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Die Selpherriade

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12.04.2007
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Die Selpherriade

Die Selpherriade
des Herrn Vroidenreich vom Weinsteg am Steinweg –
gekürzte - und doch! - abschweifende Volksausgabe

Wenn den Alten geglaubt werden darf, und wer zweifelt schon am Wort der Aeltern, dann war da mal ein Herr, der sich selbst Selpher hieß und gefürchtet war wie sonst keiner auf der Welt. Lange schon lag König Artus auf Avalon, dass ihm die schweren Wunden versorgt werden und immer noch warten die Brutonen, dass er sich einstens erholen und wiederkehren mag. Mancher hört auch sagen, die Kaiser Charlemagne und Rotbart warteten auf ihre Wiederkehr in Bergen, die freilich hohl sein müssten wie die Köpfe jener, die den einzigen Kyffhäuser mit Kaufhäusern und den Unterberg mit einem Kräuterschnaps verwechseln und daran glauben und hoffen. Schade für gläubige Francen und Deutsche, dass den alten Herren nicht einfach die Bärte abgeschnitten werden. So warten beide Völker noch immer vergeblich. Einzig der Hunne ist zweifelsfrei vom Schlag getroffen worden, dass nicht mal einer auf ihn warten muss; freilich hoffen wir alle, dass niemand auf ihn warten wird und fürchten doch, dass noch viel' Guter Bärte durch Tische wachsen werden, ehe die dauernden Geißeln der Menschheit für immer im Grab bleiben und zur Hölle fahren.


Es war die Zeit der Jahrtausendwende, die sich als Endzeit gebärdete - Erd- und Seebeben, Vulkan- und andere undisziplinierte Wutausbrüche der Natur, Stürme, menschenfressende Schlammasse(l)n und landraubende Fluten, UFOs, statt Allgemein- und Ausbildung: Sektenbildung, statt Aufklärung Verklärung und die Hände wurden gefaltet zum Gebet,
und da kein guter Kaiser und König mehr war, herrschte's mal so und mal anders, dass der Dachstuhl des Reiches verfaulte und der Putz von den Reichswänden bröckelte und fiel, die Geschwister Schimmel und Pilz die Luft beherrschten, und darum der Name der Diet nimmermehr von Francen und Schranzen geachtet wurde.

In einer Welt ohne großen Helden war's leicht, gefürchtet zu werden wie nur einer auf der Welt. Der nannte sich Selpher und hauste mit seinen Gesellen zu Itewiz, der festen Burg. Da dünkte sich jeder der Beste, so wird erzählt, dass keiner den Geringsten kannte und auch niemand fand oder gar finden konnte. Also ließ der vielbelesene Selpher seinen Gesellen einen runden Tisch zu Itewiz errichten -
nach anderer Lesart heißt es „seine Gesellen“, was der ganzen Geschichte wenn auch keinen anderen Verlauf, so doch Sinn gibt. Freilich ist diese Lesart zweifelhaft, insofern zu allen Zeiten Herren Arbeiten verrichten ließen. Hätte die Lesart Recht, wäre hier in idealer Weise die Dialektik von Herrschaft und Knechtschaft aufgehoben, was so recht nicht zu glauben ist und im weiteren Verlauf der Geschichte zu zeigen sein wird –
dass der eine zwischen zwei anderen zu sitzen kam und keiner sich rühmen konnte, höher zu sitzen als irgendein anderer. Und heute noch wird berichtet, dass jeder zwischen zwei gleichen und kein einer am Ende zu sitzen käm'.

Wer möchte über die Selpherren-Runde heute lachen?

Furchtlos bewunderten die Armen die Runde, war doch bei ihnen eh nichts zu holen, was nicht schon geholt worden war von Kanzler und Schatzmeister und deren Kohorten. Und wäre die Zahl nicht durch den Umfang des Tisches begrenzt worden, die Runde hätte schier endlos anwachsen mögen, erzählte sich dochs Volk, zu Itewiz lebe es sich wie im Schlaraffenlant, so dass ein jeder ein Schlaraffe - oder doch ein Selpher - werden mochte.

Reiche dagegen beneideten Selpherrn, denn allemal mussten sie um ihre Reichtümer fürchten, die sie mühselig und im Schweiße ihrer fetten Bäuche und Steiße von den ärmeren Leuten erpresst, ergaunert und ersessen hatten. Und von den Herren des Landes wird uns berichtet, dass sie angstvoll die Nächte durchwachten, stand doch zu fürchten, dass des Selpherren Ruhm gar den ganzen Erdenkreis erobern und sie aller Würde berauben könnte.

Also musste der Ruhm des Selpherrn alle Welt erobern, ließ sich doch kaum zu allen Zeiten schlaftrunken wacker widerstreiten und Ruhm und Ehre gewinnen, es sei denn als Schlafmütze, und bevor sie richtig begonnen, könnte die Geschichte schon enden, hätte nicht König Heinrich, den man den Geißbart nennt, da er von Geld und Politik nichts und um so mehr von Minnedienst und Haarpflege verstanden haben soll, den König und Vetter Etwer Anewanc ge- und hernach erschlagen und also aus Zweien einen König gemacht.

Dieser Herr ging daran, die Zeit des mal so und mal anders zu ändern, den Dachstuhl des Reiches zu flicken und die Wänd' zu verputzen, so gut er’s nur konnte. Und in alle vier Richtungen Dietlandes ließ er verkünden, was neues Recht und gute Ordnung heißen sollte: „Höret, ihr Leut', was König Heinrich der Rechtmäßige Euch gesetzet hat!" –
In anderer Lesart „Höret, Ihr Leut', was König Heinrich, der recht Mäßige, Euch gesetzt hat!", was aber m. E. auf einer falschen Betonung des oder der Boten oder einen Hörfehler des Verfassers der Handschrift zurückzuführen ist. Letztlich kann es sich auch um einen bloßen Schreibfehler handeln oder eine also getarnte Kritik an der potemkischen Leistung des Königs.

Und das Volk murmelte: „Höret, hört!“, und horchte auf:

„Höret, ihr Leut', was König Heinrich Euch gesetzet hat: Der König bietet alle Fürsten zum Reichsdienst auf, und mag ein fürstlicher Herr säumen, so hat er hundert Pfund dieten Geldes Strafe zu zahlen.
Und Jahr und Tag vorher muß aufgeboten sein der Lehnsmann, und wenn der nicht kömmt, so hat er zehen Pfund Strafe zu zahlen.
Unds Pfund soll gelten zu zwanzig Solidi oder zweihundertundvierzig dieten Pfennigen!"

Und schon kommt unsere Geschichte in Gang, nachdem diese kleine Währungs- und
Stoiberreform – nach anderer Lesart Steuerreform - durchgeführt ist. – Dem geneigten und aufgeklärten Publikum fällt sofort das 49er oder das 02er Jahr ein. Aber gepfiffen! Denn Herr Vroidenreich ist allen Urkunden zufolge ein „echter 50er", woraus der gelehrte Leser zum Schlusse kommt, dass es nur die Währungsreform im Zuge der friedlichen 89er-Revolution sein kann. Und - könnte es anders sein? - der Leser hat natürlich recht.

