Die Tupperware Party
Drei Wagen standen in der Einfahrt und Frank sah auf die Uhr. Vier Uhr nachmittags und Anke, seine Frau, gab eine Tupperware Party. Frank setzte den Ford an den Strassenrand und griff nach seinem Henkelmann. Ein heißer Sommertag und im Haus lief die Klimaanlage. Frank liebte die Hitze. Wenn er mit nacktem Oberkörper auf dem Baugerüst herumturnte, war er King Kong. Ohne weiße Frau zwar und mit weniger Haaren auf der Brust. Frank duschte, zog sich ein paar Shorts und ein T-Shirt an.
Die öde Tupperware Party. Er hätte lieber den Rasen geschnitten, aber, so hatte Anke gesagt, dies lenke ihre Freundinnen ab. Sie habe Angst, dass diese, wenn er mit seinem muskulösen Körper in Shorts und mit freier Brust auf dem Rasen rumstolzierte, nur noch aus dem Fenster sehen würden. So wie die Frauen in der Coca Cola Fernsehwerbung, die ganz hippelig wurden, als sie den stämmigen Bauarbeiter sahen. Wo bliebe sie dann mit ihrer Tupperware? Er solle sich lieber zu ihnen ins Wohnzimmer setzen, und schon rief sie: “Frank, kommst du mal?”
Er hörte Kichern, als er die Tür aufmachte. Frank sah sie in allen Farben und Größen: Plastikbecher, Plastikteller, Plastikschüsseln, Behälter für Kuchen, für Gewürze, eine Pfeffermühle, vier beschwipste Frauen.
“Setz dich neben mich.” Anke zeigte auf einen leeren Sessel. Sein Blick wanderte zu den drei angeheiterten Frauen auf der Couch vor dem leeren Bücherregal.
“Dies ist mein Mann Frank, und das da, Frank, sind meine Freundinnen vom Damenkegelclub. Marie, Sternchen und Gisela.”
Frank bemühte sich um ein Lächeln. Es fiel ihm nicht schwer. Sternchen, wieso Sternchen? Er meinte, er habe sie schon mal in Bolles Supermarkt gesehen. Sein Blick heftete sich auf ihre Schenkel, die der kurze, schwarze Rock bloß legte, dann wanderte er ihren Pullover hoch und verharrte für einen Moment auf ihrem geröteten Gesicht.
Die beiden anderen? Marie hatte den strengen Gesichtsausdruck einer Frau von der Jugendbehörde. Sie trug einen Schlabberpulli und eine lange Hose. Gisela war blond und jung. Ihr Gesicht milchig weiß und ihre Augen, strahlendblau wie der Himmel über seinem Baugerüst.
“Frank. Sternchen hat dich schon mal bei Bolle gesehen, und ich musste ihr versprechen,” Anke lächelte verschwörerisch zu den Frauen hinüber, “du würdest das nächste Mal mit von der Party sein.” Anke stand auf und zeigte auf die Zahlen auf dem Flipchart.
“Mädchen, ihr liegt ziemlich gleich auf. Frank hol mal eine neue Flasche.”
Frank ging in den Keller, griff sich ein Bier. Er nahm einen kräftigen Schluck und rülpste. Hier war er Mensch, und er blickte auf den Stapel seiner Bücher. Jane Austen, William Blake, Samuel Johnson, Louisa May Alcott.
“Ich trage die Bücher in den Keller,” hatte er Anke am Tag zuvor gesagt.
“Englischsprachige Klassiker. Das verträgt sich nicht mit meinem Image.”
Er zog eine Flasche Rotwein hervor.
“Marie, was machen Brigitte und Jan?”
Eine schöne Telefonstimme, dachte Frank, als Marie sich über ihre Kinder ausließ, während er die Flasche öffnete und einschenkte. Frank baute sich seine Traumfrau zusammen. Maries Telefonstimme, Sternchens Beine und Giselas Augen. Der Rest? Er drehte sich zu Anke. Ihre Blicke kreuzten sich, dann sah Anke zu ihren Freundinnen hinüber.
“Was hieltet Ihr von meinem Sonderangebot. Derjenige, der heute für zweihundert Euro kauft, bekommt meinen Mann für eine Nacht mit nach Hause.”
