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Die unglückliche Jungfrau

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12.04.2003
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Die unglückliche Jungfrau

Es war ein sonniger Morgen, an dem wir uns aufmachten, den Berg hinauf zur Segensburg zu steigen. Ich hatte den Auftrag bekommen, für meine Zeitung nach Rumänien zu reisen und einen Reisebericht zum nächsten Monat abzuliefern. Nun war ich nicht gerade sonderlich glücklich darüber, diesen hohen Berg erklimmen zu müssen, nur um eine Burg zu besichtigen, die man für Touristen zum Hotel ausgebaut hatte. Trotz des schönen Wetters war ich ein bisschen wütend auf die Organisatoren dieser Gruppenreise. Warum hatte man ausgerechnet diese Strecke ausgesucht, wo es weder eine Seilbahn noch eine Straße gab? Dafür würden sie eine harsche Kritik zu erwarten haben.
„Wann sind wir endlich da?“ fragte ich entnervt unseren Führer.
„Nur noch ein kleines Stück, dann sind wir da,“ antwortete er mir, was mich aber nicht wirklich beruhigte. Schließlich hatte er das selbe vor einer halben Stunde auch schon gesagt.
„Gleich sind wir da, nur noch um diese Kurve und dann sehen Sie auch schon die Burg.“
„Endlich,“ seufzte ich.
Ich war mit einer kleinen Reisegruppe von gut fünfzehn Mitreisenden unterwegs. Mich begleitete mein Assistent Joe Williams. Er, wie auch die anderen Reisemitglieder, waren sichtlich begeistert von unserem kleinen Ausflug. Wie konnte man das denn verstehen? Wir folgten einen steinigen Wanderweg stundenlang in glühender Hitze und sie erfreuten sich daran. ‚Was für trostlose Menschen, wenn sie sich an so etwas ergötzen konnten’, dachte ich bei mir.

Endlich hatten wir die Kurve genommen und da, etwa zwanzig Meter über uns und hundert von uns entfernt erhob sich das imposante Bauwerk. Ich musste zugeben, ich war ziemlich beeindruckt von diesem Monument. Die Burg war aus grauem Stein geschlagen, in den untersten Anfängen schien sie mit dem Berg zu verschmelzen. Eine Mauer wand sich um den majestätischen Burgturm, welcher in enormer Größe hervorstach. Das letzte Stück nahm ich mit neuer Kraft, in der Hoffnung auf ein reichhaltiges Empfangsessen.
Am späten Abend

Langsam versank die Sonne hinter den Bergen. Ich saß in einem Sessel im obersten Turmzimmer und las in einer Zeitung von gestern, die ich in der Hotelhalle gefunden hatte. Die Burg als Hotel war meiner Meinung nach ein totaler Reinfall. Das Empfangsessen gab es nicht, nur eine Schale mit gammeligem Obst auf den Zimmern und vorher ein kärgliches Abendessen in einem kitschig möblierten Speiseraum. Die Zimmer waren zwar ziemlich gemütlich und luxuriös ausgestattet, aber sie waren kalt und feucht. Der Wind pfiff laut durch das marode Dach und ab und an tropfte es in mein Zimmer hinein. Wir waren in diesem Jahr die ersten und nach meiner Kritik wahrscheinlich auch die letzten Gäste in diesem Hotel.