So,
oder doch so ähnlich, hatten die Boten des Königs gerufen an und in all den dieten Enden und Ecken, nach oben und unten, nach rechts und nach links. Doch alles Neue muss nicht gar so neu sein, wie's sich gibt, und manche Zeitung klingt derart bekannt, dass sie einen schläfrig macht. So antwortete aus allen dieten Winkeln schnarchen, dass nach Jahr und Tag der königliche Schatz sich mehren musste.

Im dritten Jahr des Geißbarts kommt daher der Schatzmeister des Königs, Herr Ygittegit Dratezunc, Strafe und Steuer von den Itewizzern zu kassieren. Doch der Selpher lässt antworten: „Sagt dem Geißbart, Eurem König, Itewiz ist unser eigen und wir sein eigner Herr, niemand ander‘m Untertan, denn uns selbst! Das ist uns verbrieft durch König Anewanc von Dietlant."

So mag denn ein Wort das andere gegeben haben, dass nicht alles aufgezeichnet werden kann. Aber sollte ich trotz kurzer Sicht richtig gelesen haben und die Schreiber nicht taub und doch flink mit der Feder gewesen sein, so hat wohl der Steuermann das letzte Wort behalten und gedroht: „Redet mir nichts von überlaßnen Grundrechten! Lang ist’s her und Anewanc ist lang schon tot."

Und fährt fort: „Nimmer mehr ists Land, was es einst gewesen, da zweie zugleich König sich nannten, denn jetzt gilt nurmehr eines Königs Wort und wird nur gelten König Heinrichs Wort. Nimmer ist drum Itewiz Euer eigen und kein Grund wird Euch zu eigen sein. Hört und sagt's den Itewizzen: Ihr lebt in einer Welt, die Euch nimmer gehört und nurmehr der Leib ist Euer eigner. Darum nennt grundlos Ihr Euch Selpher.

Leicht", so mag Herr Ygittegit gewarnt haben, „wird aus einem eignen Herrn ein eigen Mann," doch erntet er nichts als einen billigen Gruß: „Bestellt Eurem Herrn und König, er könne uns kreuzweis’“, dass ich, - beim Kreuz!, - nicht weiß, ob nicht unser Goetherr sich’s ergetzen ließ und dem Goetzen ins Maul gelegt hat.

Inzwischen ist Herr Ygittegit abgezogen, nicht ohne zu beraten und zu bedenken, wie Itewiz zu nehmen sei.

Und schon lassen wir ihn eine List wissen, die so neu nicht mehr ist, als dass sie eigentlich noch irgendwen überraschen dürfte!

Ygittegit kleidet sich zum Weinhändler, mietet einen Wagen voll leerer Fässer und füllt diese statt mit Wein mit den Schergen und Knechten Geißbartens. Und nach acht Zeilen, davon wenigstens zwo leere Zeilen sind, erreicht das Gefährt Itewiz, dem auch prompt ein Dummerian von Jüngling entgegentritt. Und dieses Kind verlangt dem Kaufherrn Zoll oder Ware ab.

Statt des erhofften Geldes oder der begehrten Ware gibt's für den Knaben eine Watschen von dem Herrn, dass es dem kindlichen Ohr sauset und braust, heult und pfeifet. Da hat sich aber der Dummerian vermehrt und drei gerüstete Burschen, nicht viel älter als der Knabe, drohen dem Kaufmann mit Messern und Lanzen, heißen ihn gefangen und besetzen seinen Wagen. Des klagt der Händler und schlägt die Händ' überm Kopf zusammen, dass es Gott erbarmen mag, doch nicht die Räuber und Knaben.

Die bringen Wagen und Ladung und Handelsmann durch den Wald eine leichte Erhebung hinauf, dann durch ein mächtiges Tor in eine Vorburg aus grobem und grauem Gestein. Hier mag sich mancherlei Volks tummeln, das sicher sich fühlt hinter mächtigen Mauern. Fürwahr, diese Vorburg wär' schwerlich im Handstreich zu nehmen gewesen! Doch fester noch und sicherer erscheint dem Kaufmann und Herrn über Wein und Fässer die Burg selber, denn durch einen noch mächtigeren Torbau geht's weiter in einen Hof, um den sich Wirtschaftsgebäude und Stallungen drängen, rechter Hand neben dem Tore ergänzt durch eine Kapelle. Dann der Palas mit eigenem Turm. Vor den Wirtschaftsgebäuden häuft sich der Mist menschlicher und tierischer Abfälle, stinkend und faulend, und mitten im Hof mag ein tiefer Brunnen die Herren und Bürger mit Wasser versorgen. Das alles und mehr noch umgibt eine vier Mann hohe Mauer aus rötlichem Gestein. Und wieder geht es durch ein Tor, eingefügt in einer noch höheren und stärkeren Mauer, in einen kleinen Innenhof. Da steht der mächtige Bergfried, erster und ältester Bau der Burg und letzte Zuflucht ihren Bewohnern zugleich. Der überragt turmhoch die anderen Gebäude. Drei Mann hoch überm katzenkopfgepflasterten Boden eine einzelne Tür, nur zu erreichen über eine schmale Leiter. Um den Wehrturm herum die Kernburg, wohl lange vor Anewangens Zeiten errichtet, aus ergrautem Stein. Und mitten im Hof ein rundes Tischlein, an dem drei Menschen vielleicht Platz finden mögen.

Da setzen die Knaben sich nieder, legen Rüstung und Waffen ab und wollen vom Weine probieren.

Aber, ach!, Ojemine, o weh!, -

denn es fliegen den Knaben Fassdeckel und -böden und bodenlose Fässer um die Ohren, dass manchem Knaben wird, als hätt’ er zuviel vom Weine genossen, und den Gesellen der Boden unter den Füßen wankt und weggezogen wird. So legt sich denn ein jeder schlafen, ein jeglicher nach seiner Art.

Darum, verehrtes Publikum, gehe nie ungerüstet ans Fass: es könnte aufs Haupt Dir schlagen!

Also ist Itewiz gefallen, dass Geißbart Recht sprechen und Ygittegit recht bekommen soll. Und den dritten Tags darauf zieht mit großem Gefolge der siegreiche König ein zu Itewiz, setzt gleich das Teidinc für den andern Tag fest, denn ohn’ Verzug und rasch soll königliches Recht durchgesetzt werden.

