Die Sonne
Ich sah hoch. Zur kleinen Glühlampe über meinem Kopf. Sie leuchtete schwach, aber sie besaß noch die Kraft, meinen kleinen Augen leichtes Stechen zu zufügen. Ich erinnerte mich an die Worte von Tante Emma. Sie war meine Lieblingstante, wir sind oft miteinander weggegangen und sie hat mich immer verwöhnt, bis sie eines Tages starb. Man erzählte mir wunderschöne Engel hätten ihre Seele zum Himmel getragen. Als ich mit Tante Emma im Park war saß ich oft lange auf der Wiese und habe einfach zur Sonne geschaut. Sie hat mich gewärmt und geliebt, die Sonne. Wenn ich in die Sonne schaute, wurde ich geblendet, und vergaß all meine Probleme. Und Tante Emma sagte immer zu mir: „Schau nicht so lange in die Sonne, sonst wirst du blind.“ Und ich versuchte es nicht zu tun. Ich sah zu Tante Emma, denn sie wärmte mich genauso wie die Sonne.
Mit all meiner Seele wünschte ich mir jetzt blind zu sein. Mit all meiner verkrüppelten Seele ersehnte ich mir die Blindheit, in diesem Augenblick. Ich sah in die Glühlampe. Versuchte mir vorzustellen sie sei eine riesige, grell leuchtende Sonne, öffnete meine Augen weiter und weiter, bis sie schmerzten. Ich saß lange dort und sah zur Glühlampe hoch. Betete dort im stillen zu Tante Emma, und bat sie mich blind zu machen.
Aber das wurde ich nicht.
So sehr ich es mir auch wünschte, an diesem einsamen Abend wurde ich nicht blind.
Irgendwann ist die Glühbirne ausgebrannt und es wurde dunkel. Ich hatte fast geglaubt es hätte geklappt doch, dann sah ich den Mondschein durch das Fenster, und begriff, dass es noch beim alten war.
An diesem kläglichen, verletzenden und zerstörenden Abend wurde ich nicht blind.
Nein, ich wurde nur schwächer, nur noch schwächer.