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Die Stimmen

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18.08.2012
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Die Stimmen

Sonntag Abend. 23:53 Uhr. Abbeys Haus. Wieso ich die Zeit so genau kenne? Das weiß ich nicht genau. Schätzen konnte ich schon immer gut. Mathe war mein Lieblingsfach.
Genüsslich zünde ich mir eine Zigarette an und nehme einen kräftigen Zug. Meine Lunge füllt sich mit dem Rauch und lässt ihn wieder hinausströmen. 23:54 Uhr. Immer noch kein Zeichen von Abbey. Langsam werde ich nervös. Wo steckt die Schlampe nur?! Jeden Tag... Jeden Tag sitze ich hier. Beobachte sie. Lange, blonde Haare. Trägt immer Röcke. Abbey. Meine Abbey. Vorsichtig taste ich mich mit meiner Hand an meiner Gürtelschnalle entlang. Ja, es ist noch da. Mir wird warm vor Nervosität und mein Bein beginnt zu zittern.
Ich muss es heute Abend tun. Eine andere Chance habe ich einfach nicht! Versteht es doch!
"Versteh es doch!", schreie ich mich selber an. Ich muss wie ein Trottel ausgesehen haben in dem Moment, aber das war mir egal. Ich bin anders. Das war ich schon immer. Unsere Gesellschaft funktioniert durch Selbstlosigkeit, Akzeptanz und Moralitäten. Was ist aber, wenn man sich nicht in die Gesellschaft einfügen will?
Ich will es nicht.
"Ich will es nicht!". Ich bin frei. Mein eigener Herr. Ich kann tun und lassen was ich will! Niemand sagt mir was ich zu tun habe.
Und dann sehe ich sie. Oh Gott, Abbey! Etwas Schöneres habe ich noch nie in meinem Leben gesehen. Ihre blonden Locken hüpfen auf und ab bei jeder Bewegung und sie lacht laut. Ich kann mir ein leises Stöhnen nicht verkneifen.
"Hast du mich vermisst, Vati?", sagte sie mit der Stimme einer 5- Jährigen.
"Vati vermisst dich immer, meine Kleine." Ich beuge mich herunter um die Kleine zu umarmen. Ihre kurzen Arme schmiegen sich um meinem Hals und ich konnte sie ohne Probleme auf den Arm nehmen.
"Was sagen die Stimmen heute zu dir, Vati?"
Welche Stimmen?, frage ich mich innerlich. Es gibt keine Stimmen. Da bin nur ich mit meiner Tochter. Endlich kann ich wieder Zeit mit ihr verbringen.
"Vati? Was willst du denn mit dem Messer?"
Es gibt keine Stimmen. Da bin nur ich mit meiner Tochter. Mehr nicht.
"Vati, was tust du da?! Nein, hör bitte auf!"
Vielleicht gehen wir ja heute ein Eis essen. Das wäre schön. Sie würde sich bestimmt freuen.
"Vati, bitte hör auf! Du tust mir weh!"
Hörst du die Schreie?
"Hörst du die Schreie?", sagte ich.
Wer bist du, Richard?
"Abbey, ich liebe dich."
Blut. Überall. Dickflüssige, rote Flüssigkeit. Ich sehe Abbeys blonde Haare, ihre kleine Stupsnase, die vor Schreck geöffneten Augen, die sie nie wieder schließen kann.
Stille. Vollkommene Stille.

 

Hallo Zoomy,

also, da habe ich deinem Kindsmord durch den wahnsinnigen Vati beigewohnt ...

Gesamteindruck: Ausbaufähig. Ich finde erstmal den Namen bedenklich, Abbey, da erinnere ich mich immer an die grausame Labortante aus Navy CIS, und schon sackt meine Lese-Libido. Ich bin da kein Experte, aber Namen sollten irgendwie griffig sein, das ist schwer zu erklären. Jutta würde auch nicht passen, wenn du weißt, was ich meine.

Dann finde ich die Erzähöperspektive ist nicht optimal gewählt. Viele meinen ja, die Ich-Perspektive wäre total lame und easy, aber dem ist, finde ich jedenfalls, nicht so. Sie ist im Prinzip eine sehr schwere, weil der Prot nur über bedingte Informationen verfügt, und seine Ansicht nur über den inneren Monolog oder aber im Wechseldialog dem Leser zeigen kann. Innerer Monolog, das ist so was, wo man Thomas Bernhard lesen sollte, der hat das auch höchstem Niveau gemacht. Man kann hier viel falsch machen, vieles wirkt nicht, und in einer Horrorgeschichte sollte es doch um Wirkung gehen, oder?

