Die Sinnlosigkeit der Hoffnung
Als ich die Leere in meinem Leben beinahe nicht mehr aushielt, wurde ich mit ein wenig Hoffnung erlöst. Durch meinen monotonen Alltag fiel es mir immer schwerer den Sinn meines Lebens zu finden. Der Lohn von einem Job, den ich tief in mir drinnen hasste, war alles was ich in meinem Leben hatte. Dabei kam mir keine einzige Aufmunterung entgegen, sondern nur ein Meer voller Sorgen. Oft kam es mir vor, als ob ich der einsamste Mensch dieser Welt war. Es gab Nichts und Niemanden in meinem Leben, für den ich am Morgen aufstehen und am Abend wieder nach Hause kommen konnte. Obwohl ich dank meines guten Aussehens, mehr als genug Chancen bei der Damenwelt hatte, kamen mir diese, meistens unecht vor und um sie als Lückenbüsser zu verwenden, hatte ich viel zu viel Respekt vor Frauen. Deshalb konnte ich auch kaum eine Konversation für mehr als ein paar Minuten halten, ich war so leer, dass ich keinen Sinn dahinter sah sozialen Kontakt zu haben. Als mein Chef mir dann mitteilte, dass eine Geschäftsreise nach New York vor mir stand, fühlte ich seit langem wieder einmal Glück und Hoffnung. Ich hatte immer was für die Stadt übrig, seitdem ich das erste Mal dort war.
Als ich dann dort ankam, war ich ein weiteres Mal von der Stadt und den Leuten überwältigt. Zu Hause empfand ich nichts als Abschaum für meine Mitmenschen und unsere Gesellschaft, doch hier war ich irgendwie ein komplett anderer Mensch. Das Meeting verlief besser als geplant und ich durfte voller Selbstbewusstsein noch drei Tage in New York verweilen. Aber was brachte mir meine gute Leistung? Geld das meine Leere in meiner Seele ein wenig stopft? Der Gedanke hier zu bleiben und neu zu beginnen, schwirrte mir durch den Kopf. Der letzte Nachmittag beschloss ich im Central Park zu verbringen. Es war der erste Tag, indem der Frühling so richtig zum Vorschein kam. Die Atmosphäre war einzigartig, ich genoss jede Minute und versuchte den Gedanken, dass ich morgen wieder nach Hause musste zu verdrängen. Auf einer Bank mitten im Central Park, umgeben von Bäumen und Strassenkünstlern, verweilte ich beinahe den ganzen Nachmittag. Nachdem die Playlist in meinem rechten Ohr aufgehört hatte zu spielen, beschloss ich mich langsam auf den Weg zurück in Richtung Hotel zu machen. Beim Weg zurück spürte ich ein paar vereinzelte Regentropfen auf meiner Haut, jedoch nicht lange, da die Sonne immer noch schien. Ich bemerkte gar nicht, dass sich hinter mir einen Regenbogen gebildet hatte. Vor mir war eine schlanke, grossgewachsene Frau mit blonden Haaren und schwarzen Strähnen, die durch eine alte Analogkamera blickte. Es machte mich glücklich, dass es noch Leute gab, wo die Kunst der Fotografie schätzten und voller Leidenschaft ausführten. Ein paar Schritte weiter, realisierte ich, dass sich hinter mir einen wunderschönen Regenbogen gebildet hatte und dass ich mich im Blickfeld von der fotografierenden Dame befand. Ich bewegte mich leicht seitlich, sodass sie ihren perfekten Schnappschuss erzielen konnte. Doch anstatt abzudrücken, nahm sie die Kamera von ihrem Gesicht weg und lächelte mich an. Ich schaute sie für einen kurzen Moment an und wollte zurücklächeln, doch ich war wie paralysiert. Ihre wunderschönen asiatisch-amerikanischen Augen verschluckten mich, sie zogen mich in Ihren Wahn, wie selten etwas zuvor. Ihr Lächeln kam mir so bekannt vor, als ob ich immer davon geträumt hätte. Ohne mich dagegen wehren zu können, bewegten sich meine Beine weiter und mein Blick wanderte auf den Boden. Zuerst war ich glücklich, dass sie mich angelächelt hatte, doch dann wurde mir klar, dass ich mich mit jedem Schritt, weiter weg von meinem Glück und meiner einzigen Hoffnung ging. Mein Selbstbewusstsein wurde in ihrer Nähe zunichte gemacht, sie war ein Engel und ich hatte die Möglichkeit in den Himmel zu kommen, doch ich lief daran vorbei und entschied mich länger in der Hölle zu Schmoren. Ich verspürte schon oft Selbsthass, doch niemals in diesem Masse wie jetzt. Ich war so wütend und enttäuscht von mir selbst, sodass meine Gedanken um Alles zu beenden wieder zurückkamen.