Wie konnte es nur sein, dass es den anderen Gästen so gut gefiel? Ich verstand es einfach nicht. Auch wenn sie begeistert waren, war es meine Pflicht dieses Hotel in meiner Kritik zu zerreißen, schließlich gab es ja noch vernünftige Gäste, die nicht so eine Tortur durchzumachen gedachten. Joe und die anderen nahmen an einer Nachtwanderung teil. Was sollte ich bei so einem Kinderkram mitmachen, dachte ich. In Kälte und Dunkelheit draußen durch den Wald zu marschieren und Gruselgeschichten zu lauschen, das war doch nichts Erstrebenswertes! Die Zeitung in der ich las, war auch keine Freude. Wie konnte man nur so schlecht schreiben? Ich würde es besser machen.
Mit einem lauten Knall flog die Tür des Turmzimmers auf. Fast zerbarst sie, als sie gegen die harte Steinwand schlug. Der Wind hatte sie aufgeschlagen und löschte alle Kerzen im Raum, so dass es stockdunkel wurde. Fluchend sprang ich auf und ging zur Kommode, um mir die Taschenlampe zu holen.
„In was für eine Bruchbude war ich nur gelangt“, bemitleidete ich mich selber.
Laut jaulte ich auf, als ich auf dem Weg zur Kommode über einen Schemel stolperte. Schimpfend über die ganze Situation, rieb ich mir die schmerzende Stirn und rappelte mich wieder auf. Ich musste stark an der Schublade ziehen, bevor sie sich öffnen ließ. Dann nahm ich die alte Taschenlampe heraus und schaltete sie an. Zu meinem Pech war die Batterie auch schon ziemlich leer, so gab es nur einen schwachen Schein.
Ich tastete mit dem wenigen Licht die Wände ab. Alles so wie gehabt. Verwundert sah ich mich um. Mit solcher Kraft hatte der Wind die Tür aufgeschlagen und die gesamten Kerzen im Zimmer gelöscht- und doch stand das Kartenhaus, das ich heute auf einem kleinen Esstisch errichtet hatte, immer noch. Müde bewegte ich mich zur Tür hin, um diese zu schließen. Ich wollte sie gerade ins Schloss legen, als ich meinte, einen Schrei gehört zu haben. Neugierig öffnete ich die Tür wieder, aber nichts war mehr zu hören. Eben, das war ein leiser aber doch durchdringender Schrei gewesen, der Schrei einer Frau, wie ich meinte.
Irgendwie überwog dann doch die Neugier und ich entschied mich, die schmale Treppe den Turm hinunter zu steigen. Ein folgenschwerer Fehler, wie sich später herausstellen würde. Ich knipste die Taschenlampe aus, um die letzten Züge der Batterie noch zu bewahren, sowieso schien jetzt der Vollmond hell und klar durch die schmalen Schießscharten des Turmes. Die Treppe hinab zu steigen war ziemlich schwierig, denn die Stufen waren sehr schmal, wie fast alles hier in diesem Gang.

