Die Sternschnuppe
Die Sternschnuppe
56 v. Chr. auf einer Lichtung im nördlichen Gallien
Die Schlacht verlor langsam Dynamik und Brutalität. Sie hatte am Vormittag begonnen und überdauerte nun schon den Abend. Mitternacht brach herein und die Sterne funkelten wild.
Die Lichtung war mit den Leichen unzähliger Barbaren und Römern bedeckt. Die Letzten, die noch aufrecht stehen konnten, kämpften trotzdem weiter. Die barbarischen Gallier weil sie nichts zu verlieren hatten, die römischen Legionen weil sie keinen Befehl zum Einstellen der Kampfhandlungen erhielten. Den würden sie auch nie bekommen da ihr Heerführer Octavios direkt Caesar selbst unterstellt war und dieser keine Niederlage hinnehmen würde.
Die Bogenschützen hatte ihre Pfeile schon längst aufgebraucht und schlugen mit ihren Bögen auf die Gegner ein. Die Katapulte waren nutzlos geworden da es keine Geschosse mehr gab. Sämtliche Kriegsmaschinerie war überflüssig. Jeder der kämpfen konnte tat es bis zum alles beendenden Schwertschlag. Pferde suchte man hier vergeblich. Nur etwas abseits der Schlacht, auf einem kleinen Hügel, standen drei vor einem großen Zelt. Zwei Männer in Rüstung und mit Fackeln in der Händen liefen eilig hinein.
Drinnen war es gemütlich. Mehrere Kerzen gaben dem Innenraum ein geheimnisvolles Licht. Ein Teppich lag über der Erde. Ein kleiner Tisch mit einigen zusammengerollten Karten und einer Karaffe stand im hinteren Teil des Zeltes. In der Mitte befand sich eine Bare auf der der Herrscher liegen konnte und sich mit Trauben füttern lassen konnte.
Im Augenblick lag jedoch niemand darauf. Octavios schritt nachdenklich hin und her. Er war nicht sonderlich überrascht als seine zwei engsten Vertrauten, im Bezug auf Militärangelegenheiten, herein gestürmt kamen. Er badachte sie mit einem ernsten Blick.
Der Vordere ging auf die Knie und sprach zuerst: „Mein Herr!“
„Lucius, was ist? Sprich!“
„Mein Herr, es ist schrecklich. Die Barbaren wollen nicht aufgeben. Den Männern fehlt jede die Moral. Es dauert nicht mehr lange und sie gehen zum Rückzug über, auch ohne Befehl.“
„Ich verstehe.“ Er wandte sich von ihnen ab. In Gedanken hörte er schon den Klang der Posaunen.
„Meister Octavios!“ Der Andere Krieger trat hervor und kniete sich auf den Boden. „Ich flehe Sie an. Die Männer brauchen eine starke Hand die sie führt. Jemanden der ihnen zum Sieg verhelfen kann.“
„Was willst du damit sagen, Antonius?“ Er drehte sich zu seinem alten Freund und Vertrauten. „Was genau ist dein Anliegen?“
„Sie haben die Truppen immer vortrefflich geführt. Nie hat jemand an Ihnen gezweifelt. Jeder Gallier zittert vor Ihrem Namen und jeder Legionär zollt Ihnen den höchsten Respekt. Selbst Caesar hält große Stücke auf Sie!“
„Fürwahr!“
„Man ist von Ihrer Genialität überzeugt und zählt Sie schon längst zur Elite der römischen Heerführern.“
„Wohlwahr!“ Jeden Anderen hätte für dieses Zucker-in-den-Arsch-blasen geköpft. Doch bei Antonius war das anders. Ihm war es ernst und er hatte ein wichtiges Anliegen. Er musste ihn, Octavios, aber erst davon überzeugen. Das gefiel ihm.
„Sprich weiter, Antonius, treuer Gefährte!“
„Mein Herr, ich bitte Euch, ja ich flehe Euch auf Knien an. Zieht mit uns in die Schlacht!“
Es hatte ihm die Sprache verschlagen. Octavios sah seinen engsten Vertrauten mit weit aufgerissenen Augen an.
