Die Waffen einer Frau
Mit einem Mal ist Emil wach. Seine Augenlider schlagen hektisch umher und versuchen verzweifelt den Massen an einfallendem Licht Herr zu werden. Fortwährend explodieren Lichtpunkte auf seiner Netzhaut und führen einen wilden Ausdruckstanz mit sich ständig verändernden Konstellationen auf. Seine unteren Rückenwirbel schreien auf, als er vorsichtig versucht sich etwas aufzurichten. Emil kommt es so vor, als würde ein voll beladener Schwertransporter sein Rückgrat entlang rumpeln und mit Höchstgeschwindigkeit in seine Hirnwindungen krachen.
Langsam fängt er an, seine Umgebung wahrzunehmen, die immer noch völlig überbelichtet wirkt und ihm dazu noch seltsam unvollständig erscheint.
Ihm gegenüber sitzt Augustin. Soviel ist schon mal klar.
Irgendetwas scheint seinem Freund gehörig gegen den Strich zu gehen. Wild fuchtelt er mit seinen Bauarbeiterpranken in der Luft herum. In regelmäßigen Abständen kracht seine rechte Hand mit einem dumpfen Scheppern gegen die Scheibe ihres Abteils. Emil schmerzt es schon vom bloßen Zusehen, während Augustin es nicht einmal zu bemerken scheint, so vertieft ist er in seine Ausführungen.
Seine Gesichtsmuskeln wiederum veranstalten ihr ganz eigenes Schauspiel. Sie lassen Augustins Gesicht wie das eines ungläubigen, staunenden kleinen Kindes wirken, das gerade zum ersten Mal bemerkt dass ein Dreirad bergab einen Affenzahn draufkriegt, nur um im nächsten Moment eine hässliche, hasserfüllte Fratze hervorzuzaubern, die der von Jack Nicholson in Shining in Nichts nachsteht.
Erst vor ein paar Stunden hat Augustins Temperament die Beiden in eine Massenschlägerei vor dem Mad House verwickelt. Auf der einen Seite die Masse, auf der anderen Seite Augustin – und leider auch Emil. Stündlich grüßt das Murmeltier. Emil möchte aus purer Verzweiflung laut loslachen. Aber schon das erste Zucken in seinen Mundwinkeln versetzt den Schwertransporter in seinem Kopf wieder in Bewegung.
Dieser Geräuschpegel!
Augustins Lippen bewegen sich. In schneller Abfolge öffnet und schließt sich sein Mund. Dabei verlassen ununterbrochen, förmlich salvengleich und ohne erkennbare Unterbrechung, neue Worte seinen Mund – zusammen mit feinen Speicheltröpfchen und einer Alkoholfahne, die Harald Juhnke alle Ehre gemacht hätte.
Angespannt verfolgt Emil das Schauspiel, das sich ihm darbietet.
Er sieht die Worte die aus dem Mund seines Freundes kommen, aber er hört sie nicht. Sein Gehirn versucht ihm krampfhaft zu vermitteln, was gerade vor sich geht.
Dieser unglaubliche Geräuschpegel!
Emil kann keinen klaren Gedanken fassen. Irgendwer hat scheinbar schon vor geraumer Zeit beschlossen, jegliche Kommunikation in dem Waggon zu unterbinden und zu diesem Zweck die Konzertanlage von Rock am Ring zwischen den Sitzen installiert.
Mit einem Mal ist es ganz still in Augustins Gesicht - keine Regung mehr. Nur noch ein fragender Blick. Als hätte dieses klare Blau, das ihn gerade fixiert übernatürliche Kräfte, setzt mit einem Mal Emils Gehirnaktivität wieder ein.
Erste Erkenntnis: Er trägt Kopfhörer.
Zweite Erkenntnis: Die Dinger sind scheinbar an ihrer absoluten Belastungsgrenze.
Leiser – er muss die Musik leiser machen! Sofort! Hektisch klopft er seine Jacke ab, um sein Smartphone ausfindig zu machen. Irgendwie muss er im Schlaf die Lautstärketaste eingeklemmt haben. Er nimmt die Lederpolster von seinen Ohren.
