses Schwarze Loch wird tiefer, immer tiefer. Seine gewaltigen Ausmaße kann ich durch den Schein zuckender Blitze erahnen. Blast Beats erfüllen den Raum. Immer schneller werde ich umher gerissen und kann mich kaum noch über Wasser halten. Ich bewege mich so schnell im Kreis, dass mir übel wird. Meine Augen kann ich kaum noch öffnen, mehrmals gehe ich unter, schnappe nach Luft. Der letzte kurze Blick zum Mann, der klatschnass auf dem Sprungbrett liegt und mich genau beobachtet. Dann falle ich in das Loch.

 

Hallo Ephraim!

Deine zweite Geschichte hier. Es wäre nett, wenn du nicht nur Geschichten einstellen, sondern auch was zu Geschichten anderer sagen würdest. Geben und nehmen und so.

Zu deiner Wasserrutsche:

Ich bin mir sicher, dass du den Stil (kurze Sätze, fast stichpunktartig) bewusst gewählt hast. Es kann so kein Lesefluss aufkommen - und das schreckt mich ab, den ganzen Text zu lesen.
Es kommt auch keine Atmosphäre auf. In deinen kurzen Sätzen haust du Information nach Information raus, aber von einem Horrortext erwarte ich, dass er ein Szenario und Protagonisten aufbaut, in die der Leser sich eindenken kann und somit mitfühlen, mitfiebern. Wie sollte sonst auch Horror aufkommen? Wenn einem der Protagonist gleichgültig bleibt?

"Hinter der nächsten Kurve … befindet sich eine weitere. Dahinter noch eine. Das dauert zu lange."
=> Ja, das könnte man zu dem gesamten Text sagen. Da rutscht ein Irgendwer, den ich nicht kenne, eine merkwürdige Wasserrutsche runter. Und rutscht, und rutscht.
"Immer noch in der Rutsche."
=> Meinetwegen rutsche in alle Ewigkeit, ich lese lieber was anderes.

Tja, tut mir leid, aber ich kann mit deinem Text wenig anfangen.

Grüße,
Chris

 

Hallo Ephraim!

Mir hat der Anfang eigentlich ganz gut gefallen. Die unerklärliche Situation des elendig langen Rutschens hat mich mitgerissen und meine Phantasie angeregt. Alles schön und gut. Bis zu dem Moment, wo der Protagonist aus der Rutsche rauskommt.

Mir scheint es, du hast den Leser absichtlich im Unklaren gelassen, ob das, was nach dem Rutschen passiert, die Wirklichkeit oder irgendeine seltsame Paralleldimension ist. Ich halte das für nicht so gut. Der Leser wird mit dem Gefühl zurückgelassen, dass er etwas entscheidendes nicht kapiert hat (so auch bei mir), und mit Fragen. Beispiel: wenn das die Wirklichkeit ist und der Protagonist ein Tester einer neuen Wasserrutsche in einem neuen Schwimmbad (oder so) war, kam er ernsthaft nicht auf die Idee vor dem Betreten einer elendig langen Rutsche mal aufs Klo zu gehen?
Auch die Situation am Ende der Rutsche mit der Präsentation auf einem Sprungbrett, den Bademeistern am Rand und der Tatsache, dass er dorthin schwimmen musste, ist sehr seltsam. Wie die Wirklichkeit mutet sie nicht an, aber sie wirkt auch nicht wie ein transdimendionales Erlebnis oder eine Nahtoderfahrung oder ähnliches. Ich fand das alles etwas seltsam, aber vielleicht ist mir das etwas entgangen.
Das Ende habe ich nicht verstanden. Mit der Wirklichkeit hat das nichts zu tun, obwohl der Protagonist dauernd darauf hinweist, dass es wirklich möglich wäre. Ist er nach gefühlt taglangem Rutschen immer noch der Meinung, das alles spiele sich wirklich ab? Warum gesteht er sich (und du als Autor dem Leser) nicht ein, dass mit allem um ihn herum nicht stimmt? Etwas Klarheit würde meiner Meinung nach helfen.

Fazit: Die erste Hälfte hat mir gefallen, die zweite nicht.

Ich kenne das selbst: man hat eine Idee, wo die Geschichte hingehen soll, und verliert das ein wenig beim Schreiben. Mir hilft da beim Schreiben innezuhalten und nochmal nachzulesen, ob das, was ich geschrieben habe, meiner ursprünglichen Idee entspricht. Manchmal halte ich mich sogar selbst an diesen Rat :D

Gruß
Pantoffelheld

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Chris,

vielen Dank für deinen Kommentar. Deinen freundlichen Hinweis habe ich gerne zur Kenntnis genommen.
Die kurzen Sätze ergeben sich meiner Einschätzung nach durch die gewählte Perspektive. Der Erzähler erlebt die Eindrücke ja im Augenblick, da bleibt für ihn keine Zeit, sie in kunstvolle Worte zu kleiden. Vielleicht würde hier ein personaler Erzähler guttun, dem Protagonisten die Arbeit abzunehmen. Allerdings würde man dadurch wiederum eine größere Distanz schaffen. Jedenfalls freut es mich zumindest, dass du meine Absicht dahinter erkannt hast.
Rückblenden habe ich bewusst und ausdrücklich verweigert („belanglose Alltagssituationen“), sie hätten die Geschichte ausgebremst. An aktuelle, wichtige Geschehnisse kann sich der Protagonist ja selbst nicht erinnern. Wenn man ihn also noch ausbauen wollte, müsste man die Grundprämisse ändern – oder die Erzählperspektive.

Viele Grüße

Ephraim


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Hallo Pantoffelheld,

vielen Dank für deinen Kommentar. Um dir nachträglich Klarheit zu bringen: Dies ist eine surreale Geschichte, sie verzerrt die Wirklichkeit. Ich hatte gehofft, dass dies schon im ersten Teil angedeutet wird. Die Wasserrutschenfahrt dauert viele Stunden. Natürlich würde man sich in der Realwelt die Frage stellen, was sich der Erbauer gerade bei dem Toilettenproblem gedacht hat. Aber das ist ja eben eine bizarre Fantasiewelt. Einen Sprungturm mit über 30 Metern Höhe sollte es eigentlich auch nicht geben …
Es freut mich, dass dir der erste Teil gefallen hat.

Viele Grüße

Ephraim

 

Nochmals hallo Ephraim!

"Der Erzähler erlebt die Eindrücke ja im Augenblick, da bleibt für ihn keine Zeit, sie in kunstvolle Worte zu kleiden."
=> Demnach setzt du lange Sätze mit "kunstvollen Worten" gleich?
=> Ich nehme an, du wolltest so etwas wie einen "Stream of consciousness" schreiben, mit bruchstückartigen Gedankenfetzen, so, wie der Mensch eben denkt? Ich persönlich mag diese "Streams of consciousness" nicht besonders, nicht, wenn sie in einer Geschichte eine lange Strecke eingesetzt werden. Weil sie eben nur Gedanken darstellen und keine Geschichte erzählen. (Gut, letzteres ist möglich, aber das kriegen meist nur Spitzenautoren hin.)

"Vielleicht würde hier ein personaler Erzähler guttun, dem Protagonisten die Arbeit abzunehmen. Allerdings würde man dadurch wiederum eine größere Distanz schaffen"
=> Was meinst du? Der Ich-Erzähler, den du gewählt hast, ist doch der personifizierte "personale Erzähler"?
=> Und vorausgesetzt, ich deute richtig, was du mit "personalem Erzähler" meinst, warum sollte Peter, Paul oder Mary dem Leser weiter entfernt sein als ein anonymes "Ich"?

"Rückblenden habe ich bewusst und ausdrücklich verweigert"
=> Von "Rückblenden" (oder gar "belanglosen Alltagssituationen") habe ich nirgends gesprochen. Worauf beziehst du das?

"An aktuelle, wichtige Geschehnisse kann sich der Protagonist ja selbst nicht erinnern."
=> Beziehst du das auf meine Äußerung, dass man den Protagonisten aufbauen sollte? Damit meine ich, dass der Leser die Persönlichkeit, das Innerste des Protagonisten kennenlernen sollte, dazu braucht es keine externen Ereignisse.

Also, ich weiß nicht, villeicht reden wir total anneinander vorbei.

Grüße,
Chris

 

Hallo Chris,

ich habe versucht, die Gedanken des Protagonisten abzubilden und dabei in Kauf genommen, dass es für den Leser etwas roh und unbearbeitet wirkt. Ein Beispiel, wie ich es nicht gemacht habe:
"Das leise Rauschen des Wassers schmetterte gewaltsam meinem Trommelfell entgegen. Mein Körper fühlt sich nass an, als ob ich in einer Pfütze liege. Irritiert, aber auch etwas neugierig, öffne ich die Augen."
Von der fraglichen Qualität dieser Alternativsätze mal abgesehen: So denkt niemand. Das wirkt bearbeitet, gekünstelt. Je länger ein Satz ist, desto komplexer ist er oftmals. Deshalb habe ich mich für solch eine "unbearbeitete" Erzähltechnik entschieden:
"Ich wache auf. Mein Kopf dröhnt. Ich liege im Wasser."
Wie man das jetzt nennt, darüber sollen andere urteilen.

