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Die Tulpe

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27.12.2012
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Die Tulpe

Sie war klein und ihre Blütenblätter hatten die Farbe von unreifen Erdbeeren. Wenn der Wind sanft ein paar Sonnenstrahlen übers Blumenbeet pustete, wiegte sie mit den anderen Tulpen ihr Köpfchen und lauschte dem Rascheln des hellgrünen Grases. Die kleine Tulpe liebte den Frühling. Es war ihr Erster.

Langsam kletterte die Sonne am Himmel hinauf und die Tulpe begann zu schwitzen. Der große Baum hatte längst Blätter bekommen, aber sein Schatten reichte nicht bis zum Blumenbeet. Die kleine Tulpe fühlte sich so schwach, dass sie ihr Köpfchen nicht mehr halten konnte. Erst nachts, wenn die Tautropfen im kühlen Licht der Glühwürmchen schimmerten, richtete sie sich wieder auf. Doch eines Morgens wollte ihr das nicht gelingen: Tautropfen lasteten wie schwere Steine auf ihren Blättern. Die anderen Tulpen, die groß und prächtig gewesen waren, lagen schon auf dem Boden.
„Ich möchte nicht verwelken!“ Zitternd hob die Tulpe ihr Köpfchen. Der Wind half mit.
„Ich möchte nicht verwelken. Ich … “, dann wich alle Kraft aus ihren Blättern und mit einem letzten Seufzen sank sie sanft auf die Erde.

Der Baum deckte die Tulpe mit seinen Blättern zu. Der Wind raschelte ein Schlaflied. Ein Eichhörnchen versteckte eine Nuss im Blätterbett und ein Igel kuschelte sich dazu. Die Tulpe schlief und merkte nichts.

Als es noch kälter wurde, deckte der Winter das Beet mit einer dicken Schneedecke zu. Flauschige Flöckchen bauten ein Kissen, unter dem das Eichhörnchen seine Nuss nicht mehr finden konnte. Die Tulpe träumte vom Frühling.

Es wurde wärmer. Der Winter packte seine Decken wieder ein und die Vögel zwitscherten so laut, dass schließlich auch die kleine Tulpe aufwachte. Sie reckte und streckte sich und bald schon spitzte ihr Kopf aus der Erde heraus. Die Tulpe schob ihren Hals in den Himmel, und als die Sonne sie im Gesicht kitzelte, öffnete sie die Augen: Ihre Blütenblätter leuchteten purpurrot. Ein Schmetterling setzte sich auf ihren Kopf und säuselte ein fröhliches Lied. Die Tulpe tanzte mit dem Wind dazu. Sie liebte den Frühling. Jedes Jahr wieder.

 

Hallo Claudianne!

deine Geschichte ist nett und süß und passt sehr gut in die Kinderabteilung!

Jedenfalls weiß ich nicht, was es sonst wäre, weil ich noch nicht ganz den Sinn der Erzählung erfasst habe. Klar, es geht um eine Tulpe und ihr leben in den Jahreszeiten, was du auch wirklich toll beschrieben hast, aber es steckt keine Moral oder wirkliche Handlung dahinter. Mindestens eins von beidem gibt es nämlich eigentlich immer auch in Kindergeschichten.

Vielleicht kannst du ja mal erklären, was du damit meintest.

alles liebe,

eatpraylove

 

Hallo,

die Botschaft ist für mich, dass man um groß und Stark zu werden auch Kraft tanken (bzw. ausruhen muss). Bezogen auf Kleinkinder wäre das z.B. eine Erklärung, warum man nachts schlafen muss.
Darüber hinaus ist es auch eine Geschichte, die aufzeigt, das jedes Ende auch ein neuer Anfang ist.

So hatte ich es zumindest gedacht :-)

Danke für das Feedback,
Claudia

 

Hab ich doch geahnt, dass aus Dir was wird! Da musst’ ich schon richtig gucken, um was zum bekritteln zu finden, was eine meiner Seelen – der Kleinkrämer und –bürger in mir – sein Leben lang gern tut,
schrieb ich beim letzten Mal,

liebe Claudiane,

und jetzt nix zu bekritteln! Willstu meine Kleinkrämerseele verkümmern lassen? Einzig das Erste könnte man, wenn man wollte, dann stünde dort

Die kleine Tulpe liebte den Frühling. Es war ihr [erster Frühling].
was aber keineswegs muss, denn in der Liebe findet ja auch jeder seine(n) Erste(n). Mir gefällt's, wie Du das Leben anhand einer Tulpe als Zyklus darstellst.

Gruß & schöne Feiertage wünscht der

Friedel

 

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