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Die Suche nach dem Mut
Es war ein anstrengender Morgen gewesen. Ganz früh morgens war der kleine Bär aufgestanden und hatte nach Pilzen gesucht. Bis auf giftige Fliegenpilze und üble Stinkmorchel hatte er aber keine gefunden. Ihm wurde ganz schlecht wenn er an den üblen Gestank der Stinkmorchel dachte.
„Igitt! Igittigitt! Stinkmorchel“, leise vor sich murmelnd, ging er zurück zu seiner Höhle. Gähnend schaute er hinüber zum Eingang und streckte sich. Pilze zu suchen machte ganz schön müde, besonders wenn man keine fand.
Jetzt erst mal schlafen, dachte sich der kleine Bär und kroch in seine Höhle. So ein oder zwei Stündchen. Danach konnte er ja weiter...
Was war das? Da lag schon einer, mitten auf seinem Bett aus frischem Laub!
„Hey, das ist mein Bett!“, rief der kleine Bär. Das ging doch nicht, dass sich ein Fremder einfach in sein Bett legte.
„Buhuh, huhuuhuhu,“ machte der Fremde und rollte sich ganz klein zusammen.
Die Tränen des Fremden machten den kleinen Bär verlegen. Leise sprach der kleine Bär den Fremden an: „Hallo. Sag mal, dass geht doch nicht! Ich meine, man darf sich doch nicht einfach so in ein fremdes Bett legen.“
Warum weinte der Fremde bloß? Hatte er sich vor dem kleinen Bären erschreckt?
„Buhhuhuhu“, war die einzige Antwort des Fremden.
„Hallo. Du kannst doch sprechen, oder?“, wollte der kleine Bär schüchtern wissen.
„D-D-Doch, doch,“ schluchzte eine tiefe Stimme.
Der kleine Bär zuckte zusammen, das war die tiefe Stimme von jemand ganz Großem.
Ein wenig vorsichtig fragt der kleine Bär „Wer bist du, denn?“
Es konnte ja ein großer Tiger oder ein wilder Wolf sein der dort auf seinem Bett lag.
„I-I-Ich?“, stotterte der Fremde.
„Ja, wer bist du ? Oder ist noch jemand bei dir?“, erkundigte sich der kleine Bär.
„N-Nein“, antwortete die Stimme.
„Also wer bist du?“
Wieder weinte der Fremde nur„Buhuhuhuhu!“
Der kleine Bär wurde auch schon ganz traurig vom vielen weinen des Fremden.
„Hey, alles wird gut“, versuchte er den Unbekannten zu beruhigen, „Hab ich denn etwas Falsches gesagt?“
„N-Nein, e-eigentlich nicht.“
„Warum bist du dann so traurig?“
„Buhuhuhuh.“
„Nicht weinen, alles ist in Ordnung“, tröstet der kleine Bär, „Lass uns rausgehen, da ist es nicht so dunkel, dann kann ich dich auch viel besser sehen.“
„Aber ich traue mich doch nicht. Buhuhu.“
„Was ist den bloß dort Draußen, dass du nicht hinaus magst?“
„A-Alles, das ist ja das Schlimme“, stotterte die tiefe Stimme des Fremden.
„Alles? Soll das heißen, dass du vor allem Angst hast?“, kicherte der kleine Bär ungläubig.
„Buhuhu“, weinte der Fremde und dicke Tränen fielen zum Boden hinab.
Der Fremde hatte schon soviel geweint, dass der kleine Bär nasse Tatzen bekam.
„Entschuldigung“, sagte der kleine Bär verschämt, „Ich wollte dich nicht auslachen. Es hört sich aber so lustig an, dass du vor Allem Angst hast“
„Buhuhu! Ich, ich bin halt ein Angsthase. Huhuhuh!“, schluchzte der Fremde.
„Also bist du ein Hase?“, fragt der kleine Bär.
„N-Nein, ich bin ein Bär“, schniefte der Fremde.
Der kleine Bär stutzte. Hatte er richtig gehört?
„Ein Bär?“, fragte er um sich sicher zu sein , dass er sich nicht verhört hatte.
„Ja ,ein Bär. Buhuhu“, schluchzte der Unbekannte.
„Ein Bär!“, war das Einzige was der kleine Bär sagen konnte.
„Ja“, sagte der Fremde und schneuzte sich, „Ich bin sogar eigentlich ein sehr großer Bär, nur hab ich halt vor allem Angst.“
„Aha“, brummte der kleine Bär, „ Aber vor mir brauchst du keine Angst haben, ich bin auch ein Bär“
Im Hintergrund war ein Rascheln zu hören. Der große Bär hatte sich auf den Höhlenboden gesetzt.
