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Die Wölfe am Fluss
Die Wölfe am Fluss
Es war ein warmer Tag im Mai.Die Bäume raschelten im Wind und die Vögel sangen Melancholische Lieder. Die Luft war geschwängert mit dem Duft von zahlreichen sprießenden Blumen und herrlich riechenden Pflanzen, Der sommerhaft warme Wind war erfrischend und der Duft von Pflanzen und Natur liessen die Lebensgeister erwachen.
An genau solch einem schönen Tag saß ein Junger Mann in einer großen Lichtung auf einem Hügel im Wald unter der Eiche wo er immer zu sitzen pflegte, und paffte eine lange Pfeife.Er schaute auf den grossen Fluss hinab und genoss in vollen Zügen den jungen Sommer, So tat er es immer wenn er sich in seiner Freizeit zurückzog und sich in den nahegelegenden Wald begab um dort dem Stadtleben für eine kurze Zeit zu entgehen. Franko war sein Name und er beobachtete verträumt wie ein kleines Rudel Wölfe unten am Fluss herumtollte, Die Älteren Wölfe lagen am Wasser und schliefen, oder spielten mit ihren Jüngsten. Die kleinen Wölfe jagten sich gegenseitig oder ärgerten die grossen, indem sie sie verspielt in den Schwanz bissen oder auf sie sprangen. Die grossen Wölfe liessen sich oft von der übersprudelnden Energie der kleinen Racker anstecken und machten meist mit. Sie rauften mit ihnen und bissen die kleinen verspielt in den Nacken oder jagten sich gegenseitig über die Wiesen. Sie schienen alle zufrieden und vergnügt.
Franko beobachtete sie manchmal den ganzen Tag. Er hielt sich fast immer in seiner Freizeit dort auf. Sofort wenn er aus der Schule kam spazierte er für einige Stunden im Wald herum und lauschte den Klängen der Natur. Sein Herz lachte bei jedem Gezwitscher der Vögel oder beim Rauschen von Wasser. Sogar dann, wenn es regnete. Er ging häufig abseits der Waldwege, denn er kannte sich schon sehr gut aus. Er kannte mittlerweile jeden umgeknickten Baumstumpf und Strauch. Schon in seiner Kindheit irrte Franko mit vorliebe in diesen Wäldern, bis er eines Tages das Rudel Wölfe am Fluss entdeckte. Seit Jahren tummelten sie sich schon dort, und sie waren immer da wenn er sich auf den mit grassbewachsenen Hügel unter die Eiche setzte und seine Pfeife stopfte.
Die Wölfe schienen ihn fast immer zu bemerken. Denn nicht selten kam es vor, dass sich ein Tier aus dem Rudel näher heranwagte, am Fuße des Hügels stellte und Franko neugierig beobachtete. Aber in letzter Zeit machten sie das nicht mehr. Er war sich zwar sicher, dass er noch immer von ihnen bemerkt würde, aber sie Franko einfach nur noch akzeptierten als sei er ein Teil von ihnen. Häufig hatte sich Franko überlegt den Hügel hinunterzugehen und sich direkt zu ihnen zu gesellen. Doch Franko wusste zwar, dass Wölfe für ihn die wünderschönsten Geschöpfe auf Erden waren, aber wusste er auch wie jedermann, dass sie nicht ungefählich sind. Er hatte keine Angst von ihnen gebissen oder angegriffen zu werden, Denn das würden sie niemals tun, da war er sich sicher. Viel mehr bereitete es Franko Sorgen wenn er sie ohne böse Absicht verscheuchen würde und sie niemals wieder kämen.Er blieb unter der Eiche sitzen und beobachtete sie nur und bliess Rauchringe aus seiner Pfeife.
Nach einer ganzen Weile legte er sie neben sich in den Rasen und breitete sich selbst auf der Wiese aus. Alle viere von sich beobachtete er den rötlichen Himmel.
"Es ist schon fast Abend und ich habe noch nichts gegessen,"hörte er erst sich selbst und dann mit einem lauten Gegrummel seinen Magen reden.
Franko schloss die Augen und lauschte dem vergnügten Fiepen der kleinen Wölfe die am Fluss spielten.
"Franko!",die Edylle schien mit einem mal zu zerreissen.Er kannte diese rauhe Stimme die seinen Namen krächzte. Es war Matis, der seit seinem Stimmenbruch vor einigen Jahren sich immer so anhörte.
"Ich weiss das du da irgendwo steckst!", krächzte er wieder.
"Ich bin hier", antwortete Franko etwas schroff. Matis hätte ihn früher oder später ja doch gefunden. Franko berehute es zutiefst, dass er seinen Freunden verriet, wo er sich die meiste Zeit aufzuhalten pflegte. Es dauerte nicht lange, da hörte Franko schon Matis Schritte wie er den Hügel hinaufstapfte. Franko machte keine Anstalten sich vom Rasen zu erheben oder die Augen zu öffnen. Er versuchte stattdessen verzweifelt, den letzten Rest der Naturedylle in sich aufzusaugen.
"Bist du vielleicht auch einmal Zu Hause zu finden?"keuchte Matis. Er schien ihn schon lange gesucht zu haben, denn er war ausser Atem. Er kannte zwar ungefähr den Platz wo sich Franko aufhielt, doch kannte er den Weg dorthin kaum. Denn bisher ist er nur einmal dort gewesen, weil er sich von Franko breitschlagen ließ, auch mal an diesen Ort der Ruhe zu kommen. Aber er empfand nicht im geringsten so wie Franko. Denn er hatte nichts anderes als Discos und Mädchen im Sinn.Was ja auch eigendlich für Leute seines Alters keineswegs ungewöhnlich war.
Matis setzte sich neben Franko in den Rasen. Er beobachtete ihn eine Weile und er befürchtete, Franko wäre eingeschlafen. Denn er machte immer noch keine Anstalten aufzustehen oder wenigstens die Augen zu öffnen. Dann aber entschloss sich Matis doch einfach darauflos zu plappern, denn er konnte diese wortlose Stille nicht leiden die Franko so genoss.
"Was machst du hier wieder. Bist du Vögel am beobachten, oder beobachtest du die Tiere beim Vögeln?" Matis unterdrückte dabei ein Lachen, aber er war der Einzige der diesen Witz lustig fand.
"Du wieder mal so lustig wie die Kräze Matis", erwiederte Franko halb flüsternd und er blieb immernoch reglos liegen.
"Immer diese Wölfe da zu beobachten, das ist doch lahm! Unternimm doch mal wieder was mit Mir, Paulo und Gregor. Wir haben immer gemeinsam abgehangen. Du tust doch nichts anderes mehr als deine dämliche Pfeife zu quarzen und hier zu sitzen bis dein Arsch wund wird."
Alles was Franko darauf erwiederte war ein langes und lautes Seufzen. "Das verstehst du sowieso nicht", antwortete er müde.
"Nein ich kapier es wirklich nicht! Und die Anderen auch nicht. Weder Gregor noch Paulo. Selbst die Mädels aus unserem Bekanntenkreis sagen du bist ein komischer Kauz. Wenn du überhaupt nochmal mit uns unterwegs bist, was ja schon wieder drei Wochen her ist, dann lachst du nie über irgendeinen Witz oder machst bei irgendeinem Blödsinn mit. Man könnte meinen du hast deine Emotionen verkauft. Aber wenn du hier hockst, dann lächelst du wie ein Honigkuchenpferd."
"Du redest und redest unentwegt Matis," entgegnete Franko gelassen."Hast du schon einmal den Mund gehalten und zugehört?"
"Wen denn?" fragte Matis und verzog eine Braue.
"Den Klang der Welt."
"Was ist das denn wieder für eine dämliche Halbweisheit?" Matis schien langsam genervt zu sein, aber das hatte Franko wohl beabsichtigt.
Nach zwei Vogelzwitscherklängen fur Matis fort,"Du bist so seltsam geworden als dein Alter krank geworden ist," nach diesen Worten schlug Franko blitzartig die Augen auf und erhob sich. Matis hatte sich fast erschrocken, denn er hatte keine so plötzliche und vorallem schnelle Regung erwartet.
"Lass meinen Vater aus dem Spiel Matis", erwiederte Franko plötzlich ziemlich schroff und griff nach seiner Pfeife und stopfte sie erneut.
