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Die Schlangen

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07.02.2001
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Die Schlangen

Die Schlangen

Tausende Menschen bildeten hunderte Reihen ihresgleichen. Es gab sie in rot, grün, gelb und blau. Cool, langweilig, geschickt und blöd. Musikalisch, sportlich, künstlich und natürlich. Unisono und zielllos bewegten sie sich im Strom vorwärts.
Ich sah, dass manche Menschen auf den Köpfen anderer spazierten.
Andere Menschen bewegten sich auf ihren Händen fort. Einige kleinere Menschen wurden von den größeren getragen. Andere kleinere Menschen wurden von größeren zertreten. Sie alle marschierten immer in die eine Richtung: die ihres Vordermannes. Doch so sehr sich auch die Menschen innerhalb ihrer Reihe quetschen, drängelten, randalierten, sie kamen den Reihen neben ihnen niemals zu nahe. Ihre Welten blieben die paar Quadratmeter, auf denen sie um ihr Recht kämpften.

Dann wurde es Nacht. Die Menschen veränderten ihr Aussehen und wurden zu Wölfen. Sie achteten die Grenzen nicht mehr, sprangen gezielt hinüber und vermischten sich mit den anderen. Sie quälten sich, sie ermordeten sich. Kleinere Wölfe suchten Schutz bei den größeren, niemals ohne einen Preis dafür zu zahlen. Zwischen den größeren Wölfen herrschte Konkurrenz und alle warben sie und priesen ihre Stärke. Und während der blutige Kampf zwischen den großen Wölfen tobte, bangten die kleineren Wölfe um ihr Leben. Dann wurde es Tag und wer noch lebte, huschte zurück in seine Reihe.

Vor- und rückwärts bewegten sich die Schlangen, nach denen ich mir den Kopf verdrehte. Ihre Menschen verrichteten Arbeit, liebten sich oder aßen. Ich aber stand daneben und suchte ihren Ursprung. Und fand nur ihr monotones Marschieren.

 

Das Leben bestand aus Schlangen. Schlangenketten, Schlangenzirkeln oder einfachen Boa-Pfützen. Jeder gehörte zu jedem. Wer nicht drängelte, wurde verschlungen. Allein wo konnte ich mich befinden, dass ich stillstehen durfte?

Als ich in einen zusammengeflickten Spiegel blickte, sah ich, dass ich mich mit den Menschen in einer Schlange, dabei immer eifrig genau dem Vordermann folgend, in eine unbekannte Zukunft begab. Ich marschierte, drängelte, aß tags und fraß nachts mit. Aber es wunderte mich nicht lang.

Als ich in einen zusammengeflickten Spiegel blickte, entdeckte ich ein Mädchen, das meine Gesichtszüge im Spiegel studierte. Sie bemerkte, dass sie mir aufgefallen war und lächelte.

Das Leben bestand aus Schlangen. Sie drehten sich im Kreis und ihre Elemente, unvorstellbar viele, suchten nach dem Ausgang. Manche bewusst, manche nicht. Doch fand kein einziger ihn. Froh war derjenige, der aus dem Ring eine Gerade biegen konnte, die durch einen Körper voller Visionen verlief.

 

Hallo Kritiker,

nun, Zaza hast du offenbar irgendwie inspiriert ;)
Mich hinterlässt Dein Text etwas ratlos. Du hantierst mit einigen sehr klaren, fast schon einfachen Bildern (Menschen, die auf Köpfen anderer gehen). Mag ja auch sein, dass Du hier eine treffende Sozialkritik verpackt hast, aber sie hat weder eine Hauptperson, noch konkrete Handlung, Spannung oder Pointe - für mich Charakteristika einer Kurzgeschichte.

Fazit: sprachlich okay, brauchbare Bilder, inhaltlich bleiben aber Wünsche offen.

Uwe
:cool:

 

Hallo Kritiker,

da betrachtet jemand gewissermaßen von außerhalb das Wesen der Menschen, ihre Zugehörigkeit zur Masse, aber doch isoliert auf ihre persönlichen paar Quadratmeter.

In der Nacht, also im Verborgenen, bekämpfen sie sich, die Gruppenkontrolle geht verloren, wird aber wieder hergestellt.
Diese Parabel, oder Analogie beschreibt in gut gewählten, bildhaften Worten die sich immer wieder wiederholenden Mechanismen in der Gruppe `Mensch´.
Der Betrachter versucht die Hintergründe zu verstehen…

Eine typische Kurzgeschichte ist das nicht, aber es lohnt sich, einmal für einen Moment in die Rolle des Beobachters zu schlüpfen.
Und dann kann man vielleicht "aus dem Ring eine Gerade biegen", die nicht "ziellos" im "Strom" zerknirscht...

Tschüß… Woltochinon

 

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