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Die Trauerweide und die Mimose

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06.09.2012
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Die Trauerweide und die Mimose

Am Rande der Stadt, nahe eines kleinen Flusses steht eine stattliche, hochgewachsene und stolze Trauerweide in einem kleinen Park. In ihrem Schatten erholen sich viele Spaziergänger. Sie sitzen unter den Ästen, baumeln mit den Füssen im Wasser und halten Picknick. Alle staunen über den wohlgeformten Baum mit seinen hängenden Ästen und den vielen grünen Blättern.
Jeden Tag lauscht der Baum den vielen Geschichten der Besucher. Er hört sich die Sorgen der Leute an, das Lachen der spielenden Kinder, lauscht dem Liebesgeflüster junger Paare und spricht mit dem Wind und den Vögel , die durch seine Krone streifen.
So vergehen die Wochen und Monate, die Jahre und Jahrzehnte. Der Trauerweide wird es langweilig. Sie trauert. „ Warum stehe ich hier auf weiter Flur? Warum habe ich nicht auch jemanden, mit dem ich mich unterhalten kann, den ich umsorgen kann, mit dem ich lachen und liebesflüstern kann?“ Der Kummer beugt den stolzen Stamm, die Blätter werden grau, das leuchtende Grün wird fahl, die Spaziergänger meiden die Trauerweide. Es fröstelt sie in ihrem Schatten. Der Herbst vergeht, es kommt der Winter und der Baum lässt die Arme noch weiter zu Boden hängen.
Dann endlich! Die ersten warmen Sonnstrahlen streicheln die traurige Weide. Sie wärmen die hängenden Äste, kitzeln den Stamm, dringen in ihn ein und wecken ihn auf. Die Vögel kommen zurück, nisten in der Krone und zwitschern fröhliche Frühlingsgrüße in seine sprießenden Blätter. Der laue Wind säuselt um den Baum herum :“ Wache auf, wache auf! Der Frühling ist da!“ Die stolze Trauerweide richtete sich auf, streckt die müden Glieder, genießt das sprießende Leben und will nicht mehr trauern. Das Leben kehrte zurück, und mit ihm die Spaziergänger und ihre Geschichten.
Eines Tages kam eine Gärtnerfrau mit dem Fahrrad vorbei. Auf dem Gepäckständer einen Korb mit weißen, kleinen Mimosen. Erschöpft rastet sie im kühlen Schatten des Baumes. Sie stellt den Korb mit den Blumen neben sich, lehnt sich an den kräftigen Stamm und sagte:„Ein stolzer Baum bist du, so groß und stark! Aber warum trauerst du ? Musst doch deinem Namen nicht gerecht werden. Du hast doch die Wahl!“ In Gedanken versunken packte sie ihren Korb, schnallte ihn wieder auf ihr Fahrrad und fährt davon. Was sie nicht merkte war, dass eine kleine Blüte aus dem Korb fiel und dort jetzt ganz verloren vor der großen, mächtigen Trauerweide lag. Die Wurzelchen ragten in die Höhe und die Sonne schien erbarmungslos auf das zarte Pflänzchen und versuchte es auszutrocknen.
Tiefes Mitgefühl und Zuneigung entfachte dieses kleine Blümchen bei der mächtigen Trauerweide. Ganz zart rückte sie eine kleine Bodenwurzel beiseite, schob und drehte die Mimose so lange , bis sie mit der Wurzel in eine kleine Mulde rutschte und drückte ganz sacht den Boden rings herum fest. Die Trauerweide schüttelte ihre mächtige Krone, so das frischer Tau auf die Blume floss, um sie zu stärken. Ganz sanft strich der Baum mit seinen blättrigen Zweigen über die Blüte um Schatten und Schutz zu spenden.