Leicht bläulich schienen die kalten Mauern mir entgegen, gespeist vom Licht des Mondes. Ich musste zugeben, in diesem Moment war mir ein bisschen unheimlich: Das schimmernde Licht des Mondes, der merkwürdige Schrei, von dem ich nicht wusste woher er rührte. Aber die Neugier überwog auch bei der Entscheidung, weiter hinab zu gehen.
Ich war jetzt ganz unten angekommen und befand mich in einem rechteckigen Gang, der einen kleinen Garten umfasste. Zur einen Seite gab es eine Mauer mit zahlreichen Malereien, zur Gartenseite hin eine Riege von weißen Säulen. Ich ging den Gang immer weiter entlang, dabei streifte mein Blick die nähere Umgebung. Zwei Kastanien rankten sich empor und trafen über einem geziegelten Brunnen zusammen.
Wo ging ich überhaupt hin? Was war mein Ziel? Ich wusste es nicht, ich ging einfach immer den Gang entlang. Plötzlich tauchte aus dem Nichts ein Mann neben mir auf. Ich erkannte ihn als einen Teilnehmer aus meiner Reisegruppe
„Was machen Sie denn hier?“ fragte er barsch.
„Ich, ich dachte ich hätte einen Schrei gehört und wollte nachsehen, ob etwas passiert ist. Und Sie?“
Ich beobachtete den großen stämmigen Mann. Er war mir nicht weiter aufgefallen, eigentlich hatte ich ihn bis jetzt noch nie sprechen hören. Er war nicht in Begleitung gekommen und hatte auch nie mit anderen aus der Gruppe Kontakt aufgenommen. Ein komischer Geselle!
„Sie haben ihn also auch gehört. Dann lassen Sie uns doch gemeinsam nachsehen,“ schlug er vor.
Ich stimmte zu, wusste aber noch nicht, worauf ich mich da eingelassen hatte.
Er ging voran und leuchtete uns mit einer Kerze den Weg. Wir gingen solange, bis mein Begleiter plötzlich stehen blieb.
„Haben Sie das auch gesehen?“ fragte er mich und deutete auf eine gut zehn Meter weit entfernte leicht geöffnete Tür, aus der Licht schien.
„Da war eben eine weiße Gestalt mit einer Kerze in der Hand.
Ich glaube, eine Frau. Die ist da entlang gegangen. Los, folgen wir ihr, wahrscheinlich hat sie geschrieen.“
Ich ließ mich von ihm und meiner Neugierde mitreißen. Er öffnete die schwere Eichentür und gebot mir vorzugehen, dann folgte er mir. Plötzlich fiel mit einem Krachen die Tür hinter uns ins Schloss, so dass ich erschreckt zusammenzuckte. Mein Begleiter drehte sich um und rüttelte an der Klinke.
„Sie ist verschlossen,“ sagte er ausdruckslos zu mir.
Ich ging einige Schritte zurück und rüttelte selber an der Tür. Sie war tatsächlich nicht mehr aufzukriegen.
„Was machen wir jetzt?“ fragte ich ihn.
„Keine Ahnung!“ Er zuckte mit den Schultern „Wahrscheinlich sollten wir einfach diesem Gang folgen. Was bleibt uns denn anderes übrig.“
Ich wusste auch nichts besseres vorzuschlagen, also gingen wir den Gang entlang, bis zu einer Biegung. Dort führte eine Treppe nach unten. Da ich vorging, knipste ich die Taschenlampe wieder an, denn der Weg war stockfinster.
Der Gang und die Treppe schienen direkt aus dem Stein des Berges geschlagen. Unheimlich und kalt wirkten die Steinwände. Mir schauderte vor dem Abstieg, denn ich hatte in meinem tiefsten Inneren höllische Angst, wollte es mir selber jedoch nicht zugeben.
„Was ist nun? Geht’s heute noch da runter? Einen anderen Weg gibt’s ja wohl nicht, oder?“
Ich sah in das leicht genervte Gesicht meines Begleiters und begann daraufhin mit dem Abstieg. Die Treppe schien kein Ende zu nehmen, wir gingen immer weiter die schmalen Stufen hinab, das schwache Licht der Taschenlampe leuchtete gerade einmal zwei Meter, wenn nicht sogar weniger weit. Aber dann, nach dem endlos scheinenden Abstieg, kamen wir unten an. Wir standen vor einer schweren Eichentür und - da war er plötzlich wieder - dieser Schrei. Es war genau der Schrei, den wir auch schon in den oberen Stockwerken vernommen hatten, doch war er diesmal leiser, aber trotzdem näher und intensiver.