Anderntags vor den Mauern Itewizzens sitzt rechter Hand Geißbartens der Erzkanzler, -bischof und -ganove Herr Nithart MacGit und zur Linken des Königs Herr Scerge Wegesceit, der Richter und Henker und auch ein weithin bekannter Trobador. Hinter König Heinrich steht sein Schatzmeister, Herr Dratezunc, das Schwert in den Händen, dass er sich darauf stützen mag. Und vor dem König stehen drei arme Sünder und finden sich winzig vor den hohen Herren. Doch wer, so fragt sich nicht nur der König, ist Herr zu Itewiz gewesen? Und wieder und wieder fragt der Richter und Henker, wer Selpher geheißen werde und sei. Dem antworten die Knaben wie aus einem Munde:

"Hie sullt iegelihman sih Selpherren nennen, is'doh etwer niht hoyer noh nidderer gestellet denn’etelih un'deweder niht ungeleihe von eym andern, dasz ietweder enebene ieslihem gestanden ist," und schweigen.

Da ringt der König nach Luft und wird rot, streckt die Hände gen Himmel und kennt keinen Weder noch sonst irgendeinen und zählt nur drei Knaben bei sieben Namen! Also denkt der listige König, dass dreie sich noch verborgen halten, und fragt, wo denn die anderen sich verbergen mögen. Doch niemand antwortet ihm, dass der König sich an den Richter und Henker wendet und spricht: „Versteh' mich schlecht aufs Befragen und die Juristerei. Guter Wegesceit, folgt Euerm Beruf und übernehmts Verhandeln, derweil ich einen Jus zu mir nehmen will." Spricht's und erhebt sich, wendet sich ab und geht, seinen Saft zu trinken.

Herr Wegesceit aber geht's an, als wär's nichts! Heißt zwei der Knaben wegführen und fragt den dritten: „Vvie’s’ Tain Nami, Purchi?"

Und der Knabe hat ihn wohl verstanden: „Nenn' mich Selpher, Herr", antwortet der.

„Sonst haiszestu nix? Nisch’Tevvedder noch sonstvvie?"

„Nein, kenn' kein' Deweder noch Sonstwie, doch haben mich die lieben Ältern mein Eberswin gerufen, bevor ich Selpher wurd'."

„Nunja, lieper Selbher oter Epersvvin, vver vvaren tenn tie Eldern Tain?"

„Mein' Æltern?", fragt der Knabe zurück und spricht: „Ich glaub', es war zum einen mein' Mutter eine Dirne und zum andern mein Vater ein rechter Mann, doch ob er's war, kann ich nicht sagen ..."

So zieht das Spiel sich hin und zieht sich her. Eine Frage gebiert eine Antwort, die wiederum nur Fragen aufwirft, und nichts wird erfahren.

Da kehrt der König fahl und blass zurück, dass keiner weiß, was geschehen ist.

Dumm wie Bartel gibt sich Eberswin, dass Scerge sich von dem König eine List erbitten muss, und der stimmt zu ohn' Bedacht.

„Also", spricht der Dichter und Henker, „Selbher oter Epersvvin, isch versbresche Tir im Namen des Genicks, unserm Herrn Heenrisch von Tietlant, tasz Tu nisch an ter Vvaid' entiken sollst, vvenn Tu zugipst, vvo sisch tie anner'n verperken", dass das Eberschwein ungläubig lacht und fragt, ob da nicht allzu viel versprochen sei und sichs vom König bestätigen lässt. „Nun", so spricht er, „so will ich's lösen, denn einfach ist's, die andern Selpherren zu finden. Folgt nur Euren Männern und Ihr werdet finden, die Ihr gerad' habt wegführen heißen. Das sind die, die Ihr sucht. Und's gibt keine ander'n, die Selpherren sich heißen und sind."

Namen will der König wissen.

„Selpher lassen beide sich nennen", spricht der Knabe.

„Nicht den Titel meine ich!", ruft erregt der König, dass Herr Scerge ihn beruhigen muss. Er wendet sich nun wieder dem Eberswin zu: „Ter Genick fraacht, vver ta Etvver, vver Ieslisch sai ," dass der Selpher staunt: „Die kenn' ich nicht, kenn' nur noch Bruder Halpful und Freund Bozenbein, sonst hab' keinen Selpherrn ich je geseh'n. Und kenn' auch kein'." Da heißt der Trobador ihn weg und einen andern vorführen. Wieder beginnt das Spiel und bringt nichts ein, außer dass dieser von den Ältern Halpful geheißen wurde. Und über diesem schmalen Gewinn bricht Herr Scerge zusammen, dass Herr Nithart, der Neffe und Kanzler des Königs, ans Verhandeln kommt.

Der fragt den letzten Gefangenen, der vordem für alle gesprochen, wie er heiße. Doch der träumt und lächelt schweigend, dass Herr Nithart ihn wecken muss: „Du da! - Ja Du! - Du schweigst Dich um Kopf und Kragen, Knabe, so sprich denn um Dein Leben! - " Und ruhig zu dem Knaben: „Wie bist Du genannt worden, bevor Du Dich Selpher nanntest?"

Niemand weiß nun, ob der Jüngling da wahrredet oder falsch, aber er redet und redet um sein Leben, spricht wahr und redet falsch, dass Frau Herzeloiderika es ihm um ihres anderen Sohnes willen verzeihen mag!

„Waz se'et irre mih ann’alse diu qu eyn' thoren anscouet? Durhlouhticster unde gened’ger her, ih‘han mih des g‘fliszen ymm kopfe, dasz‘ih reyn unde clar diut mac sprehen, dasz iuer genaden mih ouh mac verste'en. Alleyn der diutscen unde niht der weldscen sprah hannih woll'n sprehen. Das hats mytterlin mein mir g‘sagget, dasz ih sullt guot unde diutlih reden, darumbe dasz ieder mih verstynd' unde den namen myszt‘ih erfaarn, denn’am namen erkennete man den menscen. Und‘ih will‘der muoter unt amme mein immer eyn guoter soon seyn unde binz‘immer g‘west: wilde dunckele wege hannih g‘miiden, han hybesc g‘gryzet, wo wer tzu gryzen war und‘ist unde naam ouh kein eynen rath vom bŒzen manne, hannouh kein eynen g‘troffen biszherre da der dorten," (und deutet mit dem Finger auf den Schatzmeister,) "ist g‘kommen. Unde hett'ih g‘wuszt, dasz so viil'n tiuffeln louern ynne der werld'alse laup auff'n beumen wexet, so wer ymm wald‘ih g‘bliiben."

Der Kanzler weist ihn zurecht, keinen der hohen Herren zu beleidigen. Doch der Knabe fährt unbeirrt fort zu erzählen: „Verzeyet mirs nerrisc g‘reden, durhlouhticst'unde gened’ger her! Ih‘han g‘lebet mitte der muoter ymm walt, der menscen eynesamt undez ist uns offten begegenet, dasz viirzeen tagen, drey, viir wohen niht eyn eyniger mensc wirre han g‘seen, doh‘ouh niht g‘suhet unde so nimmer g‘funden. Unde wool anne zeen iaare hannih vertriiben diu weil mir mittem scwert ausz holtz, dem pfeil unde'm bogen, scoszsz nah manihem g‘tiir unde g‘voygelinc unde han g‘laht unde hiinah g‘weinet, wollt eyn voygelin verstump’n unde beliip ez liigen so scwer alsen wakken. Da thatih dergelihen gelihen unt endert mein tegelih thun.