Die Mimose streckte sich und reckte sich, sog das kühlende Nass in sich auf und schaute ganz verzückt und verliebt auf ihren großen, starken Retter. Den großen Baum befiel ein unbekanntes Gefühl, Wärme machte sich in seinem starken Stamm breit. Die mächtigen Äste wiegten sich harmonisch im Wind und es hörte sich an, als wenn der Baum singt.
Jeder Besucher staunte doch der ungewöhnlichen Harmonie dieser beiden Geschöpfe.
Die Tage und Wochen vergingen, die Mimose entwickelte sich zu einer wunderschönen großen Blume. Der Baum erstrahlte in einem Grün wie lange nicht mehr. Immer mehr rutschte die Mimose zu ihrem starken Helden heran. So weit, bis sie mit ihren Blättern den großen, kräftigen Stamm berührte. Irgendwann liebkosten ihre Blüten die kräftige Trauerweide und die Vögel und der Wind verstummten, wenn das Liebesgesäusel der Beiden begann.
Viele Spaziergänger zog es zu diesem magischen Ort. Die Blume wurde von allen bewundert, ob ihrer Schönheit und Zartheit. Sie streckte und reckte sich und erstrahlte im ungewöhnlichen Glanz der Liebe.
Der mächtige Baum, selbst ein stolzes Wesen, fühlte sich nicht mehr so geschätzt. Er war doch Derjenige, der Schatten und Kühle in der Sommerhitze spendet, der das Blümchen beschützt, der eigentlich hier der Held ist. So nagten Zweifel und fehlendes Selbstvertrauen an der Trauerweide.
Eines Tages war der starke Baum so uneins mit sich, dass er kurzerhand die Mimose mit seinen tief hängenden Zweigen aus der Erde riss und weit weg warf. Die arme Mimose lag hilflos in der brennenden Sonne und verstand nicht, was gerade passierte. Tränenüberströmt lag sie hilflos da, gefangen in ihren Liebesgefühlen und verstand die Welt nicht mehr.
Zum Glück kam in dem Moment die Gärtnerin wieder vorbei, sah die Mimose so liegen, nahm sie auf und legte sie in ihren Korb.
Sie drehte sich zur Trauerweide um und sagte: “ Du erkennst die Liebe nicht! Du bist in deinem starken Stamm so gefangen, dass du darüber hinaus nicht fühlen kannst. Deine Krone ist frei, wie deine Gedanken auch, aber dein Gefühl ist in Deinem Stamm gefangen. Wie schade! Wie schade!“ Kopfschüttelnd nahm sie ihr Fahrrad und fuhr davon.
Es kam die Nacht, der neue Tag und die Trauerweide in ihrem Stolz sagte sich immer noch: “ Ich brauche euch nicht, ich brauche niemanden.“
Es vergingen Wochen und die Trauerweide hatte viel Zeit zum nachdenken. Der stolze Baum stellte fest, dass er einsam war. Es fehlten ihm die Zärtlichkeiten der kleinen Pflanze, das Liebesgesäusel und das Lachen mit seinem Schützling. Und auf einmal stellte die Trauerweide fest, wie schön es ist, jemanden in seinem Leben zu haben, mit dem man alles teilen kann.
Jetzt tat der Baum etwas, was seinem Namen wieder gerecht wurde. Er trauerte. Er trauerte so sehr, dass die Vögel den Baum wieder mieden, der Wind eine großen Bogen um ihn machte und Menschen nicht mehr in seine Schatten ruhten.
Eines Tages kam die Gärtnerin wieder vorbei. Sie hatte bei ihren täglichen Fahrten am Baum vorbei gesehen, dass es ihm gar nicht gut ging. Sie stellte sich vor ihm hin und öffnete ihren Korb. Der Baum starrte in den Korb und sah... seine kleine, zarte Mimose. Sofort straffte sich seine Baumkrone, vor lauter Freude raschelte er mit den Blättern...
...und eine Stimme sagte.„Wer sagt das?“
Ich machte die Augen auf : “ Wer sagt was?“
„Dass ich mit Dir böse bin!“
Völlig fassungslos sage ich zu meinen gerade erwachenden Freund. „Ich habe gar nichts gesagt!“
Und er:“ Doch, ich habe es gehört...“


