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Die Sitzung

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03.09.2003
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Die Sitzung

Die Sitzung

Ich weiß gar nicht so recht, wie ich meine Geschichte beginnen soll. Nun vielleicht, indem ich mich gleich im ersten Satz korrigiere. Dies ist nämlich eigentlich nicht meine Geschichte, sondern die eines Freundes.
Das Schicksal von Deacon Morse nahm am 11. September 2001 einen dramatischen Wendepunkt. Seine Eltern arbeiteten beide im World Trade Center und kamen an jenem Morgen bei den Terroranschlägen, die uns noch hinreichend in Erinnerung sind, ums Leben. Ich muss die Einzelheiten dieser Katastrophe nicht näher erläutern, denn wir alle haben die dramatischen Szenen verfolgt; die einen mittels der Medien, die anderen direkt vor Ort.
Deacon Morse, 22 Jahre alt, als Soldat in Deutschland stationiert, erfuhr es aus dem Radio. Zuerst glaubte er an einen schlechten Scherz. Doch als er die Erkenntnis erlangte, dass das World Trade Center von nun an nicht mehr existierte, geriet er in Panik.
Er stürzte in das Hauptbüro und schnappte sich das erst beste Telefon. Hastig wählte er die Nummer seiner Eltern. Das Klingeln schien eine Ewigkeit zu dauern. Als sich niemand meldete, rief er auf der Arbeitsstelle im World Trade Center an, aber die Telefonvermittlung teilte ihm mit, dass die Leitungen zusammen gebrochen wären.
Die nächsten Stunden und Tage waren die reinste Qual für Deacon. Immer wieder versuchte er seine Eltern in ihrer New Yorker Wohnung zu erreichen -
vergeblich. Er rief alle Krankenhäuser in und um New York an, aber jeder dort sagte ihm, sie können ihm leider keine Auskunft geben, denn die gegenwärtige Situation sei kaum unter Kontrolle zu bringen. Es herrsche das reinste Chaos. Man könne deshalb keine Angaben zu einzelnen Personen machen.
Über die Notfallnummer, die extra für Angehörige der Anschlagsopfer eingerichtet wurde, erfuhr Deacon nach fünf Tagen Ungewissheit, dass seine Eltern tot waren.

Zu dieser Zeit kannte ich Deacon Morse noch nicht. Es sollte noch etwa drei Monate dauern, bis wir uns das erste Mal trafen.
Mein bester Freund Glenn Halloran, ebenfalls ein in Deutschland stationierter US-Soldat, sprach mich eines Tages darauf an, ob wir nicht Deacon an unseren Sitzungen teilnehmen lassen sollten.
"Wer ist Deacon?" fragte ich meinen Freund.
"Deacon Morse. Er ist seit etwa einem halben Jahr in unserer Kaserne, wohnt in der Baracke, die du von meinem Zimmerfenster aus sehen kannst." antwortete Glenn.
"Und?"
"Er hat seine Eltern bei dem Anschlag auf das World Trade Center verloren..."
"Oh nein!" unterbrach ich ihn, "Ich weiß worauf du hinaus willst. Das kannst du gleich vergessen!"
"Komm schon, Oliver, er ist fix und fertig. Die Army wollte ihn entlassen, ihn nach Hause schicken, aber er hat abgelehnt. Er sagte, die Army sei jetzt sein zu Hause, sonst hätte er niemanden. Er sei dankbar für die Ablenkung, die er hier
bekäme. Aber da hat er sich geirrt. Unsere Übungsmanöver drehen sich nur um den Anschlag. Auch in unserer Freizeit ist es Gesprächsthema Nummer eins. Deacon bekommt überhaupt keinen Abstand davon."
"Und wie sollen ihm unsere Sitzungen dabei helfen?" wollte ich wissen.
"Deacon hat sehr an seinen Eltern gehangen. Er ist ein Einzelkind. Es fiel ihm schon schwer genug, so weit von ihnen entfernt zu sein. Und jetzt sind sie tot, einfach so. Er kann es nicht begreifen. Ich sehe ihm an, wie weh es ihm tut. Er läuft wie ein Zombie durch die Gegend oder verkriecht sich in seinem Zimmer."
"Das heißt", versuchte ich weiter Glenn die Sache auszureden, "er ist psychisch labil, was in so einer Situation ja verständlich ist. Und deshalb würden unsere Sitzungen ihm nichts bringen, im Gegenteil, sie könnten ihm sogar schaden und seinen momentanen Gefühlshaushalt noch verschlimmern."
"Wie soll es ihm denn schaden?" Glenn gab einfach nicht auf. "Ich habe mich mit Deacon unterhalten. Er erzählte mir, dass er seinen Eltern gern noch so viel gesagt hätte. Wenigstens verabschieden wollte er sich von ihnen."
Er machte eine kurze Pause, dann fuhr er fort: "Sieh mal, Oliver, wenn du in seiner Situation wärst und du hättest die Möglichkeit, die wir haben, würdest du es dann nicht auch tun?"
Glenn ließ mich einen Moment über das Gesagte nachdenken. Er hatte sicher recht, ich würde es tun, aber Deacon Morse ist nicht ich.