Alsuz begannih tzu pflegen den akker vorm house, daszih ynne viiren tag'n tzuweilen kaum dreyn tzeilen kunnt fert'gen. Nun das ynn diut leydelih bereit'ist, kannez iederman unt ouh iuer genaden meister", und schöpft Luft, um fortzufahren: „Lauffet da itzt eyner mitten ougen durh dreye, viire unde mere unde stoszt niht eynemal an mittem fusz, wird‘er doh niht gewaaren, welh wakken unde kloitz' da g‘legen sint. Da er itzt aber hinn ge'et als yber'n gehoffelt bret, da ih’han gescuuitzet unde g'engstigt, e'e denne solh wakken unde klotz auß'm wec gereumet sint, dasz hienah eyn fein's daherge'en sey. 'zist halt'n guot liht pflegen, is'der akker erste rein. Doh eyn's tages hat sih diu muoter unt amme Erica verlegen unde beliip ouh alsen bret, dasz kein eyner sii moht bewegen tzum leben.

Da hannih auffem plan eyn grap irre gepuddelt unde that sii hineyn, unde wiider tzugethan und‘ih denck, dasz sii imer noh alda liiget. Darnah naam ih den bogen mein, verliis hous und'ouh akker unde han g‘dencket der muotern Wort, wasz'sii iyngest hat g‘saget: ez sey bey der werlde kein eynen danck tzu verdiinen. Unde da nimmer muoter selbs kan danck meer verdiinen, so willz thun irre soon.

Da wart g'rat summer undez blyyeten diu beum' unde diu blumen war'n bunt unde diu wiis’n gryn, dasz diu voygelin sprahen ynn'irren sprahen, wazz kein eyner mensc mac verste'en.

Mac wol eyne weil g'angen seyn, da hoirt ih'z gereden von mensclihen stimm'n undez klirrete von eisen unde scluc wer auff holtz. Ih fant, dasz da zuueen kerlen sih trompelten auff'n kopf herumbe, diu pletteten sih diu nasen unde bleuten sih's ouc' unde dartzu klirreten irre hemden lustic im tac-tac-takkt. Ih gedaht' der muoter mein unde frug sii nah'em namen, dasz sii ynnehiilten unde han genannet sih Eberswin unde Halpful. Ih frug sii, weszhalben sii sih gekeilet het'n als diu besencten seu' thun. Unde sii hantzu besceiden mih bestimmet, daszih ensceide, wer von denen beyden sullt werden her unde vogt tzu Itewiz. Da stiizih ieden kopf gegen eyn annern unde sprah, weß mih muotern geleeret hat, dasz al menscen alle gelih seyn unde darump ieder sein eigener her. Seidedem nenn’n wir uns Selpher, denne kein eyner ist hoyer denne der and're unde der and're niht nidrer denne irgendewer sunstens. Unde waz ih’han g‘saget, des ist allwaar!"

Und schweigt., dass Herr Nithart nun fragt, ob er nicht seinen Namen nennen wolle. Und der Selpher fährt fort:

„Ah wo! Diu muoter mein hat g‘nannt mih eynes Pursc und'eynes Luitzelmihel, doh‘ih weisz niht, op ih bin mer Luitzel oder merre Mihel. Unde hat mih ouh genannet so: Sconsonc oder Scairfitz, waz wol welsc mac seyn. Doh warz mytterlin mir boiz, scalt ez mih Scalc, Geutor unde Gouh unde tzu iyngest wol Meinbivilde ouh."

Dann lacht er, dass ihm die Tränen fließen, und dass das Gericht nicht weiß, ob’s ein Narr sei oder ein Mensch, der das Gericht mit seinem türkischen Vortrag zum Narren und Besten halten will. Und also schließt er seine Rede: „Unde wennez den gened’gen herren gefellet, myggen sii mih nenn'n wiez iinen beliipt."

Der König fragt den Narren, wie es auf Itewiz denn zugegangen sei, dass der Bursche erwidert: „Verzeyet, gened’ger unde durhlouhticster her unde konic, wenner sein genediclih oor'n mir mygge tzuwenden unde tzu eyner bitten mir offen sey, so willihez gern g‘saggen. Sii durfen mir aber niht anwurten, doh gebih dannimmer mer antwurt. -

Waz starren diu herren denne thoren unde narren? Istez niht also, dasz bey der werlt kein eynen danck tzu verdiinen ist denn’ ymm’ engelten eynes diinstes durh eyn annern? Unde sullt ih vertzuueyffeln unde sorgen darumbe, daszih mein selbs mac erhencken stat'tzu hoir'n des herren wort, dasz ih nimmer wyrd' enden anner Weid, so mac doh seyn unter'm scwert", dass der König mit rotem Kopfe fragt, „was ist's, was Du erbittest?"

„Ez steet ynn’iuer herrescaft, diu synden tzu vergeben, unde dester mer irre den Selpherren vergebet unde scencket diu leben iinen, dester mer will’unde mac ih gesagen."

Das sei abgemacht, redet der König. Nur solle er endlich zu beichten beginnen.

Und der Knabe fährt fort: „Ih tzuueyffel niht, dasz iuer genaden'z all bestens meine, doh meinih, dasz der konic sei'm wort beszer mac halten als ih'z fyrht', wenz der her Heinrih unde konic des beweiset unde ziugt von sei'm wort unde willez gelouben, wennih gese'en friunde Eberswin unde Halpful reiten eyne samet ynnen Walt unde niemannen hint'drein!"

Und es geschieht, wie der Knabe es erbeten hat, und so erzählt er nach einer langen Weile: „Ih williuh kundethun diu annern nam'n, so guot ih'z kan ynn’ iuer sprah", und wiederholt zunächst seine Red' von vor einhundertfünfundsiebenzig und mehr Zeilen: „Hie sullt sih ieglihman Selpherren nenn’n, ist‘oh etwer niht hoyer noh nidrer g‘stellet denn’etelih unde deweder niht ungeleih von ey’m annern, dasz ietweder enebene ieslihem g‘standen ist. Wil sagen auff guot diutsc: Hie sollt eyn ieder mensc sih eigner her nenn'n, darumbe das ieder sein eigener her ist, ist doh irgendewer niht hoyer noh tiifer gestellet als irgendeyner unde kein eyner von beyden niht ungeleih vom andern, dasz ieder von beyden auff geleiher ebene gestanden ist."