"Und diese Pfeife steht dir überhauptnicht. Du bist achtzehn und keine achtundfünfzig!" Matis hasste es wenn Franko seine Pfeife rauchte. Warum hatte er aber niemals gesagt. Vermutlich hatte er auch keinen wirklichen Grund dafür. Es passte ihm einfach nicht.
"Dir muss es ja nicht schmecken, sondern mir," antwortete Franko wieder in einer gelasseneren Tonlage und schaute Matis nicht einmal dabei an sondern beobachtete wieder die Wölfe am Flussufer.
Eine ganze Weile passierte garnichts und es blieb still. Der Gesang der Vögel und das Rauschen des Windes und die Düfte der jungen Pflanzen kehrten wieder in Frankos Sinne ein. Aber wie zu erwarten war, erhob Matis doch wieder seine verrauchte Stimme, die Franko irgendwie an das gekrächtze der Raben erinnerte. Diesesmal aber klang sie viel leiser und wirkte beschwichtigend.
"Hör mal Franko, wenn es irgend etwas gibt womit du nicht zurechtkommst, dann rede doch mit irgendeinem darüber. Vielleicht hilft das ja. Ich meine ich habe dir doch immer zugehört wenn es irgend nen Ärger gab."
Franko setzte die Pfeife vom Mund und schaute einen Moment nachdenklich auf den Boden. Dann sah er das erste mal Matis in die Augen. Seine kurzen gegelten Haare, wasserstoffblond gefärbt, sein schmales und glattes Gesicht und die Augen so voller Leben. Ja, so hatte Franko auch einst ausgesehen. Flippig, jugendhaft und so voller Leben. Aber das lag lange zurück. Franko kam es vor als wäre es schon Jahrzehnte her. Dabei hatte er mittlerweile gerade mal etwas mehr als eines hintersich.
"Ich nenne es einfach beim Wort Franko. Das du so geworden bist ist einfach Scheisse man. Ich will das Du und ich wieder mal um die Häuser ziehen wie früher. Du warst damals immer so richtig gut drauf. Warum auf einmal jetzt nicht mehr? Es muss wegen deinem kranken Vater sein."
Matis war Frankos langjährigster Freund. Als sie beide noch zur Vorschule gingen waren sie fast immer zusammen und haben gemeinsam immer die Mädchen geärgert. Damals waren sie beide verrückte junge Rowdys. Daran erinnerte sich Franko immer gerne. Denn das waren Zeiten indem sein Leben einfach glücklicher verlaufen ist. Zumindest glaubte er das immer."Ich will dir helfen.So wie du und ich uns immer gegenseitig aus der Scheisse gezogen haben."
Traurig blickte Franko nun zu Matis, und sein Rücken war gebeugt,"Du kannst mir nicht helfen Matis, diesesmal nicht,"
Matis seufzte, "Dann ist dir einfach nicht mehr zu helfen," und erhob sich. "Gehst du wenigstens mit mir zusammen nach Hause, es ist bald dunkel. Du willst doch nicht bis tief in die Nacht hier hocken oder?"
"Nein," antwortete Franko müde und stand auf. Dabei beobachtete Matis das sich Franko wie jemand erhob, der schon mehr als ein halbes Jahrhundert erlebt hatte. Es fehlte nur noch, dass Franko so etwas sagte wie >oooohhh mein armes altes Kreuz<.
Sie verliessen den Hügel. Kurz bevor beide hinter der Kuppe verschwunden waren wandte sich Franko ein letztes mal um und schaute sehnsüchtig zum Fluss hinunter. Er seufzte wie jemand der zum letzten mal einen schönen Moment erlebt hatte und der nun unwiederbringlich verschwunden wäre.
"Was ist," drängte Matis, "kommst du jetzt oder was?"
"Ja, ja. Ich komme schon," gab Franko zurück und trottete hinter Matis her.
Es war schon fast völlig dunkel geworden als Franko durch seine Wohnungstür trat und seine Jacke an die Gaderobe hängte.
"Wo warst du denn solange Junge?" die müde Stimme seines Vaters klang zugleich besorgt, wie auch etwas erzürnt.
"Ich bin im Wald gewesen Vater", Franko trat in das Wohnzimmer und sein Vater sass auf einem Sessel vor dem Kamin und hatte ein Buch auf seinen Schoß liegen, und eine Pfeife in der rechten Hand haltend, die er gerade anzündete. Das wame rote Licht das aus dem Kamin strahlte, spiegelte sich schimmernd in seinem Gesicht wieder. Er setzte sich meist sehr nahe an den Kamin, denn das machte er schon seit jeher. Aber für Franko war es kochend heiss im Wohnzimmer und ihm kam es so vor als würde dazu noch die Heizung laufen.
"Soso", sprach sein Vater leise und warf das brennende Streichholz mit dem er seine Pfeife entzündete in den Kamin."Was machst du den ganzen Tag im Wald, hm?" Frankos Vater sah ihn fragend an. Als keine Antwort folgte fuhr er fort, "Ich fing an mir schon grosse Sorgen zu machen Junge."
"Ich bin achtzehn Vater," Franko hasste es immer wenn sein Vater so etwas sagte wie, >ich mache mir Sorgen um dich< oder, >Pass immer gut den Strassen auf wenn du im Dunkeln nach Hause kommst<.
"Ja, ich weiss, schloss Vater. Du bist kein Kind mehr Franko. Aber du bist immerhin mein Sohn." Dann nahm er das Buch von seinem Schoss und schloss es auf.
"Und überhaupt," platze es plötzlich Sekunden später aus ihm heraus und legte das aufgeschlagene Buch wieder auf die Knie. "Was gibt es denn da im Wald so tolles? Du hängst doch hoffentlich nicht mit irgendwelchen Leuten dort zusammen die irgendwas bestimmtes rauchen oder so was?"
"Nein!" antwortete Franko etwas erzürnt über diese unnötige Frage.
"Dann sag mir doch mal bitte was du den ganzen Tag dort treibst. Diese Wölfe begaffen? Junge das ist doch nicht gesund! Geh mit deinen Freunden lieber auf Partys und lern ein hübsches Mädel kennen mit der du deine Zeit verbringen kannst. Du distanzierst dich von all deinen Freunden, glaub nicht ich hätte das nicht bemerkt..." noch bevor sein Vater weitersprechen konnte bekam er wieder einen seiner Hustenanfälle, und das Buch auf seinem Schoss wurde von Blutspritzern übersäht. Franko eilte zum Arztneischrank im Schlafzimmer und brachte seinem Vater hastig ein kleines Fläschen mit weissen Ettiket. Sein Vater riss es ihm aus der Hand und nahm einfach einen Schluck, und der Husten liess kurzerhand nach.
"Scheisse," sagte er nur. "Dieses Buch hatte damals meinem Grossvater gehört, und ich ruiniere es. Wenn er das sehen könnte, dann würde er in seinem Grab rutieren." Er wiederholte das Ferkalwort noch einige male als er vom Sessel aufstand und sich in die Küche schleppte um dort mit einem trockenen Lappen sein Buch zu retten.
Franko brachte das Fläschen zurück in den Arztneischrank. Dabei bemerkte er, dass es schon beträchtlich leichet geworden war. Sein Vater musste mindestens die Hälfte des Inhaltes, in einem Zug ausgetrunken haben. Franko ging zu seinem Vater in die Küche.
"Alles in Ordnung Pappa?" fragte er besorgt.
"Ja, ja, alles okay mein Junge," stöhnte er und polierte weiter an seinem Buch herum. "Geh schlafen Franko. Es ist spät, und du musst morgen wieder in die Schule."
Damit wandte sich Franko von seinem Vater mit besorgter Mine ab und ließ ihn allein.
Er ging die gewundene Holztreppe hinauf, in sein Zimmer. Er setzte sich auf sein Bett und griff, wie er es immer tat bevor er sich schlafen legte, zu seinem Zeichenblock und Stift. Franko zeichnete eigendlich niemals. Aber ihm schwebte seit einiger Zeit ein Bild im Kopf herum, dass er unbedingt auf das Papier bringen musste. Es war schon sehr spät als Franko erst müde wurde und das Licht ausmachte.
