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Die Segelpartie

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19.09.2013
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Die Segelpartie

Die Segelpartie

Lutz freute sich über die Sonne, die morgens in sein Bett schien und ihn mit ihren Strahlen weckte. Er duschte, frühstückte und radelte gut gelaunt durch den Wald zum Segelhafen. Mit Leichtigkeit nahm er heute die Steigungen und schaffte die sechs Kilometer in weniger als 20 Minuten. Die Sonne hatte das Boot vom Tau getrocknet, es lag erwartungsvoll im Hafenwasser und schaukelte leicht im Wind. Lutz entfernte die Persenninge und setzte das Ruder mit der Pinne ein. Er zog die Schwimmweste an und löste die Leinen. Mit dem Bootshaken stakte er die weißblaue Jolle vorbei an den anderen vertäuten Schiffen zum letzten Pfahl der Steganlage und befestigte die Vorleine ordnungsgemäß an Pfahl und Schiff. Nun senkte er das Metallschwert ab und hisste das Großsegel. Der Wind drehte das Boot und ließ das Segel hin- und herflattern. Lutz verschloss die Kajüte, löste die Vorleine und kletterte schnell nach hinten an die Pinne. Der Wind drückte das Boot in den Hafen, aber mit Schot und Pinne gelang es Lutz, eine Wende zum See hin auszuführen Nun konnte der Spaß beginnen. Mutig rollte er die Fock aus, setzte sich auf die Bootskante, lehnte sich hinaus und stemmte sich gegen die Krängung des Bootes, indem er die Füße unter das dafür vorgesehene Band klemmte. Er beschloss, zunächst mit dem Wind nach Süden zu segeln. Das ging flott und verlangte nur wenig Anstrengung von ihm. Er passierte den dunklen Wald, durch den er gerade mit dem Fahrrad gekommen war, und erreichte das Paradies, eine kleine Badebucht, in der so früh am Morgen aber noch niemand in der Sonne lag. Nach einer Viertelstunde erreichte er das Südende des Sees und musste mit den böigen Winden kämpfen, die hier plötzlich über den Berg einfielen. Eine Bootslänge vor dem Fahrgastschiff, das am Anleger gerade Passagiere aufnahm, gelang ihm schließlich die Kursänderung nach Osten. Er steuerte auf den Dom zu und musste einigen Booten der Segelschule ausweichen, die gerade abgelegt hatten und immer unberechenbar manövrierten. Er segelte in den kleinen See hinter der Dominsel, wobei er wieder vor den Wind kam. Bald hatte er den äußersten Winkel des Sees erreicht und legte an. Auf der Terrasse des Eiscafés gönnte er sich einen Cappuccino und ein Stück hausgemachte Erdbeertorte. Eine junge Frau bediente ihn, sie war fröhlich und sehr attraktiv. Lutz überlegte, wie er ein Rendezvous arrangieren könnte. Als Sie die Rechnung brachte, fragte er, ob sie Lust auf eine Segelpartie hätte. „Derzeit muss ich ja arbeiten“, meinte sie, „aber an einem anderen Tag bei gutem Wetter können Sie gerne wieder nachfragen, Sie wissen ja, wo ich zu erreichen bin.“ „Nein“, antwortete er rasch, „wenn Sie nicht arbeiten, weiß ich ja nicht, wo ich Sie finde.“ – „Dann geben Sie mir eine Handynummer, vielleicht melde ich mich.“ Er schrieb die Nummer auf die Rückseite des Kassenzettels und lächelte. „Danke, dann schauen wir mal“, sagte sie freundlich. Lutz erhob sich nachdenklich, er konnte seine Chancen kaum einschätzen.