„Bitte, mein Herr, beendet dieses Gemetzel!“
„Dann solltet Ihr lieber den Rückzug beordern!“, meldete sich Lucius.
„Dafür ist es zu spät! Die Barbaren werden uns nicht einfach ziehen lassen.“, konterte Antonius.
„Sie werden selbst zu erschöpft sein um uns zu behindern.“
„Zuviel Blut ist auf diesem Land vergossen um es einfach aufzugeben.“
„Die Männer ...“
„ DIE MÄNNER WERDEN JETZT NICHT AUFGEBEN!“ Er wandte sich wieder Octavios zu: „Dafür ist es zu spät. Herr, Ihr könntet es beenden. Ein für alle Mal!“
Octavios legte eine Hand auf Antonius Schulter.
„Antonius, Mein alter Freund. Zusammen trugen wir viele Schlachten aus. Sowohl gegen ausländische als auch eigene Feinde. Jeden, der Rom bedrohte haben wir beide seine gerechte Strafe zukommen lassen. Weder Sklaven, noch Seeräuber und noch weniger Barbaren konnten uns von unserem Vorhaben abhalten, das römische Reich zu einem Weltumspannenden Imperium heranwachsen zulassen. Es war unsere Aufgabe. Zusammen.“
Antonius nahm die Hand seines Meisters und sprach: „Und zusammen sollten wir es auch diesmal beenden!“
Octavios sah Lucius, dann wieder zu seinem alten Freund.
„So sei es!“, er half Antonius hoch,“ Bringt mir mein Schwert!“
Lucius brachte es geschwind. Octavios nahm es, band es sich um und zu dritt gingen sie nach draußen.
Es war kühl. Die Schreie der Verletzten und noch Kämpfenden hallten durch die Nacht.
Sie stiegen auf ihre Pferde.
„Ihr Helm!“ Antonius reichte dem Heerführer seinen Helm. „Mein Herr.“
Octavios setzte ihn sich auf, sah hinunter zur Schlacht und zog sein Schwert.
„Reitet mit mir Männer! Lasst uns in die Geschichte einreiten damit man unsere Namen von überall her rufen hört.“
„Für Caesar!“, rief Lucius.
„Nein“, berichtigte ihn Octavios, “Für Rom!“
*Damit ritten sie den Hügel hinunter, den Barbaren entgegen und brüllten voller Kampfeslust.
Antonius sah es als Erster. Er stoppte sein Pferd und traute seinen Augen nicht.
Die beiden Anderen bemerkten es. Sie hielten ebenfalls und sahen gebannt nach oben.
Auch die schon eher ins stocken geratene Schlacht kam nun endgültig zum erliegen.
Jeder starrte wie gebannt in den erhellten Nachthimmel.
Eine sehr tieffliegende Sternschuppe tauchte die Lichtung in ein gleißendes Licht. Sie glitzerte verrückt und goldene Funken stoben zu allen Seiten davon. Ihr Schweif erstreckte sich über mehrere Meter und besaß einen berauschenden Glanz, welcher zum träumen anregte.
„Welchen Tag haben wir heute, Lucius?“
„Den 24. Dezember, glaube ich.“
Octavios lächelte.
Die Sternschnuppe durchschnitt die dunkle Nacht und verschwand ebenso schnell wie sie erschien.
Aufgrund ihres Aberglaubens flohen die Barbaren. Die römischen Legionen gewannen unter großen Verlusten die Schlacht. In die Geschichte ging sie nur als eine von vielen ein. Denn für alle, die damals dabei waren, war es ein so wundervolles Ereignis, dass sie es für immer für sich behalten wollten und es auch taten.
56 Jahre und Tausende von Kilometer später, führte ebenso eine Sternschnuppe die drei heiligen Könige zur Geburtsstätte von Jesus-Christi. Die Geburt der Weihnacht.