- Zuletzt bearbeitet:
- Kommentare: 12
Die Tipis der Mescalero- Apachen
Wir waren bei Tony und Linda eingeladen. Wir sprachen über Nat King Cole, tranken den billigen Wodka von der Tankstelle und irgendwann legte Linda eine Platte von Bob Dylan auf den Plattenteller. Ich kann nicht mehr sagen, wie das kam. Wir sahen uns wie auf Kommando tief in die Augen und begannen von der Liebe zu reden. Es war ganz etwas Neues. Aber es ging und wurde immer besser. Als Tony in die Küche verschwand um ein paar Zitronen zu suchen, sah ich die Tränen bei Linda. Carla kroch zu ihr rüber, kuschelte sich an sie und irgendwann heulten beide Frauen. Es war nicht mit anzusehen. Ich kippte den Rest in meinem Glas und machte, dass ich zu Tony kam, bevor der Abend endgültig in die Brüche ging. Tony hatte sich ein Limonadenglas mit Gin und Bitter Lemmon gemixt und ich schwöre, dass ich ihn noch nie zuvor so fertig gesehen hatte.
Er stand gekrümmt, lehnte sich gegen den Eisschrank. Tony, ein Mann, der seinen Wagen so fuhr, als ob alle Teufel hinter ihm her wären. Tony war kalkweiß im Gesicht. Ich dachte an Jonny Depp, dachte an den Film ,Dead man’. Dann bekam ich es mit. Linda war fertig mit Tony. Ich ging rüber zu Tony, kippte ihn weg vom Eisschrank. Ich holte mir ein Budweiser, knackte die Dose und dann nahm ich mir Tony vor.
,Tony’ sagte ich, versuchte locker zu sein dabei und machte absichtlich auf streng, spielte ihm einen Zauber vor, weil ich seine Tränen sah, Linda ist eine gute Frau’ sagte ich. ,Lasst es nicht dazu kommen. Ihr braucht euch, Mann. Sieh dich um. Es ist gelaufen, Linda ist dein Mädchen. Sie war es immer.’
Ich hatte keine Ahnung, was ich sagen sollte. Ich hatte keine Ahnung, worum es hier ging. Das Bier war kalt, tat gut. Wahrscheinlich war sowieso alles falsch und bei Tony ging’s rein und raus. Ich musste es riskieren. Ich hatte diese eine Chance, mit ihm zu reden, jetzt und sofort. Ich ertrug seine nassen Wangen nicht. Ich ertrug sie nicht bei Tony. Es war wie eine Aufgabe. Es war wie eine Endstation. Seine Gleise führten ins Nirgendwo. Das Flackern seiner Augen verriet seine Machtlosigkeit. Wir standen beide da und die Küche dehnte sich rüber in andere Welten. Keiner wollte zu den Frauen rein. Ich dachte darüber nach, ich dachte über Tony nach. Ich hatte nie einen anderen Freund gehabt. Ich kannte Tony, seit er mit Linda verheiratet war. Linda war Carlas Freundin. So wurden wir bekannt miteinander. Ich hatte niemanden zuvor, bei dem ich mich so aufgehoben fühlte. Carla wusste haargenau, wie sie’s mit mir anstellen musste und ich jaulte wie ein Hund dabei.
Als Tony und Linda ihre Hochzeit hatten, rochen die Baumwollfelder nach einer guten Ernte. Die Gospels der Schwarzen lagen über dem Land und die Sonne stand dabei tief und leuchtete rot. Sie hatten eine Bluesband organisiert und die Hitze brannte uns auch noch am Abend ein Loch in unsere Schädel. Die Harleys standen im Schatten der Eichen. Der Sound der Band war fürchterlich. Wir hatten einen Ochsen am Grill und Tony hatte Linda an der Hand. Er war aufgedreht, schüttete unglaubliche Mengen Bier hinunter. Später kam er zu mir. ,Wo ist dein Mädchen’ fragte er mich. Ich hatte getrunken wie er, meine Faust traf sein rechtes Ohr. Wir balgten uns ein wenig. Dann soffen wir weiter. Seine Frage vergaßen wir beide. Es schien nichts wichtiger als der Duft dieses einen Abends. Den wollten wir alle und drum gaben wir uns Mühe, das Ding durchzuziehen.
Tony goss sich nach, verschüttete etwas vom Gin. Der Eisschrank, an dem er lehnte, machte glucksende Geräusche. Dann kam was von ihm, flüsternd, zaghaft. Ich hörte nicht sofort hin, dachte, dass es ein Gebrabbel wäre. Ich meine, Tony hatte Augen, die jenem eines Derwisch nicht unähnlich waren. Ich gab mir keine Mühe, ihn zu verstehen. Irgendwann später hörte ich zu, musste ich zuhören. Dann verstand ich alles. Tony hatte mit Carla gevögelt. Zwischen den Harleys, unter den Eichen. Carla musste kotzen, hatte danach unsäglich Angst. Während ich mir einen reinsoff und Linda die Gäste mit ihrem absoluten Charme unterhielt, hatte es Carla mit Tony getrieben.
,Ich liebe meine Linda’ sagte Tony.
Ich hörte die Frauen reden und dachte an das, was mir an Carla immer als das Wichtigste schien. Ich ging zum Eisschrank, holte noch eine Dose Budweiser. Es konnte nicht wahr sein. Ich sah rüber zu Tony, knackte die Dose und konnte nicht weinen. ,Liebe ist schon ein geiles Thema, hmm, Tony?’ sagte ich. Die Frauen drüben im Wohnzimmer begannen zu kichern, hatten sich also wieder in der Reihe. Es war Zeit zu verschwinden. Ich holte meine Jacke, sah nach, ob die Schlüssel meines Pick –Up darin waren. Ich meinte so etwas wie Ungläubigkeit in Tony’s Augen zu bemerken. Er sagte nichts bei alldem und ich verschwand raus in die Nacht. Ich hätte alles ertragen können, aber nichts in der Art. Es war gut, wieder auf der Strasse zu sein. Die Prärie hatte etwas Sagenhaftes um diese Zeit. Es ist nur zu verstehen, wenn man draußen ist und die Sterne über dem eigenen Kopf Billard spielen.
Ich fuhr an Büffelherden vorbei, schwarze Wogen, an denen ich hauchknapp vorbeifand. Ich fuhr durch die Tipis der Mescalero- Apachen und meinen Tränen tat auch das keinen Abbruch. Irgendwie war dann der Tank meines Wagens leer. Über mir entluden sich tausend von Sternenschnuppen. Bevor ich die Einfahrt in den Grand Canyon knapp verfehlte, hatte ich Carla fast vergessen. Wenn Tony noch am Eisschrank lehnen sollte, um diese Zeit, dann ist er daran selber schuld. Ich hör noch, wie sie lachen.
Liebe ist was Schönes.