Die verlorenen Kinder
Sein stiller und frustrierender Blick hing schon seit Stunden an dem Grabstein, mit ihrem Namen drauf. Yula Lestroy! Er schloss die Augen und eine Träne kullerte über seine Wange. „Wieso musstest du nur gehen? Du warst doch meine kleines Schwesterherz!“ flüsterte Dellen unter Tränen. Ohne es zu kontrollieren sank er auf die Knie und schlug die Hände vors Gesicht. Es war gerade mal eine Woche her, als seine kleine Schwester von ihm und seiner Familie, die ihm die Schuld gab, dass sie tot war, ging, doch er dachte immer wieder, das es erst gestern war. Seine Hände wurden nass und er ließ sie langsam sinken. Seine Augen wanderten automatisch auf das goldene Armband, das seine Schwester ihm geschenkt hatte. „Dellen?“ Diese hasserfüllte Stimme riss ihn automatisch aus den Gedanken. Sein Kopf drehte sich um, blickte in das Gesicht seiner Mutter und stand langsam auf. „Ich bin ja schon weg…Mom!“ murmelte er, spuckte das Wort Mom wütend aus, konzentrierte sich und war dann auch schneller weg, als ihm lieb war. Warum er so schnell war? Er konnte durch die Welt sozusagen springen und dorthin gehen wo er will. Nun stand er an einer Klippe, wo er und seine kleine Schwester immer standen, als sie beide noch kleiner waren. Doch er war nicht alleine, denn seine beste Freundin Lenna stand schon dort. „Sie hat dich schon wieder weggeschickt, oder?“ fragte sie sofort ohne sich umzudrehen oder ihn anzublicken. „Ja hat sie!“ antwortete der Junge leise. „Verdammt Dellen! Wehr dich doch mal endlich! Befördere sie doch einfach an einen Ort, wo sie dir zuhören muss! Du musst ihr die Wahrheit über Yulas Tod sagen!“ fuhr sie ihren besten Freund hysterisch an und ihre eisblauen Augen starrten ihn wütend in die Augen. Dellen kannte diesen Blick, der keine Widerrede duldete, doch er zischte: „Ich werde es ihr niemals sagen! Soll sie doch denken das ich Schuld daran bin, dann hat sie wenigstens ihre beiden Kinder vom Hals!“ Seine beste Freundin riss erschrocken ihre Augen auf. „Aber…Dellen! Reicht das nicht, dass sie erst deinen Vater und dann deine Schwester verloren hat? Jetzt willst du auch noch, das sie dich verliert?“ fragte sie ihn entsetzt und er drehte sich einfach nur um und starrte auf das weite, blaue Meer hinaus. Frei sein, das wäre das Beste! „Sie ist selbst daran schuld. Sie war es damals, die mich einfach links liegen gelassen hat. Sie war es, die mich jeden Tag blau schlug. Sie war es, die meinen Vater auf mich hetzte. Sie ist der Grund warum ich so denke, so bin und so handle. Also wieso…“ er betonte das ‚wieso‘ mit heftigen Unterduck und drehte sich zu Lenna um, als er weiter sprach: „…sollte ich ihr dann das mit Yula sagen. Sie wird mir niemals glauben, mich eh nicht akzeptieren und erst recht wird sie mich niemals in die Arme nehmen, so wie meine Schwester oder meinen Vater. Versteh es einfach! Ich bin ihr völlig egal, im jetzigen Leben, im nächsten Leben, in der Zukunft oder sonst wann!“ Er schaute seine Freundin an und diese unterdrückte die Tränen, die in ihren Augen aufstieg. Sie wusste das meiste nicht, was er da gerade gesagt hatte. „Das…tut mir leid!“ stotterte sie und nun liefen die Tränen doch einfach hinunter. Dellen war sofort bei ihr und drückte sie an sich. „Das macht doch nichts! Du wusstest das alles ja nicht, da ich es einfach verdrängt habe und es auch niemanden sagen wollte!“ sagte er zu ihr und drückte sie einfach nur an sich. „Jetzt habe ich nur noch dich und das soll auch sehr lange so bleiben!“ flüsterte er ihr ins Ohr. Lenna wischte sich die Tränen weg, schaute ihm in seine bräunlichen Augen und meinte dann: „Ich werde für immer bei dir bleiben, egal was auch passiert, egal was kommen mag, egal in welcher Situation!“ „Deshalb liebe ich dich so sehr!“ sprach er und küsste sie.