Die Tote im Bett neben mir
| Die Tote im Bett neben mir
Tote sind nicht schön anzuschauen. Vor allem, wenn man sie kennt, mit ihnen am Abend vorher noch gevögelt hat und am nächsten Morgen verkatert neben der Leiche zu sich kommt.
„Heilige Scheiße“, fluchte ich, als ich begriff, dass Bettina nie mehr aufwachen würde. Ich sprang aus dem Bett, wankte zum Kühlschrank, schnappte mir eine Dose Bier, die ich in einem Zug leerte und ging zurück ins Schlafzimmer. Dort hatte sich nichts verändert. Bettina lag blau angelaufen mit weit geöffnetem Mund auf dem Rücken und glotzte aus glasigen Augen an die Decke.
„Du dummes Miststück“, sagte ich; „weshalb musste das heute mit mir geschehen? Warum nicht gestern mit Tom oder morgen mit einem anderen?“ Bettina war unersättlich in ihrem Männerverschleiß und auch nicht sonderlich wählerisch. Hauptsache, sie kam jeden Abend zu ihrem Fick. Ich ärgerte mich, dass ich ihr gestern in ihre Wohnung gefolgt war. Eigentlich wollte ich den Abend ruhig und ungestört verbringen, als sie plötzlich bei mir Sturm klingelte und mit zwei Flaschen Wodka in der Tür stand. Eine hatten wir gemeinsam in meiner Küche getrunken. Danach musste sie mich überredet haben, sie zu begleiten, damit ihr auf dem Rückweg nichts passiert. Anders konnte ich mir meine Anwesenheit in ihrem Apartment nicht erklären. Denn ich mochte Bettina nicht sonderlich. Sie sprach zu schnell und zu laut, verstand meine Art von Humor nicht, war sofort eingeschnappt und beschwerte sich ständig über die Ungerechtigkeit der Welt. Ihr Fleisch war schon welk, die Brüste hingen und die Beine waren zu dünn. In der Jugend hatte sie gut ausgesehen. Sie zeigte uns bei jeder Gelegenheit Bikinibilder aus den 80ern, die sie in einer Plastikdose in ihrer Handtasche mit sich schleppte. Damals war ihre Figur proper gewesen, und sie hatte auch noch alle Zähne im Mund. Seitdem sie soff, ließ sie sich gehen. Bloß ihre Gier nach Sex und die Erinnerungen an bessere Zeiten waren ihr geblieben und hielten sie am Leben.
Ich schaute auf die Uhr: kurz vor zwölf mittags. Wie lange mochte Bettina schon tot sein? So starr wie ihr Körper wirkte vermutlich bereits einige Stunden. Und ich habe ahnungslos daneben gepennt, Horror! dachte ich. Den Grund für ihren Abgang entdeckte ich auf dem Nachttisch: Benzos, Clomethiazol und Tramal. Alle Packungen aufgerissen. Das Biest war zusätzlich zum Schnaps also auch tablettensüchtig, überlegte ich. Hatte sich wahrscheinlich mit der Dosierung geirrt. Sowas wie ein goldener Schuss, aber halt oral. Todesursache: elendes Ersticken. Mir schauderte kurz.
„Können Sie einen Wagen vorbeischicken? … nein, hat keine Eile. Die Frau lebt nicht mehr … Adresse? Sperberweg … Nummer? Moment, muss ich nachschauen.“
Im Flur merkte ich, dass ich nackt war.
„Kurzen Augenblick bitte. Ziehe mir noch eine Hose an.“
Draußen an der Hauswand entdeckte ich eine verwitterte Ziffer. „Acht“, sagte ich und legte auf. Das war das Krankenhaus gewesen. Wer informierte nun die Bullen, denn die würden sich natürlich ebenfalls für Bettinas Tod interessieren? Mir graute vor den vielen Fragen. Zu trinken gab’s auf dem Präsidium nichts außer Kaffee und Wasser. Und das endlose Stunden lang. War ja nicht das erste Mal, dass ich dort eine Aussage zu Protokoll geben durfte. Und was erzählte ich der Psychologin heute Nachmittag? Die würde mir aus der Geschichte sicher einen Strick drehen und ein schlechtes Gewissen einreden wollen. Unterleibssteuerung, die ich nicht in den Griff bekäme und solche Sachen. Dabei wusste ich noch nicht mal, ob ich mit Bettina Sex gehabt hatte. Konnte mich an nichts erinnern.
Ich beschloss, die Alkoholvorräte aus dem Kühlschrank komplett zu vernichten und dann entspannt auf Sanitäter und die Schmier zu warten. Die Stunde bei der Therapeutin konnte ich schwänzen und in einer Woche nachholen. Bis dahin war Gras über die Sache gewachsen. Meine Lebensgeister kehrten langsam zurück.