Ungläubig fragte er den kleinen Bären: „Du bist auch ein Bär?“
„Aber ja, ich bin auch ein Bär und jetzt gehen wir raus an die Sonne!“, antwortete der kleine Bär.
Tatsächlich folgte der große dem kleinen Bären bis zum Höhleneingang. Dort blieb er jedoch stehen und sah ängstlich nach draußen.
„Was ist? Willst du nicht mit hinaus?“, fragte der kleine Bär, der das Zögern des Großen bemerkte.
„Kannst du mein Hand halten?“, fragte der große Bär schüchtern, „Bitte! Sonst trau ich mich doch nicht.“
Zögernd nahm der Kleine den großen Bären an die Hand und stumm traten sie hinaus.
Wie sie so vor der Höhle standen, sah der kleine Bär erst wie Groß der andere Bär wirklich war. Der große Bär an der Hand des Kleinen war mindestens drei bis vier Köpfe größer.
Ganz schön groß dachte der kleine Bär. Ob er auch mal so groß werden würde?
Mit roten, noch leicht verschwollenen Augen blickte der große Bär über die Wiese zum Wald hinüber. „Schön“, flüsterte er leise, „wirklich hübsch.“
„Na, siehst du!“, sagte der kleine Bär grinsend. „Und du wolltest beinahe nicht raus. Aber jetzt muss ich dich erst mal genauer anschauen! Du bist ja ganz ordentlich groß.“
Der große Bär scharrte verlegen mit den Füßen und ließ den Kopf hängen.
Soviel Aufmerksamkeit war ihm unangenehm.
Der kleine Bär fing an zu lachen, was beim Anblick des Größeren auch nicht weiter wunderte.
Ein großer Bär mit hängenden Schultern und verknautschter Mine, wie sollte man dabei ernst bleiben, dachte der kleine Bär.
Allmählich fing auch der Große an zu grinsen. Schließlich konnte er nicht anders und ließ sich vom Lachen des kleinen Bären anstecken.
Sich die Bäuche vor Lachen haltend, kullerten sie über den Waldboden, bis sie schließlich erschöpft mit den Köpfen zueinander auf den Rücken lagen.
„Puh! Das hat Spaß gemacht!“, schnaufte der kleine Bär atemlos.
Sie starrten in den Himmel und schnauften eine ganze Weile, ohne etwas zu sagen. „Kleiner Bär,“ unterbrach der Große schließlich das Schweigen, „Hast du Mut?“
„Klar habe ich Mut!“, antwortete dieser sofort.
„Gut, denn weißt du ich...also ich...“,druckste der große Bär herum.
„Nur heraus mit der Sprache!“, forderte der Kleine ihn auf.
„Ja, also weißt du...kannst du mir Mut beibringen?“, sprudelte der große Bären hervor.
„Mut beibringen?“
„Ja.“
Der kleine Bär überlegte. „Nein“, sagte er schließlich, „Ich kann dir nicht beibringen mutig zu sein, aber ich kann dir vielleicht helfen deinen Mut zu finden.“
Der große Bär schüttelte den Kopf hektisch auf und ab, bis ihm einfiel, dass sie ja beide auf dem Rücken lagen und der kleine Bär ihn gar nicht sehen konnte, also antwortete er: „Oh ja! Ich will unbedingt mutig sein! Hilfst du mir nach meinem Mut zu suchen?“
„Klar!“, brummte der kleine Bär, „Aber jetzt gehen wir erst einmal futtern, ich hab nämlich einen riesigen Kohldampf. Ich kenne da eine prima Stelle, wo sich zu dieser Zeit immer eine Menge Fische tummeln. Da ist genug für uns beide da.“
„Ich weiß nicht...“,murrte der große Bär.
Aber bevor er noch „dicker Bärenbauch“ hätte sagen können, zog ihn sein neuer kleiner Freund lachend durch den Wald. Der kleine Bär pfiff ein kleines Lied und freute sich riesig.
„Hast du schon mal so viele Fische gesehen?“, fragte der kleine Bär begeistert den Großen, als sie am Flussufer standen.
Es sprangen und schwammen so viele Fische durch Fluss, dass das Wasser in die Luft spritzte.
Lachend sprang der kleine Bär ins Flussbett und schlug sich den Wanst mit Fischen voll. Ängstlich sah der große Bär zu seinem mutigen kleinen Freund im Wasser. Er traute sich nicht näher ans Bachufer.
