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Die Spinne
Gegen elf Uhr wachte ich auf. Dieses Mal ohne einen Kater, aber allein. Ich warf mir meinen Bademantel über und zog eine Badehose an und machte mich auf den Weg zur Kaffeemaschine. Kurz bevor ich meine Zimmertür erreichte, erblickte ich SIE. Eine riesige Spinne an der Decke.
Sie hatte vielleicht eine Spannweite von acht Zentimetern, aber mir kam sie größer als meine Faust vor. Na gut, ich lass dich leben, meine Süße, aber komm mir ja nicht in die Quere.
Ich hasse diese krabbelnden Biester. In Ordnung, ich will gerecht bleiben- sie sind keine Biester, eher kleine nützliche Tierchen.
Doch wenn sie in meinem Zimmer umher huschen, machen sie mich wahnsinnig. Ich komme völlig von der Rolle.
Mit einem heißen Kaffee legte ich mich zurück ins Bett, las in einem Buch, rauchte ein paar Zigaretten und starrte einige Male zu der Spinne hoch. Sie saß immer noch da, reglos. So gefällst du mir, meine Süße.
Der Tag rauschte an mir vorbei wie ein Schnellzug. Um sechs musste dann der Hund raus. Als ich dann halb sieben meine Jacke anzog, hatte ich die Spinne fast schon vergessen, als etwas über meine Hand krabbelte. Es kitzelt wie ein Spinnennetz, dachte ich. Spinnennetz? Scheiße.
Die Spinne latscht auf meiner Hand rum. Nachdem ich geschrien habe wie ein kleines Mädchen, wedelte ich so stark mit meiner Hand, so dass die Spinne zu Boden fiel.
Sie ist flink, meine Fresse ist die flink. Im Nu war sie unter meine Couch verschwunden. Ich ging mit dem Hund spazieren.
Als ich wieder zurück in meinem Zimmer war, fasste ich einen Entschluss: Die Süße oder ich.
Die Hetzjagd begann. Bewaffnet mit einer winzigen Taschenlampe suchte ich die Spinne. Mein erster Versuch sie zu finden war gleich ein Erfolg- sie saß noch an der äußeren Seite der Couch, dort, wo sie hinein gehuscht war. Ich nahm eine Verpackung von Schokoriegeln, steckte diese unter die Couch und versuchte damit die Spinne rauszujagen. Doch das genaue Gegenteil trat ein; sie war jetzt in den Tiefen der Unterseite der Couch. Okay, Baby, ich krieg dich schon noch. Ich räumte jegliches Zeug, welches neben der Couch stand, beiseite, damit ich die Couch verrücken konnte. Alright, Spinne. Ich stieß die Couch mit einem Tritt ungefähr dreißig Zentimeter nach hinten, checkte alle Seiten ab, aber es war keine Spur von der Spinne zu sehen. Nur eine andere, eine kleine dürre Spinne lief schlaftrunken unter der Couch hervor. Nach zig Versuchen diese auf ein Blatt Papier zu bewegen, damit ich sie aus dem Fenster werfen konnte, reichte es mir und ich schlug sie tot.
Dann schob ich die Couch mit einem Tritt von der anderen Seite um fünfzig Zentimeter nach vorne. Wieder nichts. So lief es etwa zwanzig Minuten, langsam brannten mir die Nerven durch. Ich nahm eine Box, hob die Couch an und schob diese darunter. Auf keiner Seite rannte etwas nach draußen, also musste sie noch unter dem Sofa sein. Ich leuchtete und da war sie. An dem unteren Stoff der Couch geklammert, wahrscheinlich zitterte sie. Ich stocherte nach ihr. Die Spinne bewegte sich und dann war sie verschwunden.
Verdammt, lass sie bitte sich nicht in der Couch verstecken! Nie wieder könnte ich auf der Couch sitzen, ohne einen Gedanken an diese Spinne, wie sie langsam aber zärtlich über meinem Rücken krabbelt und mich dann behutsam mit ihren haarigen Beinen am Hals kitzelt.
Tja, Süße, das kannst du vergessen. Ich liebe es auf der Couch zu hocken und du wirst nichts daran ändern. Es gab nur einen Ausweg aus dieser Misere: Ich musste die Couch umdrehen. Aber was ist wenn sie mir dann über die Finger krabbelt, meinen Arm hoch und sich in meinem T-Shirt versteckt? Ach, drauf geschissen, ich bin ein Mensch und du nur eine Spinne.
Ich drehte die Couch auf den Rücken und betrachtete die Unterseite. Die Spinne war nicht in sie hinein gekrochen. Nein- sie saß an einem der vier Couchfüße ohne sich zu bewegen. Ich starrte sie an, sie starrte zurück. »Gut, Baby, ich mach dich nicht platt, ich schenke dir die Freiheit.« Mit einem Becher wollte ich sie fangen und dann aus dem Fenster schmeißen.
Mit einem Holzstück in der einen und einem Becher in der anderen Hand ging ich auf sie zu. Ich stupste sie an, sie regte sich nicht, also machte ich es gleich nochmal. Jetzt fängt sie an zu rennen, zu rasen, zu schreien. So ein flinkes Tierchen habe ich noch nie gesehen. Intuitiv entschloss ich mich gegen die Freilassung und wählte den barbarischen Weg: Ich werde sie zerschmettern mit einem fetten Papierblock. Sie stand da, wartete auf ihr Ende, wimmerte. Scheinbar ahnte sie schon, was ihr blühte. »Tja, meine Süße, du bist freiwillig in mein Zimmer gekrochen.«
Ich hob den Block, schepperte ihn auf die Spinne und stieg drauf. Als ich den Block wieder wegnahm, lag sie da. Der Saft lief aus ihrem Hinterteil heraus. Ich konnte sie noch gut erkennen, aber eigentlich war sie nur noch Matsch.
Ein schlechtes Gewissen überkam mich und ich musste etwas dagegen tun. Wäre es nicht eine angemessene Bestattung, wenn ich noch ein Plausch mit hier halten würde während wir zusammen Wein trinken und eine Zigarette rauchen? Das ist es was ich mir wünsche, wenn mich eine Spinne irgendwann mal zermatscht. Ich goss mir ein Glas Wein ein, schüttete einige Schlücke über die Spinne, zündete eine Kerze an und rauchte eine Zigarette. Wir wurden doch noch gute Freunde, aber trotzdem ist sie jetzt tot. Ruhe in Frieden.