„Was?“
„Wie, was? Hast du nisch das Plakat von diesem Sohn einer Henne gesehen, gerade eben?“, fragt Augustin ihn völlig entgeistert. „Boahr, wenn isch nich so besoffen wär´, isch schwöre Dir, ich hätt die Bahn angehalten und dieses kack Plakat von der Laterne gerissen! Dieser rechts-populistische Hassprediger! - Dein Auge sieht übrigens gar nisch gut aus.“
Unbewusst greift sich Emil mit der rechten Hand in sein Gesicht. Er meinte dort ein Geröllfeld auszumachen, das sich rund um sein Auge zu erstrecken scheint. Die Berührung lässt seinen Kopf explodieren. Für einen Moment tanzen die Sterne wieder vor seinen Augen.
„Is escht schon dunkelblau man!“
„Welche Station?“, bringt Emil zwischen zusammengepressten Zähnen hervor.
„Wie welsche Station?“
„An welcher Station sind wir als Letztes vorbei gefahren? Wie weit ist es noch? Ist doch nicht so schwer zu verstehen, die Frage!“, schleudert ihm Emil aufgebracht entgegen.
„Hä? Das is doch mal so was von egal! Disch kümmert´s scheinbar überhaupt nisch, dass hier alles vor die Hunde geht, ne?“, brüllt Augustin völlig aufgebracht und lässt das gesamte Abteil an seinen Ausführungen teilhaben. „Wenn dieser Phrasendrescher wirklich Bürgermeister wird und danach sieht´s ja wohl nun verdammt noch mal aus, weil in diesem Kaff ...“
Er schaut sich aufgebracht im Abteil um, wendet sich aber dann doch wieder seinem Freund zu.
Emil sehnt sich mit einem Mal danach, einfach wieder einzuschlafen. Zumindest tut ihm sein Gehirn den Gefallen und stellt den Dienst zu großen Teilen ein.
Augustins Stimme ist mit einem Mal nur noch ein leises, störendes Knarzen im Hintergrund, während Emil sein zwei Wochen altes Galaxy S5 aus der Tasche fingert und ungläubig auf das ramponierte Display starrt. Feine Risse breiten sich von der Bildschirmmitte aus und werden zum Rand hin immer größer. Nur noch mit Mühe erkennt er die Uhrzeit.
7.33 Uhr
Er sehnt sich nach seinem Bett und der flauschigen Biber-Bettwäsche. Wer weiß, vielleicht würde er sogar wieder von Helene Fischer träumen? Zumindest würde er keinen Gedanken mehr an diese katastrophale Nacht verschwenden.
Hatte jemand Notiz von ihnen genommen? Mit seinem verbliebenen Auge versucht er herauszufinden, ob Augustins politisches Geschwalle für Ärger mit einem der Fahrgäste sorgen könnte.
Die Plätze direkt neben ihnen sind frei. Kein Wunder. Augustin hat sich so breit gemacht, dass kein Anderer mehr daneben gepasst hätte. Dazu besteht aber auch keinerlei Notwendigkeit. Außer ihnen sitzen nur noch drei weitere Personen im Waggon. Alle drei kennt er vom Sehen. Er wohnt wirklich in einem gottverdammten Dorf.
Am anderen Ende, direkt vor der Zugführerkabine sitzt der Stille Schmidt aus seiner Nachbarschaft, versteckt hinter seiner BamS. Bestimmt einer von denen, die diesen rechts-konservativen Arsch Schieling am kommenden Sonntag wählen würden, auch wenn er das natürlich nie und nimmer öffentlich kundtun würde. Emil ärgert sich. Augustin hat es wieder einmal geschafft, seine Gedanken zu lenken.
Dem alten Greis schräg gegenüber schlägt ein paar Sitze weiter eine Pennerin ihren Kopf in regelmäßigem Abstand gegen die Scheibe. Ihre fettigen Haare hinterlassen dabei jedes Mal einen Schmierfilm auf der Scheibe zurück. Völlig in sich gekehrt sitzt sie da, mit ihrer, in all den Jahren auf der Straße ganz speckig gewordenen Daunenjacke, die in einer Tour ihre letzten verbliebenen Federn verliert. Unverständliches Zeug brabbelnd, unterhält sie sich mit sich selbst. Ging es nach Schieling, würde sie wohl bald nicht mehr mit der Bahn fahren.
