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Die vermeintliche Schattenseite des Ruhmes
Viel habe ich versucht, um berühmt zu werden: gedichtet, geschrieben, gemalt. Schließlich sogar Politik studiert. Wenn es auf der künstlerischen Ebene nicht klappt, wirst du eben Bundeskanzler, dachte ich. Doch auch das scheiterte. Ich hatte mich schon mit dem Gedanken abgefunden, ein Nichts und Niemand zu bleiben. Die Stelle, wo ich die Kugel durch meinen Kopf jagen wollte, hatte ich mir bereits ausgesucht. Da sagte ein Bekannter, der meinen innigsten Wunsch vom großen Ruhm kannte: „Musik solltest du machen. Da kannst du leicht groß rauskommen. Am besten was einfaches, vielleicht HipHop, oder so.“
Da ich die Idee nicht schlecht fand, beschloss ich noch einen letzten Versuch zu starten. Wenn es nicht gelingen sollte, könnte ich mich immer noch erschießen, habe ich damals gedacht. Und siehe da: Es klappte. Mein erstes Album bekam auf Anhieb Platin und ich den Echo in der Kategorie „Bester deutschsprachiger Interpret“. Danach kamen viele meiner ehemaligen Freunde zu mir, und meinten Erfolg und Bekanntheit hätten nicht nur positive Folgen. Ich solle aufpassen. Aber das ist Quatsch, totaler Unsinn, in Wirklichkeit waren sie nur neidisch. Das meint auch Susi, meine neue Lebensgefährtin. Wieso neu? Das erkläre ich später. Erst mal möchte ich das Vorurteil von den Schattenseiten des Ruhmes entkräften.
Also auf jeden Fall haben Susi und die anderen Recht. Durch den Erfolg begriff ich erst, wer zu mir hält und wer nicht. Wenn ich nur daran denke, wie oft mir meine ehemaligen, so genannten Freunde widersprochen haben. Sogar gestritten haben wir uns manchmal! Das konnte so nicht weiter gehen, deswegen habe ich den Kontakt abgebrochen.
Meine neuen Freunde hingegen, stehen zu mir, unterstützen mich in dem, was ich tue; und das obwohl sie sozial nicht so gut gestellt sind, wie die alten. Daher unterstütze ich sie finanziell. Aber für wirkliche Freunde macht man das doch gerne. Das Klischee vom Verlust richtiger Freunde zugunsten geldgeiler Opportunisten ist totaler Schwachsinn.
Viele Prominente bemängeln, dass sie vierundzwanzig Stunden am Tag beobachtet werden und zum Beispiel nicht einmal in Ruhe einkaufen können. Das habe ich so noch nie erlebt. Gut ein paar Fotographen stehen schon manchmal vor meinem Anwesen, aber dabei handelt es sich nur um ein paar Ornithologen. Sie müssen wissen: Sperlinge nisten hier.
Und auch Einkaufen war ich erst letztens. Ganz normal schlenderte ich mit meiner Freundin durch die Stadt. Nur ab und zu wurden wir angesprochen. Für die sechshundert Meter Einkaufsstraße brauchten wir knappe fünf Stunden. Ich denke nicht, dass wir ohne die Autogramm- und Fotowünsche viel schneller gewesen wären.
Am Ende der Straße kam ein Vierzehnjähriger auf mich zu und riss mir die Sonnenbrille und das Toupet vom Kopf. „Ey, das ist der Scribnitzky, der HipHopper“, schrie er, umarmte und küsste mich. „Wie geil, dass ich sie mal live sehe“. Daraufhin kamen weitere Menschen und drängten sich um mich und Susi. Unsere Einkäufe wurden ein wenig in Mitleidenschaft gezogen, zerquetsch und zertrampelt um ehrlich zu sein. Aber sicher nicht absichtlich. So einen Zwischenfall kann man wirklich nicht als Ärgernis des Ruhmes verbuchen. Möglich wäre, dass der Teenager mich verwechselt hat. Wissen Sie eigentlich wie viele Menschen den Nachnamen „Scribnitzky“ tragen?
Viel mehr hat mir der Erfolg die Augen geöffnet, und mir gezeigt, was meine Exfrau wirklich ist. Nämlich eine intrigante Schlampe. Leider erlangte ich diese Erkenntnis auf Kosten des Sorgenrechts für die Kinder. Vor Gericht verbreitete sie allerlei Unwahrheiten über mich: Ich würde Drogen konsumieren, ich hätte die Katze im Ofen gebraten, nur um herauszufinden, wie sie danach aussieht und ich solle sie an die hundert Mal betrogen haben. Also meine Frau, nicht die Katze. Was für eine maßlose Übertreibung: Ich hatte maximal siebzig Geliebte, auf keinen Fall mehr. Zwar ist der Verlust der Kinder ein harter Preis, doch immer noch akzeptabel, wenn man bedenkt, dass ich mit dieser Frau zehn Jahre verheiratet war. Wie man sich so in einem Menschen täuschen kann?
