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Die Schatzsuche
Die Schatzsuche
Die Geräusche des kleinen Raumschiffs waren nicht gerade vertrauenserweckend. Aber dieses Schiff hatte Peter, seines Zeichens selbsternannter und ziemlich erfolgloser Schatzsucher, schon zu den verschiedensten Orten gebracht. Diesen Flug musste die Mühle noch überstehen, denn wie immer fehlte Peter das Geld für die nötigen Reperaturen.
‚Egal! Das grosse Geld winkt ja jetzt!‘
dachte sich Peter. Bei seinem letzten Shuttleflug hatte sein Scanner Marke Eigenproduktion endlich die spezielle Metalllegierung angezeigt, wie sie nur die legendäre ‚Motte‘ hatte. Auf diesem kleinen Planeten dort unter ihm musste das Wrack des seinerzeit verschollenen Raumkreuzers liegen. Er war kurz davor, eine der grössten Mythen seiner Zeit aufzuklären. Peter suchte die Oberfläche nach einem geeigneten Landeplatz ab.
‚Mit den Augen, das muss man sich mal vorstellen! Kein Scanner, kaum Sensoren! So ein Schrotthaufen!‘
Nach dem erfolgreichen Erspähen einer geraden, leeren Fläche steuerte Peter diese an und landete das Raumschiff, welches dabei gefährlich schepperte. Mit spektakulärem Zischen und Dampfen öffnete sich die Ausstiegsluke etwa zu einem Drittel, dann versagte die Hydraulik und die Tür stürzte etwas unspektakulärer zu Boden. Vorsichtig trat Peter ins Freie. Der alte, knallgelbe Raumanzug machte jede Bewegung zu der Parodie eines unfähigen oder sturzbetrunkenen Panthomimen. An der Aussenseite des klobigen Helmes baumelte eine schmutzige Kordel. Nach einigen erfolglosen Fangversuchen gelang es Peter endlich, das Seil zu greifen. Mehrmals zog er daran. Bei jedem Ruck wurde ein schon etwas löchriger Lappen von innen über das rasch beschlagende Visier gezogen und wischte die Sicht etwas freier. Grummelnd stapfte Peter los.
Etwa eine Stunde später kämpfte sich Peter gerade über den gefühlt tausendsen zerklüfteten Felsen. Auf einem kleinen Vorsprung blieb er stehen und wedelte zum wiederholten Male die Fliegen vor dem Sichtfenster seines Helmes weg.
‚Verdammt! Keine Spur von diesem verdammten Schiff. Und diese Mücken!‘
Peter lehnte sic h an den Felsen hinter ihm. Wie gerne würde er wenigstens seine inzwischen mit Schweiss gefüllten Stiefel ausleeren, aber daran war in dieser lebensfeindlichen Umgebung nicht zu denken. Er wuchtete sich wieder hoch und sah sich um. Mit einer müden Handbewegung wischte er die Mücken von seinem Visier.
‚Moment.....‘
Was war es nur, was Peter hier komisch vorkam?
‚Die Mücken!‘
Wenn diese Umgebung hier keine Atmosphäre, atembare Luft und die richtige Temperatur hätte, dann könnten Mücken hier gar nicht existieren, geschweige denn herumfliegen. Peter überlegte kurz, aber er war schon immer eher risikofreudig. Mit einer Drehung des Helmes entriegelte Peter den Druckverschluss am Halsring des Anzugs. Langsam hob er den schweren Sichtschutz an und atmete ein. Eine klare, fast würzige Waldluft strömte durch Peters Lungen. Erleichtert liess Peter den Helm fallen und zog den unbequemen alten Druckanzug aus. Jetzt konnte er auch Vogelgezwitscher hören. Sehr seltsam. Seinen Karten nach sollte das hier eine leblose Einöde sein. Neugierig folgte Peter der Quelle der Tiergeräusche.
Nach weiteren fünf Felsen kam unter ihm Stück für Stück ein Urwald in Sicht, der das ganze Tal überwucherte. An einer Stelle direkt vor ihm war der Wald etwas lichter und ein etwa 4 km langes Raumschiff war zu erkennen.
„Bingo!“
Peter kletterte schnell hinunter ins Tal und betrat den Dschungel. Bereits nach ein paar hundert Metern konnte er die etwa 200 Meter hohe Schiffswand vor sich sehen. Zwei Minuten später stand er direkt vor dem Raumschiff. Jetzt kam ihm seine ausführliche, oft belächelte Recherche über die ‚Motte‘ zu Gute. Anhand der Lage des Schiffs und seines Standpunktes konnte er schnell den nächsten Zugang, einen Wartungstunnel, bestimmen. Dieser lag zum Glück etwa 50 Meter links von ihm. Zwar in einiger Höhe, aber das Schiff lag auf der richtigen Seite und war mit Leitern an allen Zugängen bestückt.
Mit zitternden Fingern drückte Peter auf die kleine Konsole neben der Schachttür. Die Tür glitt langsam auf. Peter betrat das Schiff, dessen Existenz die meisten Bewohner des bekannten Universums anzweifelten. Die Energieversorgung lief nach all der Zeit noch einwandfrei, alle Gänge waren beleuchtet und die Konsolen blinkten Peter freudig entgegen. Nach einiger Zeit kam Peter an eine riesige Tür, vor der eine Informationstafel stand. Ein Text war dort zu lesen:
Dies ist der Eingang zum Arboretum. Dieser Wald ist lebendig. Beachten Sie bitte die folgenden Hinweise...
