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Die Taube auf dem Dach

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21.11.2017
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Die Taube auf dem Dach

Doris klingelte Sturm an Franzis Haustür. Sie musste mit jemanden reden. „Hast du schon gehört? Die alte Johanna ist gestorben. Einfach nicht mehr aufgewacht. Ihre Tochter hat sie heute morgen tot im Bett gefunden.“ „Waaas, so plötzlich?“, fragte Franzi schockiert und ließ Doris erst mal eintreten. „Ja eben, sie war doch trotz ihrem Alter noch top fit. Gestern hat sie sogar noch im Garten gewerkelt. Ich sag dir, die Taube bringt Unglück.“ Franzi wusste genau, worauf Doris hinaus wollte. Auch sie hatte die Taube gesehen und gehört.

Unheimlich war das schon, musste sich Franzi in Gedanken eingestehen. Zweimal konnte Zufall sein. Aber das hier war der dritte Fall. Jedes Mal, wenn die Taube auf einem Häuserdach gesessen und auffällig laut ihr Huhu-hu gerufen hatte, war innerhalb von zwei Tagen ein Mensch aus dem entsprechenden Haus gestorben.

Laut sagte sie: „Du tust ja gerade so, als ob die Taube für den Tod der Leute verantwortlich ist. Denk dran, die Johanna war immerhin schon 96 Jahre alt und der Hubert hatte Krebs im Endstadium. Tiere haben sehr feine Instinkte, vielleicht spürt diese Taube irgendwie den nahen Tod. Sie zeigt ihn vielleicht an, verursacht ihn aber doch nicht“.

Darauf entgegnete Doris: „Ja, mein Mann hält mich auch für plem-plem. Ich könnte doch nicht einfach ein unschuldiges Tier dafür verantwortlich machen. Aber was ist mit Klaus? Der war erst 46 und kerngesund. Dass er mit dem Motorrad verunglücken würde, so etwas kann man doch nicht fühlen. Da muss man schon hellsehen können.“

Nicht nur Doris und Franzi unterhielten sich über dieses Thema. Nein im ganzen Dorf standen Grüppchen zusammen und es wurde heiß diskutiert über Johanna und die Taube.

Franzi berichtete später ihrem Mann von Johannas Tod und von den Spekulationen im Dorf, dass die Taube etwas damit zu tun haben könnte. Dirk verdrehte die Augen und entgegnete nur unfreundlich: „Hör mir mit dem abergläubischen Weibergewäsch auf. Ich hab andere Dinge im Kopf.“ Das stimmte. Und es waren keine guten Dinge, die da in seinem Kopf herumschwirrten.

Franzi seufzte. Wieso redete sie überhaupt noch mit ihrem Mann. Dass er sie nur des Geldes wegen geheiratet hatte, war ihr schon lange klar. Und dass sie sich scheiden lassen würde, hatte sie ihn bereits wissen lassen. Den Eltern würde sie es mitteilen, wenn sie aus ihrer Kur zurück waren.

Dirk reichte es endgültig. All seine Träume von einem Lotterleben in Luxus hatten sich zerschlagen. Schnell hatte Franzi seinen miesen Charakter erkannt und hielt ihn kurz. Doch er wollte mehr vom Leben. Dazu brauchte er Geld. Dafür war ihm jedes Mittel recht. Zu diesem Zweck schreckte er vor nichts zurück. In Dirks Augen trug sein Schwiegervater die Schuld an dem, was jetzt kommen würde. Hätte der damals nicht auf Gütertrennung bestanden, bevor er in die Hochzeit einwilligte, müsste er, Dirk, „es“ nicht tun. Bei einer Scheidung würde er keinen Pfennig sehen, also musste er seine Frau beerben.

Als Dirk zwei Tage später von der Arbeit nach Hause fuhr, stand sein Plan fest. Die Schwiegereltern waren aus dem Haus. Eine bessere Gelegenheit gab es nicht. Franzi würde noch heute vom ehemaligen Heuboden stürzen. Dort oben versorgte sie seit kurzem eine Katze mit ihren drei Jungen. Nach vollbrachter Tat musste er nur die gebrochene Leitersprosse, welche er vor Wochen gegen eine Neue ausgetauscht hatte, wieder einsetzten. Es würde aussehen, als wäre die Sprosse unter Franzis Gewicht durchgebrochen und sie daraufhin abgestürzt. Ein tragischer Unfall.