Je mehr ich mich von New York entfernte, desto mehr brach es mir mein Herz. In den kommenden Wochen konnte ich an nichts anderes mehr denken als an ihr Lächeln und wie ihr Charakter sein könnte. Obwohl sie in einer 8 Millionen Metropole wohnt, hatte ich einen kleinen Funken Hoffnung, dass ich sie noch einmal sehen könnte. Es tat wieder weh im Alltag festzusitzen und von den üblichen langweiligen Gesichtern umgeben zu sein. Das frustrierende Gefühl als ich durch die leeren Strassen meines Heimatortes lief, machte mich fertig, es gab nichts was mich hier noch festhielt. Die Sehnsucht ging niemals weg, sondern blieb konstant, bis ich es nicht mehr aushalten konnte. Ich gab meinen Monatslohn nicht aus, denn ich sparte um von diesem Meer der Antriebslosigkeit wegzukommen und noch einmal meine grosse Liebe zu suchen. Ich wusste nicht wie sie heisst, ich wusste nicht wo sie wohnt und ich wusste nicht was sie macht, doch ich war überzeugt ihr ein weiteres Mal über den Weg zu laufen.
Im Spätsommer kam ich voller Hoffnung in New York an, die Temperatur war perfekt, etwa genauso wie damals im Central Park. Am nächsten Morgen stand ich voller Elan auf, um in den Park zu gehen. Mein Hotel war nur ein paar Gehminuten entfernt und ich konnte auf dem Weg dorthin ein köstliches Frühstück mitnehmen. Sobald ich im Park war, suchte ich die gleiche Stelle, wo ich sie gesehen hatte und setzte mich auf die Bank nebendran. Ich hatte das gleiche Outfit an, wie damals, sodass sie mich besser erkennen konnte, falls sie vorbeiläuft. Den ganzen Tag blieb ich an dieser Stelle sitzen und schaute jede einzelne Dame genau an. Es war mir egal, was die Leute von mir dachten, das einzige was für mich zählte war, dass ich sie noch einmal vor Gesicht bekam. Am Abend musste ich feststellen, dass heute ein Misserfolg war, doch ich verlor kein wenig meine Hoffnung und ging am nächsten Tag wieder an die gleiche Stelle. Gegen den Mittag hin, begann es zu regnen, doch ich blieb stur am gleichen Platz sitzen. Wegen des Regens zog ich mir eine starke Erkältung zu, doch ich ging wieder zu der gleichen Stelle und verbrachte dort meinen Tag. Ich war selbst verblüfft von wo meine plötzliche Energie herkam, zu Hause war ich so antriebslos, doch da verspürte ich die Macht der Liebe. Im Moment war ich einfach froh, dass ich diese Macht spüren durfte und dass ich irgendetwas fühlte, egal ob Schmerz, Trauer oder Freude. All die ganzen Jahre in denen ich nichts fühlte, waren nun vorbei. Jeden Tag entschied ich mich zur gleichen Stelle zurückzukehren, auch an dem Tag als mein Flug zurückging. Erblindet von der Liebe blieb ich jeden Tag in der Mitte des Central Parks sitzen. Als dann das Geld knapp wurde das Hotel zu finanzieren, zog ich in ein kleines Apartment in Manhattan und als mein Geld noch weniger wurde, musste ich mich mit einem Apartment in Queens zufriedengeben. Ich hatte mich von allen materiellen Dingen, die vorher noch so wichtig waren, getrennt und lebte in Armut. Jeden Tag ging ich mit der Subway in Richtung Central Park und sass mich an die gleiche Stelle. Als ich kein Geld für die Subway mehr hatte, kündigte ich den Mietvertrag und lief in den Central Park. Tief drinnen war ich mir bewusst, dass es meine Endstation war. Ich hatte nichts mehr, ausser die Erinnerung an diese wunderschöne Frau. Doch anstatt jeden Stein umzudrehen, um sie zu finden, setzte ich mich jeden Tag an die gleiche Stelle und wartete bis das Schicksal seine Rolle übernahm. Es tat weh, doch ich musste mich abfinden, die Vergangenheit nicht wiederholen zu können.