Die Waffe des Artifex Aeris
Es war in den Tagen, als Soniana mit ihren Gefährtinnen noch oft Wald und Flur durchstreifte. Häufig zogen die Selterszwerge durch die Lande um ihre Kleinodien mit den Sterblichen zu tauschen. Zahlreiche Elben wanderten in den Wäldern, die allemal größer und dichter als heute waren. Lange schon waren die Väter der Traven an den nördlichen Küsten gelandet. Die Lande Nesserils lagen im Abendrot. Das große Reich war lange vergangen aber nicht vergessen, Nesserils Vok war in kleine Ansiedlungen zertreut. Viele der prächtigen Tempel und Festen waren bereits verfallen und jene, deren Mauern noch standen, wurden im Sturm der Traven zerstört. Die Traven im Norden waren reich an Zahl geworden und ihre Reiter trugen die Banner des Wigagodr, den wir heute Vigar nennen. Nesserils Bewohner waren furchtsam und im Laufe der Jahre auch schwach geworden, sodass die Traven leicht ihre Städte brandschatzen konnten. Laut waren die Schreie jener Gefangenen, die Wigagodr geopfert wurden, und mit jedem Opfer, das sie ihrem Gotte brachten, stieg ihr Kampfesmut und auch Wigagodrs Wohlwollen.
Die wenigen, die dem Raubzug der Traven entkommen konnten, versteckten sich in den Wäldern. Beileibe viele wurden Opfer des wilden Getiers, der Bären, Wölfe und Chi-Tas und zahlreicher Geschöpfe, deren Namen schon zur Zeit der Drakmannenkaiser vergessen waren. Doch einige, wenige schlugen eine Lichtung im tiefen Wald und ließen sich dort nieder. Die Traven, die oft zur Jagd gingen, konnten sie allerdings nicht finden. Mit allerlei Buschwerk machten sie ihr Heim für deren Augen unsichtbar.
Unter ihnen war ein Mann, den man in der alten Sprache Artifex Aeris nannte, was Meister des Erzes bedeutet. Sein Geburtsname ist heute längst vergessen. Artifex Aeris hatte lange gelesen in den uralten Schriften Nesserils, die heute längst zu Staub verfallen sind, groß war sein Wissen um längst vergessene Künste. Er war wohl der letzte große Weise Nesserils. Doch sein Herz war bitter geworden, als er das Land in den Händen der Fremdlinge sah. Sein Geist wahrlich war stark, ebenso wie seine Hand geschickt war. So nahm er das Holz der jahrtausende alten Bäume und entzündete ein Feuer, in diesem begann er Eisen, Gold und längst vergessene Steine, die älter sogar waren als Grold, zu schmelzen. Und während die Metalle köchelten, erweckte er einen Dämon, ein uraltes, mächtiges und bösartiges Wesen, aus seinem langem Schlaf.
Der Dämon kroch aus den Gebeinen der Welt hervor und sogleich versuchte dieser Artifex Aeris zu erschlagen. Doch der Dämon war in den Altern seines Schlafes schwach geworden, doch Artifex Aeris war jung und kräftig. Nun rangen sie um den Scheiterhaufen, und die Gefährten des Meisters erschracken und flohen. Doch nach vielen Stunden konnte Artifex Aeris den Dämon in das Feuer werfen, direkt in das köchelnde Metall. Genau wie es sein Plan gewesen war, war es geschehen. Lauthals schrie das Wesen und mischte sich mit den Metallen. Der listige Schmied nahm eine Gusform und goß die glühende Flüssigkeit hinein.
So entstand eine gewaltige Waffe, doch noch war sie nicht vollendet. Erneut machte er sie heiß und schlug sie mit dem Hammer, auf dass sie hart und scharf wurde. Er schnitt sich schließlich die Adern auf um die glühende Waffe im eigenen Blut abzukühlen. Dies alles geschah in nur einer Woche und Artifex Aeris hatte kaum geschlafen und gegessen. So lag er blutleer und mit der mächtigen Waffe in Hand auf dem von der Asche schwarz gefärbten Waldboden, doch er wußte, das jeder, der die Waffe trägt von keinem Krieger erschlagen werden kann. Nun da seine Gefährten weder Schreie noch Hammerschläge hörten, kehrten sie zurück und sahen ihren Getreuen. Mehr tot als lebendig erzählte er ihnen die Geschichte und vertraute ihnen die Waffe an, ehe er starb.
Nun hatten die Erben Nesserils eine Waffe in der Hand, die die Seele eines Dämonen enthielt und allerlei mächtige Metalle, desweiteren erhöhte sich die Macht der Waffe, da sie mit dem Blut des Meisters abgekühlt wurde. Der Anführer der Gruppe nahm die Waffe an sich und wurde von ihrer glänzenden Pracht und der Stimme des Dämonen betört. Der urige Zorn des Dämonen ging auf den Träger der Waffe über und dem vom wilden Geist beseelten Krieger gelang es das versklavte Volk gegen die Traven aufzuwiegeln und sie begannen sie offen zu bekämpfen. Die Traven baten ihre Verwandten aus dem Norden um Hilfe und so konnten sie der Übermacht der Nesseriler Herr werden. Nur jener, der die mächtige Waffe trug, konnte als einziger nicht überwältigt werden, und dieser eine wütete nun allein und begann immer wieder kleine Gruppen von Nesserilern um sich zu sammeln.
So flehte nun der Häuptling jener Traven die unsterblichen Götter an. Und sie waren gnädig. Soniana schickte einen gewaltigen Bären, der den Aufständischen erschlug, denn so wurde der Zauber überlistet, der den Träger vor allen Kriegern schützte. Doch die Götter erkannten, dass etliche unter den Sterblichen die Macht der Waffe begehrten, deshalb versuchte nun Silto die Waffe zu zerstören, aber es mißlang ihm. Nun sagte Dail, es sei das Schicksal jener Waffe das Reich Nesserils neu zu erschaffen und man könne sie erst zerstören, wenn sich ihr Schicksal erfüllt habe, wenn nämlich Nesserils Pracht neu entstanden sei und die Reiche der travischen Völker vernichtet wären. Silto hörte die Worte und er fand heraus, dass er sie für lange Zeit aber nicht für die Ewigkeit unschädlich machen konnte. All sein Tun war nun nicht für die Ewigkeit, er schmolz sie zu einem Barren und die Kraft seines Feuers konnte nun das Schicksal der Waffe für ein Jahrhundert überwinden. Man versteckte den Barren in den Wäldern. Er wurde mit dem unsichtbaren Farnsamen bestreut, sodass er selbst unsichtbar wurde.
Alle hundert Jahre nun verwandelt sich der Barren zurück in die Waffe. Wenn es nun gelingt jene Feen und Waldgeister zu beschwören, die über das Farnkraut gebieten, so kann man die uralte Waffe finden und mit ihr Nesserils Pracht und Prunk widerherstellen, vorausgesetzt man entdeckt überhaupt den verwunschenen Wald in dem die Waffe des Artifex Aeris versteckt wurde. Doch dieser soll gewarnt sein, gewarnt vor dem Zorn des Tiori und seiner Getreuen und vor der Macht des Dämonen, der noch immer in der Waffe lebendig begraben ist.