Nur eine Sitzreihe entfernt hat eine ältere Frau mit dem Rücken zu Augustin und Emil Platz genommen. Auch sie sieht er regelmäßig auf dieser Linie. Emil schätzt sie auf Ende Vierzig.
Trotz der frühen Stunde sitzt sie ganz und gar aufrecht auf ihrem Platz. Die Beine eng beieinander. Das Kreuz durchgestreckt. Ihre Handflächen ruhen auf dem bordeauxfarbenen Leder ihrer Handtasche, die auf ihrem Schoß liegt. Alles an ihr wirkt seltsam erhaben findet Emil. Er hat noch nie mitbekommen, dass sie sich mit jemandem unterhielt. Scheinbar machte sie sich nicht viel aus belangloser Plauderei.
An diesem Morgen scheint allerdings irgendetwas anders an ihr.
Ruckartig hält die Bahn und reißt Emil aus seinen Gedanken. Er hatte gar nicht bemerkt, wie sie in die nächste Station eingefahren waren.
Die Türen öffnen sich.
Die Frau, über die er sich eben noch Gedanken gemacht hatte, erhebt sich langsam, streift ihre Handtasche über den Arm, präzise bis zur Armbeuge und geht mit sicherem Schritt langsam Richtung Tür. Emil kommt es so vor, als würde eine Ewigkeit vergehen.
Für einen Moment sieht es so aus, als würde der Schließmechanismus ihr zuvor kommen. Die Tür verharrt jedoch in ihrer Position, bis die Frau sich auf dem Bahnsteig befindet. Fast so, als hätte sie Angst mit ihr in Berührung zu kommen.
Sie steht nun direkt vor dem Fenster an dem Emil sitzt. Zum ersten Mal bemerkt er, wie groß sie ist. Er schätzt, dass sie sogar Augustin um wenige Zentimeter überragt – und das will schon etwas heißen.
Die Bahn fährt wieder an. Für einen Moment hat Emil das Gefühl, dass die Frau ihn fixiert. Trotz des Make-ups sind die zahlreichen kleinen Schnittwunden die sich über ihre gesamte linke Gesichtshälfte verteilen zu erkennen.
Gänsehaut breitet sich auf seinen Unterarmen aus. Er fröstelt. Mit einem Mal ist er hellwach. Die Frau hatte heute irgendetwas Seltsames an sich.
„Hast du diesen Blick gesehen?“
Augustins Stimme riss Emil aus seiner Starre.
„Wie von einem Menschen der nichts mehr zu verlieren hat“, nuschelt Augustin durch seine vorgehaltene Hand.
***
Wie gerne hätte sie jetzt eine Zigarette. Sie hätte sie nicht einmal rauchen müssen. Das Gefühl zwischen ihren Fingern alleine würde ausreichen, um sie zu beruhigen, da ist sie sich sicher. Fast unmerklich betastet sie das bordeauxfarbene Leder, in der Hoffnung, sie würde die Konturen einer Zigarettenschachtel zu spüren bekommen. Vergeblich – das ist ihr bewusst, doch die Suche lenkt ihr Gedankenkarusell in eine andere, angenehmere Richtung – wenigstens für den Moment. Für einen Augenblick spielt sie mit dem Gedanken, die harte Arbeit der letzten Jahre über Bord zu werfen und sich ein Päckchen zu kaufen. Auf dem Weg nach oben war sie aber an keinem Automaten vorbeigekommen, für so etwas hatte sie immer noch einen guten Blick.
