Die Verlobung
Die Verlobung
Die Sonne stand im Zenit und die Hummeln stürzten sich hypnotisch verzückt wie betrunkene, pelzige Bällchen in die aufgesperrten Mäulchen der Lupinenblüten. Lea war auf ihrem Liegestuhl unter dem Sonnenschirm eingeschlafen. Eine Handbreit über ihrem Bauchnabel war eine Falte und an den Innenseiten ihrer Knie, die jetzt nach außen gedreht waren, hatten die Jahre ein feines Geflecht aus violett-blauen Äderchen gezeichnet.
Es wäre ihr nicht recht, dass ich sie genau betrachte, dachte er und konnte sich doch nicht von den blauen Äderchen losreißen. Er wusste nicht, ob sie sich dafür schämte. Sie sprachen nicht über solche Sachen.
Eine der Hummeln hatte sich verirrt, brummte dicht üer Leas Kopf hinweg und verschwand hinter der Ziegelmauer, die die Terrasse zur Straße hin abgrenzte. Lea blinzelte und fing an, sich zu räkeln.
Hinter der Sonnenbrille konnte sie seine Augen nicht sehen, aber er hielt den Kopf so, wie er es machte, wenn er nachdachte. Sie erschrak fast, als er sie, ohne sich vorher zu räuspern, fragte:
„Wollen Sie meine Frau werden?”
Lea angelte nach dem Badetuch, das neben ihr auf den Betonfliesen lag, und deckte sich damit zu.
„Möchten Sie mich denn heiraten?”, fragte sie.
Er nahm die Sonnenbrille ab, sah ihr aber nicht ins Gesicht.
„Wir kennen uns schon so lange.”
„Sie könnten auch sagen, wir kennen uns schon zu lange.”
„Ja, so, glaub ich, hab ich es auch gemeint”, sagte er.
„Wozu brauchen wir dann eine Hochzeit?”, fragte Lea.
„Es wäre symbolisch.”
„Glauben Sie an Symbole?”
„Vielleicht nicht so wie die Katholiken.”
Der Himmel war dunstig geworden und ein leichter Wind kam auf. Trotzdem schien es noch wärmer zu werden.
„Ich muss darüber nachdenken”, sagte sie.
In der Nacht kam das Gewitter krachend und zuckend über die verwahrloste Landschaft, die hinter der Wohnsiedlung, heran. Wenn sie miteinander schliefen, taten sie das im Dunkeln, ohne zu reden und ohne ekstatische Gebärden. Aber jetzt, da sie über ihm war, flüsterte sie:
„Ich liebe dich.”
Zum ersten Mal hatte sie Du zu ihm gesagt und er hatte Angst, dass sie als nächstes von ihren blauen Äderchen sprechen würde. Ja, man sollte unbedingt an Symbole glauben, dachte er, man kann nicht vorsichtig genug mit ihnen sein, aber vielleicht würde morgen alles so sein wie immer.