Die Sprache der kleinen Stimme
Oh Mann, was für eine Nacht! Langsam quäl ich mich von der Matratze. Die Beine zittern beim aufstehen – Nachwirkungen von gestern. Egal, gleich ist wieder alles gut. Mit geschlitzten Augen und mehr schwankend als gehend schlurfe ich in Richtung Badezimmer. Die Sonne steht hinter dem brüchigen Rollo bereits im Zenit. Es ist viel zu hell.
Im Spiegel erscheint das Bild eines verquollenen Gesichts mit glasigen, roten Augen. Welch Anblick! Was soll´s. Erst´mal Wasser lassen. Benni liegt noch völlig abwesend da und umarmt die Kloschüssel. Der hat´s gut.
So langsam macht sich wieder dieses Verlangen breit. Eine kleine Stimme in meinem Kopf verlangt danach betäubt zu werden. Jeden Tag fängt sie aufs Neue an und verlangt mehr davon. Mehr. Immer mehr. Anfangs ist sie noch ganz ruhig und fragt Dich ob es denn nicht schon wieder an der Zeit wäre. Verneinst Du die Frage wird die kleine Stimme unheimlich schnell immer bestimmter. Schmerzen am ganzen Körper unterstreichen ihre Worte.
Momentan spricht die Stimme noch leise mit mir. Sie lockt und ich und mein anhaltend dumpfes Gefühl im Kopf folgen ihrer Fährte ins Wohnzimmer. Video rein – Alltag raus. Irgendein Film flackert über die Mattscheibe und beschallt mich während ich die erste Mischung fertig mache. Nur so kann ich die kleine Stimme für einige Momente ruhigstellen.
Das Blubbern schafft endlich Ruhe. Langsam bemerke ich mein riesiges Loch im Bauch. Ein kaltes Stück Pizza ist mein Frühstück. - Benni scheint wieder mehr oder weniger da zu sein. Torkelnd betritt er den Raum. Mager und blass lässt er sich direkt vor dem Bildschirm nieder.
Aber das ist mir egal. Etwas zu sagen wäre viel zu stressig. Soll er doch. Was soll´s.
Wortlos führt er sein Ritual aus. Tag für Tag das gleiche. Immer wieder. Scheinbar endlos.
Ein Aspirin in ein Glas Jacky werfen. Während es sich auflöst etwas warm machen. Aufziehen. Glas leeren. Gürtel anziehen. Rein damit und Schleusen öffnen.
Ein Flackern in den Augen verrät das er Erfolg hatte. Langsam kippt er rittlings um. Der Bildschirm ist wieder frei – na also!
Das erleichterte, zufriedene Lächeln auf seinen Lippen bringt meine SehnSUCHT erneut zum Vorschein. Da ist sie wieder: Die kleine Stimme. Diesmal hat sie gleich ihren Freund mitgebracht. 1000 Nadeln scheinen gleichzeitig in meinen Körper zu stoßen. Das Verlangen wird von Sekunde zu Sekunde stärker. Hatte Benni nicht noch was? Ja!
Mit zitternden Händen bereite ich alles vor. Schweiß tropft von meiner Stirn. Während ich abdrücke wünsch ich mir dass ich eine Weile weg bin. Weg von alledem. Weit weg.
Endlich... Jetzt ist wieder alles gut. Ein Glück!
Die kleine Stimme hat erneut gesiegt.