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Die Therapeutin - Mixed (2)
Seit zwei Jahren arbeite ich als Paartherapeutin und vor gut einem Jahr konnte ich zwei Studentinnen mit einer eher unkonventionellen Methode von ihren Hemmungen überraschend schnell befreien. Seitdem besuchen mich häufiger junge Frauen - meist Studentinnen - die keine erfüllende Beziehung erreichen, weil sie gehemmt sind und vor intimen Begegnungen zurückschrecken. Eine Paartherapie kann sich je nach ihrer Intensität über Wochen hinziehen und eine Initialzündung, wie ich sie bei den beiden Studentinnen erlebte, ist eher selten. Ich erlebe aber auch immer wieder junge Frauen, die nicht zueinander finden, weil Unwissenheit oder eine sexualfeindliche Erziehung ein Aufeinanderzugehen und einander erkunden verhindern. Vertrauliche Gespräche unterstützt durch entsprechendes Anschauungsmaterial können da helfen, eine engere Beziehung zu wagen. In solchen Fällen ist es meist sinnvoll, mit Einzelgesprächen zu beginnen.
Es wurde langsam Herbst, als mich zwei Studenten in meiner Wohnung aufsuchten. Ich wies sie auf die Sitzecke und sie setzten sich auf zwei Stühle, die über Eck am Couchtisch standen, und überließen mir die Couch.
„Wir haben von einigen Kommilitoninnen gehört, dass Sie ihnen sehr geholfen haben und haben uns nach langem Zögern entschieden, Sie im Rat zu fragen.“
„Nun, ich würde erst einmal ein Gespräch mit Ihnen beiden führen, aber dann, wenn Sie weitergehen wollen, mit Einzelgesprächen fortfahren.“ Beide erschienen mir erleichtert und ich begann zu zweifeln, dass hier eine kurze Gesprächstherapie helfen könnte.
„Beginnen wir doch mit Ihrem Kennenlernen.“
„Wir haben im Frühjahr gemeinsam ein Referat erarbeitet und dabei gemerkt, dass wir in Vielem auf der gleichen Wellenlänge liegen.“
„Wir können miteinander lachen, mögen die gleichen Filme und können sehr gut miteinander für das Studium lernen.“
„Sie sind also nicht nur an der Uni zusammen, sondern auch in ihrer Freizeit? Und sagen Sie mir doch bitte noch einmal Ihre Vornamen.“
„Ich heiße Martin und ob wir in der Freizeit zusammen sind, ja, also eigentlich …“
„Ich bin Helmut und ich denke, eher nein. Aber wir haben ja zum Ende des Studiums auch kaum freie Zeit.“
„Waren Sie mal im Sommer zusammen im Schwimmbad oder an der Strandbar oder in der Disco?“
Meine Frage schien die beiden irgendwie zu bedrücken und sie schüttelten ihre Köpfe. Aus meinen weiteren Fragen erfuhr ich, dass beide in verschiedenen Studentenheimen wohnten und einander noch nicht besucht hatten. Sie trafen sich anscheinend nur an der Uni. Wir sprachen dann noch ein wenig über ihr Studium und ich wollte mit ihnen jeweils einen Gesprächstermin vereinbaren, aber sie baten mich darum, ihnen den Termin jeweils zuzusenden. Am Ende dieses Gespräches war mir unklar, was die beiden voneinander und von mir erwarteten und ich konnte nur hoffen, die Einzelgespräche würden mir weiterhelfen.
In unserem kurzen Gespräch hatte ich den Eindruck gewonnen, von Martin eher Antworten zu erhalten, und so lud ich zunächst ihn zu einem Gespräch ein. Wir sprachen über seine Kindheit, seine Familie, die Schulzeit und das Studium.