Berlinwriter , den 20.05.2012

 

Hallo Berlinwriter

Da ich beide Pflanzenarten mag, die Trauerweide und die Mimose, war mir der Titel ein Anreiz mich in die Märchen- und Fantasiewelt zu begeben.

Jeden Tag lauscht der Baum den vielen Geschichten der Besucher.

Erzählen Menschen unter einer Trauerweide denn immer Geschichten? Sind es vielleicht nicht eher Wortfetzen, Episoden, die ihr alltägliches Leben widerspiegeln? Na ja gut, der Baum verdichtete es zu Geschichten.

Warum habe ich nicht auch jemanden, mit dem ich mich unterhalten kann, den ich umsorgen kann, mit dem ich lachen und liebesflüstern kann?“

Ich befürchte, der Baum leidet ein wenig an Demenz, einem Abbau des Kurzzeitgedächtnisses. Im vorgehenden Absatz sprach er eben doch noch mit dem Wind und den Vögeln, das hat er schon vergessen? Übrigens: … Lachen und Liebesflüstern

Die Wurzelchen ragten in die Höhe und die Sonne schien erbarmungslos auf das zarte Pflänzchen und versuchte es auszutrocknen.

Es war doch nur eine kleine Blüte und nicht ein Stängel, wie konnten sich da Würzelchen in die Höhe recken?

Die Mimose streckte sich und reckte sich, sog das kühlende Nass in sich auf und schaute ganz verzückt und verliebt auf ihren großen, starken Retter.

Ein dreimal sich liesse sich mit einer kleinen Umstellung vermeiden: Die Mimose streckte und reckte sich, das kühlende Nass aufsaugend, ganz verzückt und verliebt auf ihren großen, starken Retter schauend.

Die Tage und Wochen vergingen, die Mimose entwickelte sich zu einer wunderschönen großen Blume.

Ohne botanisch besonders bewandert zu sein, denke ich, die Mimose ist ein Halbstrauch. Die Stängel sind mit zahlreichen Blüten besetzt, welche ich eher nicht als Blume bezeichnen würde. Aber du müsstest dies genau klären.

Er war doch Derjenige, der Schatten und Kühle in der Sommerhitze spendet, der das Blümchen beschützt, der eigentlich hier der Held ist.

Auch wenn es seinen Selbstwert hervorhebt, würde ich es eher kleinschreiben.

Berlinwriter , den 20.05.2012

Dies braucht es nun wirklich nicht unter der Geschichte. Wir Leser glauben auch so, dass in Berlin im Mai die Frühlingsgefühle durchbrechen.

Ein zartbesaitetes Stück, das ich ganz gern gelesen habe.

Schöne Grüsse

Anakreon

 

Hallo Berlinwriter

Sie sitzen unter den Ästen, baumeln mit den Füssen im Wasser und halten Picknick.

"Picknick halten" ... echt, sagt man das so? Ich halte ein Picknick ... klingt seltsam für mich.

junger Paare und spricht mit dem Wind und den Vögel , die durch seine Krone streifen.

Vögeln, die

So vergehen die Wochen und Monate, die Jahre und Jahrzehnte. Der Trauerweide wird es langweilig. Sie trauert.

Nein, das tut sie erst später. Hier müsste es heissen: Sie ist traurig.

Sie wärmen die hängenden Äste,

Hier bringst du zum dritten Mal die Formulierung "hängende Äste". Das ist zu oft, der Leser hat das Bild hier schon verstanden.

dringen in ihn ein und wecken ihn auf.

Die Sonnenstrahlen dringen in den Stamm ein? Wie das?

Die stolze Trauerweide richtete sich auf, streckt die müden Glieder, genießt das sprießende Leben und will nicht mehr trauern.

Achtung, hier musst du aufpassen, ab der Stelle springst du immer wieder zwischen Präsens und Präteritum hin und her. Du musst bei einer Zeit bleiben, hier am besten im Präsens.

Es ist keine schlechte Geschichte, auch wenn die zugrundeliegende Erkenntnis nicht neu ist. Ich lese so etwas Fabel-mässiges hin und wieder noch ganz gerne, wenn dann verdichtet ein gesellschaftliches Problem dargestellt und auf witzige, philosophische oder tragische Weise thematisiert wird. Davon ist der Text natürlich weit entfernt, wie gesagt, die beschriebene Situation ist keinesfalls neu, es findet auch keine wirkliche Ausarbeitung mit dem Thema statt, das gipfelt dann darin, dass alles nur ein Traum war. Ganz ehrlich, das Ende würde ich umschreiben. Überleg dir doch noch eine Pointe für deine Trauerweide und ihr Verhältnis zu ihrer Umwelt - aber das Ganze als "war ja nur ein Traum" hinzustellen, da machst du es dir in meinen Augen allzu einfach.

Also wie gesagt, grundsätzlich ein interessanter Auftakt, auch die Länge ist für so eine Art Fabel eigentlich genau richtig. Hintenraus verflacht das Ganze dann, statt einer überraschenden Pointe kommt ein Verlegenheitsende. Vielleicht fällt dir da noch was anderes ein.

Viele Grüsse,
Schwups

 

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