- Anmerkungen zum Text
Ein Text mit biografischen Elementen.
Die Schaukel
Er fuhr über die verlassene Autobahn, der Regen unerbitterlich gegen die Windschutzscheibe und den schwarzen Teer prasselnd, und war fast am Ziel, als er in einiger Entfernung einen roten Schimmer wahrnahm, der sich nach einiger Zeit als das Ende eines Staus entpuppte. Auch das noch.
Der Verkehr wurde langsam, aber stetig über die rechte Fahrbahn geführt. Am Ende des Staus sah er, was den Unfall ausgelöst hatte: Scheinbar war ein weißer VW Touran von der Gegenspur gegen eine Leitplanke gefahren. Die Frontscheibe war zerstört, so als wären die Insassen herausgeschleudert worden.
Hundestaffeln, die sich vor einem Betreten des Waldes zu sträuben schienen, standen bereit; Notfallhelfer warteten unschlüssig vor einem Krankenwagen. Im Auto konnte er aus den Augenwinkeln einen Kindersitz erkennen.
Nun konnte er wieder in normalem Tempo weiterfahren. Nach kurzer Zeit bog er von der Autobahn ab und fuhr über eine Landstraße einige Kilometer weiter zu seinem Haus, das am Rande eines kleinen Dorfes stand. Er stellte das Auto im Innenhof des Hauses ab und spurtete durch den Regen zur Haustür, vorbei an der kleinen Schaukel, die er als Kind so oft benutzt hatte. Er schloß das Tür auf und zog seine Regenjacke und die Schuhe aus. Schnell ging er in sein Zimmer, um sich trockene Klamotten anzuziehen.
Von der Tür hereinkommend konnte man direkt aus dem Fenster schauen, das auf die Schaukel gerichtet war, an der rechten Wand war sein Bett, an der linken sein Schrank. Er öffnete den Schrank und holte eine Jogging-Hose und ein gemütliches T-Shirt hervor.
Plötzlich schreckte er auf, als er im Augenwinkel eine Bewegung wahrnahm, und schaute zum Fenster hinaus. Das einzige, was er sehen konnte, war, wie sich die Schaukel, vom Mondlicht erleuchtet, langsam im Wind hin- und herbewegte.
Als er das Zimmer verließ, sah er, dass die Haustür noch offen stand und verschloss dieselbe umgehend. Nun ging er in die Küche und goß sich ein Weißbier ein. Seine Eltern waren nicht zu Hause, weil sie auf der Beerdigung irgendeines alten Schulfreundes im Norden waren, den er nie kennen gelernt hatte. Er setze sich im Wohnzimmer auf einen gemütlichen Sessel und schaltete den Fernseher an. Er zappte herum, jedoch fiel das Bild ständig aus. Scheißwetter. In den Nachrichten glaubte er kurz, den Unfall von vorhin zu erkennen, aber vor lauter Störgeräuschen konnte er nichts verstehen. Als er das Fernsehen ausschaltete, glaubte er kurz, das Bild eines kleinen Mädchens zu erkennen. Er nahm sich seine Kopfhörer, um ein bisschen Musik zu hören.
Nach einiger Zeit schreckte er erneut auf, weil er glaubte, ein Schatten habe sich bewegt. „Hallo? Ist da jemand?“, fragte er nach einigen Sekunden der Schockstarre. Als keine Antwort kam, ging er an der Haustüre und seinem Zimmer vorbei in die Küche und bewaffnete sich mit einem unterarmlangen Messer. Er durchstreifte das Haus, konnte aber nicht ungewöhnliches feststellen. Er öffnete die Haustür und sah sich um, konnte aber wieder nichts sehen.
Er entschied, schlafen zu gehen, legte aber das Messer neben sein Bett.
Der Wind und der Regen peitschten gegen sein Fenster. Als er so langsam vor sich hin döste, hatte er das Gefühl, dass er nicht nur den Wind und den Regen an das Fenster peitschen, sondern auch eine Art unnatürlichen Kratzens hören konnte. Als ihm dieser Gedanke kam, war sein Kopf Richtung Wand, dem Fesnster abgewandt, gerichtet. Langsam stieg Panik in ihm auf. Er drehte sich in Richtung des Fensters. Nichts. Er stand auf und schaute erneut hinaus und konnte nichts ungewöhnliches feststellen. Erneut legte er sich hin.