Da schütteln, die's gehört haben, den Kopf und denken, dass, wer solche Sätze bildet, nur ein Narr sein kann. Der Henker und Dichter aber mag nicht an einem kindlichen Narren zum Mörder werden, dass Herr Scerge dem König rät: „Ach, Genick unt Härr, laszet den gindtlischen Narren laufen, dasz nisch ter Chatten eines Verpreschens auf Eure Härrchaft fellt dursch Narrendot und Gintesmord. Als Puße, so tenkisch mir, sollte man ten Gnapen mittem chvversten pelasten, das isch ihm tenken gann: verpannen vvir ihn, daszer nimmer dietch reten hört, und zieh'n Itewiz ein, taß ter ohnmächt'ke Gnape im Elend seine Not verperg', so kuters gann. So pefrieted Ihr Dietlant und alle Vvelt vvird Euch pevvuntern als gluck und vvaise", so hat Herr Wegesceit gesprochen, und dem stimmen der Kanzler und der Schatzmeister zu, dass der König selbst sich überredet fühlt und urteilt: „Im Namen aller Dieten und des Landes verbann' ich den Selpherrn von Itewiz auf sieben und zehen Jahre in die Fremde und zieh' Itewizzen ein, dass niemand Herr von Itewiz sich nennen darf als allein der König und Herr von Dietlant!"

„Ah", redet der Selpher, „sollih byszen ynner wiltnis denne der her Gregorius?", von dem wird berichtet, dass er sich siebzehn Jahre lang allein von Luft und Wasser genährt haben soll. „Da beleibet mir kein eyne erloisunc!"

Ach, Selpher, guter Selpher, wer da anfängt, von Gnaden eine erbauliche Geschicht' zu erzählen, der kommt in des Teufels Küche. – Die lang nicht mehr erwähnte and’re Lesart führt statt dieses Einschubs einen Riusen ein mit den Worten „die Zunge plappert viel, davon der Kopf nichts weiß“.

Durch den künftigen Vogt von Itewiz wird der Recke und Knabe zum Hafen gebracht. Als sie Porthaben erreichen, ist finsterste Nacht, und der kommende Vogt spricht: „Wenn der Selpher dem Knechten Hervert Barnlip verspricht, nicht wegzugehen oder gar zu flieh'n, so will der Knecht dem Herrn ein Weib beschaffen. Denn wir armen Knecht' und verbannte Gefang'ne bedürfen doch Weiber und Huren, um wenigstens nächtens gottgleich und herrlich sein zu können. Da hat dann die Nacht ihre Lust und ist morgens vorbei und vergessen."

Und kaum, dass Selpher es versprochen, wird er durch Barnlip eine Pforte in einen nebelichten Raum gezerrt und gedrängt. Da sitzen und stehen wohl in schwülwarmer Waschküche an die hundert Leute, Wohlhochgeborene und niederen Standes, Reiche und Edle, Tage- und Nachtwerktätige und Geringfügigbeschäftigte (aber keine Hungerleider!, wie wir gleich erfahren), Bürger, Bauer und doch kein Bettelmann (denn die finden keinen Einlass oder werden sofort hinausbefördert), Gesunde und Kranke, Männer, Frauen und auch Kinder, Schwuchteln und Tunten, Große und Kleine, Dicke und Dünne, Breite und Schmale. Da wäscht ein Weib in einem dampfenden Koben Kleider und ein anderes hängt die triefende Kleidung an den Ofen. Ein drittes wäscht in einem Napf sich die Hände, (und jemand will beobachtet haben, dass es eines zweiten Gefäßes Wasser bedurfte, um sich vom ersten Wasser zu reinigen). Es duftet nach Knoblauch und Schweiß und es stinkt nach Deodorants und Eau de Cologne. Alkoholfahnen von Bier, Wein und Schnaps flattern in der Luft. Da reinigt einer sein Schuhwerk auf dem Tisch, schneuzet der andere die Nase sich im Gewande des Nachbarn und bricht darüber einen Streit vom Zaun, der die Neugier der nächsten Nachbarn der beiden weckt aber sonst niemand so recht interessiert.

Aufgetragen wird auf dem gleichen Tische, auf dem Schuhe geputzt und Zehnägel geschnitten werden, wo sich einer den Dreck unter den Fingernägeln mit der Dolchspitze entfernt, ein anderer mit dem Ende des Teelöffels im Ohre sich herumpuhlt und auf gekreuzten Armen einer den Kopf hat liegen und schnarcht, dass die Tischplatte vibriert, ein oder auch zweie Bierkrüge überschwappen und den Schläfer nässen, der brummend den Kopf zur anderen Seite dreht.

Auf Bänken und Stühlen sitzen Männer und Weiber und Kinder und zechen und tauchen das Brot in eine gemeinsame Schüssel, und ein zahnloser Alter beißt und reißt mit dem verbliebenen Zahnfleisch Brot ab, dass ihm der Sabber am Brot entlangläuft, und tunkt's erneut in die Schüssel und die Teller sind schmuddelig und von Fett noch ihr Rand und der Wein ist schlecht und scheint gepanscht zu sein und das Bier abgestanden und schal und der Wirt wirft ein, er habe genug Edle und Reiche beherbergt, und wem es nicht passe, der suche ein anderes Quartier (, doch nicht, ohne vorher zu zahlen!).

„Wahrscheinlich haben die meisten die spanische Krankheit und sind darum nicht weniger zu fürchten als Aussätzige." -

„Ach, Erasmus, tapfere Leute machen darüber sich lustig und kümmern sich nicht darum." -

„Aber diese Tapferkeit hat manchem das Leben gekostet." -

„Was, lieber Erasmus, sollen wir machen? Die Zeiten sind halt so!" hören wir an einem Tische sprechen, der abseits in einer dunklen Ecke des Raumes steht und an dem zwei bürgerliche Herren alleine bei einem Glase Rotwein sitzen und weißes Brot brechen und behutsam essen und nippen vom Weine, den sie mit Wasser verdünnen. - Dieses Gespräch, das wir eher zufällig mitbekommen haben, veranlasst den Beobachter, der Erasmus genannt wird, über Hygiene und Benehmen nachzudenken. In der Folge erscheint von ihm De civilitate morum puerilium. In der Diversoria wird er sich dieses Gesprächs erinnern.

Während Meister Barnlip mit einer drallen Person spricht, steht Selpher herum und betrachtet den Raum. Und sollten Sie, verehrtes Publikum, einmal nach Porthaben kommen, so sollten Sie nicht säumen, das Freudenhaus zu besuchen, das sich in allen Städten dieser Welt, welche auf sich etwas halten, gefunden werden kann, dass eine ausführlichere Deskription dessen, was Herr Vroidenreich und Selpher dort erblicken, unterbleiben kann. Kaum sind diese Zeilen verfasst, hat schon Barnlip seinen Schutz- und Anbefohlenen hinter einen Tisch auf eine Bank gedrückt und heißt den Wirt einschenken. Die dralle Person gesellt sich hinzu und noch ein feines Mägedelein, jung und knusprig anzuschauen.

Das sei für ihn bestimmt, redet der Vormund dem Mündel, und es heiße Blanchiufel, und fährt fort, dass seinem Weibe das ganze Haus diene und sie dem Herrn Erzbischof den zehnten Teil der Einnahmen aus diesem und jenem Geschäft abführe.

Sie versteh'n schon!

- ? -

Nicht?