„Da ist ja unser Schrei wieder. Sieht so aus als wenn wir auf dem richten Weg sind. Lassen Sie uns reingehen!“ sagte mein Begleiter.
Ich schwieg, denn ich hatte ehrlich gesagt große Angst davor, den Raum hinter der Tür zu betreten.
’ Was erwartete uns dort drinnen?’ Ich wusste es nicht - und nicht zu wissen was kommt oder was einen erwartet, dies ängstigte mich.
Als ich ein zweites Mal aufgefordert wurde die Tür zu öffnen, tat ich es mit angespannter Vorsicht. Laut knirschte die Tür beim Öffnen. Man konnte uns gut hören, was meiner Meinung nach nicht schlimm war, denn wir wollten ja helfen. Mein Begleiter fluchte jedoch heftig.
Wir betraten den Raum . Er war groß und weitläufig und erstreckte sich gut zehn Meter in die Höhe und zwanzig in die Weite . Ich strahlte ihn mit meiner Taschenlampe ab. Sie zeigte mir nicht viel, aber was ich sah, erschreckte mich zutiefst.
Wir waren in einer riesigen Folterkammer gelandet. Alles was das Herz eines Sadisten erfreute, fand man hier. Geschockt traten wir weiter in den Raum. Was sich uns hier eröffnete, ließ Schreckliches erahnen. Streckbänke und auch andere Foltertische standen hier in Massen. Eisenketten hingen von den Wänden und in vielen Tischen steckten grausige Folterwerkzeuge. Ein Geruch von Schwefel lag in der Luft, auf den Tischen lag Ruß. Direkt über unseren Köpfen baumelte ein kleiner Käfig. Ich strahlte ihn ab und sah mit Entsetzen, dass sich in ihm ein Skelett befand, was an die Gitterstäbe gelehnt war und uns anzustarren schien.
„Lassen Sie uns hier verschwinden. Dieser Ort birgt nichts Gutes“. Ich sah in das kreidebleiche Gesicht meines Gefährten. Dieser nickte. Als wir uns gerade umwandten, um wieder zurück zu gehen und aus diesem Verließ zu entfliehen, schlug auch diesmal die Tür mit einem lauten Knall zu. Ein heftiger Wind durchzog den Raum, und wenige Meter von uns entfernt entflammte kurz ein Feuer in einem Kamin, der sicher in dieser Kammer auch nicht dazu gedacht war, Wärme zu spenden.
‚Wie konnte das sein?’ Ich hätte schwören können, dass in ihm vorher keine Glut war oder das ein Feuer gebrannt hatte. Als ich noch einmal hinsah, brannte es nicht mehr, nur die vorher schwarzen Kohle glühten jetzt rot.
„Sie ist auch verschlossen,“ schrie mein Begleiter panisch. Er war zur Tür gelaufen.
Wir sahen uns einige Augenblicke an. Beide wussten wir nicht, was hier vor sich ging.
„Sagen Sie mal, glauben Sie an Geister?“ Fragend sah er mich an. Hätte er mir diese Frage Minuten zuvor gestellt, hätte ich ihn für verrückt gehalten. Nun dachte ich wenigstens an die Möglichkeit, dass es Geister geben könnte. Ganz gleich ob es welche gab oder nicht, ich wusste das es hier etwas gab, was nicht mit rechten Dingen zuging und das erbärmliche erdrückende Angst mir die Kehle zuschnürte.
Ich zuckte als Antwort auf seine Frage nur mit den Achseln.
„Na gut,“ mein Begleiter versuchte sich wieder etwas zu beruhigen. Er atmete tief ein und fing wieder an zu sprechen. „Gut, wir gehen am besten jetzt den Raum ab, bestimmt gibt es noch einen zweiten Ausgang.“
Ich nickte und ging voran, auch wenn ich nicht wirklich daran glaubte. Warum sollte eine Folterkammer auch zwei Ausgänge haben? Aber wenigstens für einen Moment eine Hoffnung zu haben, das würde uns beiden vielleicht helfen. Wir gingen also weiter, wobei ich die einzelnen Folterwerkzeuge genauer abstrahlte. Wenn man sich jetzt vorstellte, was einmal damit angerichtet wurde, konnte es einem ziemlich übel werden. Mir ging es jedenfalls so.
„So ein Mist,“ fluchte ich, als die Taschenlampe ausfiel, ich gegen einen dieser Foltertische lief und auf einmal alles in völliger Dunkelheit verschwunden war. Ich fingerte an der Taschenlampe herum und wusste selbst nicht, was ich getan hatte, als sie plötzlich wieder funktionierte.
Zuerst fiel der schwache Schein auf die Steinwand zu meiner Seite. Mir stockte der Atem, als ich meinen Schatten und den eines riesigen Messers, zum Schlag bereit, hinter mir erhoben sah. Hastig drehte ich mich um und beschien direkt das Gesicht meines Begleiters. Er hielt das Messer hoch erhoben. Sein Gesicht war zu einer wahnsinnigen Fratze verzogen. Die Augäpfel quollen fast aus den Höllen, er zeigte ein breites Grinsen und seine linke Augenbraue zuckte in unregelmäßigen Abständen.
„Warum,“ stotterte ich fassungslos, als er die Waffe auf mich hinunterschnellen ließ.
Ich duckte mich und schloss die Augen, in der Erwartung bald nichts mehr als Schwärze zu sehen. Doch dann geschah nichts. Ich wartete einen weiteren Moment, aber auch dann geschah nichts weiter. Langsam traute ich mich wieder, die Augen zu öffnen und blinzelte vorsichtig. Dort stand er nun, mit weit aufgerissenem Mund und Augen. Sein Kopf war zur Hälfte von einer Axt gespalten. Auch wenn er sicherlich tot war, so hatte ich doch den Eindruck er würde mich ansehen. Dann sackte er langsam zu Boden und blieb dort reglos liegen.

