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Die Suche nach dem Anfang des Regenbogens
Die Suche nach dem Anfang des Regenbogens
Eine halbe Ewig ist es her, seit ich aufgebrochen bin den Anfang des Regenbogens zu suchen. Wie viele andere vor mir erwachte ich eines morgens und erkannte, dass mein Leben aus nicht mehr als Schall und Rauch bestand. Die Illusion eines sinnvollen Lebens hatte ich davor jahrelang wie meinen Vorgarten gehegt und gepflegt hatte. Die Realität jedoch lag fernab jeglicher Perspektiven. Meinem Heim, meiner sogenannten Heimat konnte ich keine Bedeutung mehr zuordnen. So habe ich damals innerhalb kürzester Zeit meine wenigen wichtigen Habseligkeiten zusammengepackt, meinem Kaninchen die Freiheit geschenkt und bin in ein ungewisses Abenteuer aufgebrochen.
Zwanzig lange Jahre war ich zu Fuß, zu Pferde und per Schiff unterwegs gewesen. Dem Regen des Amazonas, der eisigen Kälte Sibiriens und der glühenden Hitze der Sahara trat ich entschlossen entgegen. Ich habe die unglaublichsten Wunder dieser Welt gesehen. Die Ruheorte der alten Pharaonen, die Tempel der Inkakönige, die Götter Griechenlands, die Mauern Chinas und die Zauber Indiens. Bis es mir allerdings erlaubt war, das Größte von ihnen zu bestaunen, war viel Zeit verronnen. Doch im Anbetracht dessen, dass ich es gefunden habe, erscheint die Zeitspanne nich länger als ein paar Augenblicke. Nichts desto trotz sind es wichtige Augenblicke, denn ohne den Weg hätte es kein Ziel gegeben.
Anfangs strebte ich noch nach dem immensen Gold, aus dem der Regenbogen entspringen sollte. Lange Strecken meiner Reise habe ich mit Grabräubern, Archäologen und anderen Wissenschaftlern zurückgelegt. Ich habe unter ihnen außergewöhnliche Menschen getroffen – sowohl im Guten als auch im Schlechten. Leider hat zu meinem Bedauern keiner von ihnen den Ursprung des Regenbogens erreicht. Sie haben nie erkannt, dass all die Schätze dieser Welt unser menschliches Sein nicht glücklicher machen können. Damals vor weit über zwanzig Jahren habe ich meine Illusionen zurückgelassen - sie haben die ihren mitgenommen. Jede einzelne Sekunde ihrer Suche haben sie sich in ihrem Geiste ausgemalt, was sie mit den Reichtümern anfangen würden, wenn sie diese erst einmal besitzen würden. Daher ist es kaum wunderlich, dass ein großer Teil von ihnen Intrigen zum Opfer gefallen ist. Die Überlebenden wurden von ihrer unermesslichen Gier geblendet und haben das Offensichtliche nie erkannt. Das Tor zum Anfang des Regenbogens findet man nicht dort draußen in der Welt. Man findet es alleinig in dem Innersten des eigenen Geistes. In den Träumen und Wünschen. Man muss aufmerksam lauschen, dann kann man es rufen hören und findet es im Handumdrehen.
Vor einiger Zeit habe ich mich in einer kleinen Hütte an einem wunderschönen Bergsee zur Ruhe gesetzt. Ich hätte auch bei der Quelle bleiben und ihr Wunder für immer genießen können. Doch dies sollte nicht mein Schicksal sein. Ich wollte das Wunder nur einmal erleben, mehr nicht.
Beunruhigender Weise hat sich in letzter Zeit irgendetwas verändert. Die Stimme des Regenbogens ist schwächer geworden. Mir ist, als würde es kälter werden und als hätte die Welt einen Teil ihrer Farbenfrohheit verloren. Ich werde nachts immer öfter von Alpträumen heimgesucht. Irgendetwas stimmt absolut nicht. Heute habe ich meine Hütte aufgeräumt und alle meine Angelegenheiten in Ordnung gebracht. So wie es aussieht, werde ich ein zweites Mal den Anfang des Regenbogens besuchen.