Ich beziehe mich bei dem personalen Erzähler auf folgende Definitionen:
http://wortwuchs.net/personaler-erzaehler/
"Dabei schlüpft der personale Erzähler jedoch nicht in die Figur selbst, was bei einem Ich-Erzähler der Fall wäre, sondern berichtet dem Leser, was der jeweilige Charakter erlebt, sieht oder fühlt."
Natürlich entsteht bei dem personalen Erzähler eine größere Distanz, es ist ja eine ganz andere Perspektive. Ein Tagebuch mit personaler Erzählperspektive würde den Eindruck erwecken, als ob der Schreiber neben sich steht, als ob er sich also distanziert betrachtet. So eine Distanz sollte es in dieser Geschichte nicht geben. Das darf man misslungen finden - oder auch nicht.

Ich stimme dir zu, dass der Charakter ein absolut weißes Blatt ist. Das ergibt sich meiner Einschätzung nach aber aus der Erzählperspektive, denn in so einer Situation beschreibt man sich nicht selbst, sondern das absolut bizarre Setting. Der Charakter soll ja auch im 2. Teil der Geschichte so klein wie eine Amöbe wirken, im Vergleich zum gigantischen "Universum des Schwimmbades".
Ich habe übrigens gar nicht geschrieben, dass du von Rückblenden gesprochen hast. Rückblenden wären aber eine einfache Möglichkeit gewesen, dem Charakter Tiefe zu verleihen. (Beispiel: "Ich habe Wasserrutschen immer gehasst.")
Und von "belanglosen Alltagssituationen" hat der Protagonist in der Geschichte gesprochen.

Viele Grüße

Ephraim

 

Hallo maria,

vielen Dank für deine Rückmeldung. Es freut mich sehr, dass dir die Idee gefällt und dass du die Charakterisierung nicht vermisst. Wie gesagt, ich habe den knappen Stil bewusst so gewählt. Anscheinend ist er für den Leser aber unzumutbar. Ich werde den Text mal überarbeiten. Vielleicht kann ich mehr aus der Geschichte rausholen. =)

Viele Grüße

Ephraim

 

Hy @Ephraim

Der erste Teil ist gut beschrieben, wobei ich mich frage wie lange ist der Protagonist schon in der Rutsche, wo er sich doch an Dinge vom Vortag zu erinnern scheint. Den Übergang zum zweiten Teil hast du meiner Meinung nach gut hinbekommen und auch die malerische Schilderung des Raumes hat mir gefallen, während der Rest des zweiten Teils eher verwirrend für mich war. Wo ist er jetzt genau? Was geht da ab? Was genau ist der Sinn von Aquament Corporation? Ich hoffe du kannst meinen Standpunkt verstehen.

Gruß, Ian

 

So, ich habe eure Kommentare beherzigt und die Geschichte komplett überarbeitet!


Hallo Ian,

dein Kommentar hat mich sehr gefreut. Vermutlich meinst du den Satz mit den Erinnerungen an die belanglosen Alltagssituationen. Diesen habe ich nun gelöscht. Außerdem habe ich noch folgende Passage eingefügt, vielleicht hilft das dem Leser:

„Ich darf Sie willkommen heißen als Candidate for Pool Attendant Executive. Sie haben die Chance unseres Offhand Job Advertisements genutzt und befinden sich nun in einem der größten Franchise-Unternehmen überhaupt: Die Aquamant Corporation. Und diese Filiale hier in Bingelsbach gilt als Vorreiter der Innovation.“

Viele Grüße,

Ephraim

 

Hi,

ich habe die Geschichte schon vor einigen Wochen gelesen. Leider kann ich dir nicht sagen, ob sie sich durch die Nacharbeit zum Guten gemacht hat, weil es so lange her ist, dass ich die Änderungen nicht als solche wahrnehme.

Der Begriff des Kafkaesken wird ja ziemlich oft bemüht, sicherlich auch häufig falsch, aber ich würde mal sagen, wenn der jemals irgendwo gepasst hat, dann hier. Der Protagonist, der sich in einer irgendwie bedrohlichen Situation wiederfindet, in der alles so verworren und traumartig funktioniert, dass man gar nicht genau sagen kann, worin diese Bedrohung eigentlich besteht; die anderen Figuren, die für Komik sorgen, weil sie auf dieses ganze Drumherum reagieren, als wäre es das Normalste auf der Welt; und natürlich wird etwas vom Protagonisten eingefordert, und er hat keine Ahnung, was das ist, auch wenn er sich letzen Endes erschließt, da wohl irgendwie in ein Vorstellungsgespräch geraten zu sein: Das sind alles so typische Zutaten, eigentlich müsste die Geschichte in Anlehnung an Der Prozess etc. Die Bewerbung heißen.

Das alles fand ich recht cool, auch wenn ich als Horrorfan die erste Hälfte der Geschichte am liebsten abkoppeln und einen anderen Weg mit ihr gehen würde. Stephen King hat mal gesagt, das vorzeitige Begräbnis sei so ein Topos, von dem jeder Horror-Autor irgendwann mal seine eigene Version geschrieben haben sollte, und gefangen zu sein in einer Wasserrutsche, diesem langgezogenen Plastiksarg, das ist schon ein sehr eigenes Ding. Dieses Szenario hat mich beim ersten Mal sofort gefesselt.

Jo. Wer wirklich Horror erwartet, wird hier natürlich enttäuscht. Es ist ein bisschen wie früher, wenn der Videothekar Lost Highway unter Horror eingeordnet hatte, weil er nicht recht wusste, wo er den sonst hinstecken sollte. Dass das zum Schluss dann immer abstruser wird, mit diesem Todesstrudel da, gibt dem Ding dann auch noch sowas von einer Groteske. Monty Python. Auf jeden Fall schräg. Ich mag's.

Ich realisiere, dass ich gerade aufwache.

Ich weiß, Sprache lebt und verändert sich, und das Ding ist jetzt seit einem Jahr oder so im Duden, aber als Anglist bekomme ich bei dem Teil echt Anfälle: Das deutsche "Realisieren" heißt was anderes als das englische "to realize".


Unter meinem Körper zieht eine spiegelglatte Wand vorbei.

Das ist merkwürdig, dass er von sich selbst als "mein Körper" spricht, auch "Zieht vorbei". Vorschlag: Unter mir spüre ich glattes Plastik.


Doch ich scheitere daran: Der warme Mageninhalt übergießt meinen Bauch und die seltsame grüne Hose, die ich trage.

ergießt sich, sonst handelt der Mageninhalt; die "seltsame grüne Hose" ist hier fehl am Platz, verlängert den Satz unnötig und man fragt sich ernsthaft, was man mit dieser Info gerade anfangen soll.


Beißender Geschmack

Nie gehört, die feststehende Redewendung lautet "beißender Gestank".


Es schmeckt stark nach Chlor.

"stark" raus.


Ein kurviger, kreisrunder grüner Tunnel, der stark an eine Wasserrutsche erinnert.

Das kommt doof, weil es ja dann wirklich auf eine Wasserrutsche hinausläuft.


Angst mischt sich in mein Empfinden.

Warum so kompliziert? Ich bekomme Angst.


Befinde ich mich etwa in zwei ineinander verschachtelten Gefängnissen, womöglich unter der Erde?

Das ist ein sehr unglaubwürdiger Gedankengang, sowohl inhaltlich als auch von der Art, wie das formuliert ist.


Der Gedanke lässt mich laut Hilfe rufen

Schon wieder so eine alberne Pirouette. Ich rufe um Hilfe.


Der Gedanke lässt mich laut Hilfe rufen, aber ich traue mich nicht recht.

Paradox. Der zweite Teil des Satzes sagt, der Prot tut etwas nicht, das er dem ersten Teil des Satzes zufolge eindeutig tut.


Das kraftlose Wort hat hoffentlich niemand gehört.

Er hat richtig Schiss, will aber nicht, dass ihn jemand wegen seiner kraftlosen Stimme für ein Weichei hält oder wie?


Den Ausgang dieser lächerlichen Wasserrutsche

Lächerlich? Was soll das denn in diesem Zusammenhang heißen?


Doch der Blick ins Ungewisse lässt mich zögern.

Du machst das oft, so abstrakte Sachen zum Subjekt erheben, wahrscheinlich, um aktive Konstruktionen hinzubekommen. Geht aber einfacher und lebendiger: Ich blicke ins Ungewisse. Zögere.


Dem Erbrochenen nach zu urteilen habe ich lauter Artischocken gegessen.

