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Die Schwarzen Reiter
Die Prophezeiung spricht von drei Tönen, die erklingen werden, wenn die Schwarzen Reiter nicht finden, was sie suchten. Und sie haben es nicht gefunden.
Als die drei Töne über die Erde hallten, wussten alle, nun war die Zeit gekommen, um zu sterben.
Der erste Ton erstrahlte so hell, niemand vermochte zu sagen, woher er kam. Als er verklungen war, bezog sich der Himmel und niemals mehr kam das wärmende Licht der Sonne auf die Erde hinab, niemals wieder sah ein lebendes Wesen ihren Glanz, oder konnte ihre Wärme spüren.
Der zweite Ton folgte nur eine Woche später. Es war ein hässliches Knirschen, das jedem Lebewesen einen eiskalten Schauer über den Rücken jagte. Dem Ton folgte ein Unglück, wie es die Welt noch nicht gesehen hatte. Die Welt schien zu bersten, in ihren Grundfesten erschüttert, tat sich ein Schlund auf, der jeden verschlang und ihn direkt in die Hölle stieß.
Und hier setzt die Geschichte ein. Es war an einem verregnetten Morgen, als im fernen Land Nobirt der zweite Ton zu vernehmen war. Die Besucher einer kleinen aber gemütlichen Kneipe, die zum jagenden Eber hieß, hielten sich verzweifelt die Ohren zu, sie wollten sich gegen diesen unnatürlichen Ton wehren, jeder außer einem verwahrlost aussehenden Wandersmann, der nur auf diesen Ton gewartet zu haben schien. Er blickte verloren aus dem Fenster, als um ihn herum die Panik ausbrach. Das kleine Dorf in welchem die Schenke stand, lag malerisch eingebettet von großen Bergen nicht unweit von einem großen Bergsees. Nicht enden wollende Blumenfelder rahmten die einfach Stadt, mit ihren genügsamen Bürgern ein und der Wandersmann fühlte ein wenig die Schuldgefühle in sich aufsteigen, doch auch das nur wenige Augenblicke lang. Denn im nächsten begannen die Berge rings um das Dörfchen an zu beben. Ein Riss so groß wie ein Lindwurm begann sich ebenso ins Tal zu schlängeln, zerstörte weit über die hälfte der Gebäude und riss viele der gottestreuen Einwohnern in den Tod. Nun reute es den Wanderer wirklich, aber er konnte es nicht ungeschehen machen, er wollte es auch nicht, hatte er doch immer noch...- seinen Reif. Er holte ihn verstohlen aus einer Seite seines Mantels, betrachte den Reif liebvoll, strich zärtlich über das glänzende Gold und ließ den Reif wieder in seiner Tasche verschwinden. Er ging seelenruhig durch die völlig aufgelösten, weinenden, verwirrten und in Panik geratenden Menschen zur Theke, bezahlten mit ein paar Silbermünzen sein Bier, verabschiedete sich und trat aus der Schenke. Er musste einmal tief durchatmen, dann begann er über tote und verwundete Dorfbewohner zu steigen, an zerstörten Gebäuden und an dem unendlichen Schlund vorbeizugehen, bis er die Grenze des Dorfes erreicht hatte, dort warf er einen letzten Blick zurück. Schreie, Weinen und Wehklagen verfolgten ihn noch lange nachdem er das Dorf hinter sich gelassen hatte. Drei Tage und drei Nächte reiste er, bis er den dritten Ton vernahm. Da sich die andauernde Finsternis über das Land gesenkt hatte, konnte er am Horizont die riesige Feuerwand sehen, bevor er den abnormalen Ton hören konnte. Ein Pfeifen, welches anschwoll zu einen gleichmäßigen Schrei, der sich weder in Tonlage noch in Lautstärke veränderte, bis er endlich nach einer Minute verebbte. Der Wanderer hielt sich die blutenden Ohren, und hätte er noch weiter zugehört, hätte er die ersten Schreie gehört, die Schreie mit denen die Welt untergehen sollte. Menschliche Schrei, die den Schrecken, der sie hervorgerufen hatte wiederspiegelten. Ein Grollen erhob sich aus den Spalten auf jedem Kontinent, das Grollen schwoll an, bis es nur noch als wildes Getrampel von Hufen zu verstehen war.