„Ich habe lieber mit den Mädchen aus der Nachbarschaft gespielt, als mit den Jungs, aber als ich älter wurde, fühlte ich mich eher zu Jungs hingezogen.“
„Wann waren Sie zum ersten Mal verliebt?“
„Ich weiß nicht. ich habe manchmal für ein Mädchen geschwärmt oder auch für einen Jungen - das ging aber nie tiefer, deshalb war es mir auch recht unwichtig, ob es ein Junge oder ein Mädchen war.“
„Haben Ihre Eltern dies mitbekommen?“
„O ja, ich war vierzehn, als ich von meinem Vater verprügelt wurde, weil ich mit einem Jungen geschmust hatte. Meine Eltern waren sehr konservativ eingestellt und Homosexualität hielten sie für ein Verbrechen.“
„Tatsächlich?“
„Ja, mein Vater sagte mir, homosexuelle Männer gehörten weggesperrt und ich sollte dankbar sein, dass ich von ihm nur Schläge bekäme.“
Zum Ende unseres Gespräches kamen wir auch auf die Beziehung zu Helmut. Es schien mir eine distanzierte Beziehung zu sein. Sie umarmten sich manchmal, aber nur kurz. „Wie sich Freundinnen halt umarmen“ meinte Martin.
„Möchten Sie denn mehr?“
„Doch ja, eigentlich schon, aber dann kommt mir wieder mein Vater in den Sinn und ich habe ein wenig Angst. Vor allem aber merke ich, dass Helmut eine engere Umarmung scheut.“
„Haben Sie einmal mit ihm über ihre Wünsche und Ängste gesprochen?“
„Einmal in der Mensa, schien er mir sehr distanziert bei unserem Treffen und ich fragte ihn, ober er Reaktionen der anderen Studenten befürchte. Er war erstaunt und fragte, wieso. Und da sagte ich ihm, es gäbe ja immer noch Menschen, die homosexuelle Partnerschaften ablehnten.“
„Und was hat er geantwortet?“
„Er hat lange Zeit gar nichts gesagt, aber schließlich meinte er, er glaube nicht, dass unsere Freundschaft von den anderen schon als Partnerschaft angesehen werde und Homosexualität sei für ihn eigentlich kein Problem, aber eine Partnerschaft überhaupt. Naja und da habe ich ihm vorgeschlagen, zu Ihnen zu gehen und uns beraten zu lassen.“
„Und er hat Ihrem Vorschlag ja zugestimmt.“
„Schon, aber er schien mir eher der Meinung zu sein, dass es nichts nützten wird, aber wohl auch nicht schadet.“
Drei Tage später kam Helmut zu mir. Er erzählte wenig, aber ich hatte durchaus den Eindruck, er versuchte, offen zu sein.
„Mein Vater starb bei einem Betriebsunfall, da war ich vier Jahre alt. Meine Mutter hat mich dann alleine aufgezogen, ich hatte auch keine Geschwister.“
„Leben Sie noch bei Ihrer Mutter?“
„Nein schon länger nicht mehr. In unserem Dorf gab es kein Gymnasium und meine Mutter besorgte mir eine Schlafstelle bei Verwandten, ganz in der Nähe des Gymnasiums übrigens.“
„Dann wurden Sie also von Ihren Verwandten erzogen?“
„Ich weiß nicht, ob man das Erziehung nennen kann. Sie hatten zwei Töchter, die einige Jahre älter waren als ich, aber noch im Haus lebten. Wenn ich darüber nachdenke, habe ich den Eindruck, die beiden hätten meine Erziehung übernommen.“
„Waren sie in die Mädchen verliebt?“
„Nein, gar nicht. Sie hatten beide Freunde, die öfter zu Besuch kamen. In den einen hatte ich mich eine Zeitlang verknallt, aber Bettina, seine Freundin, lachte nur darüber und meinte, das werde schon vorbeigehen.“
„Haben Sie gemeinsam ihre Freizeit verbracht?“