Das ist rückblickend so der Punkt, an dem die Stimmung bricht. Hier musste ich echt lachen. Ich bin mir nicht sicher, ob das Absicht ist. Aber ich finde es nicht gut. Diese beklemmende Stimmung, die bis hierher aufgebaut wird, die ist futsch.


Verdammt, wer hat mir diese Buxe angezogen?

Und zwar ab diesem Spruch endgültig. Vielleicht nicht wegen des ganzen Satzes, aber "Buxe" ist echt der Hammer.


Ich setze erneut zum Rutschen an, doch ich zögere erneut.

an meinen linken Ellenbogen.

meinem


Nun rollen die Tränen über meine Wange und lassen sich in das Wasser fallen.

Wieder handelt etwas Totes, als würde es leben.


Es ist so erniedrigend!

Er liegt da in seiner Kacke, das ist stark genug. Solche Erklärungen und Bewertungen verwässern Szenen.


Dann kam der freie Fall.

Zeit.


Meine Haut klatscht nach einer gefühlten Ewigkeit laut auf eine Wasseroberfläche, Wasser wird in meine Nase gepresst. Ich befinde mich unter Wasser und bi

Zahlreiche Lichtstrahlen fallen durch Buntglasfenster der linken Wand. Davor türmen sich zahlreiche Lüftungsrohre vom Boden in die H

Wie kommt es, dass der Vorhang nicht durch sein eigenes Gewicht auseinanderreißt

Hier bekommt es sowas Traumhaftes. Auch ans Purgatorium habe ich gedacht.


Das höchste Rutschenausgang be

fühle ich mich von Ihnen überwacht. D

ihnen


Nach ein einigen Minuten

Er muss diese Mimik ewig studiert haben, geradezu eins mit dieser Mimik sein,

Die Farbe der Rutsche färbt sich Gelb.

Die Rutsche färbt sich gelb.


Grüße
JC

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Manlio,

es freut mich sehr, dass ich dich unterhalten konnte. Vielleicht liegt es ja an der Kopfverletzung, dass sich der Protagonist sich nicht daran erinnern kann. Grundsätzlich stelle ich aber lieber gute Fragen, als schlechte Antworten zu geben. Die haben schon so manche Geschichte verdorben … und vermutlich so manch kreativen Einfall verhindert.
Viele Grüße

Ephraim

--------

Guten Abend Proof,

es freut mich sehr, dass du meine Geschichte aus der Versenkung geholt und so ausführlich kommentiert hast! Dass du die Geschichte als "kafkaesk" bezeichnest, fasse ich als großes Kompliment auf. Ich werde die Geschichte nochmals überarbeiten.

[...] eigentlich müsste die Geschichte in Anlehnung an Der Prozess etc. Die Bewerbung heißen.
Tatsächlich habe ich überlegt, ob der Titel "Die Wasserrutsche" zu banal ist. Letztendlich bin ich von mir selbst ausgegangen: Eine Geschichte mit diesem Titel würde ich sofort lesen.
Das alles fand ich recht cool, auch wenn ich als Horrorfan die erste Hälfte der Geschichte am liebsten abkoppeln und einen anderen Weg mit ihr gehen würde.
Das hatte ich ursprünglich auch vor. Der Protagonist sollte nämlich mit seiner Teleporter-These recht haben. Das wirkte auf mich aber sehr einfallslos, schließlich erwartet man ja, dass er entweder entkommt oder stirbt. Ich habe mir einen dritten Weg überlegt, und finde rückblickend den zweiten Teil sogar besser als den ersten. Das surreale Genre ist eher mein Steckenpferd als das Horrorgenre.
Jo. Wer wirklich Horror erwartet, wird hier natürlich enttäuscht.
Völlig richtig, reiner Horror ist das nicht und soll es auch nicht sein. Aber es freut mich, dass dir der Stil gefällt.

Der Grund für die vielen umständlichen Formulierungen ist folgender: Ich will den Gefangenen als weitestgehend passives Objekt degradieren, das keinen freien Willen hat. Sein Handeln, sogar seine Gedanken und Gefühle sollen von der Rutsche bestimmt werden. Vielleicht kann man das eleganter zeigen, aber diesen Eindruck will ich jedenfalls erreichen. Für Vorschläge bin ich dankbar!

Doch ich scheitere daran: Der warme Mageninhalt übergießt meinen Bauch und die seltsame grüne Hose, die ich trage.
ergießt sich, sonst handelt der Mageninhalt; die "seltsame grüne Hose" ist hier fehl am Platz, verlängert den Satz unnötig und man fragt sich ernsthaft, was man mit dieser Info gerade anfangen soll.
Einverstanden, ich sollte vielleicht zwei Sätze daraus machen. Dem Rutschenden müsste eine unbekannte Hose sehr schnell auffallen, deshalb habe ich sie hier schon erwähnt.
Beißender Geschmack
Nie gehört, die feststehende Redewendung lautet "beißender Gestank".
Stimmt, ich überlege mir etwas Anderes.
Ein kurviger, kreisrunder grüner Tunnel, der stark an eine Wasserrutsche erinnert.
Das kommt doof, weil es ja dann wirklich auf eine Wasserrutsche hinausläuft.
Ich verstehe, was du meinst, der Titel verrät es ja auch schon. Ich werde es etwas umformulieren.

Befinde ich mich etwa in zwei ineinander verschachtelten Gefängnissen, womöglich unter der Erde?
Das ist ein sehr unglaubwürdiger Gedankengang, sowohl inhaltlich als auch von der Art, wie das formuliert ist.
Jo, ich ändere den Satz. Es sollte halt wie eine Rutsche wirken, die durch einen Tunnel führt. In meiner Vorstellung verläuft die Rutsche nämlich durch irgendein Gebirge der Schweiz.
Das kraftlose Wort hat hoffentlich niemand gehört.
Er hat richtig Schiss, will aber nicht, dass ihn jemand wegen seiner kraftlosen Stimme für ein Weichei hält oder wie?
Stell dir das mal vor: Du gehst ins Schwimmbad und stehst in der Warteschlange vor einer Rutsche. Dann hörst du verunsicherte Hilferufe. Jemand erklärt dir, dass er in der Rutsche aufgewacht ist, sich an nichts erinnern kann und sich jetzt nicht traut, weiter zu rutschen. Ich glaube, dieser Mensch würde sich komplett der Lächerlichkeit preisgeben. Und vor dieser Lächerlichkeit fürchtet sich der Protagonist. Vielleicht kann ich seine Gefühlsschwankungen aber noch besser herausarbeiten.
Den Ausgang dieser lächerlichen Wasserrutsche
Lächerlich? Was soll das denn in diesem Zusammenhang heißen?
Geht in dieselbe Richtung. Eine Wasserrutsche ist ja für gewöhnlich nichts, wovor man sich fürchtet …
Dem Erbrochenen nach zu urteilen habe ich lauter Artischocken gegessen.
Das ist rückblickend so der Punkt, an dem die Stimmung bricht. Hier musste ich echt lachen. Ich bin mir nicht sicher, ob das Absicht ist. Aber ich finde es nicht gut. Diese beklemmende Stimmung, die bis hierher aufgebaut wird, die ist futsch.
Jaja … die Artischocken … also ich finde diese Stelle gut und in der Tat sehr amüsant. Ich habe bewusst nach einer Speise gesucht, die weder belanglos (Karotten, Spinat) noch komplett abwegig ist (Fischaugen). Ich glaube, man findet keine Nahrung, die dem Leser so viele Fragen stellt: Wie sehen erbrochene Artischocken aus? Warum hat der Typ so viele davon gegessen? Warum stellt er das eher beiläufig fest? Natürlich muss sich der Leser diese Fragen alle selbst beantworten, dafür muss die Frage aber interessant gestellt sein. Genau das ist es, was für mich den Surrealismus so reizvoll macht. Und auch der erste Teil sollte solche Elemente beinhalten, denn ansonsten wäre es zur Mitte hin schon ein harter Stilbruch.
Verdammt, wer hat mir diese Buxe angezogen?
Und zwar ab diesem Spruch endgültig. Vielleicht nicht wegen des ganzen Satzes, aber "Buxe" ist echt der Hammer.

Hm … ja? Ich schaue mal, wie ich das überarbeite …

Vielen Dank für deine Mühe!

Ephraim

 

So, ich habe die genannten Punkte überarbeitet und Kleinigkeiten verbessert. Von den Artischocken konnte ich mich aber nicht trennen. :)

 

Hey Ephraim,

ich finde, deine Geschichte sollte mit diesem Satz aus Zeile 14 beginnen:

"Wo bin ich hier, was ist hier … Ich habe Angst."

Es gibt viele Geschichten, die so anfangen, ganz plötzlich, aber das ist echt besser, als:

Mein Kopf pocht. Vorsichtig öffne ich die Augen einen Spalt weit, doch das helle Licht lässt sie wieder zusammenkneifen.

Ganz schrecklicher erster Satz. Der zweite legt sogar noch eine Schippe drauf. Das helle Licht lässt meine Augen zusammenkneifen? Seriously?