‚Woher war die Axt gekommen, was war passiert?’ Vorsichtig drehte ich mich herum. ‚Würde mit mir das gleiche passieren?’ Ich sah niemanden und nichts, was die Axt hätte führen können, doch eins stand fest: Ich musste hier raus.
Ich hastete zur Tür. Panisch hämmerte ich an das Holz. Ich schrie, ich weinte. Doch als ich die Türklinke herunter drückte, stellte ich fest, dass die Tür überhaupt nicht verschlossen war. Ich öffnete sie hastig, nahm die Treppe mit großen Sätzen und sprintete nach oben. Die nächste Tür war auch offen und bald war ich in meinem Zimmer angelangt. Ich schloss die Tür hinter mir und legte den Riegel vor. In meinem Zimmer war nichts ungewöhnliches, dachte ich zuerst, doch als ich mich genauer umsah entdeckte ich in der silbernen Obstschale einen Haufen glühender Kohlen.

Am nächsten Morgen

Ich hatte die ganze Nacht nicht geschlafen, sondern darüber nachgedacht, was die Kohle wohl zu bedeuten hatte. Nachdem ich wieder in mein Zimmer gekommen war, hatte ich mich in meinem Sessel neben dem Schrank zusammengekauert. Dort hatte ich solange gewartet bis ich die Stimmen der anderen zurückkommenden Gäste gehört hatte. Erst dann hatte ich mich getraut ins Bett zu gehen, aber lange keine Ruhe gefunden. Ich hatte über so viel nachdenken müssen, über alles, was dort unten geschehen war. Was wohl die glühenden Kohlen bedeuteten? Ich fand keine Antwort.
Am nächsten Morgen hatte ich dann sofort die Abreise von meinem Assistenten und mir veranlasst. Keine Minute länger wollte ich an diesem Ort bleiben und ich erzählte auch niemanden von den Ereignissen im Verließ. Jeder würde denken, ich hätte diesen Mann aus meiner Reisegruppe ermordet, also wollte ich darüber kein Wort verlieren. Schließlich ging ich zusammen mit Joe den Berg wieder hinunter. Bis jetzt hatten wir kein Wort gewechselt, also nahm ich ein Gespräch mit ihm auf, denn die Stille war für mich erdrückend.
„Und, wie war der gestrige Ausflug?“ Lächelnd sah ich ihn an.
„Nun, ja es war ganz nett, wir haben einen Ausflug um die Burg gemacht und Interessantes gehört. Ja, war eigentlich ganz nett.“
„Und habt ihr auch eine Gruselgeschichte gehört?“ Mit einem etwas gezwungenen Lächeln sah ich ihn an.
„Doch, das haben wir auch,“ antwortete er.
„Nun, nicht so schweigsam mein Freund. Wie hieß sie? Wovon handelte sie?“
„Es war die Geschichte der unglücklichen Jungfrau,“ berichtete Joe.
„Oh, eine Jungfrau, scheint ja sehr spannend gewesen zu sein,“ versuchte ich zu scherzen.
Mein Assistent lachte nicht, wahrscheinlich hatte er meine humoristische Anspielung gar nicht verstanden. Der Hellste war er nicht unbedingt.
„Also, erzähl schon weiter, warum war sie eine Jungfrau? War sie besonders hässlich? Was ist mit ihr passiert? Erzähl doch, sonst bist du ja auch nicht so schweigsam,“ forderte ich ihn auf.

„Nein hässlich war sie nicht. Laut der Geschichte war sie von blendender Schönheit. In sehr jungen Jahren ist sie dann nur knapp dem Fiebertod entronnen. Sie hatte zuvor immer zur heiligen Maria gebetet. Als sie wieder gesund wurde, legte sie aus Dankbarkeit ein Keuschheitsgelübde ab. Es war aber so, dass sie die einzige Tochter des Burgherren war, und als sie so um die zwanzig war, lag dieser im Sterben. Sein letzter Wunsch an sie war, dass sie sich vermählen möge und noch vor seinem Tod ein Kind gebären solle. Sie hatte aber ja dieses Gelübde abgelegt und wollte sich auch daran halten. Der Burgherr befahl also einem Ritter, den er für würdig befand, der Vater seines Enkels zu werden, mit seiner Tochter ein Kind zu zeugen und damit das Fortbestehen der Familie zu sichern.
Die Tochter wehrte sich gegen jeden Annäherungsversuch des jungen Ritters, so kam dieser immer mehr unter Druck, denn der Burgherr hatte ihm mit seiner Hinrichtung gedroht, sollte seine Tochter vor seinem Tode nicht ein Kind gebären. In seiner Verzweifelung drang der Ritter eines Tages in das Gemach der Jungfrau ein und vergewaltigte sie. Daraufhin beging sie Selbstmord.“
„Aha, gut und wie beging sie Selbstmord? Was geschah dann?“ fragte ich, mittlerweilen neugierig geworden.
„Nun, sie hat sich selbst umgebracht, indem sie eine glühende Kohle verschluckte. Den Ritter fand man wenige Tage später im Verließ. Ihm war der Kopf in der Mitte mit einer Axt gespalten worden. Der Burgherr verstarb ein halbes Jahr später eines qualvollen Todes. Seitdem sagt man, der Geist der unglücklichen Jungfrau würde noch heute in der Burg spucken.“ Als Joe mit der Geschichte geendet hatte wusste ich wirklich nicht mehr was ich glauben sollte. Es versetzte mir einen gewaltigen Schock. Die Kohle in meinem Zimmer, der gewaltsame Tod des Mannes, der versucht hatte, mich umzubringen, was hatte das alles zu bedeuten?