Seh’n wir weiter, in ohngefähr zehn bis zwanzig Zeilen wissen wir mehr!

Inzwischen hat der Kellermeister und Wirt den vieren und sich selbst guten Wein ausgegeben und alle trinken, außer den Weibern, die nur davon nippen. Und als Hervert Barnlip lustig geworden und nicht mehr so recht bei Sinnen ist, spricht die Hausfrau, es sei Zeit fürs Bett –

eine Randnote, wie sie von einem halbirischen Gaste namens John Uuinston L. zufällig mitgenommen wird und in einem Minnelied unterm Titel Norwegian Wood verarbeitet wird -

dass die vier eine knarrende schmale Treppe hoch gehen aufs erste Stockwerk mit dunklem Flur und paarweis' in verschied'ne Kammern.

Wie Selpher die Tür hinter sich schließt, beginnt das Mägdelein zu weinen und als er nach dem Grunde fragt (und da fällt’s ihm, dem Mädchen, zunächst schwer, ihn, den Knaben, zu verstehen, - oder will es ihn nicht verstehen?, wäre doch seine Rede nur in Sütterlin zu verstehen - ), schluchzet es: „Ach, Herr, wir sind zu gezwungen und tun es gegen unser'n Willen."

Ob sie nicht ganz gut von lebe, will der Selpher wissen, dass es antwortet: „Oh ja, Herr, dass wir überhaupt noch leben ist schon genug des guten Lebens", und erzählt ihm, dass neulich seine Freundin verbrannt worden sei, da sie sich dem Herrn Erzbischof Lomm Tabloo, den das Mägdelein eine fette und verfressene Sau schilt, dass Gott es verzeihen mag, verweigert und mit frommen Sprüchen geschlagen habe.

Arme kleine Ketzerin, tröstet er die Magd und Blanchiufel, und heißt sie zu liegen und zu schlafen, er werde sie nicht berühren und sei auch kein geiler Bock und schon gar kein Klerikaler.

Und derweil sie's Bett beschläft, legt er sich auf den Boden und schläft schlecht und auch nicht recht, tut kaum ein Auge zu und darum die Ohren auf, dass er aus benachbarter Kammer heulen hört von der Hausfrau, er habe einen viel zu groben und bei allen Heiligen schwört, sie könne nicht mit einem besoffenen Schwein, dass die Stimme Barnlips auflacht und beteuert, sie mache ihren Zugang wohl nur ihm zum Nadelöhr und lasse doch bequem hohe Kamele durch, dass das Reden und Widerreden die halbe Nacht hin und her schaukelt und es mag auch auf Auge, Wange und Backe geklatscht haben, um letztlich doch in Schnarchen überzugehen.

Anderntags hält sie's Gesicht verschleiert, dass niemand sie erkenne, und Barnlip zahlt widerwillig und wird auch sobald nicht wieder auftreten, als sichs Publikum einmischt.

Ach guter mann, red' nicht solch' brimborium und laß den recken schon ins abenteuer reisen!

Doch eins nach dem andern, liebes publikum, gilt's zu berichten.
-
Unser held kann nicht!

Was kann er nicht?

Kann nicht reisen, hat nichts zu reisen: steht habelos in Porthaben, hat kein pferd, keinen karren und kein schiff ladet ihn ein, ins abenteuer zu reisen.

Wenn du willst, leih ich dir ein schiff für eine weile.

Desto eher mag unser held ins abenteuer reisen.

Also leiht mirs Publikum ein Schiff, von dem alle Welt nur träumen kann: ein Luftschiff, mit Herrn Rosary, ich trau' meinen Augen nicht!, als Piloten!

"Uuo
sultz hingeen?", fragt Bozenbein, unser Held und Selpher.

Ins nächste abenteuer,

meint das Publikum, dass Selpher entgegnet: „Niht unuuidersteelih begeeren drenct mih ynnz nehste aventiure, sundern der herrelihe Spruh treibet mih ynnz elende fremde Lant." Und schifft sich ein beim Publikum.

Auf geht die Fahrt!

Doch ungünstige Winde lassen den Traum von einem Schiff stranden, dass unser Held, statt ins Abenteuer zu segeln , in den Hafen zurückspaziert.

Drei Schiffe liegen dort, welche in kurzer Zeit den Hafen verlassen sollen:

Das erste ist eine prächtige Kogge und soll übern Nortwec gen Riusenlant segeln, dass es sehr, sehr weit klingt und auch sehr, sehr schlimm, denn nass und kalt sei es auf dem Nortwec, muss Selpher sich sagen lassen, und des Sommers ginge die Sonne nicht unter, dafür winters erst gar nicht auf, dass zum einen schwerlich zu schlafen und zum anderen ein beschwerliches Wecken sei. Und von den Riusen werden schier unglaubliche Dinge erzählt, wie etwaig „“, und dass dorten viele, allzuviel Wässerchen zu solchen Weisheiten getrunken werde, dass wir, wie immer, weder Wahrheit noch Lüge unterscheiden können und somit besser darüber schweigen.

Ein zweites Schiff segelt nach Iendar und ist wohl schon halb dort und zur anderen Hälfte noch hier, dass ein anderer Schiffherr über das Halbschiff lacht und fürs dritte Schiff gar trefflich wirbt: „Ich warn' Dich, elender Recke, dieses Schiff zu besteigen! Überall und nirgends liegt sein Ziel, denn Iendar ist immer da, wo Du gerad' nicht bist, dass Du nimmer Iendar erreichen und eher verrecken magst. Wie solltestu auch mit dem Wrack von Schiff irgendwo hinkommen? - Die eine Hälfte segelt schon irgendwo, nur nicht in diesem Hafen. Halb ists Schiff schon in Iendar, doch halb liegt’s noch hier. Und jedes Kind sieht ein, dass Iendar ein reichlich unbestimmtes Ziel sein muss."

Das leuchtet ein, und so entscheidet sich unser Held fürs letzte Schiff, das nach Ninder segeln soll. Zwar soll Ninder bei Iendar liegen, doch ist es genauer als Iendar zu bestimmen: ist Iendar vieldeutig überall und damit nirgends, so ist Ninder einfach nirgendwo. Mögen alle Wege nach Iendar führen (und manche daran vorbei), dass niemand sagen kann, welcher nun der rechte sei, so weiß doch jedermann, der leidlich denken kann, welcher Weg nach Ninder führt.

Der Schiffsmeister hat die Fracht für Ninder laden heißen und Grieß wird in den Schiffsleib getan, dass das Schiff sich tief ins Wasser legt. Bald schon geht die Reise los, denn der Wind steht günstig und Nippzeit ist.