Anscheinend wache ich gerade auf. Mein Körper ist kalt und nass, als ob ich im Wasser liege.

Bloß weg mit anscheinend. Für's Protokoll, ja, mir ist klar, dass das eine bewusste Designentscheidung ist. Dieses Selbstbeobachtende hat mich im Nachfolgenden aber massiv gestört. Auch: Liegt die Person im Wasser oder gleitet sie?

Unter meinem Körper gleitet eine spiegelglatte Wand.

Da haben wir es ja.

Rutsche ich? Mit meiner Hand berühre ich die Oberfläche, die aus Plastik zu bestehen scheint.

Zu bestehen scheint? Blöd. Muss es Plastik sein? Ist das wichtig? Könnte es nicht einfach eine glatte Oberfläche sein oder würde das die Erzählstruktur beschädigen?

Mir ist total übel.

Weg damit, ergibt sich doch aus dem Nachfolgenden.

Speichel sammelt sich in meinem Mund. Durch hastiges Schlucken versuche ich, den Würgereiz zu bändigen. Doch ich scheitere daran: Der warme Mageninhalt ergießt sich über meinen Bauch. Ätzender Geschmack liegt auf der Zunge. Ich spüle meinen Mund mit dem Wasser aus,

Das finde ich stark. Das Bild, wie die Person die Wasserrutsche herunterrutscht und sich erbricht. Hat was von Matrix.

in dem ich liege.

Ne, ne, ne!

Ich bin perplex und vollkommen überfordert von dem Wahrgenommenen.

Wenig anschaulich. Was nimmt die Person denn wahr? So ist das ein unnötiger Lückenfüller.

Ich habe Angst. Starke Angst. Sie lässt meine Hände gegen die seitliche, trockene Wand pressen.

Die starke Angst lässt meine Hände gegen die seitliche, trockene Wand pressen? Junge, Junge ... und dann auch noch gegen eine trockene Wand. Wichtige Information ;)

Mein Körper stoppt. Meine Beine legen sich quer zur Rutsche, vermutlich, damit ich einen besseren Halt bekomme. Ich habe nicht das Gefühl, dass ich Herr meines Körpers bin. Ich habe noch nicht einmal das Gefühl, dass ich klar denke.

Finde ich weniger gut. Du willst da natürlich was ausdrücken, schon klar, aber dass die Person sowas denkt, naja, habe ich ja oben schon was zu gesagt, zum Selbstbeobachten. Auch: Meine Beine legen sich quer zur Rutsche? Wat?

Träume das alles?

ich

Ich beobachte den komplexen Lichteinfall durch die Milchglasdecke auf das leicht dampfende Wasser.

Weiter vorne schreibst du "die aus Plastik zu bestehen scheint", sicherst dich mit einem rhetorischen Alibi ab. Hier legst du dich bei einem anderen Material ohne ein solches fest. Wieso diese Inkonsequenz?

Vorsichtig taste ich meinen Hinterkopf mit den faltigen Fingerkuppen ab.

Faltige Fingerkuppen? Faltige Hände okay, aber faltige Kuppen? Wenn schon Fingerkuppen, dann schrumpelige.

Ich habe mich offenbar gestoßen und so das Bewusstsein verloren.

Erklärt der Erklärbär sich selbst. Wenig spannend. "offenbar" ist nie gut.

Zitternd blicke ich in den leeren Tunnel zurück, durch den ich kam.

Zitternd? Wozu die Betonung? Kalt ist da ja auch niemandem. Aus Angst? Mhm.

Auch: "durch den ich kam" kann weg, oder?

Hoffentlich rutscht niemand in mich hinein.

Hehe, sehr gut.

--

Joa, das war es erstmal von mir. Hast meine Geschichte und manch andere ja auch nicht zu Ende gelesen :)

Finde die Idee mit der Wasserrutsche ziemlich gut. Allerdings bin ich skeptisch, dass die Idee wirklich genug Stoff hergibt, um damit 14 Normseiten zu füllen. Hast mich im anderen Faden ja schon gespoilert: Die Person bleibt in der Rutsche.

Ist auf jeden Fall ein schwieriges Unterfangen, so eine raum- und figurbegrenzte Kulisse nur mit Gedanken zu füllen UND den Leser bei der Stange zu halten. Manch einer kann das, Jack London z.B. hat es bei mir mit "Die Zwangsjacke" geschafft.

Fast dreineinhalb Jahre alt, die Geschichte. Schreibst du seitdem nur noch für die Schublade? Wär doch schade, oder?

Gruß,
Analog

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo @Analog,

vielen Dank für Dein Kommentar. Tatsächlich ist auch diese dreieinhalbjahre alte Geschichte noch nicht "fertig", denn sie hat ein gravierendes Problem, und zwar die Erzählperspektive: Ich-Erzähler, Präsens. Aus heutiger Sicht ärgere mich, das so geschrieben zu haben, weil diese Erzählweise per se unnatürlich wirkt, zumindest auf mich. Hier habe ich die Gründe aufgelistet:
Vergangenheit im inneren Monolog eines Präsens-Textes?
Viele Deiner Punkte betreffen dieses Problem, Du sprichst beispielsweise das Selbstbeobachtende an. Ich stimme Dir uneingeschränkt zu, dass man so nicht denkt. Am liebsten möchte ich aber die ganze Geschichte aus Sicht eines personalen Erzählers neu schreiben, das löst alle Probleme. Das ist einer dieser Vorsätze ...

Zu Deinen anderen Punkten:

Ganz schrecklicher erster Satz.

Deine Begründung muss ich mir jetzt zusammenreimen. Es würde aber nach der Bearbeitung sowieso ein anderer Satz werden.

Das helle Licht lässt meine Augen zusammenkneifen? Seriously?

@Proof hat kritisiert, dass ich "abstrakte Sachen zum Subjekt erhebe", vermutlich stört Dich das hier auch. Was ich damit ausdrücken möchte, ist folgendes: Der arme Mann hat keine Kontrolle, nicht nur über seine Situation, sondern auch über seinen Körper. Die Rutsche bestimmt, was der Mann tut. Anscheinend kommt der Stil aber nicht an, ich werde mir was überlegen.

Auch: Liegt die Person im Wasser oder gleitet sie?

Eine Rutsche rutscht man für gewöhnlich im Sitzen ... oder eben im Liegen. Dass der Mann rutscht, hat er außerdem noch nicht erkannt, ist ja auch nicht unbedingt der naheliegendste Gedanke beim Aufwachen.

Zu bestehen scheint? Blöd. Muss es Plastik sein? Ist das wichtig? Könnte es nicht einfach eine glatte Oberfläche sein oder würde das die Erzählstruktur beschädigen?

Was ist blöd? Was stimmt mit dem Plastik nicht? Eine glatte Oberfläche ist unnötig allgemein, die meisten Metalle sind glatt.

Weg damit, ergibt sich doch aus dem Nachfolgenden.

Das ist fließender Prozess. Erst die Übelkeit, dann der Speichel, dann das Erbrechen. Sobald man ein Glied entfernt, ist der Prozess unvollständig beschrieben, und eine Lücke entsteht.

Wenig anschaulich. Was nimmt die Person denn wahr? So ist das ein unnötiger Lückenfüller.

Das wurde doch in den vorherigen Sätzen ausführlich beschrieben, jetzt gehe ich auf die gedankliche Folge in seinem Kopf ein.

Die starke Angst lässt meine Hände gegen die seitliche, trockene Wand pressen? Junge, Junge ... und dann auch noch gegen eine trockene Wand. Wichtige Information ;)

Vermutlich sprichst Du im ersten Satz wieder das von @Proof entdeckte Problem an. Was an der Umgebungsbeschreibung unwichtig ist, verstehe ich erneut nicht.

Weiter vorne schreibst du "die aus Plastik zu bestehen scheint", sicherst dich mit einem rhetorischen Alibi ab. Hier legst du dich bei einem anderen Material ohne ein solches fest. Wieso diese Inkonsequenz?

Was für ein rhetorisches Alibi, welche Absicherung?

Eine gewöhnliche Wasserrutsche besteht aus glasfaserverstärktem Kunststoff, das weiß der Protagonist aber nicht genau. Er vermutet deshalb, es ist aus Plastik, was ja auch eine umgangssprachliche Bezeichnung für Kunststoff ist, aber keine korrekte Bezeichnung für das tatsächliche Material. Beim Milchglas kann er das besser kategorisieren.

Faltige Fingerkuppen? Faltige Hände okay, aber faltige Kuppen? Wenn schon Fingerkuppen, dann schrumpelige.

Guter Punkt, macht es nochmal klarer. Und ja, ich meine die Fingerkuppen, die schrumpeln normalerweise als erstes.

Zitternd? Wozu die Betonung? Kalt ist da ja auch niemandem. Aus Angst? Mhm.

