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die wahre geschichte

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01.07.2002
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die wahre geschichte

Ich glaube, das Ganze geschah an einem Freitag. Natürlich hätte es auch genauso gut sonst irgendein Werktag sein können: Montag, Dienstag, Mittwoch, Donnerstag, die sind ja alle gleich - zumindest wäre es für die ganze Sache gleich gewesen. Aber wenn ich mich festlegen müßte - und das tue ich jetzt - dann würde ich meinen, dass es ein Freitag gewesen ist. Aber dass es Abend war, das ist sicher. Soviel ich weiß, war es kurz nach sechs, als alles begann...
Sie kam gerade mit der S-Bahn vom Nachhilfeunterricht nach Hause. Ja, da hat er bei der Station auf sie gewartet. Hat gewußt, dass sie um diese Uhrzeit kommen würde. Unten in der Unterführung hat er ihr aufgelauert. Als die S-Bahn hielt, war sie die Einzige, die ausstieg. Es war erst Februar und schon fast dunkel und kein einziger Mensch außer ihr zu sehen, als sie die Stufen zur Unterführung runterging.
Als sie also dort unten ist, bemerkt sie ihn erst kaum, er steht da in der Ecke, aber sie ist in Gedanken und geht einfach weiter. Plötzlich löst er sich und geht auf sie zu. Aber sie denkt sich noch überhaupt nichts, schaut nicht mal auf, statt dessen versucht sie ganz einfach ihm aus dem Weg zu gehen. Doch als sie sich anschickt das zu tun, tritt er ihr direkt in den Weg und hält sie mit der Hand auf. Da sieht sie auf und ihr wird erstmals klar, was sich da anbahnt, aber noch wird sie nicht richtig nervös, denkt sich, der Typ will sie nur nur ein wenig rumschubsen, um seinen Spaß zu haben, vielleicht hat er auch nur irgendeine Frage wann die Bahn fährt oder so. Sie bittet ihn also, sie vorbeizulassen, aber er sagt gar nichts und versperrt ihr weiter den Weg. Dann nach einer Weile macht er den Mund auf und fragt sie, wie sie heiße. Sie zögert kurz, aber dann nennt sie ihm ihren Namen, in der Annahme, dass er sie dann vorbeiläßt. Aber bei Gott, ihren Namen hatte er ja schon vor langem in Erfahrung gebracht, weiß Gott wie lange er schon hinter ihr her war und an diesem Freitag Abend war er eindeutig nicht dort, um sie gleich nachdem sie ihren Namen genannt hatte, wieder gehen zu lassen. Er hatte sich ja extra den Nachmittag freigenommen, hatte seinem Meister gesagt, er müsse zum Arzt und dann ist er vorher nach Hause und hat da alles geholt. Sie einfach gehen zu lassen, das war eindeutig nicht sein Ziel gewesen, dafür war er an diesem Abend zu gut ausgerüstet, da bin ich mir sicher...
Nun, nachdem sie also ihren Namen genannt hat, versucht sie noch einmal, sich an ihm vorbei zu drängen, aber er versperrt ihr weiter den Weg. Daraufhin sieht sie sich um und als niemand in der Unterführung zu sehen ist, bekommt sie das erste Mal richtig Angst und dreht sich auf dem Absatz um, will wieder hoch zum Bahnsteig gehen, in der Hoffnung, dort sei jemand, der ihr helfen könne. Aber in dem Moment, wo sie sich umdrehen und gehen will, hat er plötzlich eine Pistole in der Hand. Oh, er hatte es schon lange mit Waffen gehabt! Hat einen Waffenschein besessen. Eine ganze Menge Pistolen und ein Gewehr und Munition zuhause auf seinem Zimmer. Und die Pistole, die hatte er geladen an diesem Abend...
Sie also sieht den Lauf der Waffe auf sich gerichtet und jetzt bekommt sie richtige Angst! Er schaut sich um und sagt ihr, sie solle los gehen, immer geradeaus, die Unterführung entlang. Also tut sie, was er sagt, während er ihr mit der Pistole in der Hand folgt. Im Gehen versucht sie mit ihm zu reden, sagt, dass er ihr Geld haben könne und meint, dass sie zuhause noch viel mehr Geld habe und es ihm gebe. Er antwortet nur, dass er ihr Geld nicht wolle. Er wolle ihr Geld niemals und sie brauche keine Angst haben. Na, was ein Scherzbold, richtet eine Pistole auf sie und sagt, sie brauche keine Angst zu haben! Na, wie auch immer....