Ihre Augen suchen die Umgebung ab. Die Laternen tauchen den Asphalt in den frühen Morgenstunden noch in ein warmes Licht. Die Straßen sind an diesem Sonntagmorgen noch beinahe ausgestorben. Es ist noch zu früh für den typischen Soundtrack einer Stadt in der nichts schnell genug zu gehen schien. Mitten auf der Kreuzung macht sich ein einsamer Arbeiter am Verteilerkasten der Ampelanlage zu schaffen. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite entdeckt sie ein mannshohes Werbeplakat von Schieling. „Ordnung schaffen“ steht in großen weißen Druckbuchstaben neben seinem Konterfei geschrieben. Mit einem, für ihn typischen, entschlossenen Ausdruck im Gesicht scheint er die Botschaft förmlich doppelt unterstreichen zu wollen. Mit jedem Aufblinken der Ampel wird das Plakat in rotes Licht getaucht, das seiner Aura etwas diabolisches, ja Furcht einflößendes verleiht.
In Gedanken verpasst sie sich selbst eine schallende Ohrfeige. Jetzt ist nicht der richtige Moment, um die Kontrolle zu verlieren – wenn es ihn denn je gab. Es gilt, den Plan im Auge zu behalten. Sie darf nicht scheitern – auf keinen Fall.
Bis tief in die Nacht hatte sie im Arbeitszimmer an dem Modelflugzeug gesessen. Nicht, dass sie sich sonderlich für die Maschine interessiert hätte, deren Einzelteile sie da zusammensetzte, das war immer die große Leidenschaft ihres Vaters gewesen. Aber die Präzisionsarbeit half ihr dabei einen klaren Gedanken zu fassen und das war längst überfällig gewesen.
An die ordinäre Ausdrucksweise, die herablassende, menschenverachtende Art und die wiederkehrenden Wutanfälle, die bis in den Flur und die angrenzenden Büros zu hören waren, hatte sie sich in den Jahren gewöhnt. Sie verstand schließlich etwas von ihrem Job. Aber als der alte gusseiserne Locher direkt neben ihrem Gesicht die Scheibe durchschlug, war eine Grenze überschritten.
Als sie den letzten Teil des Flügels angebracht und fixiert hatte, stand ihr Entschluss fest. Es würde ein ungleicher Kampf werden, aber sie wusste, wo sie ihn treffen konnte. Und sie war vorbereitet.
Das zusätzliche Gewicht in ihrer Handtasche machte sich bemerkbar. Ihr Unterarm war an den Stellen, an denen die Henkel auflagen schon ganz taub und brannte. Das Holzkästchen war etwas zu groß und fühlte sich wie ein Fremdkörper zwischen den Utensilien an, die sie für gewöhnlich bei sich trug. Immerhin hat sie das Gefühl, dass die feine Holztäfelung einen zusätzlichen Sicherheitsabstand bot. Sie wollte nicht früher als irgendwie nötig mit dem Inhalt in Berührung kommen, obwohl sie sich im Klaren darüber war, dass er ihre einzige Chance war.
Sie ist drinnen. Hatte die Drehtür mit dem Gefühl, von den Augen Schielings verfolgt zu werden passiert. Noch herrscht völlige Stille in dem Gebäude. Durch das kalte Neonlicht der Deckenbeleuchtung scheint sie noch verstärkt zu werden.
Der Empfangstresen liegt ein gutes Stück weiter im Gebäudeinneren, gleich neben den Sicherheitsschleusen. Für einen kurzen Moment spielt sie mit dem Gedanken umzudrehen, wieder nach Hause zu fahren und ihre gewohnte Sonntagsroutine aufzunehmen. Doch das ist jetzt nicht mehr möglich, das weiß sie. Wie zur Bestätigung hebt der Beamte, der hinter dem Tresen sitzt in diesem Moment seinen Kopf und schaut erstaunt in ihre Richtung.
Als sie mit schnellen Schritten beginnt die Halle zu durchqueren, erhebt der Wachmann sich langsam aus seinem Stuhl. Er ist um einiges älter als sie. Die schwerfälligen Bewegungen, mit denen er seinen Körper versucht aufzurichten, lässt sie vermuten, dass er sich nach der Rente lediglich etwas hinzu verdient. Niemand von der Stammbelegschaft, da ist sie sich sicher. Das ausgebildete Sicherheitspersonal würde erst später eintreffen. Er war eher so eine Art Nachtwache.