Wer allein ist, nimmt seine eigenen, unfreiwilligen Bewegungen viel intensiver wahr. Dazu kommt noch die Angst, und möglicherweise auch die Kälte. Es ist aus meiner Sicht erst dann eine überflüssige Betonung, wenn diese Erklärungen in der Geschichte ausgebreitet werden würden.

Auch: "durch den ich kam" kann weg, oder?

Nein, denn auch das ist ein Gedankenprozess. Wenn ich aus diesem Tunnel war, könnten weitere folgen. Der nachfolgende Satz, das hoffentlich keiner hineinrutscht, hat ansonsten keinen Bezug mehr. Ja, jedes überflüssige Wort ist überflüssig. Aber sobald die Sätze dadurch plump aneinandergereiht werden, ohne dass sie einen Bezug zueinander entwickeln, schießt man über das Ziel hinaus.

Hast meine Geschichte und manch andere ja auch nicht zu Ende gelesen :)

Damit verstößt man auch nicht gegen die Forenregeln. Für jeden Abbruch gibt es einen Grund. Dieser Grund sollte alle Autoren interessieren, die in erster Linie am Text und weniger an ihrem Ego interessiert sind.

Hast mich im anderen Faden ja schon gespoilert: Die Person bleibt in der Rutsche.

Dann habe ich Dich falsch gespoilert.

Fast dreineinhalb Jahre alt, die Geschichte. Schreibst du seitdem nur noch für die Schublade? Wär doch schade, oder?

Ich schreibe in meinem Interesse. Und in Eurem Interesse veröffentliche ich das nicht.

Viele Grüße

Ephraim

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Ephraim,

du hast ja deine Fragestellung schon von diesem Text abgekoppelt, aber ich hoffe, du nimmst es mir nicht übel, wenn ich dennoch hier anschließe, weil ich mich direkt auf deine Aussage beziehen kann. Ich hab den anderen Thread ab irgendwann nicht mehr verfolgt.

Am liebsten möchte ich aber die ganze Geschichte aus Sicht eines personalen Erzählers neu schreiben, das löst alle Probleme.
Das kapiere ich nicht. Wieso und inwiefern löst das deine Probleme? Subjektiv gesehen magst du vllt. den Tonfall / Klang eines personalen Erzählers lieber, und das wäre dir ja unbenommen (ich kann in 99% der Fälle keinen 2.-Person-Erzähler ausstehen, obwohl man das sicher auch schreiben könnte). Aber wenn ich dich recht verstehe, geht es dir um Realismus / Authenzität - bitte korrigiere mich falls ich das falsch sehe.
Viele Deiner Punkte betreffen dieses Problem, Du sprichst beispielsweise das Selbstbeobachtende an. Ich stimme Dir uneingeschränkt zu, dass man so nicht denkt.
Nein, so denkt man nicht, aber Prosa ist auch kein natürliches Denken bzw. ein Protokoll desselben, sondern Literatur. Wieso sollte Literatur 1:1 nach natürlichen Bewusstseinsprozessen klingen, wenn sie insgesamt - vollkommen wuscht, welche Erzählperspektive eingenommen und in welcher Zeitform erzählt wird - eine selektive, gesteuerte und nach künstlichen / künstlerischen Gesichtspunkten konstruierte Fiktion ist? Ist das denn nicht der Reiz, den Prosa ausmacht? Ist ein fiktiver Dialog nicht etwas, das sich von dem Gelaber der Leute um uns herum in der Bahn, auf der Straße abhebt? Und wird nicht deswegen so oft gesagt, es sei egal, ob etwas in Fiktion autobiograpisch ist oder nicht, es käme darauf an, wie der Teil als fiktionales Stück Literatur wirkt, in der es verwendet wird?
Ausnahmslos jede Erzählform/-perspektive und jedes Genre verlangt ein gewisses Maß an suspension of disbelief - und es mag gut sein, das ich jemandem ein mörderisches Alien eher abnehme als den Schüler vom Pausenhof. Kommt eben drauf an, wie geschickt eine Geschichte erzählt wird. (Das Thema Recherche / Naturgesetze / Nachvollziehbarkeit klammere ich mal aus, auch wenn dort selbstverständlich wieder Realitätstreue eine große Rolle spielt - aber darum scheint es dir nicht zu gehen.)

Realismus in Fiktion ist ebenso künstlich und forciert wie eher 'unnatürlich' klingende Erzählstimmen. Geht es nicht eigentlich darum, was das Bauhaus postulierte: Form follows function? Plot, Figuren / Charakterisierungen, Setting sowie Register, Perspektive und Erzählstimme sollten - zumindest erstmal für den Ersteller - harmonisch ineinandergreifen und Prämisse wie Plot der Geschichte in (subjektiv gesehen) optimaler Form erzählen. Oder nicht?

Wenn sich für dich ein personaler Erzähler + Perfekt besser anhört und du meinst, damit besser deine Geschichte erzählen zu können, ändere sie. Warum meinst du aber, deine jetzige Form sei ungünstig? Was kann sie nicht ausdrücken, was ein personaler Erzähler sagen könnte, und wofür brauchst du das Perfekt als Zeitform?

Ist die Antihaltung gegen Präsens/Icherzähler ein deutsches Ding? (Meine, was auch außerhalb dieses Forums überall kritisiert wird - im Feulliton z.B?) Ganz unirnonische Frage, weil ich seit fast 12 Jahren nicht mehr dort wohne. Ein Großteil der finnischen Gegenwartsprosa ist 1.P + Präsens, wie auch einige aktuelle Britische spekulative Fiktion. Weil ich das so gewohnt bin, fällt mir das nicht extra auf, mir fällt höchstens auf, wenn etwas forciert und künstlich klingt - das kann aber jedwede Zeitform, Register, Erzählstimme und Genre betreffen.

Also, du hängst dich irgendwie so oft an Perspektive und Tempus auf, aber - nur ne Idee - überleg doch erstmal, was genau du eigentlich erreichen möchtest. Und dann erst, was dir formal gesehen nützt und was dir im Weg steht.

Sorry, zum Text selbst kann ich nicht viel sagen, weil ich nahezu am Anfang ausgestiegen bin. Das liegt aber am Thema und an der langwierigen, überdetailliert-langsamen Erzählweise, nicht an dem, das dir so schwer im Magen liegt.

Ich hoffe jedenfalls, dir zumindest eine kleine Anregung gegeben zu haben. James Wood fusselt übrigens wertfrei verschiedene Erzählperspektiven auf, in: How Fiction Works, sehr gut übersetzt als Die Kunst des Erzählens.

Viele Grüße & gute Nacht,
Katla

 

Hallo @Katla,

ich meinte alle Probleme hinsichtlich der Selbstbeobachtung, die @Analog geäußert hat.

Meine Gründe hatte ich ja in dem von mir verlinkten Beitrag ausführlich beschrieben, kannst Du sie eventuell kommentieren oder im Idealfall widerlegen? Das Thema finde ich tatsächlich sehr spannend!

Nein, so denkt man nicht, aber Prosa ist auch nicht natürliches Denken, sondern Literatur. Wieso sollte Literatur 1:1 nach natürlichen Bewusstseinsprozessen klingen, wenn sie insgesamt - vollkommen wuscht, welche Erzählperspektive eingenommen und in welcher Zeitform erzählt wird - eine selektive, gesteuerte und nach künstlichen / künstlerischen Gesichtspunkten konstruierte Fiktion ist? Ist das denn nicht der Reiz, den Prosa ausmacht? Ist ein fiktiver Dialog nicht etwas, das sich von dem Gelaber der Leute um uns herum an der Bahn, auf der Straße und so abhebt? Und wird nicht deswegen so oft gesagt, es sei egal, ob etwas in Fiktion autobiograpisch sei oder nicht, es käme darauf an, wie der Teil in dem fiktionalen Stück Literatur wirkt, in den es verwendet wird?

Wenn ich eine Erzählung höre oder lese, erhoffe ich mir einen guten Erzähler. Jemanden, der sich liebevoll mit dem Thema beschäftigt hat und mir deshalb die Geschichte unterhaltsam präsentieren kann.

Wenn diese Prämisse verinnerlicht und wörtlich genommen wird, muss also logischerweise eine gewisse Zeit verstrichen sein, denn ansonsten würde der Erzähler vor sich hinstammeln. Wenn ein Ich-Erzähler im Präsens alles aufbereitet hat, wirkt das künstlich, zumindest auf mich.

Alles, was Kunst ist, ist künstlich. Aber nicht alles, was künstlich ist, ist Kunst. Die Kunst liegt im Auge des Betrachters, dem das Künstliche gefällt oder eben nicht. Wenn ich die Erzählung als konstruiert entlarve, kann ich sie einfach nicht mehr gut finden.

Realismus in Fiktion ist ebenso künstlich und forciert, wie eher 'unnatürlich' klingende Erzählstimmen. Geht es nicht eigentlich darum, was das Bauhaus postulierte: Form follows function? Plot, Figuren / Charakterisierungen, Setting sowie Register, Perspektive und Erzählstimme sollten - zumindest erstmal für den Ersteller - harmonisch ineinandergreifen und Prämisse wie Plot der Geschichte in (subjektiv gesehen) optimaler Form erzählen. Oder nicht?