Diese Nacht schlief er tief und fest, wie schon lange nicht mehr. In dieser Nacht träumte er von sich und seinem Bruder. Es war ein Traum den er häufig bekam.
Er sah sich und Marco im Schlaf, als sie noch beide vierzehn Jahre alt waren, und gemeinsam im Schein der untergehenden Sonne am Ufer eines grossen Sees spielten. Franko jagte ihm nach, und Marco lachte.
"Na los, hol micht du lahme Schnecke," rief er Franko zu, dessen Abstand von ihm schon sehr gross geworden war. Er hatte ihn schon fast abgehängt.
Marco kletterte an einer Steilwand am Ufer des Sees entlang und war zwischen den vielen Büschen nur noch schwer zu sehen. Franko versuchte ihm zu folgen, nur hatte er Angst vor dieser steilen, mit Kies bedeckten Böschung.
"Was ist," rief Marco, "hast du schiss? Komm schon fang mich!"
Franko tastete sich langsam an der steilen Wand entlang und bewegte sich vorsichtig zu dem Gebüsch, wo er Marco zu sehen glaubte. Franko schaute dabei immer nach rechts hinunter zum Wasser. "Das ist sehr steil. Wenn ich abrutsche und falle, könnte ich mir alles mögliche brechen," dachte er bei sich. Franko kam langsam vorwärts und die kleinen Steine rutschen ihm immer unter den Schuhen weg. Die Steige wurde immer höher und höher. Er griff nach dem ersten Busch und klammerte sich an das Geäst.
"Och Franko!" rief sein Bruder wieder, "bis du hier oben bist ist es stockdunkel. Jetzt mach doch endlich."
"Ich habe Angst," platzte es aus Franko heraus. Er hörte nur wie sein Bruder seufzte.
Es war mittlerweile schon etwas dunkler geworden. Franko sah Marco hinter dem Gebüsch hervorkriechen und arbeitete sich zu Franko vor.
"Bleib da, ich hole dich du Hasenfuss," meckerte er. Seine Hose war völlig verdreckt. Franko dachte nur bei sich, "Wir bekommen mit Sicherheit einen riesen Ärger wenn Vater uns so sieht."
Marco schritt nun etwas sicherer und zügiger auf ihn zu. Es dauerte nicht lange, da hatte er auch schon Franko erreicht.
"Komm her, gib mir deine Hand," rief Marco und streckte einen Arm nach ihm aus. Franko griff nach seinem Arm und klammerte sich so sehr daran fest, als würde sein Leben davon abhängen.
"Jetzt zieh nicht so," beschwerte sich Frankos Bruder und half ihm vom Busch weg. "So, und jetzt lass uns nach oben. Ich will dir was zeigen." Marco liess Franko vorgehen und kletterte ihm nach. Dabei machte er sich immer über Frankos unsichere Gangart lustig.
Endlich oben angekommen, hockte sich Franko am Rande der Steige hin und schnaufte. Er stützte sich auf seine Knie.
"Mit dir zu spielen ist manchmal echt blöd," beschwerte sich Marco wieder.
"Ach lass mich in Ruhe," schmollte Franko, richtete sich auf und wandte sich zum Rand der Böschung. Er konnte von dort oben den See und den dahinterliegenden Wald überblicken.
"Ist doch toll hier oben oder," sagte Marco. "Hier oben verbringe ich am liebsten meine Zeit, wenn ich alleine bin."
Franko fand diesen Ausblick herrlich. Die Sonne versank in einem tiefen Rot hinter den Baumkronen, und der See funkelte wie ein Meer von roten flimmernden Edelsteinen.
"Diesen Ort hättest du mir schon viel früher zeigen sollen," sprach Franko verträumt.
"Wollte ich ja auch. Aber du hast ja immer solchen schiss vorm klettern," sagte Marco.
Eine ganze Weile lang sagten sie nichts mehr und sassen nur am Rande der Steige und bewunderten den Ausblick. Als die Sonne schliesslich fast ganz untergegangen, und der Himmel über sie fast schwarz geworden war, erhob sich Marco als erster und brach das lange Schweigen. "Wir müssen los Franko. Pappa macht sich bestimmt schon Sorgen. Ausserdem ist es schon zu dunkel um den See oder den Wald zu beobachten."
Franko erhob sich müde und nur wiederwillig von dem Platz den er in dieser kurzen Zeit lieben gelernt hatte.
"Ja, gehen wir nach Hause," seufzte Franko bedrückt.
"Hey, jetzt fang nicht gleich an zu heulen, morgen ist ja auch noch ein Tag."
"Ich heule überhauptnicht," murrte der kleine Franko.
Marco schaute über den Rand der Steigung den sie zuvor erklommen hatten."Tja. Mal sehen wie wir beide da wieder herunterkommen,"
"Wieder runter!?" Franko schien entsetzt.
Marco seufzte,"Nun mach dir mal nicht ins Hemd. Wir sind hier hochgekommen, also gehen wir hier auch wieder hinunter. Oder willst du etwa um den ganzen See herumlaufen? Das dauert doch ewig. Ich passe schon auf, dass du dir nichts brichst, also komm schon."
Marco tastete sich im Halbdunkel mit den Füssen an den Rand der steilen Böschung heran. Franko folgte ihm zögernd.
"Ich gehe vor," sagte Marco."Wenn du fällst, halte ich dich fest."
Marco arbeitete sich langsam rückwärts hinunter. Franko war es garnicht recht, im Dunkeln zu versuchen dort hinunter zu klettern. Der Hang bestand fast nur aus kleinen Steinen die unter den Füssen leicht wegrutschen konnten.
Die beiden Brüder hatten noch nichteinmal die Hälfte des Hanges geschafft, da rief Marco plötzlich,"Warte mal Franko."
"Was ist," Franko war sich ziemlich sicher, dass jetzt so etwas kommen würde wie>Ich habe meine Jacke oben liegen lassen<.
"Hast du unseren Hausschlüssel dabei," fragte Marco.
"Nein, habe ich nicht," Franko kannte ebend seinen Bruder.
"Bist du sicher?"
Franko tastete seine Taschen ab, " Ich habe ihn wirklich nicht."
"Scheisse," fluchte Marco verärgert, "Dann muss ich nochmal hoch. Er muss da noch liegen."
"Ich habs gewusst," dachte Franko laut.
"Lass mich mal vorbei, ich hole ihn schnell."
"Im dunkeln wirst du ihn sowieso nicht finden, lass uns morgen wieder herkommen." Franko war überhauptnicht wohl dabei, dass er am Hang alleine zurückgelassen wird.
"Bist du bescheuert? Das wäre dann schon der zweite diese Woche den wir verbummeln. Aber den Ersten hattest auch du verloren, und nicht ich. Ich werde ihn schon finden und wenn es bis morgen früh dauert."
Marco kletterte an Franko vorbei und arbeitete sich wieder nach oben vor. Franko krallte sich in den Kies und versuchte möglichst nich abzurutschen. Er schaute über seine Schulter nach unten und sah nur, wie der See, der vorhin noch so wunderbar im roten Licht der untergehenden Sone strahlte, aufeinmal in schwarz dort klaffte, wie ein dunkler Schlund, der nur darauf wartete, ihn zu verschlucken.
"Nicht abrutschen, nicht abrutschen," dachte er bei sich, und bohrte seine Finger noch tiefer in die Erde.
Marco wurde beinahe von der Dunkelheit vor ihm verschluckt. Es war nun fast völlig schwarz am Himmel, und die ersten Sterne zierten das Firmament.
"Bist du schon oben", Frankos Stimme zitterte etwas, aber das kam wohl weniger von der Kälte. Unsicher blickte er nocheinmal zum See hinunter.
"Nein, noch nicht," gab Marco von oben zurück. " Aber ich glaube du hast recht Franko. Ich finde den Schlüssel bestimmt nie hier oben. Ich sehe fast nichts mehr."
"Ich habe es dir doch gesagt. Komm wieder runter," forderte Franko.
Er hörte nur wie Marco einen Ton des Missfallens von sich gab, und dann antwortete "Ich komme schon."