Er musste zurückkreuzen, denn nun kam der Wind vorwiegend von vorn. Beim Wiedereintritt in den großen See musste er eine flache Uferstelle umsegeln, die schon manch einem Segler zum Verhängnis geworden war, doch er passierte sie ohne Probleme. Der Wind frischte auf. Als er die Mitte des großen Sees erreicht hatte, musste er sich weit hinauslehnen, um einerseits den Kurs zu halten und andererseits das Kentern zu verhindern. Immer wieder musste er die Schot öffnen oder anluven, um eine zu starke Krängung zu vermeiden. Er brauchte alle Konzentration und Kraft, er durfte keinen Fehler machen. Außerdem musste er öfter wenden, was jedes Mal ein Risiko darstellte, weil er die Pinne festhalten, die Fock auf die andere Seite ziehen und gleichzeitig seinen Platz auf dem Bootsrand verlassen und auf die andere Seite wechseln musste. Einmal schwappte dabei eine Welle ins Boot, sodass er nun mit nasser Hose weitersegeln musste. Für die Rückfahrt brauchte er unter diesen Bedingungen etwa eine Stunde. Etwas entkräftet und immer noch angespannt erreichte er die Reetwiese vor der Hafeneinmündung. Nun sprang der Wind um. Direkt über ihm hatte sich eine Gewitterwolke zusammengezogen. Er versuchte die Fock einzurollen, was ihm bei dem starken Wind aber nicht gelang. Immerhin hatte er nun die Höhe des Hafens erreicht und konnte mit halbem Wind einlaufen. Plötzlich verklemmte sich aber der Pinnenausleger an der rechten hinteren Klampe und das Boot nahm eine Kreiselbewegung auf. Der Aluminiumbaum schlug ihm an den Kopf und an Kurshalten war nicht mehr zu denken. Nach einer ganzen Runde bekam er die Pinne frei und steuerte wieder auf den Hafen zu. Da erfasste eine mächtige Böe die Segel und schob das Boot mit großer Geschwindigkeit vor sich her. Nun hätte Lutz die Segel einholen müssen, aber dazu kam er nicht. Bei einer ungeschickten Bewegung kippte er rückwärts über Bord und spürte, dass das Wasser Anfang September schon relativ kalt war. Die Weste trug ihn, der Kopf blieb oben, sodass er beobachten konnte, wie sein Schiff ungebremst auf den südlichen Steg zusteuerte und eines der anderen Schiffe am Heck traf. Es gab erst einen Rums und dann ein knirschendes Geräusch. Sein weißblaue Schiff drehte mit dem Heck nach rechts ab und wurde erst gebremst, als das Schwert sich in den Grund bohrte. Die Segel schlugen heftig um sich. Lutz schwamm hinzu und versuchte hineinzuklettern, was ihm aber nicht gelang. Die Kleidung war zu schwer geworden. Er musste an Land waten und die Schwimmweste ablegen sowie die Segeljacke. Dann konnte er zum Schiff zurück, die Segel herunternehmen und den Bootshaken aus der Kajüte holen. Das Schwert konnte er hochholen, aber das Boot konnte er mit dem Bootshaken nicht bewegen, der Wind war zu stark. Er schob es ans Ufer, bis der Bug auf dem Land halt fand. Nun zog er die lange Hose aus und versuchte das Boot im Wasser watend mit der Hand zu seinem Liegelatz zu ziehen. Das gelang nach einer Weile, er musste einiges Schilf umfahren, das den Hafen in zwei Teile teilte. Endlich lag die Jolle an den Leinen fest. Er besichtigte die Schäden an beiden Booten und schätzte die Kosten in der Werft, zum Glück hatte er eine Haftpflichtversicherung abgeschlossen. Der Schaden am eigenen Boot war nicht messbar, denn es gab einen Gummischutz rund um die Oberkante des Rumpfes. Missvergnügt klarte er sein Schiff auf und erkundigte sich, wem das beschädigte Boot gehöre. Einige Segelfreunde, die inzwischen eingetroffen waren, gaben ihm Auskunft und viele gute Ratschläge, wie man es hätte besser machen können. Darunter litt er jetzt am meisten und schlich sich zu seinem Fahrrad davon. Mit nasser Hose, Unterhose usw. radelte er im jetzt beginnenden Wolkenbruch nach Hause. Er merkte den Regen kaum noch, umso mehr aber die folgende Erkältung, die ihn eine Woche ans Bett fesselte. Seine Karte für das Gastspiel der Berliner Philharmoniker mit Sir Simon Rattle am Dirigentenpult musste er verschenken. Aber da kam ihm eine Idee, für die er allerdings noch einen Boten finden musste.

