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Die unglückliche Ehe des Billy Carson

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24.01.2013
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Die unglückliche Ehe des Billy Carson

Ich bin die Gegenwart, die hier an der Nahtstelle von Raum und Zeit steht-
wer sonst
?“ - Joyce Carol Oates

Billy Carson hatte viel Zeit zum Nachdenken. Seine beiden Daumen lagen überkreuzt aufeinander, nur minutenweise zuckten sie auf, wenn der Schweiß von Bills Stirn hinunterkullerte, und es dann auf seinem Gesicht landete und brannte.
Er saß auf einem Stuhl, und dieser Stuhl war bequem, da er schlicht, aus Holz und geraden Linien war. Bill saß nicht gerne auf diesem Stuhl, während er nüchtern war. Er hätte jetzt in diesem Moment am Liebsten ein Bier in der Hand gehabt, etwas Alkohol, um seinen Verstand, in diesem wichtigen Moment seines Lebens zu benebeln.
Der Staat, der jeden Cent umdrehte, und jegliche Kosten senken wollte, ließ nur eine Glühbirne ohne Zubehör an der Decke baumeln, manchmal schwach umherpendelnd, wenn ein Mitarbeiter mit seinen dicken klopsigen Kinn über den Flur schlenderte, über dem Flur über ihm.
Einmal hörte er ganz schwach Musik von weit her, obwohl er sich bewusst war, oder nicht, dass er sich dies wahrscheinlich eingebildet hatte, erzwungen durch die Klarheit, die die Situation in ihm hervorgerufen hatte, und die mit jedem Mittel zerstört werden musste. Der Schmerz, das Eingestehen, wäre dann zu groß, und voller Pein.
Er hatte nun absichtlich diese Zeit vorgesetzt bekommen, die Zeit, in der er sitzen, und nachdenken musste, sich es eingestehen musste, obwohl es praktisch letztlich nichts brachte, und Bill fragte sich, wofür diese letzte Spannung denn am Ende gut sein sollte, diese Aufgabe, diese Tortur, diese Folter.
Bill überlegte, und raffte sich in seiner Situation auf, wobei im klar wurde, dass er eigentlich, nichts richtig gemacht hatte.
Er überdachte sein Leben (wofür diese Stunde ja da sein sollte), dachte an die wichtigen Momente in seinem Leben, an die wichtigen Entscheidungen, die in diesen Momenten von ihm getroffen worden waren. Doch dann, nach einem Moment des Entsetzens, wurde ihm klar, dass diese Menschen genau das von ihm wollten, sie wollten sein Gewissen benebeln, seine eigenen Gedanken kontrollieren, wenn sie ihn hier unten lassen würden, wussten sie, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis die Männer anfangen würden, über sich und ihr Leben nachzudenken, und wie sie es vermasselt hatten.
Doch Bill wollte das nicht tun.
Er wusste, dass sie das dachten, und wenn sie dachten was er dachte, dann hatte er keine Freiheit mehr, keinen Schlupfwinkel in seinen eigenen Gedanken, nichts wohin er sich beim Sprechen verstecken konnte, seine Mimik, seine Emotionen. Eine Maske zu tragen, hinter der unberechenbare Gedanken lauerten, das bedeutete Freiheit für ihn, und diese Freiheit wollte er nicht aufgeben.
Er lehnte sich zurück in dem schlichten Stuhl, und spürte dabei die Rückenschmerzen, die von dem harten Bett, und dem ständigem Aufbleiben in der nachdenklichen Nacht herrührten.
Er sah in die Dunkelheit, dort, wo das Licht der Lampe aufhörte, wo er nur die dunklen beigefarbenen Wände sehen konnte, die ihm Ruhe versprachen, denn er wusste, niemand würde die große eiserne Tür leichtfertig öffnen. Nicht bei ihm. Und denjenigen, die vorher hier gewesen waren.
Die an die Frauen gedacht hatten, die sie liebten, und wegen denen sie alle schließlich hier gelandet waren. Wie Carol, als sie ihn in diesem schmuddeligen Anglerladen angesprochen hatte, und er seine Sonnenbrille hatte abnehmen müssen, um ihr Gesicht zu sehen, und die strahlenden blonden Locken, die in einem Scheitel hinabfielen. Ab dem Moment war er verdammt gewesen, in dem Moment, als ihm klar wurde, dass er sie liebte, und eher, als ihm klar wurde, dass sie ihn niemals würde gehen lassen. Doch das war alles danach. Selbstverständlich endete die kleine Frage, wo die Würmer seien, darin, dass sie sich liebten, Nächte, Wochen, und Monate teilten, nur deswegen, weil sie jung waren, und die frische Liebe in ihnen brannte.