Ruhig segelt das Schiff dahin, tagaus, tagein. Strömung und Wind begünstigen die Fahrt, dass sie trotz kurzer Weile lange weilt, denn nichts weiteres geschieht vier oder weniger Zeilen lang, als dass Wasser gepflügt wird und leise plätschert, dass gegen Ende der dritten Zeile irgendwo zu ihrer Rechten Land gemeldet wird. Doch die Rufe eines anderen Matrosen lassen aufmerken. Der Wind frischt auf und treibt mit wachsender Macht das Schiff vom Kurs ab und weg von Ninder. Sofort lässt der Schiffsmeister die Segel einrollen, aber die lassen sich nicht und nie mehr einholen, denn der Wind ist nicht zu bezwingen, wie sehr sich die Schiffersleute auch bemühen. Die Segel schwellen weiter an, dass der Schiffsmeister die Segel zerschneiden lässt, Stück für Streifen und Streifen für Stück, und alle hoffen, dass des Schiffes Lauf gehemmt werde. Aber der Himmel verfinstert sich und es zieht ein Gewitter auf und beginnt zu regnen wie aus Kübeln. Aus allen Richtungen ergießt Wasser sich über Schiff, Männer und Ladung. Von oben und unten, von vorne und von hinten, von Back- und von Steuerbord und aus einer siebenten in die Hosen der Männer, dass nicht vier oder fünf Jahrhundertbauwerke die Menge Wasser hätten aufnehmen können und auch nicht ganz China. Und ist donnern und blitzen, und wem Aug' und Ohr' wert sind, mag gar nicht hinsehen und hören und solche Seefahrt meiden, denn alles Tosen und Heulen und Donnern und Blitzen betäubet und blendet, dass einem spätestens hier hören und sehen vergehen muss.

Die Matrosen schlagen sich wieder und wieder an die Brust, und beten und flehen die einen, so geben die anderen sich und das Schiff auf und in den Willen des blind tobenden Geschicks. Dann erhebt sich ein furchtbarer Schrei: der Grieß wird feucht in kochender See und quellt auf, dass den Männern ihr Schicksal klar wird!

Wer hier Seemann ist,
wird ersäuft und dem wird das kleinste Glück im Meer ertrinken.

Die Männer gürten sich auf den Tod und lassen das Beiboot zu Wasser. Aber das wird gegen die Schiffswand gedrückt, dass es zerschellt. Und der Grieß quellt und quellt, dass einem grieselt und das Schiff kracht berstend auseinander. Von dem Ungewitter ist mir noch heute speiübel, dass ich mich erst erholen muss, bevor ich unseren Herrn Vroidenreich und Selpherrn Bozenbein retten kann.

Und lege mich auf meine Dichterpritsche, die Schrecken zu vergessen.

 

Guten Morgen, Friedrichard,

Wer hier Seemann ist,
wird ersäuft und dem wird das kleinste Glück im Meer ertrinken.
glücklicherweise sind wir keine Seemänner, oder, mit Herrn Jandl zu sprechen " dos i a so a drottl bin duad ma ned weh wäu i wiara jede drottl olles bessa faschdeh."

Deine gekürzte Volksausgabe braucht Zeit, um mehrfach gelesen werden zu können.

Nichtsdestoweniger mag Deine weitere, durchaus ab- und ausschweifende Folge, die Rettung der Selpherren betreffend, den Leser zum Augen- und Hirngenuss locken, so die Übelkeit von Dir abfiele, Du Dich von der Dichterpritsche erhöbest und eine solche Fortsetzung, von drottln erwartet, schriebest.

Guten Wind dazu pustet :-)
Gingiko, sich zugleich neu in diesem Forum hier vervorstellend

 
Zuletzt bearbeitet:

Frei nach Jandl hat sich allhier der Text niedergelegt - oder ist er hingelegt worden? - und hat sich zugedeckt. "Da lieg schön brav, und schrei doch nicht so nach einer Fortsetzung!" Und doch, liebe Gingiko, (hier kannstu ein beliebiges Hilfsverb einsetzen)'s halt so sein und kommen, denn die Übelkeit ist abgefallen & mein gebrechlicher Leib hat sich von der Pritsche erhoben.

Damit erst einmal einen guten Tag und herzlich willkommen auf Kurzgeschichten.de, Gingiko!

Deine Zeilen tun gut in unruhiger Zeit, wo ich doch gerad an anderer Stelle gezüchtigt werde und da ist auch das Jandl-Zitat hilfreich beim trotteln durchs Leben.

Nun ja, für den Text braucht's Zeit, es brauchte schon einige Zeit, ihn zu schreiben und dann wieder zu kürzen (die Welt ist halt bekloppt). Aber welche Funktion hat die Vorsilbe bei der "Vervorstellung"? Ich galub nicht, dass Du Dich "ver"tan hast.

Gutes Lüftchen wehend

Friedel

 

Aber welche Funktion hat die Vorsilbe bei der "Vervorstellung"?
Wann immer sich jemand im Forum vorstellt, erzeugt er bei den Lesern assoziative Vorstellungen, ohne unbedingt selbst eine Vorstellung geben zu wollen, und verstellt damit den Blick auf die eigene Person, weshalb es angemessen erscheint, zwar nicht Stühle, aber doch sich selbst bewusst zu verstellen, weil dann wenigstens die Verstellung der eigenen Stellung durch die anderen besser eingeschätzt werden kann.

Aber Scherz beiseite, Friedrichard, Glasnostch ist ein Fremdwort. Vielleicht bist Du ja Quinn und Gisanne zugleich, wie kann ich das als Neue wissen? Deshalb ein bisschen ver-, aber alles im Yin- und Yang-Bereich der

Gingiko

 

Hast dich bei der Rubrik vertan, Friedel?

Wirf nicht mit Steinen, aber ich habe nur die ersten zwei Absätze gelesen und lange gegähnt, weil ich aber nicht einschlafen wollte, habe ich abgebrochen. Mir gefällt die Sprache nicht, und was hier geschrieben wird, ist für Jugendliche, du wirst keinen Jugendlichen finden, der das hier lesen wird, geschweige den gut finden wird.

Wenn den Alten geglaubt werden darf, und wer zweifelt schon am Wort der Aeltern,
Eeeeeeehhh... ja.

JoBlack

@Taucher aka Kind, hast echt keine Freizeit, was? :)

 

" ... du wirst keinen Jugendlichen finden, der das hier lesen wird, geschweige den gut finden wird."

Einen schönen Sonntag Euch beiden!

Hallo Gingiko,

nein, ich nenn' mich nicht Gisanne,
die in den Schweizer Bergen steht gleich einer Tanne,
und heiß mich auch nicht Quinn,
denn nie käme es in meinen Sinn
und haute mich selbst als Kasper in die Pfanne.

Aber Spaß beiseite: Deine Zeilen zeigen an, dass Du nachdenkst und um die Möglichkeiten der Verstellung im ano- und pseudonymen Meer unter KG.de weißt. Ich spür, dass wir einiges von Dir erwarten können (und dürfen?).

-

Hey Jo(e),

hab mich nicht in der Rubrik vertan. Dass dies die falsche Rubrik wäre - Du7 erkennst meine Meinung an der Wahl des Konjunktives - bezweifel ich. Der Text ist "jugenderprobt", da eine ursprüngliche Fassung eben von jungen Leuten, Jugendlichen halt und jungen Erwachsenen ("twens" wie's im Neudeutschen heißt) vorweg gelesen wurde. -

Interessant wäre zu wissen, ob G. unter diese Gruppe zu rechnen ist oder ob ich mich da irre.