Ja, das dachte ich auch. Mir ging es darum, dass der Leser zum Protagonisten werden sollte, gerade bei einem so absurden Plot. Nur dadurch habe ich die oben beschriebenen Erfahrungen gemacht.

und wofür brauchst du das Perfekt als Zeitform?

Das Perfekt brauche ich gar nicht unbedingt.

Ist die Antihaltung gegen Präsens/Icherzähler ein deutsches Ding?

Das könnte sein. Vielleicht liegt meine Einstellung auch schlichtweg darin begründet, dass ich noch keine "gute" Literatur mit der Erzählform gelesen habe, das gebe ich gerne zu. Ist die von Dir beschriebene finnische Literatur dann eine Art Stream of Consciousness? Kommuniziert der Protagonist mit dem Leser, in dem er Gedanken denkt, die für ihn offensichtlich sind (z.B.: "Ich heiße Ephraim Escher und befinde mich gerade im Wohnzimmer", oder erschließt sich der Leser das nur indirekt?

Gibt es empfehlenswerte Literatur in dieser Erzählform?

Sorry, zum Text selbst kann ich nicht viel sagen, weil ich nahezu am Anfang ausgestiegen bin. Das liegt aber am Thema und an der langwierigen, überdetailliert-langsamen Erzählweise, nicht an dem, das dir so schwer im Magen liegt.

Das Thema ist speziell, die langwierige Erzählweise kommt wahrscheinlich Hand in Hand mit diesem Thema ... hoffe ich.

Ich hoffe jedenfalls, dir zumindest eine kleine Anregung gegeben zu haben. James Wood fusselt übrigens wertfrei verschiedene Erzählperspektiven auf, in: How Fiction Works, sehr gut übersetzt als Die Kunst des Erzählens.

Vielen Dank, ich schaue mir das mal an!

Viele Grüße

Ephraim

 

Hallo Ephraim.

Tatsächlich ist auch diese dreieinhalbjahre alte Geschichte noch nicht "fertig", denn sie hat ein gravierendes Problem, und zwar die Erzählperspektive: Ich-Erzähler, Präsens.

Obwohl ich die Erzählperspektive meistens scheußlich und in den allermeisten Fällen deplatziert finde, stelle ich in den Raum, dass "Die Wasserrutsche" gerade auf diese Art und Weise erzählt werden muss.

Ganz schrecklicher erster Satz.
Deine Begründung muss ich mir jetzt zusammenreimen.

Das musst du wohl. Der Satz ist genauso gut oder schlecht, wie "ich habe Rückenschmerzen", "mir ist kalt" oder "ich muss mal".

Das helle Licht lässt meine Augen zusammenkneifen? Seriously?
Proof hat kritisiert, dass ich "abstrakte Sachen zum Subjekt erhebe", vermutlich stört Dich das hier auch.

Abstrakte Sachen und Subjekte ... ganz schön kompliziert das und für mein armes Hirn nur um vier Ecken zu greifen. Ich benutz mal meine Worte.

Ich störe mich daran, dass der Satz unattraktiv und formal auf mehrere Weisen falsch ist. Nicht schön, immer noch nicht korrekt, aber korrekter wäre:

Meine Augenringmuskeln lassen meine Augen zusammenkneifen.

Schreib doch einfach sowas, wie ...

Das Licht ist gleißend hell. Ich kann nicht reingucken.

... dann ersparst du dir all die Fettnäpfchen in die du mit deiner Schlechtsatzschöpfung mit Wonne hereingetreten bist.

Die Rutsche bestimmt, was der Mann tut.

Okay, das kommt unerwartet. Coole Idee. Kommt aber leider wirklich nicht rüber. Er (sein Körper) tut ja auch viele kleine Dinge, die wohl eher nicht von der Wasserrutsche beeinflusst werden:

das helle Licht lässt sie
Durch hastiges Schlucken versuche ich
Ich
scheitere
Ich spüle meinen Mund
Vor Ekel spucke ich
Sie lässt meine Hände gegen
Vorsichtig taste ich

Alles Dinge, die die Wasserrutsche nicht steuert.

Auch: Liegt die Person im Wasser oder gleitet sie?

Eine Rutsche rutscht man für gewöhnlich im Sitzen ... oder eben im Liegen. Dass der Mann rutscht, hat er außerdem noch nicht erkannt, ist ja auch nicht unbedingt der naheliegendste Gedanke beim Aufwachen.

Der Mann (gut zu wissen) rutscht also ne Wasserrutsche herunter und merkt das nicht. Absolut naheliegend. :schiel:

Und ja, du sagst es, er liegt nicht sondern rutscht im Liegen, man könnte synonym auch sagen, dass er gleitet. Andererseits liegt ein Fahrzeug gut auf der Straße und ein Schiff liegt im Wasser. Allerdings bleibe ich dabei, dass bei dir "gleiten" besser passt.

Zu bestehen scheint? Blöd. Muss es Plastik sein? Ist das wichtig? Könnte es nicht einfach eine glatte Oberfläche sein oder würde das die Erzählstruktur beschädigen?

Was ist blöd? Was stimmt mit dem Plastik nicht? Eine glatte Oberfläche ist unnötig allgemein, die meisten Metalle sind glatt.

Und es ist wichtig, dass die Rutsche nicht aus Metall sondern aus Plastik besteht, weil?

Du machst es mir nicht einfach, nicht die Fassung zu verlieren. Lass mich bitte kurz ausfallend werden: Es ist scheißegal, dass die Rutsche aus Plastik besteht! Es trägt genau 0 zu deiner Geschichte bei.

Wirklich definiert hast du doch sowieso nichts. Vielleicht besteht die Rutsche aus Aluminium, was dann? Du hast lediglich gesagt, dass dein Protagonist davon ausgeht, dass die Rutsche aus Plastik besteht. Was bringt der Geschichte das? Was mir als Leser? Wie fühlt sie sich an, rau, glatt, weich, hart, fest? Welche Farbe hat sie, blau, grün, gelb, rot, weiß? Leuchtet sie von innen, vibriert sie, ist sie warm, kalt, kann sie sprechen?

Verstehst du, verdammt? Wenn ja, mach doch gleich hier weiter:

Wenig anschaulich. Was nimmt die Person denn wahr? So ist das ein unnötiger Lückenfüller.
Das wurde doch in den vorherigen Sätzen ausführlich beschrieben, jetzt gehe ich auf die gedankliche Folge in seinem Kopf ein.

Die starke Angst lässt meine Hände gegen die seitliche, trockene Wand pressen? Junge, Junge ... und dann auch noch gegen eine trockene Wand. Wichtige Information ;)
Vermutlich sprichst Du im ersten Satz wieder das von Proof entdeckte Problem an. Was an der Umgebungsbeschreibung unwichtig ist, verstehe ich erneut nicht.

Weiter vorne schreibst du "die aus Plastik zu bestehen scheint", sicherst dich mit einem rhetorischen Alibi ab. Hier legst du dich bei einem anderen Material ohne ein solches fest. Wieso diese Inkonsequenz?

Eine gewöhnliche Wasserrutsche besteht aus glasfaserverstärktem Kunststoff, das weiß der Protagonist aber nicht genau. Er vermutet deshalb, es ist aus Plastik, was ja auch eine umgangssprachliche Bezeichnung für Kunststoff ist, aber keine korrekte Bezeichnung für das tatsächliche Material. Beim Milchglas kann er das besser kategorisieren.

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Auch: "durch den ich kam" kann weg, oder?
Nein, denn auch das ist ein Gedankenprozess.

Das ist eine Behauptung. Zwangsläufig muss so niemand denken. Zudem schreibst du hier eine Kurzgeschichte, Fiktion, kein Gedankenprotokoll. Du kannst also beliebig störende Dinge auslassen.

Was für ein rhetorisches Alibi, welche Absicherung?

Du hast es oben schon beschrieben. Das eine Mal ist er sich sicher, das andere Mal nicht. Da wo er sich unsicher ist, sicherst du dich mit einem "zu bestehen scheint" ab.

Allerdings fehlt beide Male der Beleg. Zudem: Es gibt viele Oberflächen, die wie Milchgas aussehen, aber keins sind.

Fazit von mir dazu: Du brauchst dich nicht abmühen und verrenken, um unwichtige Informationen in einen Text hineinzupressen. Meistens merkt man es einer Information an, dass sie für den Text (oder besser = die Textstelle, in die man beabsichtigt sie einzufügen) unwichtig/ungeeignet ist. Ein Indikator dafür wäre zum Beispiel, dass man sich abmühen und verrenken muss, um sie unterzubringen.

Damit verstößt man auch nicht gegen die Forenregeln. Für jeden Abbruch gibt es einen Grund. Dieser Grund sollte alle Autoren interessieren, die in erster Linie am Text und weniger an ihrem Ego interessiert sind.