Sie mietete sich ein Boot, mit dem sie dann auf dem Lake Moron schwammen, und dann auf welchem sie dann lebten, und schliefen, um morgens von den Vögeln geweckt zu werden.
Sie hatten sich verliebt, und der Sommer auf dem See war himmlisch gewesen. Die Luft, die Sonne, Carol.
Sie verbrachten natürlich viel Zeit miteinander, wenn sie angelten, Konzerte besuchten, umherfuhren, oder –segelten, und das mündete natürlich alles darin, dass er sie heiratete, und sie
zusammenzogen.
Den Heiratsantrag hatte er in einem Hinterzimmer des Lagers von seinem Laden gemacht. Der Mond hatte durch das kleine Fenster geschienen, und doch war es romantisch gewesen.
Niemand interessierte sich für die Eltern des anderen. Die Hochzeit fand in einem engen Kreis statt, und Bill hatte mehr Bekannte mitgebracht als sie, die nur eine Freundin dagehabt hatte.
Und doch war alles in Ordnung gewesen.
Sie hatten ihr eigenes Haus, nachdem er erst mal einen richtigen Job in der Wirtschaft bekommen hatte, und sie begann, Zeit zu finden, die Wohnung erst richtig einzurichten. Vorher hatten sie buchstäblich auf einer Matratze gewohnt, gelebt und gegessen. Natürlich kam es zu vielen Sauereien, doch das blieb bei Bill nur am Rande seines Verstandes, da Carol das restliche ausgeblendet und verdrängt hatte, so als schiene ihr Gesicht so hell, dass alles daneben verschwamm. Bill vermutete, das war seine Definition von Liebe.
Die nächsten Monate verliefen super, doch Bill wusste, dass es die letzten Tage waren, an denen er nüchtern war. Und der Horror begann erst, als Carol ihn beschuldigte, er würde
fremdgehen.
Es gab verschiedene Gründe, warum Bill trank. Sein Job deprimierte ihn, er war unterfordert, irgendwie schienen die letzten Tage wie in einem Graufilter und Zeitraffer verlaufen zu sein, was ihn gar nicht störte, da es ihn von der Öde des Alltags ablenkte, schlimm war es nur, dass seine Erektion verspätet und dann unbrauchbar oder gar nicht auftrat, und Carol einschlief.
Er sah jeden Mittwoch, wenn er mit den Jungs aus war, Mädchen an den Bars, die sich schick angezogen hatten, und mit ihren Augen, und geschminkten Gesichtern laut um etwas riefen, das Bill ihnen nur gut geben konnte. Doch er durfte, oder sollte nicht. Sie bestellten immer Jack-Daniels, oder Hard Jack’s, aber die brünetten eher White Russian, während sein Gewissen seine Erektion zügelte, wobei er wusste, dass es auch am Alkohol liegen konnte, den er immer häufiger, und dann chronisch einzunehmen schien. Carol begann, früh einzuschlafen, weil der Fitnesstrainer, den er einfach nicht mochte, oder der Haushalt, den sie überprofessionell hütete, sie einfach überanstrengte, sodass er sie, abends um neun, schnarchend in ihrem gemeinsamen Ehebett vorfand.
Wenn sie darüber sprachen, und er ihr die Dinge vorwarf, warf sie ihm vor, dass er zu viel mit seinen Jungs unterwegs sei, und zum Sex doch früher nach Hause kommen sollte, wobei er ihr sagte, dass ihn der Lärm des Staubsaugers irritierte.
Wenn das so weiter ging, und sie fertig waren, war es natürlich tote Hose, die Stimmung war tot, wie eine stinkende Rauchwolke in der Luft, nur schädlich für jeden, der den Mund aufmachte.
Doch trotzdem lief es noch gut. Die Versöhnung feierten sie dann mit einer Nacht, in der sie schick angezogen war, und ihn, den plötzlich wieder wachen, von der öden Arbeit heimkehrenden Ehemann an der Krawatte ins Schlafzimmer zerrte.
Die Zeiten liefen doch ganz gut, doch sie wurden die Hölle.