Als Dirk zuhause ankam sah er sie sofort. Sie saß auf dem Dach und rief laut und vernehmlich ihr Huhu-hu. Er wurde blass. Wie konnte die Taube wissen, dass hier und heute noch jemand sterben würde? Ihm war, als posaunte dieser Teufelsvogel seine finsteren Pläne in die Welt hinaus.

Das Vieh musste weg, und zwar sofort. Es sorgte für zu viel Aufmerksamkeit, und die konnte er jetzt gar nicht gebrauchen. Die Taube musste verschwunden sein, noch bevor sie jemand sah. Er holte das Jagdgewehr aus dem Schrank. Zwar hatte er die Munition dafür in der Jagdhütte vergessen, aber das war nicht so schlimm. Sein Schwiegervater hatte noch eine Schachtel im Keller. Zwar taugte die Munition nach Meinung seines verhassten Schwiegervaters nichts, aber für dieses geflügelte Mistvieh würde es schon reichen.

Dann ging er in den Garten und suchte sich eine Stelle, von der aus er die Taube erschießen konnte, ohne von jemandem gesehen zu werden. Sollte jemand nach dem Schuss fragen, konnte er sagen, dass er auf eine Ratte geschossen hat. Er musste grinsen. Ja genau, bezeichnete man Tauben nicht auch als Ratten der Lüfte? Entschlossen visierte er das Tier an. Er konnte ihm sogar in die Augen sehen als er abdrückte.

Sie waren das Letzte, das er in seinem Leben sah.

Laut Polizeibericht wurde der Rohrkrepierer, welcher Dirks Leben auslöschte, durch fehlerhafte Munition ausgelöst. Der Schuss ging nach hinten los. Ein tragischer Unfall.

Die Taube war - vom Knall erschrocken - davon geflattert, noch bevor sie irgend jemand gesehen hatte. Aber was konnte auch eine unschuldige Taube dafür?

 

Hallo Lies,

Franziska, von allen nur Franzi genannt,
Den Einschub braucht es nicht, man versteht auch so, dass Franzi Franziska ist.

Schnell hatte Franzi seinen miesen Charakter erkannt und hielt in kurz.
ihn

Die Taube musste verschwunden sein, noch bevor sie jemand sah. Er holte das Jagdgewehr aus dem Schrank.
Gut, wir wissen nicht wirklich, wie klug oder dumm Dirk ist. Aber auf seinem Grundstück einen Schuss abfeuern, wenn er später noch einen Mord geplant hat? Klar, er will Franzi nicht erschießen, aber so was erregt doch nur Aufmerksamkeit und weitere Fragen ...


Ich habe an der Geschichte nicht viel auszusetzen, sie ist schlicht und geradlinig erzählt und funktioniert als Pointengeschichte auch. Einzig hier:

Wieso redete sie überhaupt noch mit ihrem Mann. Dass er sie nicht liebte und nur des Geldes wegen geheiratet hatte, war ihr schon lange klar.
... verliert sie etwas an Tempo, weil plötzlich sehr viel Hintergrund per Einschub reingedrückt wird. Eventuell könnte man hier einiges streichen? Der ganze Teil mit Franzis Eltern, insbesondere dem Vater und seinem Infarkt, erscheint mir recht gewunden und unnötig. Eigentlich braucht es die Eltern in der Geschichte gar nicht. (Franzi könnte Dirk auch einfach so erkennen lassen, dass bald die Scheidung droht.) Dafür könnte ich mir etwas mehr Dialog zwischen den beiden vorstellen, der den Konflikt, den unterschwelligen Hass etwas besser darstellt. In der jetzigen Form interagieren die beiden ja kaum.

Aber sonst: Nette kleine Pointengeschichte, effizient erzählt.

Frohe Weihnachten!
Meridian

 

Auch wenn viel Aberglaube vorherrscht, seinem Schicksal kann man nicht entfliehen!

 

Hallo Meridian,

danke für die Rückmeldung, das Lob und die Bemerkungen. Habe die Fehler korrigiert und die Bemerkungen überdacht.

Stimmt, das mit dem Infarkt war etwas ausschweifig. Habe ich gekürzt. Ganz mochte ich die Schwiegereltern aber nicht rausnehmen, da ich eine logische Erklärung für das kleine Zeitfenster brauchte. Mehr Dialog würde in meinen Augen die Geschicht an anderer Stelle aufblähen und ist für die Pointe unnötig.

Dumm oder nicht. Ohne das Gewehr funktioniert die Geschichte nicht.

Lieben Gruß zurück
Lies21

 

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