Du musst in deinem Text Gefühlsregungen des Protagonisten erklären, die man besser zeigen sollte. Vielleicht hast du mal was von "Show, don't tell" gehört, das ist ein recht praktikables Tool, ein Werkzeug, mit dem man Emotionen dem Leser zeigen kann. Bsp: Dein Prot sagt, er sei anders. Das reicht nicht. Jeder Jeck ist anders! Du musst den Prot Dinge tun lassen, und der Leser muss anhand dieser Handlungen im Text erkennen: Der is anders! Nachvollziehbar, denke ich. Dadurch wird dein Text lebendig, er bekommt Zug. Sonst sind Texte reine Nacherzählungen, ohne Konflikt, ohne Karthasis, da passiert dann nichts und dein Leser steigt nach drei Zeilen aus.

Dein Prot wirkt auch nicht glaubwürdig: Er schätzt die Zeit minutengenau. Entweder er ist so ein crazy ass, er möchte den Leser verschaukeln, dann hättest du einen unzuverlässigen Ich-Erzähler, das ist dann schon echt hohe Kunst, oder du hast es nicht gut genug gemacht. Auch lässt deine Lunge nicht den Rauch wieder heraus. Das mag physiologisch vielleicht nicht mal verkehrt sein, aber ich finde, das liest sich nicht gut. Lieber verknappen.

Du hast nur eine Pointe. Das ist nicht verkehrt. Mich stört aber, dass dein Psycho-Dad seine kleine süße Tochter bereits nach dem zweiten Absatz Schlampe nennt. Wenn es um Stimmen geht, die ihm den Mord befehlen, dann will ich die hören, ich möchte einen glaubwürdigen Beweis, warum dieser Typ seine Tochter mit dem Messer ersticht. Gibt so nen Film mit ähnlichem Plot, Dämonisch, glaube ich, da geht es auch um Eingaben, aber von Gott. In dem Typen ist doch ein Konflikt vorhanden, sein letzter Rest gesunder Menschenverstand und dann die Stimmen, die ihm sagen, jetzt leg die Kleine um. Das ist schwierig, so was darzustellen. Und daran würde ich auch arbeiten.

Gruss, Jimmy-

 

Hallo Zoomy

Kurz aber heftig liest sich dein Schocker. So richtig überzeugen vermag mich die Geschichte dennoch nicht, da es mir an Tiefe fehlt. Auch hätte ich mir hier mehr Wirklichkeitsbezug gewünscht, auch wenn ein solcher bei einer solchen Geschichte nicht zwingend sein muss.

Wieso ich die Zeit so genau kenne? Das weiß ich nicht genau. Schätzen konnte ich schon immer gut. Mathe war mein Lieblingsfach.

Die einleitenden Sätze nahm ich eher als Geplänkel wahr, ein etwas erzwungener Einstieg. Denn was hat Mathe mit der Intuition zu tun, die Zeit minutengenau einschätzen zu können? Mathe fördert an sich die Logik.

"Hast du mich vermisst, Vati?", sagte sie mit der Stimme einer 5- Jährigen.

Hier beginnt das unwirkliche Spiel. Den vorgehenden Gedanken des Prot. und der Uhrzeit nach erwartet man nicht ein fünfjähriges Kind und ist es wohl auch nicht. Doch er nimmt sie auf den Arm – oder vielleicht mehr den Leser?

Im nachfolgenden Geschehen verrückt das Bild noch mehr, sie fragt ihn nach den Stimmen, doch er fragt sich nach welchen Stimmen. Eine vage Zeichnung seiner Befindlichkeit, was ich von dem her befürworte, wenn da nicht doch noch Diskrepanzen aufträten. Es ist der nachfolgende Dialog, der mich so nicht zu überzeugen vermag. Bis dahin war er fähig seine Umwelt wahrzunehmen, machte sich Gedanken zu seiner Stellung in der Gesellschaft, etwas skurril zwar, aber doch nicht gänzlich abgelöst. Aber da zeigt sich seine Wahrnehmung aufgelöst, sie sprechen aneinander vorbei. Es liest sich gerissen, aber fern einer Wirklichkeit, mehr als die Schöpfung einer Fantasie.

Was ich ganz gut gelungen fand, war die dramatische Steigerung.

Mit ein wenig gemischten Gefühlen, aber ganz gern gelesen.