Es war schon da, das wusste er, war schon immer da gewesen, wie ein Tumor, der mit der Zeit immer mehr an Konturen und Gestalt gewann.
Vollkommen klar war es, als die hysterische kleine Falte zwischen Carols Augenbrauen wuchs, und er wusste, dass sie den Braten gerochen hatte.
Beim Abendessen folgten kleine Spielereien, Anspielungen, wenn Carol ihr Stake schnitt, oder Bill die Bohnen reichte.
Er verstand nicht sofort, was sie meinte; erst mit einem Mädchen in den Armen wurden ihm auf schockierender Weise die Anspielungen bewusst. Natürlich konnte er sie nicht darauf direkt ansprechen, dafür war er zu langsam.

Er konnte ihr keine Vorwürfe machen, denn er wusste nicht, was sie wusste. Er ging mit den Mädchen öfter aus, ging mit seinen Jungs in den Club, gabelte irgendwelche Mädchen mit roten glänzenden Schuhen auf, oder, wenn gerade eine Trauerfeier war, jemanden mit dunkelroten Lippenstift.
Er genoss das Gefühl, frei zu sein, bis zu dem einen Moment, in dem er die Schlafzimmertür öffnete, und seine Frau in ihrem Bett, öfters ein Buch lesend, vorfand. Meistens fragte sie ihn dann, wo er gewesen war, und Bill konnte nicht diese Situation ertragen, in denen beide wussten, wo er gewesen war, aber beide logen, weil sie wussten, das er wusste, dass sie es wusste.
Er versuchte natürlich, so spät, wie möglich zu kommen, was ihm meistens nicht gelang, da sie noch auf war; aber wenn es ihm gelang, dann nervte sie ihn die ganze Nacht durch den alkoholgeschwängertem Atem, den sie ihm ins Gesicht blies, oder durch das wummernde Schnarchen, was beides ihm sagte, dass sie lange auf ihn gewartet haben musste, und sie den Alkohol, den sie zu verstecken regelmäßig begonnen hatte, selbst getrunken hatte.
Wenn sie die Mädchen aus den vielen Clubs an ihm roch, dann roch sie gut; er gab sich die Mühe, ihre Parfums mit ihrem zu überdecken. Bill konnte nicht wissen, woher sie es wusste, oder ob sie es die ganze Zeit gewusst hatte, und nur auf den richtigen Moment gewartet hatte-, doch, wenn sie durchdrehte, dann drehte sie durch, und Bill war froh, dass sie keine Kinder hatten, die das miterleben mussten.
Nach mehreren Telefonaten mit ihrer Schwester, warf sie mit dem Geschirr nach ihm, sie blieb kühl, und es kam nicht dazu, dass er sie schlug.
Am Montag ging er zur Bank, und schloss eine Lebensversicherung auf sie ab.
Am Dienstag weitere Streitereien, Wutausbrüche, bei denen sie beide schrien, wie verrückt.
Mittwoch schlug sie ihn erneut, überraschte ihn mit der rechten Hand, doch bevor er kontern konnte, klopften Lisa-Ann und Torben, ihre Nachbarn, und fragten, was los sei.
Am Donnerstag überraschte sie ihn mit wilden Vorwürfen, von denen jede Wahrheit an seinem Gewissen lefzte, sodass er sich nur in seinem Zimmer verkrümeln konnte.

Am Freitag endete Carols Schicht spät; für seine Verhältnisse früh. Sie kam sofort nach Hause, um zu essen, und um zu telefonieren, oder um etwas Essen vorzubereiten. Bill nahm die Stunden, die sich über die Wochen angesammelt hatten, und nahm den Nachmittag frei.
Er wartete, bis sie heimkam, noch im Mantel vor der Haustür sitzend. In der einen Hand hielt er einen Hammer, mit der anderen hielt er sein Bein, das zitterte.
Als er ihre Schritte draußen im Flur hörte, stand er auf, und hielt den Hammer mit beiden Händen. Als er hörte, wie sie den Schlüssel ins Schloss steckte, stellte er sich hinter die Tür, langsam gespannt wartend, mit pochendem Herzklopfen.
Er gab keinen Kampfschrei von sich, als er den Hammer schwang, und ihren Kopf traf. Er schwang sich um die Tür, und zertrümmerte ihre vordere Schädeldecke. Blut spritzte, doch das störte ihn nicht.
Als sie aufgehört hatte, zu zucken, ging er in die Küche und holte eine Tüte.

 

Hallo Dohume

Über unglückliche Ehen zur Unterhaltung zu lesen, klingt mir beinah nach Klatschpresse. So gab mir der Titel eigentlich wenig Anreiz, aber ich schob mein Vorurteil mal beiseite, da sich ungeachtet dessen etwas Besonderes dahinter verbergen könnte.

Seine beiden Daumen lagen überkreuzt aufeinander, nur minutenweise zuckten sie auf, wenn der Schweiß von Bills Stirn hinunterkullerte, und es dann auf seinem Gesicht landete und brannte.

