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Die traurige Nachricht
Dieses Wochenende war toll! Wir haben gerade Herbstferien und ich habe zwei Nächte bei meiner besten Freundin übernachtet. Alles war perfekt. Wir hatten so viel Spaß, die Zeit ist viel zu schnell vorbei gegangen. Ich muss mich beeilen. Mein Vater wartet schon auf mich und ich muss noch schnell meine Sachen zusammen packen. Aber der erzählt sowieso noch mit Lanas Eltern. Lana hat mir gerade einen richtig lustigen Witz erzählt und wir müssen beide lachen. Mein Vater schaut mich ernst an. Lanas Eltern sehen auf einmal betrübt aus. "Wir müssen los." sagt mein Vater zu mir. Ich nicke und fange an, meine Schuhe und meinen Mantel anzuziehen. Ich grinse Lana an. "Tschüss, Lana!" "Noch einen schönen Abend! Wir sehen uns bald wieder, ja?" "Klar" rufe ich beim rausgehen zu ihr. Wir winken uns noch zum Abschied zu, so wie immer. Mein Vater und ich steigen ins Auto. Schweigend schnallen wir uns an. Das Auto fängt an sich zu bewegen und wir drehen um. Wir fahren los und entfernen uns langsam von Lanas Haus. Hinter der Kurve halten wir und und wieder schaut mich mein Vater ernst, aber diesmal auch traurig, an. "Juli, ich muss dir etwas schlimmes sagen..." druckst er herum. Ich denke ich weiß, worum es geht, aber ich traue mich nicht es auszusprechen. "Es geht um Vincent." Vincent ist mein ältester Kater, er ist schon 17 Jahre alt. "Er ist heute Mittag gestorben." Ich weiß nicht. Ich habe schon erwartet, dass dies die schlimme Nachricht ist, aber trotzdem trifft es mich mehr, als ich gedacht hatte. Ich spüre diesen Schmerz in meinem Herz, so wie jedes mal, wenn ich an ihn denke. Ich habe ihn so lieb und schon seit letzter Woche geht es meinem Kater nicht gut. Er ist erblindet und hat seinen Geruchs- und Tastsinn verloren. Ich musste mit ansehen, wie er gegen unseren Grill auf der Terrasse gelaufen ist. Es war furchtbar und er hat mir so leid getan. Mein Vater redet weiter: "Er ist aber nicht normal gestorben, sondern er wurde..." Ich ahne schlimmes. "Er wurde überfahren." Das war`s. Tränen fließen über mein Gesicht. Vorher war ich nur geschockt, aber jetzt, jetzt bin ich traurig und wütend. Ich war das ganze Wochenende weg. Ich konnte mich nicht einmal verabschieden. Während wir nach Hause fahren, habe ich sehr viel Zeit zum nachdenken. Ich denke darüber nach, was genau passiert sein könnte. War es ein schneller Tod? Und wenn nicht, hatte er große Schmerzen? Ich hoffe, ihm geht es, wo auch immer er jetzt sein mag, gut. Ich wünsche mir, ihn noch einmal zu streicheln. Einmal noch sein Gesicht sehen zu können. Einmal noch sein Schnurren hören. Ihm ein letztes mal ein Leckerli geben. Aber das ist jetzt nicht mehr möglich. Warum musste er dieses Schicksal erleiden? Wir sind endlich zu Hause angekommen. Ich steige aus dem Auto und schleppe mich zur Haustür. Ich klingele und meine Mutter öffnet mir die Tür. An ihren geröteten Augen merkt man, dass auch sie viel geweint hatte. Ich renne an ihr vorbei in mein Zimmer und drehe den Schlüssel im Schloss der Tür um. Ich versuche nicht zu schreien. Manch einer würde sagen, es ist doch nur eine Katze. Aber denkst du nicht, man kann eine Katze genauso sehr vermissen, wie einen Menschen. Es ist möglich, denn ich verspüre den selben Schmerz, den ich auch auf der Beerdigung meiner Urgroßmutter gespürt hatte. Ich setze mich auf mein Bett und überlege, was ich tun kann, um nicht komplett auszurasten und die Beherrschung zu verlieren. Leider ohne Erfolg. Ich weine. Ich