Auf jeden Fall kommen sie dann auf der anderen Seite der Unterführung wieder heraus, wo so ein kleines Wäldchen angrenzt. Sie schaut sich noch einmal um, ob denn wirklich kein einziger Mensch sie sieht und überlegt noch einmal fort zu rennen, aber dann denkt sie an die Pistole und läßt es doch sein. Er treibt sie also bis zu dem Waldrand, wo ein Zaun ist und an einem Stück, wo der Zaun ein wenig eingedrückt ist, zwingt er sie hinüber zu steigen, worauf er hinterher steigt. Und jetzt bekommt sie wirkliche Panik, mitten im Wald und es ist dunkel und mit diesem Typ! Er sagt ihr, sie solle immer geradeaus gehen und das tut sie auch. Auf die Idee, jetzt im dunklen Wald wegzurennen, kommt sie schon gar nicht mehr und trottet nur noch voran und betet, dass er sie gehen läßt und ihr nichts Schlimmes tut. Sie hat noch immer die Hoffnung, dass er nur ihr Geld nimmt. Ich meine, wer nimmt in dieser Situation schon das Schlimmste für sich selber an, also bitte?! Da hofft doch jeder für sich!
Irgendwann, nachdem sie ein paar hundert Metern gelaufen sind, halten sie vor einer großen Eiche an und er sagt ihr, sie solle sich vor den Baum stellen. Sie bietet ihm noch ein letztes Mal ihr Geld an, aber er lehnt es wieder ab. Dann stehen sie so da und er schaut sie an und nach einer Weile sagt er, sie solle ihre Jacke und ihren Pulli ausziehen. Sie schüttelt erschreckt den Kopf und weigert sich, das zu tun. Er hebt die Pistole vor ihr Gesicht und meint, dass er ihr in den Kopf schieße, wenn sie nicht tue, was er sagt. Sie fängt an zu weinen und schüttelt weiter den Kopf, aber beginnt dann doch den Rucksack abzulegen und zieht auch die Jacke aus. Aber dann stoppt sie wieder. Er spannt den Hahn vom Revolver und darauf zieht sie sich auch noch den Pulli aus, dass sie nur noch im BH vor ihm steht. Sie verschränkt die Arme, weil ihr bitter kalt ist und sie weint, weil sie Angst hat, was jetzt kommen mag. Aber er fordert nicht, dass sie sich weiter auszieht, sieht sie nur schweigend an. Dann irgendwann fragt er sie, wo sie herkomme. Sie versteht nicht und sagt mit Tränen, sie sei hier in dieser Stadt geboren. Er schüttelt den Kopf und sagt Nein, wo sie eben mit der Bahn hergekommen sei. Sie antwortet, dass sie bei der Nachhilfe war. Er fragt, ob sie nicht gut in der Schule sei. Sie sagt, es gehe so. Nur in Mathe und Physik sei sie nicht so gut. Und dann sieht sie ihn schweigend an. Plötzlich fragt er sie, ob sie noch Geschwister habe. Sie antwortet, dass sie noch einen jüngeren Bruder habe. Er will wissen, ob sie ihren Bruder mag und sie vergißt für einen kurzen Moment ihre Angst und erzählt ihm, dass sie zwar manchmal streiten, aber sie möge ihren Bruder natürlich schon. Und als er dann nach dem Namen des Bruders fragt und sie den Namen nennt, fängt sie wieder an zu weinen und will gar nicht aufhören. Er wartet, bis sie sich wieder ein wenig gefangen hat und fragt sie dann nach ihren Hobbys. Muss man sich vorstellen: Sie stehen da im dunklen Wald, sie nur im BH, er mit Pistole in der Hand und er fragt nach ihren Hobbys! Aber gut, sie antwortet und erzählt schüchtern, dass sie gerne male. Und dass sie im Winter gerne mit ihren Freundinnen Schlittschuhlaufen gehe und im Sommer dann Inline-Skater fahren. Ob sie gut darin sei, interessiert es ihn. Sie meint, es gehe so. Und weil sie plötzlich ihre Chance sieht und wieder Hoffnung schöpft, fängt sie an zu erzählen und berichtet, dass sie sogar eine Dauerkarte für die Schlittschuhbahn habe, das koste weniger auf den ganzen Winter gerechnet. Und