Es ist jetzt wohl an der Zeit, dass ich erkläre, wobei es sich um unsere Sitzung handelt. Es ist nichts anderes als eine Séance. Wir wenden die einfachste Methode, das Gläserrücken, an, um mit verstorbenen Menschen, sprich mit Seelen aus dem Jenseits zu sprechen.
Der Grund, warum ich so entschieden dagegen war, Deacon Morse mit einzubeziehen, ist der, dass nur psychisch gefestigte Personen sich an diese Thematik heranwagen sollten.
Bei Deacon Morse war ich mir nicht ganz sicher, wie sich eine Sitzung auf ihn auswirken würde. Ich befürchtete fast, er wolle sich danach wieder mit seinen Eltern vereinen.
Ich schlief noch einmal über die ganze Sache und kam am nächsten Morgen zu dem Entschluss, mich mit diesem Deacon Morse einmal auseinander zu setzen.

Ich unterhielt mich ausführlich mit Deacon und fand heraus, dass er sich noch nie in seinem Leben mit paranormalen Dingen beschäftigt hatte. Somit weihte ich ihn in das Leben nach dem Tod ein, zumindest so weit, wie wir es von unserem Standpunkt aus betrachten können; erläuterte ihm den Ablauf der Sitzung und versicherte ihm, dass alles echt sei, Glenn und ich also nichts manipulieren.
Eigentlich rechnete ich mit einer Auflehnung seitens Deacon. Ich erwartete, dass er mir die Bibel rauf und runter zitieren würde, versteift darauf, dass es kein Leben nach dem Tod gibt. Doch ich irrte mich. Er saß mir fast regungslos am Küchentisch gegenüber und hörte mir aufmerksam zu, ohne mich zu unterbrechen. Als ich fertig war, sagte ich ihm, er solle sich das alles einmal gut überlegen. Aber er unterbrach mich und sagte, er wolle es tun. Mehr hatte er nicht dazu zu sagen. Er hatte keine Fragen, er schien keine Angst zu haben und er zweifelte keines meiner Worte an.

Am Wochenende trafen Glenn, Deacon und ich uns in meiner Wohnung. Auf meinem Küchentisch hatte ich bereits alles vorbereitet, das Alphabet und Zahlen von null bis neun waren kreisförmig angeordnet, in dessen Mitte "JA" und "NEIN". Außerhalb des Kreises stellte ich vier Teelichter auf und zündete sie an.
"Bist du wirklich bereit, Deacon?" fragte ich.
"Ja unbedingt." gab er zur Antwort. "Ich will den Beweis, dass es ein Leben nach dem Tod gibt. Du hast mir zwar schon viel davon erzählt, aber ich kann es nicht so recht glauben. Wenn das tatsächlich funktioniert, würde mir das unheimlich über den Verlust meiner Eltern hinweg helfen. Ich brauche Gewissheit, damit ich mein Leben endlich wieder weiter leben kann."
Ich schaltete das Licht aus und wir setzten uns rund um den Tisch, ich stellte eine Kerze in die Mitte zwischen "JA" und "NEIN", zündete sie an und stülpte ein Glas darüber. Als die Flamme den ihr zur Verfügung stehenden Sauerstoff aufgebraucht hatte und sich in Rauch auflöste, hob ich das Glas hoch und Glenn nahm schnell die Kerze aus dem Kreis. Ich stellte das Glas wieder ab, Rauch befand sich nun in dessen Innerem. Wir legten alle unseren rechten Zeigefinger auf den Rand des Glases.
Ich begann: "Geist bist du da?"
Wir warteten zwei, drei Sekunden ab, dann fragte ich wieder: "Geist bist du da?" Das Glas bewegte sich nicht. Ich sah Deacon an und sein Gesichtsausdruck zeigte Enttäuschung.
"Es klappt selten beim ersten Mal." erklärte Glenn ihm.
Wir erneuerten die Rauchprozedur, dann fragte ich wieder: "Geist bist du da?" und das Glas zuckte mimimal unter unseren Fingern. Deacons Aufmerksamkeit war zu einhundert Prozent wieder hergestellt. Ich fragte noch einmal und das Glas rutschte zu dem "JA" hinüber. Deacons Augen weiteten sich, sie schienen größer als seine Brille zu werden. Er schlug seine linke Hand vor den Mund.
"Hast du Angst?" fragte ich ihn.
"Nein, nein, ich bin nur sprachlos."
Ich wandte mich wieder an das Glas, den Geist und fragte: "Bist du ein guter Geist?"
Das Glas rückte ein kleines Stück vom "JA" weg, dann hielt es an und bewegte sich erneut zum "JA". Ich wiederholte die Frage noch zweimal und jedesmal bejahte der Geist. Ich bat ihn uns seinen Namen zu nennen und er schrieb: G E O R G
Ich lächelte und sagte: "Hallo Opa!"
Das Glas schrieb: H A L L O
"Glaubst du das ich das Glas bewege?" fragte ich Deacon.
"Nein." antwortete er knapp, ließ das Glas dabei aber nicht aus den Augen.
Wir unterhielten uns einige Minuten mit meinem verstorbenen Opa, dann erklärte ich ihm, dass wir mit Deacons Eltern reden möchten und fragte ihn, ob sie bei ihm wären. Er rückte das Glas auf "NEIN". Ich war etwas irritiert von seiner Antwort und wollte wissen, ob er weiß, wo sie sind. Er schrieb: H O S P I T A L
"Was?" fragte ich "Was soll das heißen? Sind die beiden etwa in einem Krankenhaus?"
Das Glas rückte auf "JA".
"Deacon", begann ich, "kann es sein, dass Deine Eltern noch leben?"
"Nein!" schrie er und sprang vom Tisch auf. "Das ist unmöglich, sie sind tot! Die Army hat es mir bestätigt. Was ihr da macht ist totale Scheiße! Das glaubt ihr doch wohl nicht."
"Warte mal", ich versuchte ihn zu beruhigen, "setz dich erstmal wieder hin. Sag mal, warst du gar nicht auf der Beerdigung?"
"Ich ... Ich will jetzt gehen."
Er stürmte zur Tür hinaus, Glenn lief ihm hinterher und brachte ihn nach Hause.


