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Die Tipis der Mescalero- Apachen

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02.11.2001
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Die Tipis der Mescalero- Apachen

Wir waren bei Tony und Linda eingeladen. Wir sprachen über Nat King Cole, tranken den billigen Wodka von der Tankstelle und irgendwann legte Linda eine Platte von Bob Dylan auf den Plattenteller. Ich kann nicht mehr sagen, wie das kam. Wir sahen uns wie auf Kommando tief in die Augen und begannen von der Liebe zu reden. Es war ganz etwas Neues. Aber es ging und wurde immer besser. Als Tony in die Küche verschwand um ein paar Zitronen zu suchen, sah ich die Tränen bei Linda. Carla kroch zu ihr rüber, kuschelte sich an sie und irgendwann heulten beide Frauen. Es war nicht mit anzusehen. Ich kippte den Rest in meinem Glas und machte, dass ich zu Tony kam, bevor der Abend endgültig in die Brüche ging. Tony hatte sich ein Limonadenglas mit Gin und Bitter Lemmon gemixt und ich schwöre, dass ich ihn noch nie zuvor so fertig gesehen hatte.
Er stand gekrümmt, lehnte sich gegen den Eisschrank. Tony, ein Mann, der seinen Wagen so fuhr, als ob alle Teufel hinter ihm her wären. Tony war kalkweiß im Gesicht. Ich dachte an Jonny Depp, dachte an den Film ,Dead man’. Dann bekam ich es mit. Linda war fertig mit Tony. Ich ging rüber zu Tony, kippte ihn weg vom Eisschrank. Ich holte mir ein Budweiser, knackte die Dose und dann nahm ich mir Tony vor.

,Tony’ sagte ich, versuchte locker zu sein dabei und machte absichtlich auf streng, spielte ihm einen Zauber vor, weil ich seine Tränen sah, Linda ist eine gute Frau’ sagte ich. ,Lasst es nicht dazu kommen. Ihr braucht euch, Mann. Sieh dich um. Es ist gelaufen, Linda ist dein Mädchen. Sie war es immer.’
Ich hatte keine Ahnung, was ich sagen sollte. Ich hatte keine Ahnung, worum es hier ging. Das Bier war kalt, tat gut. Wahrscheinlich war sowieso alles falsch und bei Tony ging’s rein und raus. Ich musste es riskieren. Ich hatte diese eine Chance, mit ihm zu reden, jetzt und sofort. Ich ertrug seine nassen Wangen nicht. Ich ertrug sie nicht bei Tony. Es war wie eine Aufgabe. Es war wie eine Endstation. Seine Gleise führten ins Nirgendwo. Das Flackern seiner Augen verriet seine Machtlosigkeit. Wir standen beide da und die Küche dehnte sich rüber in andere Welten. Keiner wollte zu den Frauen rein. Ich dachte darüber nach, ich dachte über Tony nach. Ich hatte nie einen anderen Freund gehabt. Ich kannte Tony, seit er mit Linda verheiratet war. Linda war Carlas Freundin. So wurden wir bekannt miteinander. Ich hatte niemanden zuvor, bei dem ich mich so aufgehoben fühlte. Carla wusste haargenau, wie sie’s mit mir anstellen musste und ich jaulte wie ein Hund dabei.
Als Tony und Linda ihre Hochzeit hatten, rochen die Baumwollfelder nach einer guten Ernte. Die Gospels der Schwarzen lagen über dem Land und die Sonne stand dabei tief und leuchtete rot. Sie hatten eine Bluesband organisiert und die Hitze brannte uns auch noch am Abend ein Loch in unsere Schädel. Die Harleys standen im Schatten der Eichen. Der Sound der Band war fürchterlich. Wir hatten einen Ochsen am Grill und Tony hatte Linda an der Hand. Er war aufgedreht, schüttete unglaubliche Mengen Bier hinunter. Später kam er zu mir. ,Wo ist dein Mädchen’ fragte er mich. Ich hatte getrunken wie er, meine Faust traf sein rechtes Ohr. Wir balgten uns ein wenig. Dann soffen wir weiter. Seine Frage vergaßen wir beide. Es schien nichts wichtiger als der Duft dieses einen Abends. Den wollten wir alle und drum gaben wir uns Mühe, das Ding durchzuziehen.