Gisela riss die Augen auf. Frank zog die Augenbrauen hoch. Das war nicht ausgemacht. Er hörte, wie Gisela stotterte: “Mein Mann… das kann ich nicht.”
Anke lachte und griff nach ihrem Glas. “Dann eben nicht. Prost Mädchen.”
“Meintest du das im Ernst?” Sternchen beugte sich nach vorn und blickte zu Boden. Frank sah, wie sich ihr Nacken rötete. Anke, nun sag doch was, dachte er, doch sie grinste wie die Cheshirekatze aus Alice im Wunderland.
“Wie wäre es denn,” hörte Frank die Telefonstimme sagen. “Wie wäre es denn, wenn Du Dein Schlafzimmer zur Verfügung stelltest? Was wir hier machen, verlässt nicht den Raum. Nicht wahr, Mädels?”
“Natürlich nicht.” Sternchen und Gisela sahen sich an und rollten mit den Augen.
Natürlich nicht, dachte Frank. Morgen wüsste es ganz Dünkelskirchen.
“Ihr glaubt doch nicht im Ernst, dass ich meinen Mann mit euch teilen würde.” Anke drehte ihr Glas in den Händen und fragte Frank.
“Was hast du an?”
“Das siehst du doch.” Frank schüttelte den Kopf. “Ein T-Shirt, ein paar Shorts, einen Slip und ein paar Sandalen.”
“Die Sandalen zählen nicht.” Anke stand wieder auf und ging zum Flipchart.
“Warum fragst du das? Du hast doch einen Hintergedanken.” Sternchen starrte auf Frank und leckte sich die Lippen. Frank spürte, wie sein Hemd am Körper klebte.
“Ihr seht, jeder von euch hat so um einhundertachtzig Euro geordert. Mit einem Artikel mehr kommt ihr auf zweihundert, und ich erhalte einen Bonus von Tupperware. Für einen Artikel mehr könnt Ihr Frank ein Kleidungsstück ausziehen.”
Mit den Büchern im Schrank hätte mir doch niemand abgenommen, dass ich so stumpf auf die Frauen gucken würde, wie ich es gerade tue. Frank rutschte auf dem Sessel umher. Die Hose wurde ihm plötzlich eng.
“Ich fang an,” rief Marie. “Was hab ich noch nicht?”
Anke griff nach einem Zettel. “Die kleinen Tafelfeinen.”
“Schreib auf.” Marie erhob sich, ging auf Frank zu und zog ihm das T-Shirt vom Leib. Frank spannte seine Brustmuskeln. Die Frauen sahen woanders hin.
“Die Nächste bin ich.” Sternchen glitt an Marie vorbei und kam hinter dem Tisch hervor. Frank erschienen die Sekunden wie eine Minute. Er kam sich vor wie in einem schlechten Science Fiction Film. Die Frau schien ferngesteuert, als sie mit starrem Gesichtsausdruck auf ihn zu kam.
“Halt,” rief Anke. “Welches Stück willst du?”
Sternchens Blick löste sich nicht von Franks Hose.
“Das siehst du doch,” murmelte sie.
“Du hast noch keinen Großen Küchenchef. Sternchen. Willst du den?”
“Ja.”
“Die Exklusivmühle hast du auch noch nicht. Willst du die auch?”
“Ja, die auch.”
“Und den Königskuchenbehälter? Was ist mit dem?”
“Den will ich auch.”
Frank blickte auf Marie und Gisela. Wie festgefroren, so saßen sie da, blickten mit großen Augen und roten Köpfen auf Sternchen, das sich vor ihm auf den Boden kniete, ihm mit quälender Langsamkeit Shorts und Slip vom Leib zog. Er wusste es nicht. Nein, es konnte nicht sein, dass sie das Gleiche fühlten wie er.
Anke sah auf ihren Zettel. “Dann fehlt bei dir noch der Tortenteller Erste Sahne. Willst du den auch?”
Sternchen antwortete nicht.
Disclaimer: Jede Ähnlichkeit mit einer Tupperware Party im Real Life ist ausgeschlossen. Aufbau und
Hergang wurden für die Story verfremdet.