dann will sie von ihm wissen, ob er schon mal Schlittschuh laufen war. Er verneint das. Ob er denn noch nie mit seiner Klasse bei einem Ausflug auf die Schlittschuhbahn gegangen sei, fragt sie. Er läßt eine Weile mit seiner Antwort warten und sagt dann, er habe die Ausflüge früher immer geschwänzt. Er sei nie oft in der Schule gewesen. Er sei lieber woanders gewesen. Dann herrscht Schweigen. Er fragt sie, ob sie sich in ihrer Klasse wohl fühle. Sie nickt vorsichtig und erzählt, dass sie viele Freundinnen habe. Und nach einer Weile fährt sie fort und sagt, dass sie nur Angst habe, eines Tages sitzen zu bleiben und ihre Freundinnen dann zu verlieren. Dann fragt er sie, ob sie einen Freund habe. Sie schüttelt den Kopf. So unterhalten sie noch ein paar Minuten, bis dann irgendwann wieder Schweigen ist. Dann bricht sie die Stille und fragt, ob sie sich wieder den Pulli anziehen dürfe, weil ihr so kalt sei. Aber anstatt ihr das zu erlauben, sagt er zu ihr, sie solle jetzt noch den BH ausziehen. Sie fängt erneut an zu Weinen und bittet ihn inständig, das nicht tun zu müssen. Und irgendwie scheint ihn das zu überzeugen und er erlaubt ihr, sich wieder anzuziehen. Dann meint er zu ihr, dass sie jetzt gehen könne. Hintereinander laufen sie den Weg durch den Wald zurück. Sie kann noch gar nicht recht glauben, dass sie wirklich davon kommt und betet, dass es das jetzt gewesen ist. Beide steigen wieder über den Zaun und er schlägt ihr vor, sie nach Hause zu fahren. Sie lehnt das ab und meint, sie möchte lieber zu Fuß gehen. Dann holt er wieder die Waffe raus und sagt, dass sie mit ihm zu seinem Auto gehen solle, das er dort am Waldrand geparkt hat. Sie laufen zum Auto und sie steigt neben ihm ein und setzt sich auf den Beifahrersitz und schnallt sich an. Er fährt los und als sie auf den Straßen sind, erklärt sie ihm, wie er fahren muss, um zu ihr nach Hause zu kommen, obwohl ich glaube, dass er das sowieso wußte. Sie fahren und es ist still und er schaltet Musik an. Nach fünf Minuten sind sie in ihrer Straße und er hält fünfzig Meter von ihrem Haus entfernt und sagt, dass sie jetzt gehen könne und dass er ihr nicht habe weh tun wollen und dass es ihm leid tue. Sie steigt aus und bedankt sich sogar noch leise, dass er sie nach Hause gefahren hat. Als sie die Tür zumacht und von dem Wagen weg läuft, wird ihr das Ganze erst wirklich klar, und sie fängt an zu rennen, immer schneller und schneller und holt schon im Rennen den Schlüssel raus und dreht sich noch mal um, aber da ist er schon weg, trotzdem rennt sie weiter und als sie bei ihrem Haus angekommen ist, schließt sie die Tür so schnell auf wie es nur geht und rennt die Treppen nach oben und dann stürzt sie in die Wohnung und fängt an zu weinen als ihre Eltern kommen und sie beginnt schluchzend ihnen alles zu erzählen, was passiert ist. Bis auf dass sie sich ausziehen mußte, das sagt sie erst später der Polizei. Dort rufen die Eltern dann gleich an und so weiter und so fort...
Soweit sie.
Und er? Tja, er muss schnell weggefahren sein, nachdem sie ausgestiegen ist. Den Rest haben sie dann irgendwie rekonstruiert. Er ist zur nächsten Tankstelle gefahren, hat sich da Alkohol gekauft, sich wieder in den Wagen gesetzt und sich auf der Fahrt betrunken. So fährt er dann noch drei Stunden durch die Gegend, ohne dass ihn jemand gestoppt hätte. Irgendwann fährt er dann weiter raus aus der Stadt und parkt auf einen abgelegen Parkplatz am Stadtrand. Dort trinkt der den Rest vom Alkohol. Dann gegen ein Uhr Nachts nimmt die Pistole in seine Hand, steckt sich den Lauf in den Mund, drückt ab und erschießt sich. Am nächsten Morgen findet ihn dann die Müllabfuhr dort tot in seinem Wagen. So ist das geschehen. Das ist die Geschichte.