„Ja, bitte?“
Sie steht dem Wachmann, der sie mit einer Mischung aus Neugier und Argwohn versucht einzuordnen, jetzt direkt gegenüber und sammelt sich einen Moment. Die beiden trennt nur der lange Empfangstresen, auf den sie jetzt ihre Tasche stellt, was ihr augenblicklich mit einer wolligen Wärme gedankt wird, die von ihrem eingeschlafenen Unterarm ausgeht und in Sekunden in die übrigen Teile ihres Körpers kriecht. Mit der Wärme erfasst sie eine tiefe Zuversicht.
„Wie kann ich Ihnen helfen?“
Dem Wachmann ist seine Unsicherheit deutlich anzumerken. Während seiner Schicht hatte er in der Regel sicherlich kaum Kontakt zu anderen Menschen. Eine adrett gekleidete Frau, die an einem frühen Sonntagmorgen das Gebäude betrat, musste auf ihn fast wie ein Gespenst wirken.
Seine linke Hand befindet sich außerhalb ihres Blickfeldes unter dem Tresen. Sicherlich um im Fall der Fälle den Alarm auszulösen, schätzt sie. Doch soweit würde es nicht kommen.
Sie lässt sich von den misstrauischen Blicken des Wachmanns nicht beirren und öffnet langsam ihre Tasche, um die mit feinem Teakholz vertäfelte Box, die von ihrem Großvater stammte herauszuholen. Lange Jahre hatte sie geduldig in der Schublade gelegen und darauf gewartet benutzt zu werden. Für einen kurzen Moment fühlt sie sich wieder in ihre Kindheit zurückversetzt, doch dann überlagert das Wissen um den Inhalt diesen schönen Gedanken und die Faszination verfliegt genau so schnell, wie sie gekommen war. Sie konzentriert sich wieder auf den Plan, stellt die Box auf den Tresen, betätigt den Sicherheitsverschluss und klappt den Deckel mit einer schnellen Bewegung auf.
„Ich möchte zum Bürgermeister.“
Ihr Gegenüber, das die letzten Sekunden mit einer wachsenden Ungeduld darauf gewartet hatte, dass sie ihr Anliegen vortrug, scheint sie gar nicht zu hören. Sein Blick richtet sich auf das, was sie nun in den Händen hält. Für einen kurzen Moment setzt seine Atmung aus. Die Situation überfordert ihn vollends. Er wünschte sich in diesem Augenblick nichts sehnlicher, als dass seine Schicht bereits vor einer halben Stunde zu Ende gewesen wäre, das stand ihm deutlich ins Gesicht geschrieben.
„Rufen Sie den Bürgermeister. Jetzt!“
Ihre Stimme lässt keinen Zweifel daran, dass es ihr Ernst ist.
Sichtlich neben der Spur sucht die Hand des Wachmanns nach dem Telefonhörer, ohne dabei die hochgewachsene Frau, die vor ihm steht auch nur für einen Moment aus den Augen zu lassen. Scheinbar wahllos drückt er eine der vielen Tasten auf der Telefonanlage.
Sie warten. Mit einem Mal geht ein Ruck durch den Körper des Wachmanns und für einen Sekundenbruchteil sieht es so aus, als würde er die Balance verlieren.
„Herr ... Herr ... verzeihen Sie. Herr Bürgermeister ...“, er verhaspelte sich mehrfach, bevor er fortfährt „hier am Tresen steht eine Frau mit ... mit ...“
„... einem USB-Stick“, vervollständigt sie den Satz für den alten Mann, der am Ende seiner Kräfte zu sein schien.
Der Bürgermeister scheint als Erster seine Sprache wiederzufinden und gibt dem Wachmann offenbar Anweisungen, wie weiter zu verfahren sei.
„Wie ist denn ihr Name?“, fragt der Wachmann sie jetzt wieder etwas gefasster. Die Anweisungen des Bürgermeisters scheinen dem aufregenden Morgen in seinen Augen wieder etwas Struktur zu geben.
„Ramona Schneider. Ich war bis gestern die Sekretärin von Herrn Schieling. Und wenn der Herr Bürgermeister am nächsten Sonntag nicht ruhmlos das Feld räumen möchte, dann sollte er jetzt herunterkommen und sich die Informationen ansehen, die ich ihm mitgebracht habe.“