Die armen Seelen, die sich aus Neugierde an die Ränder der Spalten gewagt hatten, wurden zuerst von den dämonischen Horden der Schwarzen Reiter niedergetrampelt. Zu Tausenden kamen sie aus den Spalten, ihre Obsidianschwerter blitzten im Schein der entzündeten Fackeln, als sie begannen, unter den Überlebenden der ersten beiden Töne zu wüten. Niemand konnte ihnen Wiederstand leisten, sie ritten jeden nieder, der es wagte sich ihnen entgegen zu stellen. Eingehüllt in schwarze Tataren, ohne Gesichter waren sie die Geißel der Menschheit und jeder der noch laufen konnte, floh. Aber sie waren bald überall. Der Wanderer hatte das alles schon kommen sehen. Wieder betrachtete er seinen geliebten Reif. Aber sie werden ihn nicht bekommen, niemals, so viel stand für ihn fest. Immer wieder glitten sein eiskalten Finger über die Kerben des sonst so ebenmäßigen Metalls, es waren Buchstaben, doch konnte er sie nicht lesen, das war auch nicht nötig, er hatte den Reif und allein das zählte. Er hatte ein Unterschlupf unweit der Großen Berge gefunden, in denen auch das kleine Dorf lag, in dem nun niemand mehr lebte. Plötzlich vernahm er Stimmen:“ Wir müssen weiter, beeil dich!“ Das war doch unmöglich, es war der Wirt aus dem Dorf! Er hatte seine Frau und seine junge Tochter dabei. Irgendwie musste er dem Feuer, dem Erbeben und den Reiter entkommen sein, bis jetzt jedenfalls. Der Wandersmann wollte sich schon wieder in sein sicheres Versteck zurückziehen, als ihn die Gier übermannte. Das Glühen in seinen Augen entzündete ein Feuer unstillbaren Verlangens. Er kroch aus der Höhle und schlich hinter der Familie her. Die Frau des Wirtes klagte unentwegt:“ Warum straft uns Gott so? Wir haben doch immer nach seinen Geboten gelebt!“ Ja, dachte der Wanderer, wo ist er jetzt dein Gott? Er zog seinen Dolch aus der Scheide, nun wollte er sich auch den Besitz dieser Menschen aneignen. Doch hatte ihn seine Gier verraten. Das Grummeln in weiter Ferne beachtete er erst gar nicht, als er aber das Schnaufen der untoten Pferde vernahm, wand er sich erschrocken um und sah sich einem der schwarzen Reiter gegenüber. Aufgerichtet saß er im Sattel, seines riesigen Pferdes und zeigte mit seinem skelettiertem Arm auf ihn. Der Wanderer wusste was die Gestallt haben wollte, sie wollte den Reif, aber sie würde ihn nicht bekommen, ein wahnsinniger Ausdruck trat in seine Augen, als er einen scharfen Bogen schlug und in das dichte Gehölz des nahgelegenen Waldes floh. Er wusste nicht was mit der Familie des Wirts geschah, aber sehr wahrscheinlich waren auch sie bereits tot. Er rannte, bis der Schmerz in seiner Brust zu einem Feuer entfacht hatte, das ihn zu verzehren drohte. Aber er konnte das Knacken der Äste unter den beschlagenen Hufen der schwarzen Pferde hören. Er mobilisierte alle seine Kraftreserven, gab nicht auf, und tatsächlich schien sich das Getrampel wieder zu entfernen. Blätter, Äste und Dornen schlugen ihm ins Gesicht, er verspürte nicht das geringste. Weiter, schneller, er musste entkommen. Das Laubwerk der Bäume, ihre Stämme und alle Büsche verschwammen vor seinen Augen zu einer einzigen grünlich, bräunlichen Masse, aber er lief weiter. Vorbei an Bäumen, schlug Hacken sprang über einen kleinen Bach. Und plötzlich brach ein großer Schatten aus dem Gebüsch neben ihm. Er schrie verzweifelt auf und wand sich in die entgegengesetzte Richtung. Dicht hinter ihm konnte er das Schwert des Schwarzen Reiters aus seiner Scheide springen hören. „
Nein, sie bekommen mich nicht, sie bekommen mich ...“ Ein blitzendes Schwert in der Nacht und beendet war das Leben des Wanderers. Die vermummte Gestalt hob den Reif auf, der dem Wanderer aus der Tasche gefallen war, die Gestalt kannte die Schrift und las folgendes:
“DIE GIER WIRD UNS ALLEN ZUM VERHÄNGINS!“