Aber von Anfang an. Das Ganze begann mit einem harmlosen Brief. Zufällig war der Fan weiblich, hatte ein paar Bilder beigelegt und war das, was Mann „Granate“ nennt. Normalerweise beantwortete ich Fanpost nie, doch bei ihr machte ich eine Ausnahme. Ich schreib meinerseits: „Das Angebot auf Sex fände ich sehr nett, jedoch sei ich verheiratet und müsse daher leider ablehnen. Sie könne aber nächsten Mittwoch zwischen zwanzig und zweizwanzig Uhr – „Da ist meine Frau beim Aerobic“ – ganz unverbindlich auf eine Tasse Tee vorbeikommen. Aus der Tasse Tee wurde dann Proseco, den sie zudem noch aus meinem Bauchnabel schlürfte. Nun gut, so etwas passiert eben. Was will man machen? Meine Ex-Frau, die Schlampe, bekam davon nicht einmal etwas mit und ich bereute meinen Fehler sehr. Wie gesagt: Damals war ich noch verliebt in sie. Zwei Tage später entdeckte sie dann den Liebesbrief der Sexbombe. Ich schaffte es gerade noch die Situation vor der Eskalation zu beruhigen, indem ich meiner Ex-Frau mein Antwortschreiben zeigte. „Wie süß du bist“, sagte sie und war zufrieden gestellt. Danach ließ ich sogar weitere Versuchungen ihretwegen aus. Soviel Großmut muss man erst einmal aufbringen! Irgendwann wurde ich erneut schwach und ging ihr ein weiteres Mal fremd. Und dann nochmal, und nochmal ... Wie das eben so ist.
Eines Abends sprach sie die Thematik dann offen an, ich entschuldigte mich bei ihr (damit sie zufrieden war) und machte so weiter wie bisher. Sie konnte sich ja glücklich schätzen, mit einem so berühmten und erfolgreichen Musiker verheiratet zu sein. Doch stellen Sie sich vor, was das Flittchen dann machte? Sie ging mir fremd, mit einem meiner ehemaligen Kumpels. Um es mir heimzuzahlen, wie sie sagte. Natürlich hab ich sie sofort rausgeschmissen, das intrigante Miststück. Ich habe auch Gefühle! So etwas muss ich mir nicht gefallen lassen. Aber wie gesagt: Diese Erkenntnis verdanke ich allein meinem Erfolg. Ohne ihn wäre es wahrscheinlich nie so weit gekommen. Was dann beim Scheidungsprozess passierte, habe ich ja schon erwähnt. Eigentlich eine Frechheit, dass sie noch das Sorgerecht für die Kinder zugesprochen bekommen hat. Aber so ein Justizirrtum ist ein eigenständiges Thema.
Das geilste am Berühmtsein sind jedoch die Stalker. Acht eigene habe ich mittlerweile. Selbst Boris Becker und Franz Beckenbauer bringen es zusammen nicht auf so viele. Schon ein Grund stolz zu sein, finde ich. Diese Menschen richten ihr komplettes Leben nach mir aus. Sie stehen extra um vier Uhr nachts auf, nur um mich anzurufen. So etwas hätte meine Ex-Frau nie für mich gemacht.
Oft fahren sie hinter meiner Limousine her. Sehr schöne Geste. So kann man sich sogar in zwielichtigen Gegenden sicher fühlen.
Noch ein Vorteil: Falls ich mal meinen Kontostand, meine PIN oder den Türcode vergesse, brauche ich nur einen meiner Stalker anzurufen und schon weiß ich wieder Bescheid. Ich würde jedem empfehlen sich einen eigenen Stalker zuzulegen, wenn es nur nicht so schwierig wäre, an diese Menschen heran zu kommen. Dafür muss man schon berühmt sein. Welches Glück ich doch habe.
Noch eine kleine Anekdote, die das belegt. Erst vorgestern saß ich im Wintergarten und schaute raus auf meine kleine Parkanlage. Dort sah ich Fritz. Das ist einer der Stalker. Ich würde sagen: mein innigster Verehrer. Fritz krabbelte auf allen Vieren auf dem geschotterten Weg entlang. Mehr als zwei Stunden beobachtete ich ihn dabei. Das Ganze hat etwas Beruhigendes, ähnlich wie Zierfische im Aquarium. Langsam, ganz bedächtig, hob er einen Stein auf, hielt ihn nach oben und betrachtete ihn sorgfältig. Dann wickelte er einen Zettel herum, schnallte diesen mit einem Gummi fest und schmiss den Stein mit voller Wucht durch die Panoramascheibe meines Wintergartens. Ich flitze sofort zu der Stellen, wo der Stein liegen geblieben war. Gespannte löste ich den Zettel vom Stein und las die Botschaft, die darauf geschrieben stand: „Ich liebe dich. Dein Fritz.“ Tränen schossen mir in die Augen.
Der größte Beweis für meinen enorme Prominenz ereignete sich erst gestern. Ich muss zugeben, alles begann schlecht, nämlich mit einem Anruf meiner Ex-Frau. Was sie dann sagte, war die größte Anerkennung, die mir bisher zu Teil wurde. Noch heute bin ich stolz und gerührt. Mehr noch als wegen der herzzerreißenden Aktion Fritz’. Am Anfang des Telefonats war sie panisch und unglaublich hektisch. Sie stammelte zusammenhanglose Sätze, so dass ich überhaupt nichts verstand. Ich war schon geneigt aufzulegen. Was sollte die blöde Kuh schon Wichtiges von mir wollen? Doch was sie dann sagte, rührt mich noch heute zu Tränen: „Sie haben unsere Tochter entführt. Die Lösegeldforderung beträgt fünfzig Millionen Euro.“ Das muss man sich mal vorstellen! Für gewöhnliche Geiseln werden maximal ein paar Hunderttausend gefordert. Für MEINE Tochter fordert man fünfzig Millionen. Wie geil ist das denn?