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Die Schatten Nan Madols

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11.05.2014
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Die Schatten Nan Madols

Der Motor unseres Bootes dröhnt, man müsste schreien, um miteinander sprechen zu können, aber ich will nicht reden. Meine Frau sitzt mir gegenüber und wirft mir missmutige Blicke zu, mein Sohn hat sich über die Reling gebeugt und hält nach Fischen Ausschau. Die Luft riecht nach Salz und Abgas. In der Ferne erblicke ich den Urwald von Temwen Island. Ich bin schon ganz unruhig. Endlich werde ich die Ruinenstadt Nan Madol sehen.

Ich arbeite als Geschichtsdozent in Hamburg und als mir ein Kollege von den Ruinen erzählte, war ich fasziniert. Er hatte eine Dokumentation über Nan Madol vor Temwen Island, einer Nebeninsel von Pohnpei, gesehen und mir einiges erzählt. Bis heute weiß niemand, wer diese Stadt errichtet hat, oder zu welchem Zweck. Bekannt ist nur, dass das Volk der Saudeleurs die Stadt Anfang des zwölften Jahrhunderts verlassen vorfand, sie besiedelte und bis 1628 in ihr lebte. Sie waren eine religiöse Sekte, eine isolierte Gemeinschaft, eine völlig eigene Kultur. Bis dieses Volk spurlos verschwand. Ich bekam eine Gänsehaut, damals in der Fakultät, und als ich im Internet auf die Aufzeichnungen Horatio McCinleys - eines britischen Archäologen, der 1928 Ausgrabungen in diesen Ruinen durchführte – stieß, wurde mir bewusst, dass ich die passende Inspirationsquelle für meinen Roman gefunden hatte. Schon lange arbeite ich an der Veröffentlichung eines Romans, doch alle Manuskripte, die ich einsende, werden von den Verlagen abgelehnt. Diesmal muss es klappen und es wird klappen, das spüre ich. Doch bei all dem Eifer, dem Optimismus und der Vorfreude auf die Erkundung kann ich mich eines unguten Gefühls nicht erwehren, das sich in meinem Kopf festgesetzt hat. Denn die Ausführungen McCinleys müssen dem Geist eines Wahnsinnigen entsprungen sein, anders kann ich mir die Schilderungen darin nicht erklären. Sie deuten Abscheuliches an, das sich auf dieser kleinen Insel vor vierhundert Jahren zugetragen haben könnte und noch immer in den Ruinen verweilt. Grauenvolle Erscheinungen bei Nacht, Schatten, die jeder Beschreibung entbehren, und animalische Geräusche, die keinem bekannten Lebewesen zugeordnet werden konnten. Doch woher entnahm McCinley dieses Wissen? Seinen Beobachtungen in der Stadt? Aus den Ergebnissen der Ausgrabungen? Oder seiner blühenden Fantasie? Er landete damals in einer Nervenheilanstalt und die Aufzeichnungen verschwanden, bis sie ein Unbekannter ins Internet gestellt hatte. Ich würde seinen Ausführungen vielleicht keine Beachtung schenken, zu abstrus sind seine Schilderungen der nächtlichen Ereignisse und Beschreibungen der Kultur der Saudeleurs, wären da nicht die Gerüchte und Schauermärchen, nicht nur im Internet, sondern auch unter den Bewohnern Mikronesiens. Schreie in der Nacht, unnatürliche Lichter und Menschen, denen eine Nacht in der Stadt den Verstand kostete. Mir wird unwohl, wenn ich daran denke, doch gerade deshalb ist eine Besichtigung der Ruinen die perfekte Grundlage für meinen Horrorroman.

„Da wären wir“, sagt der mikronesische Bootsmann.
Das Boot gleitet sanft über den Sandstrand, als wir Temwen Island erreichen. Vor uns liegt der Urwald. Dichte, sattgrüne Blätter verhindern, dass Sonnenstrahlen den Waldweg erreichen, der von der Bucht nach Nan Madol führt.
Mein Sohn greift nach meiner Hand.
„Es ist so dunkel da drin“, sagt er. „Ich will da nicht rein.“
„Keine Angst, Samuel. Das ist nur ein Wald. Erinnerst du dich an den Schwarzwald?“
„Ja, wir haben uns verlaufen und Mami hat gesagt, du wärst ein Stümper.“
Ich grinse.
„Da hat Mami übertrieben.“ Ich zwinkre ihm zu. „Aber der Wald war viel dunkler, oder? Und es ist nichts passiert. Wir sind heil wieder rausgekommen. Das wird heute nicht anders sein, nicht wahr, Schatz?“, sage ich an meine Frau gewandt, doch sie antwortet nicht, schüttelt nur mit dem Kopf.