 

Hallo un_idiota!

Erst mal willkommen bei kg.de.

Hm... ich weiß nicht so recht, was ich von der Geschichte halten soll, denn ich kann mir das merkwürdige Verhalten des Entführers nicht erklären und weiß nicht, was er bezwecken wollte.

Irgendwie kam während des Verlaufs der Geschichte schon Spannung auf, weil der Leser unbedingt wissen will, wie es weitergeht und was als nächstes passiert, das Ende halte ich dann aber für recht unspektakulär.

Du schreibst den Text als Beobachterin in der "Ich-Form". Die gewöhnliche Erzählform hätte mir besser gefallen. Auch etwas "Wörtliche Rede" wäre nicht schlecht gewesen, um den Dialog der beiden noch realistischer erscheinen zu lassen.

An einigen Stellen kam mir die Protagonistin etwas naiv vor, sodass ich einige Verhaltens- und Denkweisen nicht ganz nachvollziehen konnte.
Aber ich war zum Glück noch nicht in einer derartigen Situation, so dass ich nicht weiß, wie ich an der Stelle der Protagonistin reagiert hätte.
Besser hätte es mir gefallen, wenn du sie übrigens namentlich benannt hättest. So hätte man sich noch besser in die Situation hineinversetzen können.

Einige Zwischenbemerkungen wie

Na, was ein Scherzbold, richtet eine Pistole auf sie und sagt, sie brauche keine Angst zu haben! Na, wie auch immer
empfand ich als störend, weil sie den Ernst der Lage verharmlosen.

Die ersten sechs Zeilen hätte man drastisch kürzen können. Nichts dagegen, wenn du etwas ausführlich und detailgenau beschreibst, im Gegenteil, aber wenn es sich mehr oder weniger um Wiederholungen handelt, kann das für den Leser leicht abschreckend sein. Vor allem bei den ersten paar Zeilen, denn aufgrund dessen Inhalt entscheiden sich viele Leser, ob sie die Geschichte zu Ende lesen oder nicht. Der Anfang muss also gut rüberkommen.
Außerdem ist es eigentlich ziemlich egal, was es für ein Wochentag war. Vor allem bei Kurzgeschichten sollte man sich auf das Wesentliche beschränken.

Insgesamt finde ich, dass die Ansätze nicht schlecht sind, der Geschichte aber etwas fehlt, weil sie am Ende ziemlich abflacht.
Sie ist weder besonders unterhaltend noch hat sie eine tiefgründigere Bedeutung. Weiß nicht, ob du mit der Geschichte beim Leser etwas bestimmtes bezwecken wolltest.

Gerne hätte ich dir eine etwas positivere Kritik geschrieben, aber ich denke, dass dir eine ehrliche Meinung über "die wahre Geschichte" lieber ist.

In diesem Sinne

Viele Grüße, Michael :)

 

Hi un_idiota!!!

Ich bin in einigen Punkten nicht der Meinung Michaels, deine Geschichte ist nicht so schlecht. Nagut, es mag bessere geben.
Den ersten Abschnitt mit den Wochentagen fand ich orginell und nicht abschreckend.
Die Geschichte wirkt teilweise harmlos, die Gefahr der Situation hättest du noch besser darstellen können.

Dort rufen die Eltern dann gleich an und so weiter und so fort...
Dieser Satz am Ende gefällt mir nicht. "Und so weiter und sofort" hört sich so an, als ob du gernervt wärst und keine Lust hättest weiter zu erzählen. Lass dies am besten einfach weg und setzte nur die drei Punkte, das reicht vollkommen.

Dass der Entführer und "fast Vergewaltiger" sich komisch verhält und irgendwie anderes handelt als der Leser es erwartet macht doch das Interessante der Geschichte aus. Außerdem sind solche Leute immer auf eine Weise krank, sonst würden sie sowas nicht tun, und dass Kranke sich anders verhalten als es "normal" wäre, stimmt doch.

Bis auf den letzten Aschnitt erinnert mich deine Geschichte an die Sendung XY ungelöst, an ein rekonstruiertes Geschehen wo dann Hinweße von der Bevölkerung gesucht werden um den Täter zu fassen.

liebe Grüße

ciao

Kaschi

 

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