Tony goss sich nach, verschüttete etwas vom Gin. Der Eisschrank, an dem er lehnte, machte glucksende Geräusche. Dann kam was von ihm, flüsternd, zaghaft. Ich hörte nicht sofort hin, dachte, dass es ein Gebrabbel wäre. Ich meine, Tony hatte Augen, die jenem eines Derwisch nicht unähnlich waren. Ich gab mir keine Mühe, ihn zu verstehen. Irgendwann später hörte ich zu, musste ich zuhören. Dann verstand ich alles. Tony hatte mit Carla gevögelt. Zwischen den Harleys, unter den Eichen. Carla musste kotzen, hatte danach unsäglich Angst. Während ich mir einen reinsoff und Linda die Gäste mit ihrem absoluten Charme unterhielt, hatte es Carla mit Tony getrieben.

,Ich liebe meine Linda’ sagte Tony.

Ich hörte die Frauen reden und dachte an das, was mir an Carla immer als das Wichtigste schien. Ich ging zum Eisschrank, holte noch eine Dose Budweiser. Es konnte nicht wahr sein. Ich sah rüber zu Tony, knackte die Dose und konnte nicht weinen. ,Liebe ist schon ein geiles Thema, hmm, Tony?’ sagte ich. Die Frauen drüben im Wohnzimmer begannen zu kichern, hatten sich also wieder in der Reihe. Es war Zeit zu verschwinden. Ich holte meine Jacke, sah nach, ob die Schlüssel meines Pick –Up darin waren. Ich meinte so etwas wie Ungläubigkeit in Tony’s Augen zu bemerken. Er sagte nichts bei alldem und ich verschwand raus in die Nacht. Ich hätte alles ertragen können, aber nichts in der Art. Es war gut, wieder auf der Strasse zu sein. Die Prärie hatte etwas Sagenhaftes um diese Zeit. Es ist nur zu verstehen, wenn man draußen ist und die Sterne über dem eigenen Kopf Billard spielen.

Ich fuhr an Büffelherden vorbei, schwarze Wogen, an denen ich hauchknapp vorbeifand. Ich fuhr durch die Tipis der Mescalero- Apachen und meinen Tränen tat auch das keinen Abbruch. Irgendwie war dann der Tank meines Wagens leer. Über mir entluden sich tausend von Sternenschnuppen. Bevor ich die Einfahrt in den Grand Canyon knapp verfehlte, hatte ich Carla fast vergessen. Wenn Tony noch am Eisschrank lehnen sollte, um diese Zeit, dann ist er daran selber schuld. Ich hör noch, wie sie lachen.
Liebe ist was Schönes.

 

Hey Aqua, ich glaube,dass muss ich mir morgen noch einmal durchlesen, ich hab nicht viel verstanden!
Ich glaube ich lese echt zuviel!

also bis morgen gute nacht, aqua

 
Zuletzt bearbeitet:

Auf der Ladefläche eines Pick-Up kannst du Geronimo sitzen sehen, wenn du es schaffst hinzuschauen. Er hat unglaubliche Adlerfedern in seinem Haar. Sprich mit ihm, keine Scheu, Arche. Er liebt Folks, wie wir es sind. Er hat schwarzes Haar. Die Tipis seines Volkes sind überall. Tony lehnt noch immer dort, wo sie ihn hingestellt haben. Die Frauen weinen. Hörst du sie?

Hätt' jetzt gerne eine Dose Bier mit dir geknackt, Arche. Wenn du verstehst, was ich meine!

Liebe Grüße - Aqua

 

Hey,
laß die Tipis wo sie sind und stell dich deinem Mädchen, Aqua.
is wunderbar,
trink auf dich,
alex.

 

so Aqua, also das Bild, das du so beschreibst, die Sprache, die du benutzt, von der diese Story lebt, das ist gut. Also in der Geschichte passiert eigentlich nichts. Trotzdem ist schon okay. Es klingt wie ein Auschnitt. Ja!

liebe grüsse, bis dann Stefan

 

Es ist eine Geschichte über die Liebe, Arche.
Es ist schon alles davor passiert. Hier liest du, wie das Ende sein kann. Diesmal geht es gut aus.