Aber das hat man schon mal, dass man so recht nix mit einem Text anfangen kann. Auch ich hatte mal einen Text, bei dem ich nicht einmal über eine Seite hinauskam und einen schweren Kopf bekam. Ich nutzte das Werkchen dann, wenn ich nicht einschlafen konnte, als Schlafmittel - und es funktioniert bis heute, satte zwanzig und mehr Jahre lang. Es handelt sich in aller Bescheidenheit umd den "Archipel GULAG", mit dem ich wohl zeitlebens weiter kämpfen muss, obwohl die anderen Werke A. S. von mir verschlungen wurden.

Und im Vertrauen: man muss nicht alles mögen, wie man ja auch nicht alles wissen/kennen usw. muss.

Aber - das ist keine Drohung - wie ich zuvor Gingiko zugesagt habe, der Text wird eine Fortsetzung finden ...

Es grüßt Euch beide

Friedel

 

Hallo Friedel,

ich verstehe die Geschichte nicht, und weiß noch nicht einmal warum: an meiner Jugendlichkeit müßte es liegen, wenn man der Kritik Glauben schenkte, aber die ist schon so lange her - hast Du den Text auch im Seniorenheim erprobt?

Gruß Set

 

Hallo Set und danke fürs Lesen.

Das "Warum" kann ich natürlich auch nicht beantworten. Mit Erläuterungen außer einer will ich mich zurückhalten, auf die Gefahr hin, dass es doch nicht hilft: was war am 3. d. M.?

Die Anregung werd ich auf- und Bingo mitnehmen, die Zimmers aufsuchen.

Gruß

Friedel

 

Mensch Friedel,
wenn Schwerverständlichkeit, Sendungsbewusstsein und Meisterschaft in intellektueller Verstiegenheit hier preisgekrönt würden, würdest du immer auf dem Treppchen stehen!!! Ich merke ja, dass es dir Spaß macht, so zu schreiben wie du schreibst, frage mich allerdings schon, ob es denn nur für ganz und gar Eingeweihte sein soll? Wenn Ja, was ist schlimm daran, wenn VIELE deine Geschichte verstehen, wenn Nein, warum muß es dermaßen verklausuliert sein? Und antworte jetzt bloß nicht, dass es doch eigentlich ganz einfach sei, das fände ich echt hypertroph! (Superwort, was?)
Mit, nach dem Lesen der Geschichte, etwas schlappen Grüssen,
Jutta
P.S. Welche Salemschüler haben die Geschichte denn gelesen???

 

Klingt zu Beginn fast wie Mensch ärgere Dich nicht,

Jutta,

immerhin hätt' ich dann'nen Preis.

Spaß macht es auf jeden Fall, aber an anderer Stelle wird eben auch bemängelt, wenn's mal nicht verklausuliert wird. Es ist ein Jammer!

Aber im Ernst: Was habt ihr denn alle gelesen? Set liest derzeit eine Neuerscheinung über, nicht von Homer. Schaffte einer noch die Voss'sche Übersetzung der Ilias? Oder werden wir eines Tages Fidji
(s)brechen? Und das, obwohl Du solche Superwörter kennst.

Warum lest ihr die Selpherriade denn am Stück?

Gruß & schönes Wochenende, das Dinner for one geht dann weiter ...

Friedel

"P.S. Welche Salemschüler haben die Geschichte denn gelesen???" -
Ich kenn gar keine ...

 

Hallo Fridrichard

Zitat: Das hats mytterlin mein mir g‘sagget, dasz ih sullt guot unde diutlih reden, darumbe dasz ieder mih verstynd'
(Das hat meine Mutter mir gesagt, dass ich gut und deutlich reden soll, so dass jeder mich versteht)
Schönen Gruß ans Mütterlein: Recht hat sie.

Da iss son Stück griechischer ? Text (der hier nicht angezeigt? wird ), fürs Prekariat bitte mit Übersetzung.

Die Jugendlichen, die das lesen und auch verstehen sollen, musst du erst noch heranzüchten.
Die von dir erwähnten Ausnahmekids hast du bestimmt gedopt, gibs zu. Die Empfehlung, den Text zwecks besseren Verständnisses mehrmals zu lesen, verstehe ich als Aufforderung zu masochistischen Handlungen. Aber wir leben ja in einer Demokratur, jeder hat das Recht unverstanden zu bleiben.
Deine Beziehung zur alt- hoch – mittel oder sonst wie gelagerten teutschen Schprache in allen Ehren, doch ich sehe darin nur eine konfuse Minderheitenprosa, zumal auch inhaltlich arg banales Themengut verwurstet wird.
Auf der anderen Seite kann ich dir meine Anerkennung für die Mühe nicht verhehlen, die das Entwerfen der altertümlich klingen sollenden Kunstsprache dich gekostet hat. Du stellst Ansprüche, der Leser wird gefordert. Also, was das Lesen angeht. Der Rest ist Trash. Auch wenn es mich nun den Kopf kosten sollte, das mußte gesagt werden.

Ich darf mal Nabokov zitieren: „Außerdem war mir Heimatliteratur voll kurioser Altertümeleien und imitierter Aussprache immer ein Greuel.“

Viele Grüße
Hawowi

 

Hallo Hawowi,

hat Dich hier die Neugier übermannt? Das Zitat ist doch großartig übersetzt unds Mütterlein hat - selbstverständlich - recht. Leider ist das Mütterlein bereits in die Grube gefahren, dass der Gruß nicht ausgerichtet werden kann.

Doch Spaß beiseite: warum den Text als "griechischen" bezeichnen, wenn man's besser weiß? Hier vor Ort wurde das Nibelungenlied im Original vorgetragen und die Zuhörer waren begeistert, obwohl sie wohl nix verstanden hatten. Es war im Sommer in der Jugendfreizeit und die "Kids" hielten es für - türkisch. Da fragt man sich dochj eher, was da herangezogen (statt gezüchtet) wird. Aber so ist es, wie gegen Geschichte so regt sich Widerstand und Widerwille gegenüber der älteren Sprache, vor allem gegenüber nicht ganz so einfachen Texten, da sie Arbeit bedeuten und nicht nur einfach zu konsumieren sind. Dabei sind wir doch nur Zwerge auf den Rücken von Giganten. Oder glaubstu im Ernst, dass wir ohne (Vor-)Leistung irgendwas gebacken bekämen? Wen's interessiert, der braucht kein Dope, und wie banal dieses und jenes ist, was hier Trash ist, da brauchen wir uns nicht zu unterhalten. Und sind wir nicht alle in unterschiedlichsten Minderheiten beheimatet? Aber warum sollte es Dich den Kopf kosten? Und wie sollte das gehen?

Danke fürs Lesen!

Friedchen

 

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