„Was ist denn? Wo bleibst du denn?“, rief der kleine Bär, „Hast du denn keinen Hunger?“
„Doch, a-aber, ich habe doch Angst vor dem Wasser.“
„Wirklich? Das musst du nicht, dass Wasser ist ganz ungefährlich“, sagte der kleine Bär, „Nur ein wenig kalt und nass. Man kann aber prima darin spielen! Siehst du?“
Mit großen Sprüngen rannte er durch das Wasser und tobte, dass es nur so in Fontänen ans Ufer spritzte.
„Komm doch rein, es macht riesigen Spaß!“, rief der kleine Bär.
Eigentlich sah das Ganze wirklich sehr spaßig aus. Zögernd trat der große Bär näher ans Ufer und hielt seine Tatze ins Wasser.
„Brrr!“ machte er, das Wasser war lause kalt.
„Nun, komm schon!“, forderte der kleine Bär den Großen auf.
„Aber das Wasser ist so k-k-kalt“, schluchzte der große Bär.
„Das macht doch nichts! Wenn du erst mal drin bist, dann wird dir auch ganz schnell warm“, lachte der kleine Bär.
Als der Große immer noch zögerte, rannte der kleine Bär auf ihn zu und spritzte ihn von oben bis unten nass. Dabei lachte er und rief: „Komm und fang mich!“
Da holte der große Bär noch einmal tief Luft und sprang in den Fluss. Erst war er noch etwas vorsichtig, doch als er merkte, dass er überall stehen konnte und dass seine großen Tatzen ihn sicher trugen, lief und tollte er ebenso ausgelassen wie der kleine Bär durch den Fluss.
Schließlich waren sie ganz schön aus der Puste und ließen sich aufs Ufer fallen. Vom vielen toben waren sie ganz hungrig geworden, also setzten sie sich ans Ufer und fingen eine ganze Menge Fische.
Die Fische waren durch das Geplansche der beiden Bären sie aufgeschreckt worden und kamen jetzt neugierig ans Ufer, um zu sehen was denn dort los war.
Zu duzenden schwammen sie an den beiden Bären vorbei. Sie brauchten nur ihre Tatzen ins Wasser tauchen und schon hatten sie einen Fisch geangelt. Das machte so viel Spaß, dass sie erst aufhörten, als ihre Bäuche richtig voll und kugelrund waren. Einen Fisch mehr und ich platze, dachte der kleine Bär.
Er rekelte sich auf dem Rücken und schmatzte zufrieden.
Plötzlich sprang er ganz aufgeregt in die Luft.
„Weißt du was, großer Bär?“
Der große Bär sah träge zu dem Kleinen hoch. Sein voller Bauch grummelte gemütlich und eigentlich hatte er keine Lust auf Rätsel und auch keine Lust zu antworten.
„Du warst mutig!“, rief der kleine Bär begeistert.
Schlagartig hatte der große Bär seinen vollen Magen vergessen und saß jetzt aufrecht vor dem kleinen Bären. Wenn es um Mut ging, wollte er Nichts verpassen.
„Na, du hattest doch Angst vor dem Wasser“, erklärte der kleine Bär, „und trotzdem bist du ins Wasser gekommen!“
Der Große nickte nur und der kleine Bär fuhr fort, „ Und genau das war Mut, du hast deine eigene Angst besiegt.“
„Das ist Mut?“, vergewisserte sich der große Bär.
„Genau, du siehst also, Mut ist gar nicht so schwer.“
„Hmm“, brummte der große Bär.
„Glaub mir!“, lachte der kleine Bär, „Je öfter du deine Angst besiegst, desto leichter wird es dir fallen Mut zu haben.“
„Hmm“, brummte der große Bär wieder und ließ sich nachdenklich auf den Rücken sinken.
„Aber wie hab ich das denn gemacht?“, wollte er wissen, „Wie habe ich meine Angst besiegt?“
„Ohh! Darüber muss ich erst nachdenken.“, sagte der kleine Bär.
Den ganzen schönen Nachmittag lagen die Beiden in der Sonne und suchten nach einer Lösung für diese Frage. Aber es war gar keine leichte Frage weshalb der kleine Bär auch irgendwann aufstand.
„Na, komm wir wollen zurück zur Höhle!“, sagte er und nahm seinen großen Freund an der Tatze.