Schöne Grüsse

Anakreon

 
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Hallo Anakreon

Vielen Dank für deine Kritik erst einmal. Du hast Recht, der Anfang ist für den Leser wirklich schwer zu verstehen und macht auch nicht viel Sinn. Auch, dass ein 5- jähriges Mädchen um fast Mitternacht noch auf den Straßen umherirrt, verwirrt und ist nicht wirklich glaubwürdig.
Doch genau das war meine Ambition mit der Geschichte.
Der Leser sollte verwirrt werden, ganz genau wie Richard. Ein Mann mit Schizophrenie, der seine Tochter auf offener Straße um fast 24.00 Uhr umbringt, während sie kläglich Schreit. Es war ein Testversuch von mir, um herauszufinden, ob der Zuschauer sich am Ende fragt:"Meint der Autor das Ernst? Oder passiert das alles nur im Kopf des Mannes?"

Anscheinend ist mir dies nicht sonderlich gut gelungen aber ich werde daran arbeiten.

Liebe Grüße,

Zoomy

# # #

Hallo Jimmy

Vielen Dank, dass du dir die Zeit nimmst, so eine ausführliche Kritik zu verfassen.

Deinen ersten Kritikpunkt kann ich nicht ganz nachvollziehen. Ich schaue leider kein fern und deswegen ist mir Navy CSI leide auch nicht bekannt. Natürlich verstehe ich das, wenn du denkst der Name "Abbey" passt nicht zu einem kleinen Mädchen. Allerdings finde ich "Abbey" als Namen für die Kleine, perfekt. Unschuldig und niedlich. Das ist aber auch mehr Geschmackssache, denke ich.

Ich finde du hast Recht, wenn du sagst, dass innerer Monolog schwer zu verfassen ist und ich denke keinesfalls, dass die Geschichte aus der Ich- Perspektive, einfach darzustellen ist. Allerdings wollte ich so gut es geht die Schizophrenie des Mannes in den Mittelpunkt stellen und ich bezweifle,dass dies als allwissender Erzähler besser geklappt hätte.

Vielen Dank für deinen Tipp mit dem "Show, don't tell." Ich bin sehr begeistert von dieser Idee und werde auch gleich versuchen, dies anzuwenden.

Als ich deine Aussage gelesen hab, dass es dich störte, als der Vater seine kleine Tochter "Schlampe" genannt hat, musste ich schmunzeln.
Der Vater hat Schizophrenie. Offensichtlich sprechen verschiedene Personen aus verschiedenen Altersklassen durch den Vater. Sie benutzen ihn praktisch als Wirt. Sein Vater würde sein Kind nie Schlampe nennen, aber vielleicht ein gleichaltriges, anderes Kind?
Wahrscheinlich kam es deswegen so rüber, als wenn ich die Figur des Vaters nur sehr oberflächlich dargestellt hätte.
Wie gesagt, es war mein Ziel den Leser zu verwirren und, dass er sich die Frage stellt:"Meint der Autor das ernst?!"

Lieben Gruß,

Zoomy

 
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Hey Zoomy.

Deine Erklärung zur Geschichte einmal außer Acht lassend, muss ich sagen, dass mir die Situationsdarstellung des Mordes sehr gut gefallen hat.
Du zeigst den Mord streng aus der Sicht des Protagonisten, und das ist dir gut gelungen.

"Vati, was tust du da?! Nein, hör bitte auf!"
Vielleicht gehen wir ja heute ein Eis essen. Das wäre schön. Sie würde sich bestimmt freuen.
Hier zeigst du sehr schön die Abgrenzung des Vaters zur Realität.

Die Schlusssätze sind dir ebenfalls gelungen. Ohne viel Geplänkel wirkt das Ganze recht grausam. Toll!

Beim Anfang muss ich Anakreon Recht geben. Den solltest du überarbeiten, da er wirklich unnütze Dinge offenbart, die weder für die Geschichte relevant noch für mich als Leser interessant sind. Beispiel: Seine Gesellschaftliche Einstellung. Finde ich arg abgegriffen. Vielleicht lässt sich ja bereits hier schon ein wenig auf die Stimmen eingehen?

Blut. Überall. Dickflüssige, rote Flüssigkeit.
Hirnmasse ist dickflüssig oder durch einen Fleischwolf gedrücktes Gedärm. Aber doch kein Blut ;)
Würde den zweiten Satz ganz streichen, da ja jeder weiß, wie Blut aussieht. Fast jeder :p

Gruß! Salem

 

Hallo Zoomy,


was mich an deiner Erklärung stutzen ließ, war das:

Der Vater hat Schizophrenie. Offensichtlich sprechen verschiedene Personen aus verschiedenen Altersklassen durch den Vater.