Dann passierte alles ganz schnell. Franko hörte nur wie Marco über ihm aufschrie und ein ganzer Haufen Kieselsteine den Hang hinunterrollten. Dann sah Franko, wie Marco auf ihn zukam. Aber zu schnell. Viel zu schnell. Er war abgerutscht und überschlug sich mehrmals. Franko konnte nicht ausweichen. Er war wie gelähmt. Alles was er tun konnte war schreien, "Marco!" entfuhr es ihm. Seine Stimme war schrill und seine weit aufgerissenen Augen sahen ihn zum letzten mal. Nur einen Augenblick später spürte er, wie sein Bruder ihn mit voller Wucht traf und mit sich in die Tiefe riss. Franko sah im fall das schwarze klaffende Loch auf sich zukommen. Näher, und näher.
Franko fuhr mit einem lauten Schrei aus dem Bett hoch. Sein Herz raste, sein Haar hing vom Schweiss verklebt vor seiner Stirn, und ihm war schlecht. Er wälzte sich aus dem Bett und rannte ins Badezimmer. Er stützte sich über das Waschbecken und erbrach sich. Er drehte den Wasserhahn auf und spülte seinen Mund aus, und schöpfte anschliessend Wasser mit der Hand über sein ganzes Gesicht. Er atmete tief ein und versuchte seinen Puls zu beruhigen.
Langsam schaute er auf und betrachtete sein Bildnis im Spiegel über dem Waschbecken. Er sah nicht etwa entsetzt oder ängstlich aus. Nur müde und alt. Sehr alt. Eine unerträgliche Hitze stieg in ihm auf und im Spiegelbild erkannte er, dass er rote Wangen bekam. Er betastete sein Gesicht. "Marco," stöhnte er.
Die Hitze breitete sich über seinen ganzen Körper aus. So war es immer wenn Franko diesen Traum bekam. Splitternackt setzte er sich in die Wanne und drehte das kalte Wasser auf. In ströhmen floss es aus der Duschbrause über ihm und das eiskalte Wasser benetzte seinen ganzen Körper. Er legte die Arme um seine angewinkelten Beine und lies seinen Kopf auf die Knie sinken, wiegte sich und weinte. So wie er es immer tat wenn er diesen Traum hatte.
Franko erhob sich am nächsten Morgen völlig ermüdet aus dem Bett. Er hatte den Rest der Nacht nicht ein Auge zugetan. Er hatte die ganze Zeit bis zum Morgen nur seinen Block bei sich und gezeichnet. Er ließ seinen Stift und seinen Block aus den Fingern gleiten und stand auf. Franko war schwindelig und er fühlte sich auch sonst nicht gut. Er schleppte sich zum Fenster und zog die Gardienen zur Seite. Das Tageslicht schien in sein Zimmer und Franko war geblendet. Er riss das Fenster auf und steckte seinen Kopf hinaus. Er nahm einen kräftigen Atemzug frischer Sommerluft das vermischt war mit den Stadtgasen. Er fühlte sich etwas besser, aber keinesfalls gut.
Er liess sich Zeit beim anziehen und trottete langsam die Stufen hinunter ins Wohnzimmer. Sein Vater saß wieder im Sessel, und laß sein rotes Buch, dass er einen Abend zuvor beinahe ruiniert hätte.
Als Franko das Wohnzimmer betrat schlug sein Vater das Buch zu und schaute seinen Sohn etwas mitleidig an. "Ich bin derjenige der stirbt, doch deine Miene ist heute noch trüber als meine."
Franko kauerte sich auf das Sofa, und setzte einen Fuß auf die Kante der Sitzfläche.
"Ich habe dich die Nacht wieder in das Badezimmer hetzen hören. Hast du wieder von deinem Bruder geträumt Junge?"
"Ja," Frankos Stimme war belegt. Ihm wäre wieder fast zum heulen zumute gewesen.
"Du hast es noch immer nicht verarbeitet? Ich hatte gehofft deine Albträume würden irgendwann nachlassen," Frankos Vater starrte nachdenklich auf seinen Schoß.
"Das werden sie nicht," erwiederte Franko. Dann folgte eine Pause.
"Warum ist mein Bruder gestorben und ich nicht?" fragte er dann leise sich selbst.
Sein Vater aber hörte es, schaute blitzartig auf und sah Franko in die Augen. In seinem Gesicht spiegelten sich Wut aber auch verzweiflung."Deine Frage sollte eher lauten: warum haben wir nicht beide überlebt?" Sein Sohn erwiederte nichts darauf. Er schaute seinen Vater nur nichtssagend an.
Im Wohnzimmer war es plötzlich völlig still. Es lief kein Radio und der Fernseher war auch ausgeschaltet. Man hörte nichts, nur Stadtgeräusche von draussen. Eine kurze Zeit herrschte eine solche Stille, dass sie allmählich unerträglich wurde.
"Seit deine Mutter und ich den schweren Autounfall hatten frage ich mich seit jenen Tag auch, wieso konnten wir nicht beide weiterleben. Warum hat Gott sie mir genommen?" Frankos Vater bekam rote Augen und aus seinem Gesicht traten Narben aus der Vergangenheit hervor. "Es muss hart für dich sein mein Junge. Erst deine Mutter, dann dein Bruder..."
"Und jetzt du Vater," beendete Franko mit zitteriger Stimme den Satz. Sein Vater kniff die Augen zusammen ließ seinen Kopf sinken und biss sich auf die Unterlippe. Seine Trauer und Verzweiflung war nicht mehr zu verbergen. Franko hasste es wenn sein Vater anfing zu weinen.
"Ich werde jetzt in die Schule gehen Pappa," sagte Franko heiser, stand vom Sofa auf und verließ das Wohnzimmer.
"Mach das mein Sohn," seufzte sein Vater leise, ohne das es sein Sohn hören konnte, und schlug wieder das rote Buch auf und versuchte mit brennenden Augen die kleinen Buchstaben zu entziffern. Sie verwackelten und verschwammen weil er seine Trauer und unendliche Verzweiflung nicht wieder hinunterschlucken konnte. Erneut legte er das Buch aus der Hand, stützte seinen Kopf in die Handflächen und ließ sich von dem Leid übermannen.
Als Franko den Schulhof erreichte, konnte er sehen, dass gerade grosse Pause gewesen ist. Kaum hatte er den Schulhof betreten, da sah er, wie Matis auf ihn zukam.
"Hey Franko," krächzte seine Rabenstimme. Zum ersten mal nach sehr langer Zeit freute es Franko diese Stimme zu hören. Wenn er es genau bedachte, dann war es sogar das aller erste mal überhaupt. Sie klang unbeschwert und jugendlich. Wie es für Leute in Matise oder auch Frankos Alter eigendlich normal war.
Franko lächelte sogar als er ihn sah.A ber es war ein altes graues Lächeln, dass eher traurig blickte.
"Hi Matis," erwiederte Franko.
"Man du bist ja richtig pünktlich heute. Du hast dich gerade mal um zwei Stunden verspätet. Hast du wieder Wölfe beobachtet?" lachte Matis.
"Verschlafen," erwiederte Franko knapp.
"Glaube ich dir nicht, denn dann würdest du nicht aussehen als hättest du gerade eine wilde Orgie gefeiert."
Matis legte Franko einen Arm um die Schulter, und führte ihn in die Ecke Schulhofes, wo sie häufig die ganze Pause über verbrachten und schwatzten. Dort waren auch wie immer Gregor und Paulo, die einzigen Leute mit den Franko engen Kontakt pflegte. Aber ein Mädchen stand bei ihnen, dass er noch nie zuvor gesehen hatte. Sie hatte blaue Augen, blondes langes Haar und einen schüchternden Blick den Franko an ein scheues Reh erinnerte. Aus einem Grund den er nicht kannte, fühlte er sich garnicht mehr müde, und sein Herz schlug in der Brust so laut, dass er dachte, andere hörten es.
"Das ist Sandy," stellte Matis, Franko das Mädchen vor. "Sie findet dich irgendwie niedlich obwohl ich ihr gesagt habe, dass du lahm bist," lachte Matis und stiess Franko dabei mit dem Ellenbogen leicht in die Seite. "Sie findet dich so erwachsen. Das muss wohl an deiner dämlichen Pfeife liegen," höhnte er.