Als ich dann einige Tage später erfuhr, dass im Verließ der Segensburg die Leiche eines von der Polizei schon lange gesuchten Mörders und Serienvergewaltigers gefunden wurde, wusste ich, dass es so etwas wie Geister gab. Jedenfalls glaubte ich an die unglückliche Jungfrau.
Nachdem ich mich von meinem Schock erholt hatte, witterte ich schon wieder eine neue Geschäftsidee. Ich rief meinen Redakteur an und überzeugte ihn davon, dass es doch besser wäre, wenn ich statt durch die Lande zu ziehen und Reiseberichte zu schreiben, besser Geschichten wie die von der Jungfrau sammeln sollte. Seitdem habe ich es mir zum Ziel gemacht, das Unnatürliche zu erforschen.

 
Zuletzt bearbeitet:

Hi David und herzlich willkommen auf KG.de :)

Für Dein Alter hast Du auf jeden Fall eine ordentliche Geschichte abgeliefert. Der Stil lässt sich gut lesen; was mir den Horror ein bisschen nimmt ist die Vorhersehbarkeit der Handlung:
Es gibt unzählige alte Sagen, bei denen ein Geist auf einer Burg sich für sein einstiges Schicksal rächt und die Unterschiede liegen oft nur darin, ob die Menschen dort überleben oder nicht. ;-)

Insofern dürfte es grundsätzlich und für jeden Autoren recht schwierig sein, aus einer solchen Idee noch etwas herauszuholen was den (erfahrenene Horror-) Leser schockt.

Dafür würden sie eine harsche Kritik zu erwarten haben.
Klingt mir spontan ein bisschen zu umständlich, reicht nicht auch "Dafür würde sie eine harsche Kritik erwarten"?

Was mir mehrmals auffiel: An den Reaktionen der Personen musst Du noch feilen, die Dialoge kommen teilweise hölzern und unrealistisch rüber.
Zum Beispiel als sie das Verließ betreten kommt folgende Beschreibung des Raumes:

Streckbänke und auch andere Foltertische standen hier in Massen. Eisenketten hingen von den Wänden und in vielen Tischen steckten grausige Folterwerkzeuge. Ein Geruch von Schwefel lag in der Luft, auf den Tischen lag Ruß. Direkt über unseren Köpfen baumelte ein kleiner Käfig. Ich strahlte ihn ab und sah mit Entsetzen, dass sich in ihm ein Skelett befand, was an die Gitterstäbe gelehnt war und uns anzustarren schien.
Grauen pur also! Und was lässt Du eine Deiner Figuren sagen als Reaktion darauf:
"Lassen Sie uns hier verschwinden. Dieser Ort birgt nichts Gutes".
Du verstehst? "Dieser Ort birgt nichts Gutes" ist da so ungefähr die Untertreibung des Jahres, das passt eher zu einem verlassenen Friedhof oder einer leerstehenden Hütte im Wald. Hier dürfte man die Angst der Männer schon etwas plastischer schildern. Lass deine Fantasie spielen und versuch Dich in ihre Lage zu verstzen. Manchmal hilft es auch, die Augen zu schließen und sich die Szene wie in einem Film vorzustellen. Wie würden sich die Charaktere verhalten? Vielleicht würden ihnen die Beine versagen, das Blut aus dem Gesicht weichen, Schweiß auf die Stirn treten, die Stimme zittern ... der Leser muss ihre Angst in diesem Moment regelrecht spüren können. Wenn die Figuren auf eine schockierende Situation zu harmlos reagieren reizt das den Leser eher zum Lachen. Haben die Charaktere keine Angst hat er meist auch keine.
Die Augäpfel quollen fast aus den Höllen,
Ich vermute, Du meinst hier "Höhlen".
Dann sackte er langsam zu Boden und blieb dort reglos liegen.