Vielleicht wäre gerade für diese Geschichte wichtig gewesen, dass du dich auf dein Ego (lateinisch = ich) besinnst. Das Erleben deines Erzählers wirkt konstruiert. Gerade, weil du dich so bemühst, wirkt alles künstlich. Kaschiere das, lenke davon ab.

Dazu passend: Niemand denkt, wenn sein Kopf pocht, "Mein Kopf pocht."

Bis dann,
Analog

 
Zuletzt bearbeitet:

Hei @Ephraim Escher nochmal,

ich hatte Analogs [ersten] Komm gelesen, und stimme ihm wirklich in jedem einzelnen Punkt zu. Mir scheint aber, dass die Kritik sich eher auf zu viel massiv detailliert Ausgebreitetes und Irrelevantes bezieht, und das hat nicht so arg viel mit Tempus & Erzählhaltung zu tun. Sowas kann man in allen möglichen Texten anstreichen. Ich hatte das gleiche Problem mit deinem Text, und aus dem Grund war ich auch schnell ausgestiegen. Sorry, aber das alles ist eine so weites Feld und ließe sich auf so viele Arten besprechen, dafür habe ich momentan einfach nicht die Zeit. Ich kann dir nur raten, dir das Buch anzuschaffen, dann hast du vllt, die Erzählhaltungen und Tempi bisschen klarer, und dann könntest du das gezielter ansprechen.

Ich hab in dem extra Thread nochmal kurz reingeschaut, und merke hier nur ganz kurz ein paar Dinge an, die sich eher auf unsere Diskussion hier unter der Geschichte beziehen. Meine Fagen sind nicht sarkastisch gemeint, ich will dir nur ein paar Denkanstöße geben, weil ich den Eindruck habe, deine Beobachtungen von Realität vs. Prosa gehen an einigen Prinzipien der Literatur vorbei.

4. Die Darstellung routinierter Handlungen oder monotoner Abläufe ist nur indirekt möglich.
5. Oft kreisen Gedanken über ein und dieselbe Sache. Stundenlanges Grübeln ist vielleicht für den Erzähler interessant, für den Leser aber nicht. Entweder filtert man diese Gedanken und bereitet sie auf - dann sind sie aber verfälscht - oder der Autor schreibt einen unzumutbaren Text.
6. Selbiges gilt für Gedanken, die sich als sinnlos herausstellen. Man denkt viel, was nicht relevant ist.
Der Erzähler - egal mit welcher Erzählstimme/-haltung - ordnet das, was erzählt wird, nach dem, was die Geschichte (Plot, innere und/oder äußere Handlung, Setting/Weltenbau etc.) vorantreibt, alles andere lässt er weg. Wieso meinst du, der Erzähler sollte Irrelevantes, Redundantes, Nebensächliches und all die 1000 kleinen Handlungen und Gesten in der Geschichte ausbreiten? Du schreibst doch kein Protokoll, als ob da jemand 24/7 eine Kamera auf eine Person hält, so BB-mässig. Das macht doch Literatur aus: Etwas so darzustellen, dass
- die Prämisse deutlich wird / roter Faden
- der Leser durch Plot und Handlung geführt wird: im Sinne des ...
- ... Konfliktes und
- ... der inneren / äußeren Entwicklung, die der Prot und ggfs. weitere Figuren durchmachen.

Alles, was nicht noch für Setting / Atmosphäre / Stimmung / indirekte Charakterisierung relevant ist, fliegt raus.

7. Die Gedanken sind eine Reaktion auf Umwelteinflüsse, der Leser erfährt also alles erst, wenn es bereits passiert ist.
Ja, wenn im Perfekt erzählt wird. Bei Präsens sind das Erleben des Prots und das Lesen des Lesers nahezu zeitgleich.
8. Im Alltag ist man nie eins mit einer anderen Person, die Ausgangslage fühlt sich unnatürlich an.
Du bist auch nie eins mit einem Protagonisten, du siehst höchstens seine fiktive Welt für eine Weile (die Zeit des Lesens oder wenn du später weiter drüber nachdenkst) aus seinen Augen. Wieso soll das problematisch sein? Das genau ist für mich der Grund, überhaupt Literatur zu lesen.
9. Als Leser fühle ich mich in den Gedanken einer fremden Person gefangen, dabei sind die freien Gedanken doch gerade das, was man dem Leser überlassen sollte - meiner Meinung nach.
Das finde ich so falsch, da stellen sich mir die Nackenhaare auf, sorry. Das Spiel um Identifikation und eigener kritischer Haltung (oder beidem zusammen) gegenüber einer fiktiven Figur ist für mich nicht nur extrem spannend - sowohl beim Lesen, wie auch beim Schreiben - sondern ist auch ein wichtiger Bestandteil meiner Sicht auf die Realität: Die Auseinandersetzung mit fiktiven Figuren und Konflikten lassen einen auch eigene Konflikte/Probleme und Ängste/Wünsche besser erkennen und/oder aufarbeiten, denn durch die Fiktion ist das alles weiter von der eigenen Geschichte entfernt, sodass man - nur z.B. - Verdrängtes oder Festgefahrenes leicher auflösen kann. Das ist eines der grundlegenden Prinzipien von spekulativer Fiktion und Filmen, v.a. Horror und SciFi/Dystopien. Womit ich nicht sagen will, dass Literatur Selbtstherapie ist, aber ein Teil Selbsterkennung bzw. -analyse (in Anlehnung an und/oder Ablehnung der Figuren und ihrer Handlungen/Haltungen) wird doch immer ein Teil der Rezeption von Prosa sein.

Wenn du nicht "in den Gedanken einer fremden Person" mitgehen möchstest, darfst du keine Fiktion lesen oder schreiben. Wieso ist das ein "Gefangensein"? Wieso sind deine Gedanken unfrei? Und wieso meinst du, sind deine Gedanken sonst frei und vollkommen aus dir selbst heraus? Was ist mit deiner Sozialisation und Geschichte? Das allein ist ein so großes Feld (auch in der Psychologie und Philosophie), da kann ich einfach nicht mehr zu sagen, aber hier verstehe ich dein Problem nicht, und finde deine Einwände unter 9. total konträr zu Literaturrezeption und dem Schreiben überhaupt.

Ist die von Dir beschriebene finnische Literatur dann eine Art Stream of Consciousness? Kommuniziert der Protagonist mit dem Leser, in dem er Gedanken denkt, die für ihn offensichtlich sind (z.B.: "Ich heiße Ephraim Escher und befinde mich gerade im Wohnzimmer", oder erschließt sich der Leser das nur indirekt?
Gibt es empfehlenswerte Literatur in dieser Erzählform?
Nein, die Erzähler sprechen nicht den Leser an, oder in Selbstreferenzen. SoC ist sehr selten, und wenn in sehr moderater Form zwischendurch. Die Erzählhaltung ist ähnlich dem Deep-POV personalen Erzähler, aber nicht so forciert dokumentarisch/protokollarisch. Wenn du dir da Beispiele ansehen willst, hier ein paar v.a. nichtfinnische Sachen, davon ist kaum was übersetzt (Blick ins Buch z.B. online bei amazon):
Ich + Präsens:
Alles von Stefán Máni (da mag ich v.a. Das Schiff)
Luther Blissett: Q (anarchistisches, italienisches Autorenkolletiv mit u.a. Umberto Eco)
Peter Høeg: Miss Smilla‘s Feeling For Snow (Fräulein Smillas Gefühl für Schnee); The Susan Effect
Peter Verhelst: Das Muskelalphabet
S. K. Tremayne: The Fire Child
Hermann Rossmann: Klas, der Fisch (1927)
Der Hauptteil von Christoph Ransmeyer: Die Schrecken des Eises und der Finsternis (ich mag das Buch allerdings nicht, sehr behäbig)
Johanna Sinisalo: Troll, A Love Story
Meine finnische Lieblingsautorin, Tiina Raevaara, schreibt alles oder das meiste im Präsens + Icherzähler, aber leider gibt es keine Übersetzungen.