Dann kramte er in seiner Hosentasche herum und holte ein schon in Mitleidenschaft gezogenes Zigarrettenpäckchen hervor. Die Zigarrette die er aus der Schachtel holte sah nicht viel besser aus. Sie war in der Mitte geknickt und Matis sah damit etwas albern aus.
Franko riskierte einen verstohlenden Blick in die Richtung des Mädchens und dabei merkte er, dass sie ihn immernoch mit diesen scheuen Rehblick bedachte und schüchtern lächelte. Er starrte nur zurück und erwiederte ihr Lächeln. Franko kam sich ziemlich dämlich vor.
"Man jetzt sag was. Das ist doch nur ne Frau," drängte Matis Franko ungeduldig. Blitzartig änderte sich der Blick des Mädchens vom scheuen Reh zur Wildkatze, und musterte Matis von oben bis unten. In einem verächtlichen Ton antwortete sie, " Ich habe keine Lust mit einem zu reden, der nichteinmal annähernd mein Niveau erreicht du Verbalprimat."
"Was für ein Primat?" Matis hielt inne als er seine Zigarrette anzünden wollte und glotzte nur wie jemand, der überhaupt kein Wort verstanden hatte. Bei diesen dummen Gesicht konnte sich Franko das Lachen nicht verkneifen. Ihm viel dabei auf, dass er seit elend langer Zeit nicht mehr gelacht hatte. Sandys wilder Ausdruck wurde zu einem warmen Lächeln, dass für Franko gedacht war.
"Ihr passt richtig zusammen. Lacht über Witze die kein Mensch versteht," murrte Matis und zündete seine Zigarrette an. In genau diesen Moment läutete die Schulglocke. Matis stieß einen unsauberen Fluch hervor und trat seinen Gilmmstängel wieder aus.
Franko, Paulo und Gregor kamen als letztes in das Klassenzimmer. Herr Bringmann der Klassenlehrer aber war noch nicht da.
"Na, die Wölfe wieder beim ficken beobachtet," Peter sagte das fast immer wenn Franko zu spät zum Unterricht gekommen war, was in letzter Zeit auch nicht selten vorkam.
Franko beachtete ihn einfach nicht, so wie er es immer tat. Er setzte sich auf seinen Platz neben Gregor.
"Dieser Penner bringt diesen Spruch jedesmal. Er selber merkt wohl garnicht, dass ihn keiner mehr witzig findet," flüsterte Gregor.
"Was hast du gesagt?" Peter hatte es wohl gehört, und hatte wieder mal ein kribbeln in der Faust.
Gregor drehte sich zu ihm um und antwortete nur, "Ich?Ich habe nichts gesagt."
"Hast du doch!" Peter stand von seinem Platz auf und ging an den Tisch wo Gregor und Franko saßen. Peter packte Gregor am Schopf, "Na los. Wiederhole das was du gerade gesagt hast. Oder fehlt dir der Schneit kleiner?" Es währe höchstwarscheinlich zu einer keilerei gekommen wenn nicht in gerade diesen Moment der Lehrer zur Tür hereinspaziert wäre. Peter saß so schnell wieder auf seinem Platz, dass Gregor garnicht wusste wie er das so schnell machte. Aber er hatte vorläufig seine Ruhe und das war alles was ihn in diesen Moment wichtig war.
"Nach der Schule ziehe ich dir ein paar, verlass dich darauf," waren die letzten Worte die während des Unterrichts von ihm zu hören waren. Ob er allerdings seine Drohung wahr machte, erfuhr Franko an diesen Tag nicht mehr. Wenn die Schule aus war, dann war Franko immer der Erste der das Gebäude verließ und schnurstracks in den Wald marschierte. Er war immer so schnell verschwunden, dass seine Freunde ihn nicht mehr zu Gesicht bekamen sobald die Schulglocke ertönte.
Auch diesesmal führte Frankos Weg in den Wald. Er erklomm wie jeden Tag den grünen Hügel in der Mitte der grossen Lichtung, und pflanzte sich unter die grosse Eiche. Von da an sollte eine Zeit lang vergehen bis er sich wieder von diesen Platz erhob. Franko kramte in seiner Schultasche herum und zog seine lange Pfeife heraus, und seinen Tabak der nach frischen Jasmin duftete.
Die Wölfe waren wieder unten am Fluss und sahen unbeschwert und frei aus. Franko erkannte alle wieder. Den alten grauen Wolf der sehr häufig an einem grossen runden Felsen lag und sich die Sonne auf den Bauch scheinen ließ. Franko nannte ihn Onkel Albert. Die zierliche weisse Wölfin mit ihren zwei kleinen Kindern nannte er Mira. Die beiden kleinen taufte er Jimmy und Timmy. Ob es aber wirklich Männchen wahren, wusste Franko aber nicht. Der braune kräftige Wolf war wohl der Pappa. Ihm gab er den Namen Artur. Es waren auch immer andere viele Wölfe da, aber allen hatte er noch keine Namen gegeben. Jedoch viel Franko eine Wölfin auf die er zwar schon öfter gesehen hatte, aber nie wusste welchen Namen er ihr zuteilen sollte. Sie war zierlich und hatte rotbraunes Fell und eine weisse Schnautze.
"Sandy," seufzte Franko und lächelte herzlich als er den Rauch aus seinem Mund bließ und verträumt das Rudel beobachtete.
Der Wind war angenehm kühl und die Sonne schien auf das Blätterdach der grossen Eiche. Er horchte wieder den gesang der Vögel und dem rascheln der Blätter. Vorallem aber dem vergnügten quietschen der Wolfskinder unten am Fluss. Frankos dunkler Schleier um seinem Herzen lößte sich rasch. Den bösen Traum der ihn häufig heimsuchte hatte er schon vergessen. Ihm war es sogar egal ob er es diese Nacht wieder träumen würde. Denn für ihn zählte nur dieser Augenblick, den er mit all seinen Sinnen genoss. Franko schloss die Augen und blieb am Baum sitzen und zog hin und wieder an seiner Pfeife.
Als er die Augen wieder öffnete schaute er zum Rudel hinunter. Jimmy und Timmy schlichen sich an Onkel Albert heran, der so tief geschlafen hatte, wie der Fels an dem er lag. Jimmy huschte hinter dem Fels und kletterte daran hoch, während Timmy ganz aufgeregt vor Albert herumsprang und ihn an der Schnautze stupste. Jimmy war auf dem Fels und setzte zum Sprung an.PATSCH und Jimmy lag auf Onkel Albert. Albert sprang auf und hetzte den beiden frechen Kindern hinterher. Aber sie waren viel flinker und hatten eine bessere Kondition als der arme alte Onkel. Eine Weile jagte er sie, aber nicht lange. Denn schon nach kurzer Zeit wandte er sich hächelnd ab und schleppte sich zum Fels zurück an dem er zuvor friedlich geschlummert hatte. Er setzte sich vor dem Fels und gähnte, traute sich aber nicht, sich wieder schlafen zu legen. Stattdessen behielt er die beiden Rowdys im Auge.
"Einer von ihnen sein," seufzte Franko plötzlich. Seine Miene wurde allmählig trauriger. Ganz tief athmete er die frische Waldluft ein und ließ sie aus dem Mund wieder entweichen.
"Würden sie mich willkommen heissen?" dachte Franko. Just in diesen Moment schaute Albert zu Franko hinüber. Franko selber wusste nicht, ob der Wolf ihn anschaute, oder ob er ihn überhaupt im Schatten unter der Eiche bemerkt hatte. Albert erhob sich und bewegte sich auf ihn zu. Am Fuße des Hügels blieb er stehen und schaute neugierig.
"Er sieht mich an," Franko bekam eine Gänsehaut. Albert wedelte mit dem Schwanz, so, als würde er aufgeregt auf etwas warten. Wie ein Hund der angespannt darauf wartete, dass sein Herrchen ein Stöckchen wirft.