Glossar

Persenning: wasserfeste Abdeckung
Pinne: Hebel für die Bedienung des Ruders
Jolle: formstabiles Schwertboot
Schwert: anstelle eines Kiels angebrachte, versenkbare Platte zur Stabilisierung
Schot: Leinen zur Bedienung der Segel
Fock: Vorsegel
Krängung: Seitenneigung
Anluven: mit dem Bug in den Wind drehen
Halber Wind: seitlicher Wind
Klampe: Vorrichtung zum Befestigen von Leinen

 

Hallo Id,
dann sag´ich mal herzlich willkommen, und viel Vergnügen hier im Forum. Schwierig, wenn sich einer als Deutschlehrer outet, die haben mir doch immer mit dem Rotstift eins reingewürgt und so einen soll ich jetzt verbessern?
Nun senkte er das Metallschwert ab und hisste das Großsegel. Der Wind drehte das Boot und ließ das Segel hin- und herflattern.Na ja, eben nicht. Ich lasse das Schwert als letztes runter, damit das Boot sich beim Segelsetzen besser nach dem Wind ausrichten kann.
Immer wieder musste er die Schot öffnen oder anluven,
Ich kenne nur: das Segel öffnen, dazu die Schot fieren...

Aber warum willst Du mir das erzählen? Ich lese nur, dass er segelt, die Kellnerin attraktiv fand, wieder segelt und mangels Geschick nass und kalt und krank wird, deshalb nicht in das Konzert gehen kann, und nun, statt die Kellnerin zum Segeln einzuladen, will er ihr die Karte schenken, damit sie allein dorthin geht...ziemlich entsagungsvolles Leben, trotz Boot und Erdbeertorte.

Schilderungen vom Segeln haben oft das Problem, als Aufzählung zu wirken, da die Emotionen, die man als Segler damit verbindet, nicht vermittelt werden.
Zum Beispiel, dass er vor dem Wind zur Erdbeertorte segelt und der Kellnerin begegnet, und auf dem Weg zurück kreuzen muss, macht die Geschichte völlig anders, als würde er zum Restaurant kreuzen, kalt werden, sich beim Cappucino aufwärmen und zurück mit dem Gefühl der schönen Begegnung vor dem Wind in der Abendsonne dahingleiten: rolling home...aber eben nur für Segler, ein Nichtsegler kann die Verknüpfung zwischen den verschiedenen Kursen und den damit verbundenen Gefühlen nebst Symbolgehalt nicht herstellen und empfindet nichts dabei. Der benötigt eine abstraktere Schilderung des Segelns und eine direktere der Gefühle und Gedanken, die dem Prot. dabei kommen.

Gruß Set

 

Hej Idf48,

ich verstehe nicht, warum Du die Geschichte nicht in Alltag gepostet hast.

Dass Schilderungen vom Segeln sich grundsätzlich für Laien nicht eigenen, glaube ich nicht. Aber es spielt schon eine Rolle, wie man das ganze verpackt. Alle möglichen Seefahrergeschichten sind mit Bezeichnungen gespickt, die sich dem Leser nicht unbedingt sofort erschließen und es auch gar nicht müssen.

Wenn dieses Vokabular und der bloße Akt des Segelns aber wie bei Dir derart im Vordergrund steht, während sonst wenig passiert, müsste mich so ein Text sprachlich anders packen, damit nicht innerhalb kürzester Zeit die Luft raus ist.

Und obwohl ich lesen kann, welchen Weg Dein Protagonist nimmt und welche Konsequenzen sich daraus ergeben, scheint er kein wirkliches Ziel zu haben und auch keine wirklichen Hindernisse überwinden zu müssen (es sei denn man möchte eine Erkältung als Hindernis ansehen).

Ich stimme Set zu, wenn er fragt

Aber warum willst Du mir das erzählen?

Noch zwei Sächelchen:

Sein weißblaue Schiff
s vergessen

Mit nasser Hose, Unterhose usw.
Wenn er im Wasser lag, schwamm und sein Hose nass geworden ist, geht wohl kaum jemand davon aus, dass die Unterhose trocken geblieben ist. :)

LG
Ane

 
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Wenn ich das Groß hisse, bevor das Schwert unten ist, treibt mich der Wind schnell in den Hafen zurück und es dauert länger bis ich an der Pinne bin und den Kurs korrigieren kann. Man kann schon die Segel fieren, dazu muss man die Schot entsprechend lockern. Ein harmonisches Ende war nicht das Ziel, ich wollte den Misserfolg gestalten und dann einen Ausweg andeuten.

Ich kenne mich mit den Rubriken nicht aus, aber als alltäglich würde ich die Handlung nicht bezeichnen.
Ich erzähle die Geschichte, um bei dem einen oder anderen Leser Erinnerungen an ähnliche Erlebnisse zu wecken. Ich finde das Geschehen auch an sich nicht langweilig, sondern dramatisch. Die Unterhose habe ich erwähnt, um das unangenehme Gefühl hervorzuheben, nicht wegen der Vollständigkeit.

(ich habe die beiden Beiträge hier zusammengefasst, es ist nicht üblich für jede Aussage jeweils ein neues Kästchen zu verwenden, soweit sie an einem Tag erfolgen)

 

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