Er schlug die Augen auf. Erneut war sein Blick auf die Wand gerichtet. Es hatte so geklungen, als wäre etwas in seinem Zimmer zu Boden gefallen. Er horchte, doch konnte nichts weiter hören. Er drehte sich erneut um und fischte nach dem Messer, und stand in einem Sprung auf. Nichts bewegte sich. Doch nun beruhigte er sich nicht mehr, das Herz raste. Er erschrak, als er aus dem Fenster schaute: Da saß jemand auf der Schaukel! Er konnte nur Silhouetten erkennen, aber es sah so aus, als würde dort ein kleines Mädchen auf der Schaukel sitzen.
Die Panik wich nun der Wut. Der werd ich was erzählen! Er legte das Messer auf den Boden, um das Mädchen nicht zu Tode zu erschrecken, und lief zur Haustür. Als er sie gerade geöffnet hatte, fiel ihm etwas auf.
Er rannte in sein Zimmer zurück, um das Messer zu holen. Doch als er die Tür öffnete, sah er keine zwei Meter von sich entfernt, wie eine hautlose Kreatur das Messer in den Händen hielt. Sie sah aus wie aus einer Anatomie-Sammlung. Die Muskeln und das Fleisch waren klar erkennnbar, um das Gesicht herum hingen noch Hautfetzen herunter und der Kopf war unnatürlich zur Seite geneigt, die Zunge hing scheinbar unkontrollierbar aus dem Rachen. Die Kreatur betrachtete das Messer und wand sich zu ihm um, als er hereinkam. Schenll schlug er die Türe zu und wollte aus dem Haus rennen, doch aus der Haustür stolperte unbeholfen eine zweite, ähnlich entstellte Gestalt. Auch diese hatte keine Haut. Sie war so groß wie ein Erwachsener, aber beugte sich nach vorne wie von der Größe eines Kindes, der Rücken unnatürlich verbogen, die Wirbelsäule herausragend; Blut tropfte aus dem Gesicht auf den Boden. Er versuchte sich zur Küche zu wenden, aber der Weg war versperrt: Die erste Kreatur war aus seinem Zimmer getreten, das Messer in der Hand. Als die Kreatur ihn erblickte, lachte sie höhnisch und trieb sich das Messer selbst in die Brust. Nach einigen Sekunden des Entsetzens rannte er auf die Haustüre zu und rammte mit seiner Schulter gegen die Kreatur, die aus dieser Richtung kam, und warf sie nieder. Endlich konnte er nach draußen rennen, doch nun stand das kleine Mädchen vor ihm, ebenfalls ohne Haut, das gelbe Kleid blutüberströmt, der Kopf fast zu Matsch zerschlagen, die Zöpfe herunterbaumelnd, das Bein gebrochen, aus dem Hals blutend und röchelnd. Da wurde er von hinten zu Boden gerissen. Die Kreatur, die er umgeworfen hatte, hatte ihm die Beine weggezogen. Die erste, noch stehende Kreatur kam nun und drehte ihn auf den Rücken.
Er kämpfte, doch beide Kreaturen warfen sich nun über ihn. Er spürte einen brennenden Schmerz, als die Kreaturen anfangen, ihm Fleisch aus dem Arm zu beißen. Doch plötzlich hörten sie auf und hielten ihn nur noch fest; das kleine Mädchen kam nun herangelaufen, zog der ersten Kreatur das Messer aus der Brust und beugte sich über ihn. Immer noch vor Schmerzen schreiend, nahm er war, wie sein T-Shirt und seine Hose aufgeschnitten wurden, bis er nackt dalag. Das Mädchen fuhr langsam mit dem Messer um seine Genitalien, über die Brust, den Hals, bis zum Haaransatz. Hier begann es, das Messer einzuführen und ihn am Haaransatz aufzuschneiden. Als es über der Stirn war, fing es an, einen weiteren Schnitt von der Stirn abwärts anzustzen. Das letzte, was er wahrzunehmen glaubte, bevor er endgültig das Bewusstsein verlor, war, wie sich unter das Röcheln der Kreaturen das Heulen eines Wolfes mischte.