So etwas hatte Franko schoneinmal erlebt seitdem er Tag für Tag diesen Platz aufsuchte. Doch geschah etwas, was Franko noch nie zuteil wurde. Albert warf seinen Kopf zurück und heulte. Ein langes sehnsüchtiges Heulen. Franko starrte nur mit aufgerissenden Augen den Hügel hinab. Er merkte nichteinmal wie ihm seine Pfeife aus der Hand glitt. Albert heulte ein zweites mal und diesesmal stimmten Mira und Artur mit ein. Beim dritten heulen warf Sandy ihren Kopf zurück und tat es ihnen nach. Beim vierten Heulen stimmten alle Anderen Wölfe mit ein. Ein lauter Chor breitete sich über den ganzen Wald aus. Jimmys und Timmys Stimmen waren hell und piepsig.
"Rufen sie nach mir?" Franko vermochte es nicht zu sagen. "Begrüßen sie mich?" Jeder Andere wäre bei diesem lauten Cohr erschrocken davongerannt und wäre niemals wieder an diesen Platz gekommen. Doch Franko kannte sie alle. Er wusste, sie würden nicht versuchen ihn Angst zu machen. Nach dem fünften und längsten Heuler verstummten die Wölfe. Plötzlich, als wäre nie etwas geschehen, wandten sich alle Wölfe ab. Jimmy und Timmy tollten wieder herum und Sandy spielte mit ihnen. Alle schienen ihn wider zu tollerieren, bis auf Albert. Er schaute immernoch den Hügel zu Franko hinauf. Er wedelte nicht mehr aufgeregt mit den Schwanz. Er saß nur da und verdrehte ein Ohr. Albert sah irgendwie enttäuscht aus. Als hätte er eine Reaktion von Franko erwartet. Eine Antwort oder irgend etwas anderes. Albert wandte sich missmutig ab und ging wieder zu dem Felsen zurück, wo er zuvor gelegen und geschlummert hatte.
Franko saß eine ganze Weile nur da und versuchte zu deuten, was soebend da unten passiert war. Er tastete nach seiner Pfeife die er vorhin fallen ließ, und plötzlich berührte er etwas. Etwas seidiges aus Fleisch und Blut. Erschrocken wandte sich Franko um und sah, um seine Pfeife geklammert eine Hand. Als er aufschaute bemerkte er, dass es die Hand von Sandy war. Die Sandy, die er auf den Schulhof kennengelernt hatte.
"Na du Wolfsjunge," ihre Stimme klang süss wie Honig. Seine Erschrockenheit von ebend zerplatzte bei dem Klang ihrer Stimme wie eine Seifenblase. "Habe ich dich erschreckt Franko, denn du schaust so entgeistert."
"Nein, es ist nichts," erwiederte Franko verwirrt, "ich frage mich nur, wie bist du denn..."
Sandy war amüsiert über Frankos zerstreutheit und antwortete "Dein gebildeter Freund Matis hat mir den Weg verraten."
"Der Verbalprimat," antwortete Franko und Sandy lachte. "Aber niemand findet den Weg allein."
"Ich schon. Ich bin nicht wie Matis. Ich verlaufe mich sicher nicht so wie der." Sandy reichte Franko die Pfeife, in der der Tabak noch qualmte.
"Danke," sagte Franko und schaute den Hügel hinab und sah, dass die Wölfe wieder so taten, als wäre vorher nichts geschehen.
"Sind das deine Wölfe," fragte Sandy und setzte sich direkt neben Franko am Stamm der Eiche.
Franko nickte nur und starrte den Boden vor ihm an und zog Rauch durch seine Pfeife.
"Du magst es nicht das ich gekommen bin oder?" Sandy schien enttäuscht zu sein, dass er lieber den Rasen unter ihm bewunderte als sie.
Hastig schaute er vom Boden weg in ihre himmelblauen Augen und sein Herz pochte wieder etwas wilder. "Das ist es nicht Sandy," stammelte Franko "ich hätte dich nie hier erwartet, ich bin etwas verwirrt." Seine Unbeholfenheit brachte sie wieder zum schmunzeln.
"Ich wollte dich unbedingt mal sehen. Ich sehe dich sonst immer vom anderen Ende des Schulhofes," nach einer kurzen Pause fügte sie dann etwas schüchtern hinzu, "Ich finde dich ebend süss."
Franko bemerkte eine rosige Farbe in Sandys Gesicht, und nun musste er schmunzeln. Sie bekam wieder diesen scheuen Rehblick und Franko spürte, in seiner Brust einen leichten zwickenden Schmerz. Amors Pfeil schien seine Herzkammer mit voller Wucht getroffen zu haben.
"Komisch," antwortete Franko etwas zögernd, "alle Anderen Mädchen halten mich für bescheuert."
"Ich nicht," antwortete Sandy und in ihrem Gesicht spiegelte sich Symphatie. Sie schaute zum Fluss. "Sind sie immer da, wenn du hier bist?" Franko wendete seinen Blick das Erste Mal wieder von ihr ab und schaute zum Rudel hinunter.
"Ja, immer," sprach er etwas abwesend, und Sandy bemerkte, dass seine Augen sehnsüchtig schauten.
"Matis hat mir auch erzählt, dass du immer nach der Schule hier bist. Tust du nie etwas anderes?"
"Nein," Franko sah Sandy wieder in die Augen. Sie waren so blau und klar wie das Wasser unten im Fluss. "Ich bin ziemlich langweilig oder?"
"Interessant würde es eher treffen", antwortete Sandy und ihr liebes Lächeln liess ihn allmählich schwitzen. Eine Zeit lang schauten sich Franko und Sandy unablässig an, und in Franko breitete sich allmählich die Hitze aus. Seine Hand in der er die Pfeife hielt wurde zitterig.
"Was willst du jetzt machen," brach Franko endlich das Schweigen. Er genoss es sonst immer wenn es ruhig war. Aber diesesmal war es anders. Es war so bedrückend, in ihrer Gegenwart nichts zu sagen, und sich nur stumm gegenüberzusitzen.
"Ich weiss es nicht", antwortete sie, "ich wollte dich nur mal aus der Nähe sehen. Wir könnten aber hier sitzen und auf den Sonenuntergang warten Franko.
"Sicher, dass könnten wir," antwortete Franko nervös, und Sandy rutschte etwas näher an ihn heran. So verweilten sie bis der Himmel über sie rötlich schimmerte und die Luft frischer wurde. Sie redeten wenig miteinander, und Franko ließ sich nicht anmerken, dass er für Sandy etwas empfand. Das machte sie etwas traurig, aber trotzdem blieb sie bei ihm bis es schon ziemlich spät geworden war. Der Gesang der Vögel verstummte mit dem kommen des Abens, und Franko und Sandy machten sich langsam daran, richtung Heimat aufzubrechen.
Franko brachte Sandy bis zu ihrer Haustür. Was ihn dabei sehr überraschte war, dass sie nur zwei Strassen voneinander entfernt wohnten.
"Es war schön dich mal ein bisschen besser kennenzulernen," sprach sie.
"Oh, naja, ich..." Franko kam sich wieder richtig dumm vor. Obwohl wortlos, eher gepasst hätte.
"Du solltest in meiner Gegenwart etwas ruhiger werden," kicherte sie, "denn du tust fast so als würde ich dich beissen." Plötzlich schlang sie ihre Arme um Frankos Schultern und presste ihre Lippen an seine.
Franko fühlte sich zuerst überrumpelt. Dann aber schloss er die Augen und wurde ganz ruhig. Es war ihm fast unheimlich, wie geborgen er sich in den Armen eines Mädchens fühlen konnte, dass er kaum kannte.
"Gute Nacht Franko, mein Wolfsjunge," sagte sie lächelnd, während sie sich wieder von ihm löste. "Ich sehe dich morgen in der Schule." Dann ließ sie die Tür leise in das Schloss fallen, und Franko antwortete völlig geistesabwesend, "Klar, bis morgen."
Franko schloss seine Wohnungstür auf. Er ging in das Wohnzimmer und sah seinen Vater wie immer im Sessel vor dem Kamin sitzen. Das rote Buch lag auf seinem Schoß und sein Kopf lag auf der Brust. Er war eingeschlafen. Franko ging etwas näher an den Sessel und horchte, ob er noch atmete. Gerade als Franko vor dem Sessel stand, erwachte sein Vater. Er versuchte sich an der Lehne des Sessels abzustützen und gerade hinzusetzten. Er bekam dabei wieder einen seiner kleinen Hustenanfälle.
"Mein Junge," ächzte sein Vater, der durch das Husten schon rötliche Augen bekommen hatte. "Warst du wieder im Wald?"