„Ja, wir sind zusammen ins Kino gegangen oder an den Badesee gefahren. Ich bin da dann meistens mit einem Faltboot auf dem See herumgefahren. Ich bin ein wenig wasserscheu.“
„Mit Martin waren Sie deshalb auch nicht schwimmen?“
„Ja, das kann man so sagen.“
„Haben Sie denn Martin einmal unbekleidet gesehen?“
„Na ja zum Teil. Wir haben Erdbeeren gepflückt, um uns ein wenig Geld zu verdienen. Und es war sehr heiß und da haben wir wie die anderen Pflücker unsere T-Shirts ausgezogen.“
„Haben Sie Martin dann näher betrachtet.“
„Ja, es war mir zwar peinlich, aber ich konnte eine Zeitlang gar nicht wegsehen. Ich habe ihn noch nicht mit einem Bartschatten erlebt, aber jetzt sah ich, dass auch sein Oberkörper ganz glatt und anscheinend unbehaart war. Die Haut wirkte auf mich, als ob er eine Frau wäre.“
„Hat diese Erkenntnis Sie angesprochen?“
„Ja, durchaus. Ich mache mir eigentlich nicht so viel aus Frauen, aber bei Martin hat mir das gefallen.“
„Hätten Sie ihn gerne gestreichelt?“
„Ja, ich denke in dem Augenblick schon, aber ich könnte ihm das nie sagen.“
„Und wenn Martin auf Sie zukommen würde und sie knuddeln möchte?“
„Also das denke ich kommt wohl darauf an, also wo das stattfindet. Ich meine, im Schwimmbad oder auf einer Semesterfete. Also ich könnte mir das vielleicht vorstellen.“
„Und im Wohnzimmer bei Ihnen zu Hause?“
„Äh, also , äh, ich fürchte, also eher nein.“
Helmut errötete immer mehr und schließlich war sein Kopf knallrot. Es gelang mir dann auch nicht mehr, von ihm weitere Antworten zum Thema Liebe und Sexualität zu erhalten.
Ich war ein wenig frustriert und stellte Martin bei der nächsten Sitzung zu Beginn die gleiche Frage: „Würden Sie mit Helmut in ihrem Wohnzimmer knuddeln?“
„Ich weiß nicht. Vor sechs Monaten hätte ich gesagt, ja, sofort. Aber inzwischen ist so viel geschehen …“
Ich sah ihn erstaunt an. Was war denn schon zwischen den beiden in diesen sechs Monaten geschehen? Als ich dann aber in sein bartloses Gesicht sah und bemerkte, dass er tatsächlich eine jedenfalls für einen Mann sehr reine Haut hatte, wanderte mein Blick unwillkürlich abwärts. Martin trug wieder ein recht formlosen weiten Schlabberpullover und ebenso weit geschnittene Cargo-Hosen. Nicht gerade figurbetont, dachte ich und da kam mir ein Verdacht.
„Sind Sie gerne ein Mann?“
„Äh, was, wie meinen Sie das?“
„Mir ist aufgefallen, dass Sie mit ihrem Gesicht und Ihren Haaren auch für eine Frau gehalten werden können. Und da habe ich mich gefragt, ob sie sich vielleicht auch mal vorgestellt haben, eine Frau zu sein.“
„Ja, also, naja, irgendwann muss ich mich ja trauen.“ Aber dann verstummte Martin erst einmal wieder. Und ich beschloss, ebenfalls zu schweigen. Und schließlich begann Martin:
„Ich hatte schon vor einigen Jahren Zweifel bekommen, ob ich wirklich ein Mann bin. Als dann bei mir kein Bart wuchs und jedenfalls auf meinem Oberkörper auch keine Haare wuchsen, bin ich vor drei Jahren zu einem Arzt gegangen und habe mich untersuchen lassen. Er hat mich nach der Untersuchung sehr eingehend über die verschiedenen Möglichkeiten beraten und mir ist immer deutlicher geworden, dass ich irgendwie also, naja, ich meine, ich bin ein Mann, aber ich bin auch eine Frau. Und um deutlicher zu sehen, was ich denn nun bin, hat mir der Arzt Hormone verschrieben und tatsächlich haben sich bei mir Brüste entwickelt, so dass ich nicht mehr mit bloßem Oberkörper Erdbeeren pflücken könnte. Aber ich fühle mich in meinem Körper jetzt viel wohler, doch dann denke ich wieder an Helmut und weiß gar nicht, wie ich ihm das erklären soll.“