,Woher war die Axt gekommen, was war passiert?' Vorsichtig drehte ich mich herum. ,Würde mit mir das gleiche passieren?' Ich sah niemanden und nichts, was die Axt hätte führen können, doch eins stand fest: Ich musste hier raus.

Hier gilt ähnliches wie vorhin: Auch heir ist mir die unmittelbare Reaktion zu dünn. Später schreibst Du zwar wie er mit den Fäusten verzweifelt gegen die Tür hämmert, aber besser gefiel mir wenn sich sofort sein Schock offenbaren würde, sobald er seinen Begleitert mit gespaltenem Kopf erblickt. Ich persönlich wäre jedenfalls garantiert einer Ohnmacht nah.
Ich hatte die ganze Nacht nicht geschlafen, sondern darüber nachgedacht, was die Kohle wohl zu bedeuten hatte.
Und nochmal: Das klingt so als konnte er nur wegen der Kohle nicht schlafen. Aber muss ihm nicht auch der Anblick des toten Begleiters, ja alleine schon der der grausamen Folterkammer den Schlaf rauben?! Die Kohle war da bei weitem noch nicht das Schlimmste, was er an diesem Tag gesehen hatte. Die würde ich in diesem Zustand vielleicht sogar nicht richtig wahrnehmen.
Ich vermute Du wolltest sie betonen, weil sie am Ende nochmal eine Rolle spielt. Das halte ich aber gar nicht für so notwendig.

Ich bleibe dabei, aus dem Thema kann man schon nciht mehr allzuviel herausholen, das hat es in der Horrorliteratur schon zu oft gegeben. Wirkliche Angst macht man damit wohl kaum noch einen Leser.

Für einen 14-jährigen finde ich die Story aber ziemlich gut.
Üb einfach weiter, lies viel, vielleicht bringen Dir meine Anmerkungen auch ein kleines bisschen was und wenn man dranbleibt wird man von Mal zu Mal noch besser.
Ich wünsch Dir noch viel Spaß beim Schreiben. :-)

Liebe Grüße
Ginny

 

Hi David,

ich fand deine kleine Gespenstergeschichte sehr amüsant. Gegruselt hat es mich leider gar nicht. Das liegt wohl in erster Linie daran, dass die Atmosphäre des Schlosses nicht rüberkommt. Deine Erzählung schreitet meines Erachtens viel zu schnell voran. Gerade erst aus der Seilbahn herausgekommen, befindet sich unser Protagonist drei Zeilen weiter sofort in seinem Zimmer. Du versuchst zwar, dass Gemäuer mit ein paar Sätzen zu beschreiben, aber das reicht mir nicht. Probier doch mal, die Gedanken deines Protagonisten mehr in die Handlung einzubeziehen. Du lässt ihn von einem Ort zum anderen gehen, ohne das der Leser irgendeinen Bezug nehmen kann.
Die hölzernen Dialoge hat Ginny bereits angesprochen.
Jedenfalls merkt man keineswegs, dass die Leute auch Angst haben könnten. Sie wollen ja auch schließlich nur helfen ;)

Was die Vorgeschichte mit der Jungfrau angeht...

die fand ich eigentlich recht gut. Passt gut zu so einem Schlossgespenst. Allerdings begreif ich nicht, warum das arme Mädel ein Keuschheitsgelübde ablegt. Sie hatte doch bloß hohes Fieber?! Für mich kein Grund auf Sex zu verzichten ;)

Einige Sätze sind ein bisschen holperig. Und Rechtschreibfehler haben sich auch eingeschlichen. Hier ein ganz böser.

Seitdem sagt man, der Geist der unglücklichen Jungfrau würde noch heute in der Burg spucken

Das gehört sich aber nicht für so eine schöne Jungfrau!

Ansonsten muss ich mich aber Ginny anschließen. Dafür das du erst 14 Jahre alt bist....Respekt :thumbsup:

Ich glaub da waren sogar Wörter dabei, die kannte ich mit 14 noch nicht einmal :)

Also wenn du da dran bleibst kann aus dir echt was werden! Jedenfalls hier auf kg.de
Talent und Potenzial auf jeden Fall vorhanden, sag ich.

schönen gruß
Christian

 

Vielen Dank für die Anmerkungen.
Ich werde versuchen in Zukunft darauf zu achten.
Ich werde es auf jeden Fall weiterversuchen und widme mich jetzt einmal einer anderen Art von Geschichte.
(Dem Drama)
Ich guck dann mal, vielleicht habe ich da ja mehr Talent.

 

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