Ein paar Tage später erfuhr ich von Glenn, dass Deacon sich die Finger wund telefoniert hatte und tatsächlich in Erfahrung bringen konnte, dass seine Eltern noch lebten, jedoch im Koma lagen.
Im Chaos des Anschlages, kam es zu einer dramatischen Verwechslung, die Deacon Morse Glauben machte, seine Eltern wären tot.
Er ließ sich aus der Army entlassen und nahm den nächst möglichen Flug nach Amerika.

 

Hi Schlangenlady!

Ich habe deine Geschichte mit Interesse gelesen. Der Stil ist schon ganz in Ordnung, auch wenn er meiner Meinung nach noch ausbaufähig ist!

Die Geschichte ist sehr gut aufgebaut und im Mittelteil gelingt es dir gut, einen Spannungsakt aufzubauen. Jedoch war ich etwas irritiert, als die Story plötzlich zu Ende war.

Am Ende solltest du wirklich noch ein bisschen rumwerkeln, denn so wirkt die Geschichte irgendwie nicht ganz komplett!

Man merkt jedenfalls, dass du das Zeug hast, der Story noch ein interessantes Ende hinzuzufügen.

MfG,
Artifex

 

Hallo Schlangenlady!

Ein sehr interessantes Umfeld hast du für deine Geschichte gewählt, und obwohl ich ansonsten Inovationen in KGs gut finde, passt es hier nicht wirklich zu deiner klassischen Gespensterstory.
Auch die Erwähnung des 11. Septembers raubt ein bisschen die Atmosphäre.
Die Geschichte an sich ist nichts Berauschendes: Geisterbeschwörung in einem kleinen Kreis - das gabs schon öfters. Ich finde nichts Schlimmes daran, solche oft gewählten Themen zu benutzen, doch wenn, dann muss die Geschichte schon ausgezeichnet sein, um mich 'anzumachen'. Und das ist diese ier nicht.
Die Sitzung kommt mir zu kurz und sie ist keinesfalls drückend oder spannend erzählt. Horror oder Grusel fehlen mir hier völlig.
Die Schlusspointe kommt dann aber wieder gut und auch sehr überraschend. Damit hätte ich kurz vorher wirklich nicht gerechnet, prima! Vor allem, weil es doch seltsam ist, die Situation zum Schluss noch zu entschärfen. Ich glaube nicht, dass es viele Storys dieser Sorte gibt, die mit einem Happy End enden. Dennoch kann dies die Geschichte nicht mehr rausreißen.
Sehr gut hat mir dagegen dein sicherer Stil gefallen. Lassen sich wirklich schön lesen deine Sätze.

 

Sorry, dass ich so lange nicht geantwortet habe, aber mein PC hat gesponnen und ich konnte micht ins Internet.

Danke erstmal für Eure Antworten.

Mit der Geschichte hat es folgendes auf sich: Das war eine Hausaufgabe, denn ich mache bei einem Fernkurs für Belletristik mit. Sie sollte auch nicht wirklich gruselig werden, aber ich wusste nicht, wo ich sie in diesem Forum sonst reinstellen sollte.
Im Rahmen der Hausaufgabe habe ich die Geschichte nicht länger machen können. Was mich aber verunsichert und was ich auch nicht nachvollziehen kann ist, als mein Lehrer mir gesagt hat, dass in der Geschichte zu wenig Handlung sei. Ich weiß nicht, was er damit meint, vielleicht bin ich auch zu doof das zu begreifen. Außerdem sollte ich "mehr auf die Befindlichkeiten des Protagonisten eingehen", aber dann würde ja noch mehr von der Handlung auf der Strecke bleiben, denn wie gesagt, so wie die Geschichte da steht, ist es der maximalste Umfang, der mir vorgegeben war.

Vielleicht könnt ihr mir diesbezüglich noch einen Tipp geben. Ich wäre Euch sehr dankbar.

Viele, liebe Grüße Eure
Schangenlady

 

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