Im zweiten Satz zögerte ich gleich an zwei Stellen. Hier sprichst du von Bills Stirn, vorgehend wurde er als Billy vorgestellt. Das fehlende Ypsilon mag dir geringfügig erscheinen, eine Variable, doch bei Namen drückt dessen korrekte Wiedergabe den Respekt der Person gegenüber aus. In Geschichten kommt dazu, dass es für den Leser verwirrend wird, wenn solche in Variationen herumgeistern. Wie ich später sah, nennst du ihn fortan Bill, also ist das Ypsilon im ersten Satz überflüssig. Das andere Zögern trat mir bei den Schweisstropfen auf. Normalerweise brennen solche nicht und Ausnahmen müssten da schon spezifiziert sein. Hatte er etwa eine Verletzung im Gesicht?

Er saß auf einem Stuhl, und dieser Stuhl war bequem, da er schlicht, aus Holz und geraden Linien war.

Ich machte es mir nicht bequem und hinterfragte die Logik dieser Aussage. Holz und gerade Linien sind nun nicht unbedingt Merkmale für Bequemlichkeit, solche ist bei angemessener Polsterung und ergodynamischer Form eher gegeben. Wenn eine Geschichte nicht gewollt in einem Fantasiebereich spielt, messe ich der Realitätsnähe doch einiges Gewicht bei.

Er hätte jetzt in diesem Moment am Liebsten ein Bier in der Hand gehabt, etwas Alkohol, um seinen Verstand, in diesem wichtigen Moment seines Lebens zu benebeln.

Dieser Satz wirkt mir etwas unschön eingeleitet, nicht nur weil er das Bier zu seiner Liebsten erhebt. Vielleicht besser: In diesem Moment hätte er am liebsten ein Bier in der Hand gehabt,

Einmal hörte er ganz schwach Musik von weit her, obwohl er sich bewusst war, oder nicht, dass er sich dies wahrscheinlich eingebildet hatte, erzwungen durch die Klarheit, die die Situation in ihm hervorgerufen hatte, und die mit jedem Mittel zerstört werden musste.

Welcher Bandwurmsatz! Abgesehen davon zeigen sich hier Widersprüche in der Aussage. Entweder ist er sich einer Sache bewusst oder dann nicht, aber nicht beides. Von Klarheit kann hier keine Rede sein. Im Klartext könnte seine Wahrnehmung in etwa lauten: Einmal meinte er von weit her Musik zu hören, sich bewusst, dass er sich dies eher eingebildet hatte. Die Situation hatte ihm bereits einige Sinnestäuschungen hervorgerufen, die er nicht zulassen wollte.

Hier höre ich auf, die Einzelheiten zu kommentieren, welche mich am flüssigen Lesen hinderten. Zusammenfassend muss ich aus meiner Warte sagen, es überzeugt mich nicht. Der Einstieg wirkt dystopisch, eine unwirklich anmutende Gesellschaft, dann folgt eine banal dargestellte Beziehung, die zerrüttete, um schliesslich in Mord zu enden. Am Ende merkte ich erst, dass dieses jener Kurztext war, denn ich in seiner damals unfertigen Form schon mal kommentierte.

Um der Geschichte einen Gehalt zu geben, sehe ich hier einzig die Möglichkeit sie auf das Wesentliche zusammenzustreichen, zu fokussieren. Es hat so manch Unnötiges drin, das keine Unterhaltung aufkommen lässt. Der Rahmen mag angehen, aber der Inhalt ist mir als Leser zu wenig ansprechend aufgebaut. Auch hat es unlogische Sätze drin und Rechtschreibefehler wie etwa Stake, bei dem du vermutlich Steak meintest. Ich habe den Verdacht, dass dir hier beim Schreiben die Pferde durchgebrannt sind und du den Inhalt nicht mehr aus der nötigen Distanz nochmals gelesen hast. Versetze dich mal in die Situation eines Lesers, der mit diesem Text konfrontiert wird. Die Bilder müssen da stimmig sein und die Handlung zu einem Ganzen hinführend harmonieren.

Lies doch auch mal andere Geschichten und kommentiere diese, dann ist die Chance vorhanden, dass sich das Feingefühl einstellt, wie Geschichten aufgebaut sein müssen, um Leser anzusprechen. Kein Autor ist fehlerfrei, doch es muss sein ringen darum bleiben, seine Arbeit dem Leser bestmöglich zu präsentieren, um ihn nachhaltig zu gewinnen. Also viel Glück bei der Überarbeitung hier sowie beim Lesen und Kommentieren.

Schöne Grüsse

Anakreon

 

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