weiß nicht, wie lange ich so da sitze, aber irgendwann klopft es an meiner Tür. Es ist meine Mutter. Ich schließe auf und sie öffnet die Tür. Sie setzt sich neben mich und nimmt mich in den Arm. Sie hält mich fest umschlossen und meine Tränen werden immer mehr und mehr. "Wir wollen Vincent jetzt beerdigen... Im Garten." Sie löst sich aus der Umarmung und schaut mich an. "Kommst du? Ich will nicht ohne dich anfangen." Ich laufe langsam hinter ihr her und realisiere, dass das gerade wirklich passiert. Ich ziehe meine Schuhe und meinen Mantel an und gehe nach draußen. Es ist schon dunkel und viel kälter als heute Mittag. Wir stehen draußen und warten darauf, dass mein Vater ein kleines Loch in den Boden gegraben hat. Jetzt ist es tief genug und wir alle verabschieden uns von Vincent. Er liegt in einem kleinen Schuhkarton in eine Decke eingewickelt. Wir dürfen ihn noch ein letztes mal streicheln, aber der Kopf bleibt weiter von der Decke verdeckt. Ich streichele ihm noch ein letztes mal über den Rücken und mehr Tränen rollen über meine Wangen. Mein Vater nimmt den kleinen Karton und schließt den Deckel. Behutsam legt er ihn in das Loch und fängt an, es langsam mit Erde zu füllen. Meine Mutter zündet derweil eine kleine rote Kerze an, die sie mir zum halten gibt. Mein Vater ist fertig und meine Mutter legt einen Stein auf das Hügelchen aus Erde. Es ist aber kein normaler grauer Stein. Er ist bemalt und sieht aus, wie ein Marienkäfer. Ich schleppe mich zurück in mein Zimmer und schließe die Tür. Das ist alles zu viel. Ich rufe eine Freundin an, mit der ich schon länger nicht mehr geredet habe, aber ich finde, sie soll es auch durch mich erfahren, denn sie ist auch zusammen mit mir und Vincent aufgewachsen. Ich rufe sie mit Video an und sie hebt sofort ab. Sie runzelt die Stirn und sieht besorgt aus, als sie mich sieht. Klar, ich bin total verheult und rufe sie mitten in der Nacht an. Ich bekomme kaum ein Wort raus. "Wir... wir haben gerade den Vincent begraben..." Mehr bringe ich nicht zustande. "Oh mein Gott..." stottert sie, "soll ich rüber kommen? Geht`s dir gut?" Ich schüttele den Kopf. Ich habe sie lieb. Sie ist immer für mich da, egal wann oder wieso. Aber trotzdem schüttele ich den Kopf. "Nein, danke. Ich musste es nur jemandem sagen, damit ich nicht völlig durchdrehe." Ich weiß nicht, wie lange wir reden. Aber es war eine Ewigkeit. Irgendwann gehe ich dann auch schlafen, weil ich zu erschöpft war. Es war ein harter Tag. Die nächsten Tage vergehen langsam und ziehen sich unendlich in die Länge. Mir geht es schlecht und ich bin müde und traurig. An einem Tag, noch in der selben Woche, erzähle ich mit meiner Oma. Sie erzählt mir, dass sie an dem Tag, an dem Vincent gestorben ist, bei meiner Mutter zu Besuch war. Sie erzählt, dass sie zusammen Kaffee getrunken haben und irgendwann war auch Vincent da. Er wollte raus, denn er lag den ganzen Vormittag drinnen auf seinem Lieblingsplatz. Meine Mutter öffnete ihm die Tür und sie erzählten weiter. Ungefähr zehn Minuten später, klingelte es an der Haustür und eine Frau stand davor. Sie sagte meiner Mutter, dass sie eine tote Katze gefunden hatte, wüsste aber nicht von wem sie wäre. Sie sagte ihr, wo sie lag und meine Mutter rannte los, um nachzusehen. Und dort lag er. Mitten auf der Straße. Er wurde am Kopf erwischt. Es war Vincent. Meine Mutter trug ihn nach Hause und hörte den ganzen Tag nicht auf zu weinen und zu trauern. Sie machte sich Vorwürfe, sie hat die Tür geöffnet und kurz danach war er fort. Für immer.