"Ja," antwortete sein Sohn. Frankos Vater bemerkte ein Lächeln im Gesicht von ihm. Er sah ihn seit langer Zeit nicht mehr lächeln.
"Was ist los Franko. Ich sehe eine Regung in deinem Gesicht, von der ich sicher war, dass du sie verlernt hattest," dann beugte sich sein Vater etwas näher an sein Gesicht, "Ist das Lippenstift," fragte er dann. Die Gesichtzüge seines Vaters regten sich zu einem schelmenden lächeln. "Ein Mädchen Franko?" fragte er und nun verzog es sich zu einem Grinsen. Franko antwortete nicht darauf, und sein Vater wusste das er Recht hatte. "Klasse," rief er und stieß mit der Faust auf die Schulter von Franko, und damit lachten beide. Das Lachen dauerte aber nicht lange an, denn der Hustenreiz plagte seinen Vater erneut. Dann erhob er sich und sprach müde, "Du musst mir Morgen unbedingt alles von ihr erzählen. Heute schaffe ich es nicht mehr von deine Freundin zu hören Franko."
"Ja, ich gehe auch ins Bett, denn ich will Morgen wieder pünktlich zur Schule kommen."
"Das höre ich gern mein Junge. Na dann, gute Nacht," mit diesen Worten gingen sie beide in ihre Zimmer, und zum Ersten mal seit Ewigkeiten, schien wieder so etwas wie Fröhligkeit in diesem Haus eingekehrt zu sein.
Franko setzte sich auf sein Bett. Er nahm sein Zeichenblock in die Hand, den er am Morgen zuvor dort abgelegt hatte. Er tat bis spät in die Nacht nichts mehr, ausser Striche und Linien über das Papier zu ziehen. Er zeichnete bis er so müde wurde, dass die Linien auf dem Papier begannen vor seinen Augen zu verschwimmen. Dann legte er sein Zeichenwerkzeug aus der Hand und zog anschliessend die Bettdecke über sich und schlief sofort fest ein.
Franko träumte diese Nacht wieder. Aber diesesmal wurde er nicht von diesen bösen Traum heimgesucht, wie es häufig der Fall war.
Er träumte stattdessen, dass er über eine grosse weite Wiese wandelte. Das feuchte Grass zwischen seinen Zehen tat ihm gut, und er atmete taufrische Morgenluft. Die Sonne trat aus den Wolken hervor und wärmte sein Gesicht.
Franko ging einen Hügel hinauf. Ganz oben stand seine Eiche, Es war sein Lieblingsplatz. Er ging unter das schattige Blätterdach und schaute die andere Seite des Hügels hinunter. Der Fluss war da, und der grosse Fels, an den sich Onkel Albert immer legte. Doch die Wölfe waren fort. Franko konnte sie nirgendwo sehen. Er trat aus dem Schatten des Baumes heraus und schaute in alle Richtungen den Fluss hinab.
"Vielleicht sind sie weitergezogen," dachte Franko. Nocheinmal sah er zum grossen Fels, und wie aus dem Erdboden geschossen stand Onkel Albert davor. Er starrte Franko an. Ihm selbst war aufeinmal unwohl. Der Blick des Wolfes durchbohrte seine Augen, sein Herz und Fleisch.
Langsam trottete Albert zum Fuße des Hügels. Er marschierte mit gesenkten Kopf. Er sah etwas demütig aus. Vielleicht wollte er sich vorsichtig annähren um Franko keine Angst zu machen. Denn Franko war sich sicher, dass Albert ahnte, dass Franko Angst spürte.
Albert setzte sich am Fuße des Hügels. Er warf den Kopf in den Nacken und heulte. Das Heulen klang traurig und einsam. Er heulte nur einmal, dann sah er Franko erwartungsvoll an.
"Was soll ich tun," dachte Franko ratlos.
Albert verdrehte missmutig ein Ohr und wandte sich ab.
"Auuuuuuuuu," Franko legte trichterförmig die Hände an den Mund und antwortete, "auuuuuuu." Er kam sich unendlich albern vor. Albert jedoch blieb stehen und drehte sich zu Franko um. Diesesmal ging Albert schnurstracks zurück zum Fuße des Hügels, und antwortete wiederrum mit einem weiteren Heulen. Diesesmal klang es voller Elan und Freude.
"Soll ich hinuntergehen," flüsterte Franko zu sich. "Wird er mich willkommen heissen?"
Langsam setzte Franko ängstlich einen Fuss vor dem anderen. Albert wartete. Frankos Schritte wurden allmählich leichter. Seine Angst schwand. Sein einziger Gedanke galt dem Wolf der auf ihn wartete.
Er konnte jetzt von ganz nahen sehen, wie Albert dort stand. So nah stand er noch keinen Wolf, wie in diesen Augenblick. Alberts graues Fell glänzte. Er sah nicht mehr alt und schwerfällig aus. Seine Augen waren in einem lebhaften gelb wie die Sonne.
Franko stand nun genau vor ihm. Albert saß still da und schaute Franko erwartungsvoll an. Aber keine Regung kam von ihm. Franko kniete sich vor dem Wolf hin.
"Berühren," dachte er wie in trance, "ich will sein Fell berühren." Franko hob seinen rechten Arm, langsam und vorsichtig. Er lehnte sich nach vorn und kam mit seinem Gesicht ganz nah an das von Albert heran. Er spürte seinen heissen Atem. Frankos Herz schlug schneller und immer schneller. Der heisse Atem brachte ihn in extase, und seine Angst vor dem Wolf war versiegt. Trozdem tastete sich Frankos Hand vorsichtig an den Kopf des Wolfes. Er spürte sein weiches, warmes Fell.....plötzlich gab es ein lautes Poltern und Franko war wieder in seinem Zimmer und saß senkrecht im Bett.
"Was war das?" Franko war verwirrt, nachdem er so aus seinem Traum gerissen wurde. "Habe ich den Knall geträumt, oder war es echt?"
"Franko," Die Stimme klang gebrochen und schwach. Es war die seines Vaters. Er war draussen auf dem Flur und lag auf dem Bauch. Sein Gesicht schaute zur Tür seines Sohnes.
Schnell riss Franko seine Tür auf, und er sah seinen Vater dort liegen."Was ist passiert?"
"Ich wollte nur einen Schluck Wasser," das sprechen viel seinem Vater schwer.
"Soll ich deine Medizin holen?" fragte Franko, aber sein Vater schüttelte nur erschöpft den Kopf. "Ruf den Notarzt. Ich habe die Nummer in das Telefon unten eingespeichert, für den Fall..." aber mehr konnte sein Vater nicht sagen sondern endete den Satz mit einem gequälten Seuzer. "Mir ist schwindelig Junge, ich kann nicht aufstehen."
"Warte Vater, ich bin gleich wieder zurück," antwortete Franko und eilte die Stufen hinab in das Wohnzimmer. Seine Sicht war verschwommen. Obwohl er schon ahnte, dass es so kommen würde, konnte er seine Tränen dennoch nicht zurückhalten.
Der Notarzt kam schnell, aber nicht schnell genug für Frankos Vater. Noch bevor sie ankamen saß Franko auf dem Flur neben seiner Zimmertür an die Wand gelehnt, und hielt seinen Vater in den Armen. Sein Kopf lag auf Frankos Schoß. An der Wand kauernd vergoss er Tränen auf das leblose Gesicht seines Vaters. Verzweifelt presste er die Stirn an seine, und schrie auf vor Grahm und Trauer. Immer wieder flehte er ihn an, er solle die Augen öffnen.
"Erst Mutter, dann Marco, jetzt du Vater," schluchzte er wieder und wieder.
Ein Mann kam die Treppen hinauf, in weiss gekleidet. Er stand nur da und ahnte was passiert war. Franko bemerkte sie nicht. Ein zweiter, jüngerer Mann kam hinzu, sah Franko und fragte seinen Kollegen, "Sind wir zu spät?"
Franko hob langsam seinen Kopf und schaute die Männer in weiss an. Seine Augen waren gerötet, feucht und keine Regung in ihnen war noch zu erkennen. "Nein," antwortete Franko gebrochen und müde, "mein Vater ist zu früh."
