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Die Toiletten bei McDonalds
Früher, anfangs der 90er Jahre, war man wohlberaten, sich bei McDonalds zu gemütlichem Scheissen selbst einzuladen, denn in Zürich war McDonalds nicht nur der King unter den Burgern. Man pflegte den Gästen Toiletten zu bieten, die entgegen allen Vermutungen nicht fast und unanständig daherkamen, sondern mit sämtlichen notwendigen Einrichtungen und darüber hinausgehendem Schnickschnack ausgestattet waren: Sauberen Waschbecken, glänzenden Wasserhähnen und Spiegeln, stets funktionierenden Handtuchrausziehmaschinen sowie wohl duftenden Pissoirs und Stuhlabteilen. Auffälligster Teil: Selbstreinigende WC-Schüsseln, die selbst Gängern mit Absitzhemmungen jegliche Kontaminationsangst nahmen.
Ja, ich möchte fast sagen, es hat Spass gemacht, dort zu scheissen. Hätte die Mittagspause jeweils länger gedauert, ich hätte Stunden damit verbracht, tagzuträumen an diesem ruhigen, gemütlichen Örtchen.
Ich war nicht der Einzige, der diese intime Dienstleistung schätzte. Das McDonalds-WC – und das ist wichtig zu wissen – war und ist ein faktisch öffentliches Klo, weil jedermann von der Strasse problemlos Einlass findet, ohne den unangenehmen Weg über die Rechtfertigung vor irgendwelchen Kellnern, wie es in konventionellen Restaurants Unmode zu sein pflegt, nehmen zu müssen.
Vermehrt merkten anscheinend auch Obdachlose und Drogenabhängige, dass es sich bei McDonalds gut sitzen tat. Da aber läuteten in den Chefburgerétagen die Alarmglocken, war man doch nicht gewillt, sich den schmuddeligen Süchtigen als warme Stube anzuerbieten. An einer ausserordentlichen Sitzung wurde man sich schliesslich darüber einig, dass die Toiletten nicht mehr so geil sein durften.
Eine erste Massnahme beinhaltete die sofortige Demontage sämtlicher Spiegel, eines unnötigen Gegenstandes also, dessen Luxus’ es sich nicht lohnte, treu zu bleiben. Denn auch eitle Männer – ich kann übrigens nur bei Männerklos aus Erfahrung sprechen – waren ungern gesehen bei McDonalds. Weiter wurde mit sofortiger Wirkung die teuer angeschaffte, selbstreinigende WC-Schüssel aus sämtlichen Anstalten entfernt.
Schnell merkte man aber, dass sozial Randständige diese Neuerungen nicht wirklich als Grund für einen Boykott betrachteten und den Ort weiterhin aufsuchten. Ein nächster Schritt sollte deshalb wenigstens unerwünschte Drögeler aus dem Familienrestaurant verbannen; man kam auf die sympathische Idee, das Klo-Licht durch schwachwattig blauen Discodunst zu ersetzen, damit sowohl Venen als auch Augen in ihren jeweiligen Funktionen minder einsatzfähig waren. Für ältere Menschen mit gewisser Sehschwäche ist es dadurch schier unmöglich, den Toilettenbesuch erfolgreich hinter sich zu bringen.
Das Ersetzen der stets frisch gebügelten Handtücher (samt Halter natürlich) durch raue Papierfetzen war dann nur noch ein logischer Schritt.
Zum Höhepunkt der Verwahrlosung kam es, als man sich an die Neugestaltung der WC-Türen machte. Ziel war es, dem stillen Örtchen aus seinem öd intimen Dasein ¢rauszuhelfen. Verschiedenste Tür-Designs, die zur Auswahl standen, um die Kabinen in neuem, pennerabschreckendem Glanz erscheinen zu lassen, konnten nicht überzeugen; man entschied sich schliesslich für die abstrakte Variante und sägte die Türen oben und unten kurzum ein Stück ab. Eine sensationelle Idee der Stardesigner! Nur gerade das Gesäss ist dadurch noch vor Spannerblicken geschützt. Wie das Pferd in der Box sitzt man jetzt auf der Schüssel und kann Kopf und Beine neckisch aus dem WC hinausstrecken. Beim Putz-Rundgang können somit zusätzlich zur hygienischen Kontrolle eine kurze Bestandesaufnahme der Klosetten-Gäste vorgenommen und allfällig unerwünschte Kacker freundlichst zum Ausgang gebeten werden.
Eine Katastrophe würde ich – dürfte ich – die Umgestaltung dieser Scheisshäuser (derb) nennen, ein Verstoss gegen die Genfer Konventionen. Aber mich fragt ja keiner.