Die Schlange und der Igel
Die Schlange und der Igel
In der Schule gehörte die Schlange zu den begehrtesten Mädchen. Sie schlängelte sich immer in den Vordergrund. Dabei war sie eigentlich nicht wirklich hübsch, aber sie war schlank, sehr schlank, und trug immer die angesagtesten Klamotten, schminkte sich wie ein Star und duftete nach den teuersten Parfüms. Das kostete natürlich Geld.
Der Fuchs, der Schönste, wollte mit der Schlange gehen, und die Schlange ging eine Weile mit ihm. Aber er hatte ihr nicht viel zu bieten: Er verbrauchte sein ganzes Taschengeld für die Pflege seines Fells.
Der Wolf , der Coolste, wollte mit der Schlange gehen, und die Schlange ging eine Weile mit ihm. Aber er hatte ihr nicht viel zu bieten: Er verbrauchte sein ganzes Taschengeld für Zigaretten und Bier.
Der Bär, der Stärkste, wollte mit der Schlange gehen, und die Schlange ging eine Weile mit ihm. Aber er hatte ihr nicht viel zu bieten: Er verbrauchte sein ganzes Taschengeld für Fresserei.
Da gab es noch den Igel, den Ruhigen, den Langweiligen. Er gab kein Geld für teure Haarpflege aus, seine Stacheln sahen sowieso immer strubbelig aus. Er gab kein Geld für Zigaretten und Alkohol aus, das schmeckte ihm nicht und er wollte gesund bleiben. Er gab kein Geld für Fresserei aus, er aß immer das, was er von zu Hause mitbekam.
„Da müsste doch was zu holen sein“, dachte die Schlange und baggerte den Igel an. Der Igel freute sich sehr, dass so ein beliebtes Mädchen mit ihm gehen wollte; und da sie nett und freundlich zu ihm war, durchschaute er sie nicht.
Als die Schlange weinte, weil sie ihre Bluse bekleckert hatte, schenkte der Igel ihr eine neue. Es war eine tolle Bluse, aber sie war aus der Modekollektion des vergangenen Jahres. Die Schlange wurde wütend und ihre Giftdrüse schwoll an. ‚Gebe ich mich mit einem Igel ab für so ein unmodernes Ding’, dachte sie, sagte aber nichts.
Als die Schlange weinte, weil sie kein neues Kleid für die Schuldisco hatte, schenkte der Igel ihr eins. Es war ein sehr hübsches Kleid, aber eben kein Markenkleid. Die Schlange wurde wütend und ihre Giftdrüse schwoll stärker an. ‚Gebe ich mich mit einem Igel ab für so einen Fetzen’, dachte sie, sagte aber nichts.
Als die Schlange weinte, weil sie ihre Kette verloren hatte, schenkte der Igel ihr eine neue. Er hatte sie selbst gemacht aus den schönsten Muscheln, die er besaß. Aber sie war eben nicht aus Silber und Gold. Die Schlange wurde wütend und ihre Giftdrüse lief über. „Gebe ich mich mit einem Igel ab für ein paar Muscheln?“, zischte sie, riss das Maul weit auf und biss zu.
Doch der Igel hatte ihre Wut bemerkt und sich zusammengerollt. Die Schlange biss voll in die Stacheln und jaulte laut auf. Mit blutigem Maul schlängelte sie sich davon und schwor sich: „Nie wieder gebe ich mich mit einem Igel ab!“
Als sich der Igel von seinem Schreck erholt hatte, traf er die Maus, die Graue. Sie war zwar klein und grau, aber sie hatte hübsche Knopfäuglein und ein süßes Näschen.
‚Wie konnte ich nur so blöd sein und die Schlange besser finden als das Mäuschen’, ärgerte sich der Igel und lud die Maus zu einem Stück Käsekuchen ein.