In Anthologien/Sammlungen einige Geschichten:
Giants at the End of the World – A Showcase of Finnish Weird. Ed. Johanna Sinisalo & Toni Jerrman (die stories finde ich – auch wenn ich einige Autorinnen sehr mag - alle nicht so toll, vllt. weil die Übersetzung ehrenamtlich geschah)
China Miéville: Looking For Jake and Other Stories

Ich + Mix aus Präsens und Perfekt in einer fortlaufenden Erzählung:
Peter Verhelst: Der Farbenfänger
Kirsty Gunn: The Keepsake

Ich + Perfekt:
Alfred Kubin: Die andere Seite (1909)
Louise Welsh: The Cutting Room
Robert Edric: The Wreck Line
Einiges von Lovecraft und vieles von Jean Ray (a.k.a Raymundus Joannes de Kremer a.k.a. John Flanders)
Peter Verhelst: Tonguecat
China Miéville: The City & The City (das Buch finde ich aber nicht so gut)
Bruno Schulz (KG): "Sanatorium Under the Sign of the Hourglass"
Stefan Grabinski: einige KGs, z.B. "The White Wyrak"

Teils 1. Pers. Plural, teils auktorial + Perfekt:
Casten Jensen: We, the Drowned (als Wir Ertrunkenen absolut grauenhaft übersetzt und nicht zu empfehlen)

Auktorialer/personaler Erzähler + Präsens:
Carsten Jensen: The First Stone


Mir ging es darum, dass der Leser zum Protagonisten werden sollte
Wieso, wozu soll das gut sein? Ich halte das für unmöglich. Der Rezipient kann nur Protagonist bei z.B. einem Theaterstück werden, bei dem er spontan auf die Bühne geholt wird und mitspielt, die Handlung mitbeeinflusst. Der Text eines Buches ist geschrieben, da kann ein Leser kein Protagnist drin werden. Du kannst ihn als Autor dazu bringen, sich in die Geschichte, die Figuren zu versetzen, und in die Welt einzutauchen - aber dadurch wird der Leser nicht zum Prota selbst.
Alles, was Kunst ist, ist künstlich. Aber nicht alles, was künstlich ist, ist Kunst. Die Kunst liegt im Auge des Betrachters, dem das Künstliche gefällt oder eben nicht. Wenn ich die Erzählung als konstruiert entlarve, kann ich sie einfach nicht mehr gut finden.
Klar, um das was Kunst ist oder nicht geht es nicht. Es geht um Fiktion, die kann, aber muss nicht Kunst sein, und das lässt sich auch schwer objektiv festlegen.
Und naja, keine Ahnung, dann schreib vielleicht Memoiren. Jede Erzählung, alle Prosa ist künstlich. (Vorsicht: auch Erinnerungen sind - meist unbewusst - verfälscht, editiert, und damit teils künstlich, das ist ein nicht-steuerbarer, kontinuierlicher Prozess im Gehirn.)
Jemand setzt sich hin und schreibt eine Welt, und Figuren, und entscheidet, was er wie erzählt und was er verschweigt, ignoriert, betont, strukturiert. Das allein ist ein vollkommen künstlicher Prozess. Ob Prosa nachvollziehbar, folgerichtig, überzeugend ist, kann ein Autor durch sein Handwerk erreichen. Dann liest sich Fiktion als etwas, das wir Leser in dem Moment nicht mehr als Konstruiertes sehen - das ist eine Frage, inwieweit eine Erzählung glaubhaft gemacht wird. (-> suspension of disbelief braucht man nicht nur bei spekulativer, sondern letztlich jeglicher Fiktion). Und das ist nicht primär eine Frage der Erzählhaltung und Tempi.
Wenn diese Prämisse verinnerlicht und wörtlich genommen wird, muss also logischerweise eine gewisse Zeit verstrichen sein, denn ansonsten würde der Erzähler vor sich hinstammeln
Wieso, stammelst du beim Denken? Kann ich mir nicht vorstellen.
Wir denken nach über das, was wir gerade tun oder sehen, wenn es etwas Ungewöhnliches ist. Ich denke nicht, "ich gehe die Treppe runter" wenn ich morgens die Treppe runtergehe, das geschieht quasi automatisch, ich denke dabei an ganz andere Dinge (die auch alle unwichtig sind btw.). Wenn das zu Fiktion wird, - siehe auch deine ersten Punkte oben - muss bzw. sollte das nicht langwierig ausgeführt werden, wenn es nicht der inneren/äußeren Handlung, dem Konflikt oder einer Charakterisierung dient.

Siehst du unterwegs dann etwas Ungewöhnliches, würdest du das in die Geschichte einbauen, gleiches gilt für Dinge, Handlungen, Ticks, Sichtweisen, die den Prot indirekt Charakterisieren. Gewöhnliche, unbedeutende Dinge, die auf ein paar Millionen andere Menschen (oder Lebewesen) genauso zutreffen, dienen nicht einer Charaktesierisung bzw. dem Plot und werden dann nicht im Text erzählt. Das ist einfach Handwerkszeug für Autoren.

Bsp:
Frühstück mit Familie
- Ohne Konflikt und ohne Relevanz für die Handlung / Charakterisierung würde man vllt. nur schreiben, dass der Prot ein Brötchen isst (ohne zu sagen, dass er das vorher aufgeschnitten, bestrichen und belegt hat, wofür er Butter und Wurst aus dem Kühlschrank holte ...) und dass er einen Kaffee trinkt (ohne das Kaffeekochen zu beschreiben, das Tragen der Kanne zum Tisch, das Öffnen und Schließen derselben, das Greifen nach der Tasse, Heben des Armes etc.). Wenn du eigentlich was zum Büroalltag sagen willst, dann wird weder das Aufwachen, das Aufstehen noch das Frühstück oder der Weg zu Arbeit erwähnt, das alles impliziert der Leser schon selbst - dann steigst du eben gleich mit der Szene im Büro ein.
- Mit Konflikt würdest du vllt. in Details gehen: Die Mutter schenkt sich Milch ein, knallt dann den Karton hin, Milch spritzt raus und läuft über den Tisch, die Mutter herrscht das Kind an, es soll gefälligst einen Lappen holen und die Sauerei aufwischen, obwohl es ja keine Schuld hat. Dann wäre das Eingießen und Abstellen der Milch z.B. wichtig, weil es etwas Relevantes über die Mutter aussagt, und über die Familienkonstellation.
- Vergiß die Mutter von eben. Der Vater redet nicht viel, legt alles, was er verwendet, überakkurat ab, immer an der gleichen Stelle, und achtet darauf, dass die Kinder stocksteif geradesitzen, die Hände gewaschen haben, nicht am Tisch reden. Damit können eigentlich normale Handlungen eine bedrohliche Atmosphäre schaffen, und du charakterisierst den Vater damit als (verklemmten oder manipulativen, psychopathischen) Despoten.
- Der erwachsene Sohn ist ein ruhiger Typ, intelligent, witzig. Er redet sich gern an Themen fest, im Detail, die ihm wichtig sind. Er legt sein Besteck, sein Tasse etc. überakkurat ab und kann es nicht ertragen, wenn auf dem Tisch oder seiner Ordung etwas durcheinanderkommt. -> Du kannst so jemand aus dem autistischen Spektrum charakterisieren, ohne, dass seine Ordungsliebe so despotisch manipulativ rüberkommt, wie eben beim Vater.
- Vergiß die Szenen von eben, alles läuft gut. Aber die Tochter bekommt ihr Essen auf dem Teller immer nach einem bestimmten Muster angeordnet: Quasi auf 12:00 Uhr das Brötchen, auf 15:00 die Marmelade, auf 21:00 das Obst. Damit zeigst du indirekt, dass sie blind ist.

So, sorry, mir läuft echt die Zeit weg. Ich hoffe, ich hab hier irgendwie ein paar deiner Punkte behandelt und nicht daran vorbeigeredet (wie gesagt, so ganz kann ich deinen Problemen nicht folgen). So spannend das ist und so gerne ich da weiter drüber diskutieren würde, muss ich mich an diesem Punkt einfach ausklinken. Vllt. können dir da andere weiterhelfen.

Viele Grüße, Katla

P.S. Meine Antwort hat sich mit Analogs zweitem Komm überschnitten.

 

Interessante Diskussion, die ihr da führt. Leider bin ich nicht schlau genug, um etwas beizutragen. Allerdings bin ich über etwas gestolpert. Über das hier:

Mir ging es darum, dass der Leser zum Protagonisten werden sollte.

Denn das erklärt einiges.

Ich weiß nicht, ob irgendwer in diesem Forum das Zeug dazu hat, das wirklich zu vermitteln, aber wenn du es versuchen willst, ist dein Freund vielleicht weniger ein Ich-Erzähler als vielmehr ein allwissendes Du.

Dein Kopf pocht. Vorsichtig öffnest du die Augen einen Spalt weit, doch das helle Licht lässt sie wieder zusammenkneifen. Anscheinend wachst du gerade auf. Dein Körper ist kalt und nass, als ob du im Wasser liegst. Unter deinem Körper gleitet eine spiegelglatte Wand. Rutschst du? Mit deiner Hand berührst du die Oberfläche, die aus Plastik zu bestehen scheint. Dir ist total übel. Speichel sammelt sich in deinem Mund. Durch hastiges Schlucken versuchst du, den Würgereiz zu bändigen. Doch du scheiterst daran: Der warme Mageninhalt ergießt sich über deinen Bauch. Ätzender Geschmack liegt auf der Zunge. Du spülst deinen Mund mit dem Wasser aus, in dem du liegst. Es schmeckt nach Chlor. Vor Ekel spuckst du es sofort wieder aus, wischst dir hastig über den Mund. Wo bist du?

 

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