Wieder fing der kleine Bär zu pfeifen an, als sie durch den Wald gingen und weil der große Bär ebenfalls gute Laune hatte, summte er dazu. Er konnte nämlich nicht pfeifen.
Als sie so durch den Wald spazierten kam ihnen eine Gruppe Eichhörnchen entgegen. Als der große Bär sie kommen sah, zuckte er zusammen. Schlagartig war er still und ließ sich zu Boden fallen, um sich ganz klein zu machen.
„Hey, was machst du da?“, wollte der kleine Bär wissen.
„I-Ich verstecke mich“, war die schlotternde Antwort des großen Bären, „Damit mich niemand sieht.“
„Aber warum versteckst du dich? Hier ist doch niemand vor dem man sich verstecken müsste!“
„A-Aber doch, da kommen doch welche auf uns zu.“
„Das sind doch Eichhörnchen, die tun keinem was“, versuchte der Kleine seinen großen Freund zu beruhigen. Dieser machte sich aber nur noch kleiner und zitterte.
„Das sind wirklich nur Eichhörnchen“, fuhr der kleine Bär fort, „Sieh doch, die sind viel kleiner als du. Sie können dir gar nichts tun.“
Der große Bär schielte vorsichtig am kleinen Bären vorbei. Die Eichhörnchen waren bestimmt ganz klein, doch man kann ja nie wissen.
Aber der kleine Bär blieb ganz einfach stehen ohne das kleinste bisschen Angst zu zeigen. Vielleicht waren sie also wirklich nicht gefährlich, überlegte der große Bär.
„Die sind doch ganz putzig!“, rief der kleine Bär, um seinen großen Freund zu ermutigen.
Sie sahen eigentlich recht unbedrohlich aus, wie sie durch die Gegend sprangen, dachte der große Bär und setzte sich hin.
Er bemerkte, dass er eigentlich gar keine Angst vor diesen wuseligen kleinen Gesellen hatte.
Seinen hatte er stolz erhoben. Das Rätsel vom Nachmittag! Er glaubte es jetzt gelöst zu haben. Wie begegnete man seiner Angst war die Frage gewesen. Die Lösung schien ganz einfach, man musste sich seine Angst einfach nur ansehen, dann konnte man sie auch besiegen!
Vor dem Sonnenschein, dem Fluss und den Eichhörnchen hatte er Angst gehabt, aber nur bis er sich die Dinge genauer angesehen hatte. Die Eichhörnchen waren ihm noch immer nicht ganz geheuer, aber er hatte keine Angst mehr vor ihnen, weil er sie sich angesehen hatte.
Der große Bär lachte, weil er ein mutiger Bär war, der keine Angst vor Eichhörnchen, Flüssen oder der Sonne hatte
Er war stehen geblieben, als seine Angst ihm gesagt hatte, er soll laufen und er ist gelaufen als ihm die Angst gesagt hat, dass er sich verstecken soll.
Ganz aufgeregt erzählte der große Bär seinem kleinen Freund das er die Lösung auf das Rätsel wie man mutig war gefunden hatte.
Der kleine Bär hörte erstaunt zu und lachte: „Du bist nicht nur mutig, du bist auch ein Rätselknacker!“
Der große Bär kicherte. Er sollte ein Rätselknacker sein? Das war wirklich komisch.
Er lachte und lachte und vergas dabei seine Angst.
Er schreckte nicht mehr vor jedem Geräusch auf. Nein, er hatte seinen Mut gefunden und ein guten Freund gewonnnen.
Begeistert lief er mit dem kleinen Bären an der Hand durch den Wald. Er hüpfte und sprang, dass der kleine Bär Mühe hatte, ihm zu folgen.
„Guck mal, kleiner Bär!“, rief er, „Ich kann bis in die Wolken springen.“
Mutig sprang er auf einen Felsen und wieder hinunter. Der kleine Bär lachte, als er seinen Freund so glücklich und ausgelassen spielen sah.
Die beiden Bären tollten über die Wiese und spielten ausgelassen. Sie balgten sich und kugelten über den Boden bis sie nebeneinander liegen blieben. Der kleine Bär kuschelte sich in der Armbeuge des Großen ein und brummte: „Weißt du großer Bär, du bist mein bester Freund und der mutigste Bär den ich jemals kennen gelernt habe. Ich hab dich lieb!“
Da setzte der große Bär den kleinen Bären stolz auf seine Schultern und ging mit seinem besten Freund auf den Schultern zur Höhle zurück. Der große Bär mit dem großen Mut und der kleine Bär mit der großen Klappe.