Was du da ansprichst ist das, was man gemeinhin als "multiple Persönlichkeit" bezeichnet (dissoziative Identitätsstörung). Und das ist nicht gleich Schizophrenie. Auch die Tatsache, dass dein Prot. ja quasi von einem Moment zum nächsten die "Perspektiven" wechselt, hat mit dieser dissoziativen Störung nicht viel gemein. Wahrscheinlich ist er tatsächlich "einfach" schizophren und unterliegt diversen Wahnvorstellungen, die dann durchbrechen. Mit den multiplen Persönlichkeiten kannst du mich jedenfalls nicht überzeugen.

Auch ich bin eher verloren in dem Text und kann mich Anakreons Vermutung, es handele sich wahrscheinlich gar nicht wirklich um eine Fünfjährige, nur anschließen. Auch dein Ziel, den Leser dazu zu bringen, sich zu fragen, ob ein so junges Kind um Mitternacht noch durch die Straßen läuft, deutet ja darauf hin, denn es ist doch recht unwahrscheinlich.

Deine Verbindung von intuitivem Zeitgefühl und Mathe solltest du echt rausnehmen. An der Stelle habe ich das erste Mal gedacht: "Oha, was soll das denn?" :)

Grüße,
PSS

 

Hi Zoomy,
zur Tiefe der Charaktere wurde schon was gesagt. Ich möchte dir ein paar Handwerkliche Tipps geben.

"Sonntag Abend. 23:53 Uhr. Abbeys Haus. Wieso ich die Zeit so genau kenne? Das weiß ich nicht genau. Schätzen konnte ich schon immer gut. Mathe war mein Lieblingsfach."

Das interessiert mich nicht. Ich kenne die Person nicht, was interessierts mich, ob sie gut in Mathe war? Ich überlese das an dieser Stelle der Geschichte einfach. Bestenfalls. Oder es hält mich einfach nur unnötig auf. Ist es für den Rest der Geschichte wichtig, das der Prot. gut in Mathe ist? Wenn ja, dann zeige es mir, aber sags mir nicht einfach.


"Genüsslich zünde ich mir eine Zigarette an und nehme einen kräftigen Zug."

„Genüsslich“ ist unnötig. Außer, er zündet sich die Zigarette mit Widerwillen an. Das würde mich dem Prot näher bringen, ich wüsste dann, das er z.B. versucht hat aufzuhören, dann doch wieder raucht. Das ist dann so ein „show, don´t tell“ Ding. Wenn er sie sich einfach so eine anzündet, dann zündet er sich einfach so eine an.


Meine Lunge füllt sich mit dem Rauch und lässt ihn wieder hinausströmen.

„hinausströmen“ kein schönes Wort. Ist umständlich, ist unnötig.


Trägt immer Röcke.

„Röcke?“ Der Plural macht das Wort „Rock“ hier schwächer.


Vorsichtig taste ich mich mit meiner Hand an meiner Gürtelschnalle entlang.

Mit was sonst, als mit der Hand? Brauchst du nicht. Verlangsamt.


Ja, es ist noch da. Mir wird warm vor Nervosität und mein Bein beginnt zu zittern.

„beginnnt zu zittern.“
„beginnt zu“ nimmt dem eigentlich wichtigem, dem „zittern“ die Kraft. Im Grunde sollte man auch überlegen, ob so was wie: „Mir wird warm und mein Bein zittert“ nicht näher am Prot. ist als das Wort „Nervosität“


Eine andere Chance habe ich einfach nicht!

An Ausrufezeichen kann man oft sparen.


Das war ich schon immer. Unsere Gesellschaft funktioniert durch Selbstlosigkeit, Akzeptanz und Moralitäten. Was ist aber, wenn man sich nicht in die Gesellschaft einfügen will?
Ich will es nicht.

Du versuchst durch die Ich Perspektive Nähe zum Prot aufzubauen. Durch solch umständliches Geschwürbel bringst du mich erstens raus aus der Geschichte und zweitens weg vom Protagonisten.


was Schöneres habe ich noch nie in meinem Leben gesehen.

„In meinem Leben nicht“ ist sehr schwer. Ich kenne den Prot immer noch nicht. Wenn du mich ihm so nahe gebracht hast, dass ich ihn kenne, dann akzeptiere ich vielleicht, so was schweres wie: „In meinem Leben noch nicht.“ Ansonsten wirkt das aufgesetzt wie „Größter Sturm aller Zeiten“ usw.


Soderla, Zoomy. Bin fertig. :-)
Lass dich nicht entmutigen. Das wichtigste beim Schreiben ist das Löschen. Streiche überflüssiges. Schreib mich ran an den Prot. und fertig ist ne gute Geschichte.
Freue mich noch auf viele Geschichten von Dir.
Lg. Phino

 

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