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Die Spezialität des Hauses
Noch hat mein Sohn die Pubertät nicht erreicht und so zeigt er sich ab und an bereit, etwas mit mir zusammen zu unternehmen, auch wenn es mir nicht immer Spaß bereitet. So wie neulich auf dem Rummel. Einer der wenigen Orte, an denen man auch im heißesten August, Schmalzkuchen bekommen kann. Dort habe ich mich dummerweise zu einem völlig legalen Mordinstrument, auch Fahrgeschäft genannt, überreden lassen. Da ich nie eine Astronautenausbildung absolvierte und leider auch keinerlei Kondition in nichts habe, war es die reinste Tortur für meinen Körper. Während Lukas laut grölend Lachtränen in den Augen hatte, dachte ich nur daran, welche Flugbahn wohl mein noch nicht verdautes Mittagessen nehmen wird.
Heute bin ich mit ihm und drei seiner Spießgesellen in einem dieser Fast Food Tempel zu Besuch. Die Jungs waren allesamt Mitglieder in seiner Gang „Die unglaublichen Furzpiraten“. Das ist aber schon ein paar Jahre her. Mein Gott, wie die Zeit vergeht. Ich sehe Lukas noch vor mir, wie er mit großen Augen und voller Unverständnis eine Standpauke an sich abperlen ließ. Die Gang hatte sich wieder eine ihrer „witzigen“ Mutproben ausgedacht. Die Herausforderung bestand darin, in die hinterste Ecke unseres Gartens zu kacken ohne erwischt zu werden. Genau zwischen die Rosen und das Gemüsebeet meiner Frau. Wir haben es erst viel später bemerkt, als sich die Nachbarn darüber beschwerten, dass wir fünf tote Meerschweinchen im Garten verwesen lassen. Der bestialische Gestank und die Fliegen seien nicht auszuhalten.
Nach gefühlten 15 Minuten Diskussion, was denn jeder wohl so essen möchte und weiteren 20 Minuten in der Warteschlange, lade ich das übervolle Tablett auf dem Tisch ab. Wie ausgehungerte Steppenjäger stürzen sich alle vier auf die Glutamatbomben, die so aufgehäuft aussehen wie der Turm zu Babel, nur aus Burgern, Papier und Pappe. Jetzt stellt sich heraus, dass fälschlicherweise ein Wrap eingepackt wurde. Das geht ja nun gar nicht. So ein uncooles Teil will natürlich keiner der Jungen haben. Ich muss also die gerollte Feuchtpappe umtauschen.
Eine vierköpfige Familie vor mir ist gerade am Schalter fertig bedient worden. Dadurch entsteht eine Wartepause für alle anderen in der Schlange, da sämtliche Pommes und vorkonfektionierten Burger auf den vier Tabletts von dannen geschleppt werden. Alle vier sehen aus, als stünden sie kurz vor einem Herzinfarkt stehen und die Eltern brauchen je eine eigene Sitzbank für sich. Natürlich macht Fast Food nicht dick, man darf es halt nur nicht essen. Ich vermute, für den gleichen Preis hätte die Familie eine ganze Woche bekocht werden können. Fragt sich nur von wem. Außerdem wäre ihnen ja das kulinarische Erlebnis der gemeinsamen Speiseneinnahme in dieser kultivierten Umgebung entgangen. Hier trifft Klischee auf Klischee.
Endlich bekomme ich das Bestellte. Es fühlt sich an wie ein lauwarmer, in Wachspapier gehüllter, Königsberger Klops und riecht wie der Hinterhof vom Imbissstübchen am Bahnhof. Ich kann die Genialität hinter diesen Fast Food Ketten gar nicht genug bewundern. Kein Produkt sieht aus wie auf dem Werbeaushang. Trotzdem beschwert sich niemand. Moment, der Pappbecher mit dem Zuckergetränk ist nahezu originalgetreu getroffen. Fotorealismus sozusagen. Der Bulettenmutant im fluffigen Wabbelbrötchen ist da schon eher expressionistisch angelegt. Nichts ist natürlichen Ursprunges und die Geschmacksverstärker lassen vergessen, dass es sich lediglich um Angelteig, Formfleisch und Analogkäse handelt. Das alles wird täglich millionenfach auf der ganzen Welt vertickt und den Teens damit das Taschengeld abgesaugt. Und Trump, die twitternde Politorange, beschwert sich noch, dass zu wenig US-Produkte in der Welt gekauft werden. Dann nehme ich doch lieber den Burger, anstelle eines 10 Liter Buick, der in keine Parklücke passt und eine schwarze Abgasplakette bekommt.
Ich bin gerade mal zwei Minuten weg, da geschieht das Unfassbare am Tisch meiner kindlichen Schutzbefohlenen. Ich erstarre vor Staunen. Colin-Malte kriecht unter den zugemüllten Tisch, um eine Pommes aufzuheben. Torben-Silas und Finn treten extra noch einmal drauf, bevor Colin-Malte ihn sich schnappen kann. Er kommt wieder hoch, pustet auf das Kartoffelmatschstäbchen und schiebt es sich in die Luke. Das angeekelte Aufschreien der anderen Kulinarterroristen kommentiert er völlig gelassen: „Da waren doch gar keine Haare dran!“
Mir wird ein klein bisschen übel und mit Schaudern bewusst, dass keines der Kinder Pommes in seinem Menü hatte.