Alex, das Wort ,wunderbar' hab ich immer wieder geschrien. Die Freude über dein Verständnis macht mich hilflos. Hab ein bisschen Liebe in dieser Geschichte verpackt und du hast es erkannt.

Liebe Grüße nach Oldenburg und Spanien - Aqua

 

Ach Aqua, was soll ich jetzt noch schreiben? Alex und Stefan waren schneller...
es ist einfach ein wunderschöner Text mit viel Gefühl, das merkt man, Aqua, ganz, ganz toll, wie Du es schaffst, dass ich alles vor mir sehe und fühle...einfach toll, Aqua, einfach toll.

Liebe Grüße an Dich, Anne

 

das ist keine geschichte über die liebe. es ist eine über gehören, verrat und verletzt sein.
wenn es eine geschichte über die liebe wäre, wäre es eine glücklich klingende geschichte :) !

hi aqua,

knackte die Dose und dann nahm ich mir Tony vor.
Wahrscheinlich war sowieso alles falsch und bei Tony ging’s rein und raus.
Wir standen beide da und die Küche dehnte sich rüber in andere Welten.
wie sie’s mit mir anstellen musste und ich jaulte wie ein Hund dabei.
Den wollten wir alle und drum gaben wir uns Mühe
Er sagte nichts bei alldem und ich verschwand raus in die Nacht.

in allen diesen sätzen werden zwei hauptsätze mit einem "und" verbunden. sie brauchen vor dem "und" aber zusätzlich noch ein komma.

alldem

ich bin mir nicht sicher, aber muss das eventuell auseinandergeschrieben werden?

aqua,
sehr schöner erzählstil! wirklich! ich konnte mich wirklich in diese szene vertiefen - und habe mich da wiedergefunden. sehr lebendig geschrieben!

Wahrscheinlich war sowieso alles falsch und bei Tony ging’s rein und raus. Ich musste es riskieren.

ja, genau so ist es. du siehst deinen freund im kummer - aber er erzählt nichts. du musst einfach ins blaue raten, um ihn zum reden zu kriegen. wirklich gut erkannt, aqua.

Die Frauen drüben im Wohnzimmer begannen zu kichern, hatten sich also wieder in der Reihe.

diese stelle fand ich äusserst gut.

ein ziemlich wichtiger fehler ist dir untergekommen.

Carla wusste haargenau, wie sie’s mit mir anstellen musste und ich jaulte wie ein Hund dabei.

bezug? dieser satz ist absolut falsch platziert. schaue es dir unbedingt an. es ging die ganze zeit um toni und linda - und um, dass der prota toni über carla kennen lernte. die beziehung carla zu prota als einwurf ist unglücklich - ein gedankensprung, den der leser nicht nachvollziehen kann, ohne dass dabei die harmonie darunter leidet.

fazit: wirklich schön geschriebene geschichte.

bye
barde

 

Maus. Schön, dass du dabei bist.

Barde,

eine Geschichte über die Liebe muss nicht in jedem Fall glücklich klingen.
Wenn Hauptsätze mit einem ,und' verbunden werden, hängt die Setzung eines Kommas von der Aussage, die ich mit diesen Sätzen treffen will, ab.
Bei ,alldem' gilt dasselbe.
Den Satz mit Carla sehe ich als wichtige Information.
Ich denke, dass die Rhytmik nicht darunter leidet.

Liebe Grüße an euch - Aqua

 

ich habe mich gerade kundig gemacht @ kommaregel.
nach §72(1) - du hast recht, verdammt - und ich lebe in der vergangenheit.

 

Mir gefällt, wie genau du recherchierst, Barde.
Mir wiederrum hat es mein grollendes Bäuchlein geflüstert.
Im Ernst, gibt es den zitierten § wirklich?

Du bist ein Schnüffler, Barde. Aber ein guter.

Grüße - Aqua

 

Barde, danke.

Studierst du Jus?
Arbeitest du bei der Kripo?
Ich liege nicht ganz falsch, stimmts?

Liebe Grüße, special agent - Aqua

 

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