Peter las nicht weiter. Er kannte sowas schon, schliesslich war er bei sich daheim auf Lunarbasis 43, was er nebenbei bemerkt für einen echt einfallslosen Städtenamen hielt, auch im Arboretum gewesen. Wo sonst sollte man auf dem Mond Bäume sehen? Und natürlich waren Bäume Lebewesen. Mit einem Schritt nach vorne öffnete Peter die Automatik-Tür. Der Anblick allerdings machte ihn dann doch sprachlos.
Von oben schien helles, orangenes Sonnenlicht auf monströse Bäume mit meterdicken Baumstämmen. Durch alle möglichen Lücken und Äste waren schlangenartige Lianen gewachsen. Die grössten der Bäume hatten die Decke des Arboretums wie Pappe zur Seite gedrückt und durchdrungen. Direkt vor Peter steckte die Antwort auf eine seiner Fragen im Boden. Eine unscheinbare Metallstange, die der Abenteurer und Schatzsucher Peter sofort als Wassersucher identifizierte. Das kleine Wunderding mass sichtbar hier oben nur etwa einen Meter, konnte aber unterirdisch mehrere hundert Meter tief nach Wasser bohren. Fasziniert stieg Peter über ein paar kleine, junge Pflänzchen, um sie nicht zu zertreten, und ging in den Wald.
Plötzlich schossen aus dem Dickicht vor ihm Pfeile, die direkt vor seinen Füssen in den Boden fuhren. Peter zuckte zurück. Als er sich vorsichtig zur Seite drehte traf ihn etwas im Gesicht und er sank bewusstlos zu Boden.
Zunächst hielt Peter das dumpfe ‚Bumm, Bumm‘ für seinen Herzschlag, doch als er wieder etwas klarer im Kopf wurde bemerkte er, dass das Gräusch um ihn herum entstand. Peter schüttelte die restliche Benommenheit ab und analysierte seine Lage. Er kniete, an Händen und Füssen gefesselt, in einem grossen Kessel, der bis auf Höhe seiner Schultern mit Wasser gefüllt war. Im Dickicht um den Kessel konnte Peter schemenhaft mehrere Gestalten erkennen, die sich im Rhythmus der Trommeln bewegten. Unter dem Kessel war ein Knistern und Knacken zu hören. Peter reckte den Kopf über den Kesselrand und sah ein rötlich-gelbes Flackern.
‚Kannibalen!‘
Verzweifelt zerrte er an seinen Fesseln. Sinnlos. Panik kroch in Peter hoch. Er erinnerte sich an die Geschichten über die Abenteurer, die vor ihm die Motte gesucht hatten und dabei angeblich verschollen waren. Also waren die Erzählungen wahr! Und nun war er einer der Verschollenen! Resigniert sank Peter zurück in die Brühe.
Die Minuten verstrichen. Nichts passierte, nicht mal das Wasser wurde wärmer. Langsam war Peter genervt. Wenn er sich schon zusammenriss, dann wollte er es wenigstens demnächst hinter sich haben. Er richtete sich so weit wie möglich auf und rief den schemenhaften Gestalten zu:
„Hallo? Versteht mich jemand? Ich glaube, das Feuer ist aus!“
Peter wunderte sich, wie locker und abgeklärt er die Situation hinnahm. Ein Rascheln vor ihm liess ihn erneut aufblicken. Ein Mann aus Holz wuchs direkt vor Peter aus dem Boden und sagte knisternd:
„Du hast bestanden!“
Ganz und gar nicht mehr abgeklärt wurde Peter ohnmächtig und sank in den Kessel zurück. Der Kessel faltete sich wie eine riesige Blüte auf und liess das Wasser ablaufen. Die rot-gelben Blüten, die wie Feuer unter dem Kessel hin und her gewedelt hatten hoben ihre untersten Blätter und trippelten auf dünnen Wurzeln eilig davon, bevor das Wasser sie wegschwemmen konnte. Die Lianen, die Peter gefesselt hielten wuchsen elegant zu Tragenriemen, die ihn sanft auf dem Dschungelboden absetzten. Eine in Blätter gekleidete menschliche Frau trat hinter einem Busch hervor und setzte sich neben den bewusstlosen Peter auf einen bequemen Sessel, der genau unter ihr aus dem Boden wuchs. Dort wartete sie, bis Peter langsam wieder zu sich kam. Das erste, was dieser wahrnahm waren die schönsten Augen, die er je gesehen hatte. Liz begrüsste ihn mit sanfter Stimme und begann zu erzählen.
3 Monate später:
Peter liess sich aus dem hohen Baum fallen und wurde sanft von zusammenwachsenden Blättern und Moos aufgefangen. Liz kam mit einem Monitor in der Hand auf ihn zu:
„Schau, Liebling, da kommt er.“
Sie deutete auf dem Bildschirm auf eine Person in einem Raumanzug, die gerade aus ihrem Schiff stieg.
„Ah ja, mal schauen, wie weit er kommt. Die Prüfung sind nicht ohne.“
Nach Liz war Peter der erste, der Aufmerksamkeit (die Mücken), Mut (den Helm abnehmen), Respekt (die Pflanzen nicht zertreten) und Humor (mehr Feuer fordern) bewiesen hatte. Alle anderen wurden von dem ziemlich lebendigen Wald, der von Humanoiden ziemlich die Schnauze voll hatte und hier einfach nur in Ruhe leben und wachsen wollte, nun ja, absorbiert.
Peter sah sich um. Das orangene Licht der nahen Abendsonne glitzerte durch das Blätterdach und machte die wunderbare Umgebung noch ein Stück wunderbarer. Liz lächelte ihn an, Peter lächelte zurück. Er hatte seinen Schatz gefunden.
ENDE