In sein Zimmer eingeschlossen, wartete er darauf, dass die Ärzte wieder gingen. Sie hatten ihn allerlei lästige Fragen gestellt, auf die er nicht antworten wollte. "Hast du noch eine Mutter? Bist du alleine hier? Hast du noch Verwante zu denen du gehen kannst?"
Franko hielt es nicht aus. Er ging in sein Zimmer, schlug die Tür hintersich zu, und schloss sie ab. Die Psychologin, die verständigt wurde klopfte eine Zeit lang an der Tür. "Wir wollen dir doch nur helfen Franko," rief sie. Nach einer Weile aber, als Franko keine Anstalten machte, die Frau hineinzulassen, hörte er sie auf dem Flur reden, "Er braucht Zeit. Lassen wir ihn besser allein. Ich werde morgen wiederkommen und versuchen mit ihm zu reden." Abschliessend rief sie, "Ich komme morgen wieder Franko," dass letzte was er nöch hören konnte war, wie sie die Treppen hinuntergingen und die Haustür hintersich schlossen.
Franko saß auf der Bettkante. Sein Kopf vergrub sich tief in seine Hände. Er starrte auf den Boden. "Allein," dachte er. "Jetzt kann mir Gott nichts mehr nehmen. Doch. Er kann mir Sandy nehmen. Matis, Gregor und Paulo. Ich bin sicher das er es tun wird. Er wird sie mir auch nehmen....Sandy", ihr herzerwärmender Kuss kribbelte auf seinen Lippen. Doch alle Lebensgeister die durch ihren Kuss in ihm zu neuen Leben erweckt wurden, starben mit einem lauten Aufschrei.
Franko sah auf und schaute aus dem Fenster. Es war tiefschwarze Nacht. Das silbrige Mondlicht fiel in sein fahles Gesicht. Er wandte seinen Kopf langsam zu dem Schreibtisch in der Ecke. Franko stand schwerfällig auf und machte die kleine Stehlampe auf seinem Tisch an.
Da lag es. Das Bild, dass er seit Wochen am zeichnen war. Er setzte sich vor den Tisch und betrachtete sein Bild. "Ich könnte es diese Nacht schaffen," dachte er sich. "Ich muss es heute Nacht fertigzeichnen, oder es wird niemals vollendet werden." Er nahm seinen Stift in die Hand, und zeichnete. Eine lange Zeit vergaß er dabei alles umsich herum.
"Die Sonne geht auf," flüsterte er, als viele Stunden vergingen. Franko hatte die ganze Nacht nicht geschlafen, aber dafür war sein Bild endlich fertig. Er schaute es sich ganz genau an. Seine Augen füllten sich mit brennenden Tränen. Franko setzte noch ein letztesmal seinen Stift an das Bild und schrieb etwas darauf. Dann faltete er das Papier und legte es nicht mehr aus der Hand.
Franko ging in aller Frühe aus dem Haus. Der Himmel war rot wie Blut. Er wanderte die Strasse hinunter zum Waldrand. Von dort an ging er seinen Weg, den er schon seit Jahren gewandert war. Im schein der aufgehenden Sonne, sah er seine Eiche.
"Ich hoffe ich bin erwünscht," flüsterte Franko zu sich selbst. Er ging die letzten Schritte zu seinem Platz. Er schaute den Hügel hinab, und sah den Fluss. Die Wölfe waren nicht da. Keiner von ihnen. Franko hatte das gefühl, als würde sein Herz in der Brust sich zusammenziehen vor Grahm und enttäuschung.
Er setzte sich unter die Eiche, und faltete sein Bild auseinander, dass er noch immer in seinen Händen hielt. Er sah es sich an und musste Lächeln. Die Sehnsucht stand wieder in seinen Augen. "Ist es tatsächlich so," dachte Franko, "bin ich nicht willkommen?" Er schloss seine Augen und horchte. Die ersten Vögel zwitscherten, und er hörte wie die Bäume sich im Wind wiegten. Franko stellte sich das fröhliche gefiepse der Wolfskinder vor, als er horchte. Doch als er die Augen öffnete, waren sie noch immer fort. Doch er konnte sie hören. Hören wie sie heulten, wie sie ihn riefen. Er schloss erneut die Augen und lauschte ihren Melancholischen gesang.
Plötzlich spürte Franko, dass etwas feuchtes sein Gesicht streifte. Es fühlte sich warm an. Warm wie die Geborgenheit im Schoße seiner Mutter auf dem er einst saß. Seine Trauer, seine Verzweiflung und sein Zorn schien von ihm abzufallen. Er öffnete seine müden Augen und sah Sandy die Wölfin, wie sie sein Gesicht leckte. Er lachte, denn er fühlte sich zum ersten mal glücklich. Franko berührte ihr warmes und weiches Fell. Dann schaute er zum Fluss hinab und sah Albert, Mira, Timmy, Jimmy, und Artur. Sie waren alle da. Gemeinsam warfen sie ihre Köpfe in den Nacken und sangen im Chor. Sandy tat es ihnen nach. Franko erhob sich vom Baum. Er fühlte sich wieder jung und unbeschwert. Niemals zuvor war er so voller Leben wie in diesen Augenblick. Er hatte keine Angst mehr, denn jetzt wusste er, was er tun musste. Er schritt leichtfüssig den Hügel hinab. Sandy eilte vorraus und wartete neben Onkel Albert.
"Es muss ein Traum sein," dachte Franko. "Es kann nur ein Trau sein," und wie in einen wunderbaren Traum bewegte er sich zu seinem Rudel. Nun stand er vor Onkel Albert. Diesesmal aber zeigte er, dass er sich freute. Verspielt liefen Timmy und Jimmy um ihn herum und hüpften auf und nieder und schienen quietschvergnügt zu sein.
Franko befand sich nun direkt unter ihnen. Sandy richtete sich auf, legte ihre Pfoten auf seine Schultern, und leckte sein Gesicht. Die anderen Wölfe taten es ihr nach und empfingen ihn herzlichst.
"Sie heissen mich willkommen," dachte er, "jetzt wird alles gut."
Gemeinsam ging Franko mit ihnen zum Rande der Lichtung hinter den Fluss. Franko ging durch das knietiefe Wasser hindurch. Es fühlte sich warm an wie Sandys Küsse. Franko drehte sich nicht mehr um. Er ließ alles hintersich. Selbst seine geliebte Eiche unter die er sich immer setzte. Franko verschwand gemeinsam mit den Wölfen im Wald.
"Franko," brüllte eine verzweifelte Rabenstimme. Matis rannte zusammen mit Sandy den Hügel hinauf zur Eiche. Dort saß Franko. "Franko," begann Matis erneut," ich habe in der Schule das mit deinem Vater erfahren...." Matis hielt plötzlich inne und sagte nichts mehr. Er ging zu ihm herüber und sah, dass sein Gesicht auf der Brust lag. Er sah aus wie jemand, der am Baum gelehnt saß und schlief. Doch Matis erkannte das er lächelte und sein Gesicht feucht war. Matis ging nah an Franko heran und kniete sich vor ihm. "Franko?" doch er bekam keine Antwort. Matis bemerkte das Bild in Frankos Hand die auf seinen Schoß lag. Er nahm es ansich und betrachtete es. Er sah mit Bleistift Franko darauf gezeichnet, und wie Wölfe um ihn herumstanden und einer sich auf ihn stützte und sein Gesicht leckte. Matis sah, dass unter dem Bild etwas geschrieben stand. >Kein Himmel wird für mich jemals Himmel sein, finden sich meine Wölfe nicht zur Begrüssung ein<.
Matis hatte einen dicken Kloß im Hals. Er schluckte. Er stand auf und drehte sich um. Er sah zum Fluss hinunter. Dort war nur der Fluss und niemand sonst. In Matis Gesicht war trauer gemeißelt. Tränen rannen ihm von den Wangen hinunter. Sandy stand neben ihm und war erschrocken. Sie sah in seinem Gesicht Franko. So alt, so gebrochen und müde. Nicht mehr so jung und quicklebendig wie sie ihn zuerst kennengelernt. hatte. "Was ist denn mit Franko," fragte Sandy.
Müde und gebrochen schaute er sie an und antwortete. "Franko ist jetzt im Himmel."