„Helmut hat aber ihr Körper beim Erdbeerpflücken sehr gefallen. Vielleicht würden seine Hemmungen ja geringer werden, wenn Sie sich mal als Frau kleiden. Möglich wäre Ihnen das ja wohl.“
„Ja, ich trage auch jetzt einen BH. Und ich wünsche mir schon länger, mich auch äußerlich als Frau zu geben.“
„Sie haben mir zu Beginn erzählt, eine offene und ehrliche Beziehung wäre Ihnen wichtig. Also würde ich Ihnen vorschlagen, Sie kleiden sich so, wie es Ihnen gefällt und ich werde mit Helmut besprechen, ob sich ihre Beziehung dann sogar verbessert.“
Aber als Helmut zum nächsten Gespräch erschien, schien er mir nicht recht glücklich zu sein. Dennoch fragte ich ihn: „Wie finden Sie das neue Erscheinungsbild von Martin?“
„Ja, das heißt, ich meine, na ja, einige Kommilitonen fanden, wir passten gut zusammen, aber ich weiß nicht, ich meine, ich bin nicht lesbisch, das heißt nein, also ich meine, also ich habe Schwierigkeiten mit Frauen. ich weiß auch nicht, wie soll ich das erklären . . .“
Aber ich hörte ihm schon gar nicht mehr richtig zu, denn mir war nicht nur ein Licht aufgegangen. Ich war mir recht sicher, dass ich endlich die ganze Problematik dieser Beziehung erkannt hatte. Und wie sollte ich nun mit dieser Entdeckung umgehen? Aber dann kam mir eine Idee. Es gibt ja diese Klappbilderbücher, mit denen man neue Tiere darstellen kann, ich glaube Krogufant heißen sie. Und ich hatte noch aus einem Aufklärungsbuch für Kinder zwei Karten mit einem Mann und einer Frau, die beide nackt und sehr realistisch dargestellt waren. Ich bat Helmut um einen Moment Geduld, suchte die beiden Karte heraus und schnitt sie mit dem Papierscheider einmal durch, quer über den Bauchnabel. Dann nahm ich die Karten und legte sie vor Helmut auf den Tisch.
„Ihre Kommilitonen haben jetzt wohl den Eindruck, Sie seien der Mann und Martin sei die Frau, wie auf diesen Karten.“
„Ja, genau, so scheint es zu sein.“
„Aber tatsächlich trifft dieses Bild auf Martin gar nicht zu.“ Mit diesen Worten nahm ich die untere Hälfte von der Frau fort und schob die untere Hälfte vom Mann unter die Frau. „So würde Martin aussehen, wenn er unbekleidet wäre.“
Helmut starrte auf das Bild und schluckte, aber er sprach kein Wort. Neben Martin lagen die beiden halben Karten und ich fragte Helmut: „Und wie würden Sie aussehen?“
Zögernd griff Helmut nach den beiden freien Hälften und führte sie zusammen - zu einem Mann, der auch eine Frau war.
„Jetzt verstehe ich, warum ich mich zu Martin hingezogen fühle. Er ist meine fehlende Hälfte. Komisch, ich sage ‚Er‘, aber ist das so richtig?“
„Ich vermute, ja. Von Männern wird ja behauptet, sie dächten nicht mit ihrem Gehirn, aber ich kann mir vorstellen, dass das Wissen um die eigene geschlechtliche Identität mehr von den Genitalien als von sekundären Geschlechtsmerkmalen bestimmt wird.“
Im Abschlussgespräch, das ich mit Helmut und Martin gemeinsam führte, bestätigten sie meine Vermutung. Nach einigen juristischen Hürden sind sie jetzt verheiratet und heißen Martin und Helma.