Die Luft ist stickig, als würde man durch ein Tuch atmen. Unzählige Mücken schwirren durch die Luft, Papageien krächzen in den Baumkronen und ein Bach plätschert ruhig neben dem Weg. Schweiß läuft mir in die Augen. Ich hasse Hitze.
Samuel und Lisa gehen Hand in Hand vor mir. Die Beine meiner Frau sind mit roten Flecken übersät. Verfluchte Moskitos würde sie sagen, sich über Insekten auslassen und sich darüber beschweren, dass wir durch einen stickigen Urwald wandern, anstatt faul am Meer zu liegen. Aber seit der Ankunft gestern Mittag hat sie nicht mit mir geredet. Sie freute sich über den Urlaub auf der Pazifikinsel, doch mit der Freude war es vorbei, als ich ihr im Flieger beichtete, dass ich vorhabe, Nan Madol zum Zwecke meiner literarischen Ambitionen zu besichtigen.
Ich gehe einen Schritt schneller, hole die beiden ein.
„Freut ihr euch auf eine sagenumwobene Ruinenstadt voller geheimer Gräber?“, frage ich in der Stimme eines Kirmesbudenbetreibers. Samuel lacht, meine Frau blickt mich an, als wollte sie mir gleich einen Ast ins Auge rammen.

Samuel tun die Füße weh, er stellt sich in den Bach, um sich etwas abzukühlen. Lisa und ich stehen abseits und trinken etwas aus unseren Wasserflaschen.
„Lisa, rede mit mir.“
Ich versuche ein Gespräch zu beginnen. Sie starrt unentwegt auf eine Palme.
„Okay, tut mir leid, dass ich nichts gesagt habe und dass wir nicht am Strand liegen und Cocktails trinken, aber musst du so sauer sein? Das können wir die nächsten neun Tage immer noch tun.“
„Erinnerst du dich an den Urlaub letztes Jahr?“
„Als wir am Persischen Golf waren?“
„Ja.“
„Klar.“
„Wo waren wir am ersten Tag?“
Ich kratze mich am Kopf, erkenne, worauf sie hinauswill.
„In Ur.“
„Richtig, wir haben diese sumerischen Ruinen besucht, weil sie perfekt für deinen großen Wurf waren. Damals hast du auch gesagt, es sei ja nur am ersten Tag. Und dann hast du den ganzen Urlaub vorm Notebook verbracht, weil du die Eindrücke aufschreiben wolltest, solange sie noch frisch waren.“
Ich kann nichts erwidern, stehe nur da und betrachte meine Füße. Ich fühle mich schlecht, wie ein gescholtener Schuljunge, weil sie Recht hat und ich keine Gegenargumente vorbringen kann.
Samuel springt im Bach herum, spritzt Wasser in alle Richtungen. Lisa sagt, er solle aufpassen, dass er seine Füße nicht an einem Stein zerschneidet. Dann wendet sie sich wieder mir zu.
„Ich hab ja nichts gegen einen Kulturtrip, aber ich weiß, dass es dir hier nur um deinen Roman geht, der sowieso in einer Schublade verstauben wird. Samuel und ich sind dir doch völlig egal.“
„Wieso sagst du das?“
„Wenn du nicht für die Uni arbeitest oder an deiner Doktorarbeit werkelst, schreibst du deine komischen Geschichten über Geister und Zombies und was weiß ich alles. Wann waren wir das letzte Mal im Zoo? Wolltest du nicht mit Samuel seit Ewigkeiten Kart fahren?“
Sie mustert mich mit verengtem Blick, ist während ihrer Rede lauter geworden, Samuel schaut auf. Ich versuche mich zu erklären, aber sie schneidet mir das Wort ab.
„Komm, lass gut sein, ich kann es nicht mehr hören.“
Sie winkt abwehrend mit der Hand und geht zu Samuel.
„Was meinst du, für wen ich das tue?“, frage ich.
Sie dreht sich langsam um, so wütend hab ich sie lange nicht gesehen.
„Für dich“, flüstert sie.

„Ich werde nicht rübergehen“, sagt Lisa.
Wir stehen am Ufer eines seichten Flusses, vor uns sind braune Steinstufen, die den Eingang von Nan Madol markieren. Nachdem wir ein Stück Urwald durchquert und den Fluss erreicht haben, erheben sich die Ruinen auf der gegenüberliegenden Seite.
„Warum nicht?“, frage ich.
„Ich fühl mich nicht wohl dabei, okay?“
Sie wirkt blasser, verschränkt beim Blick auf Nan Madol die Arme, als wäre ihr kalt. Was stimmt nicht mit ihr? Hat sie Angst?
„Du glaubst diese Geschichten doch wohl nicht etwa? Ausgerechnet du?“, frage ich.
„Hab ich nie gesagt.“
„So?“
„Ich hab einfach ein ungutes Gefühl dabei! Ihr zwei könnt ja gehen, ich warte einfach hier.“
Samuel sitzt bereits in einem kleinen Boot, das uns zu den Ruinen bringen soll. Ich fasse in meine Brusttasche und vergewissere mich, dass ich Zettel und Stift mitgenommen habe. Ich will die Eindrücke aufschreiben, solange sie noch frisch sind. Ich sage Lisa, es würde nicht lang dauern, und betrete das Boot.

Die Basaltsteine von Nan Madol wurden vor Jahrtausenden aufgestapelt wie Feuerholz vor einer Jagdhütte. Tausende Kilogramm dieser Steine wurden hierher transportiert, neunzig künstliche Inseln auf einem Korallenriff errichtet. Wie und warum vermag niemand zu beantworten. Es gibt nur wilde Spekulationen über Dämonen und einen Donnergott der Saudeleurs. Doch das sind nur Hirngespinste. Relikte einer fernen Vergangenheit. Die Natur hat den Ort Stück für Stück zurückerobert. Die Wege sind mit Gras überzogen, allerlei Gestrüpp sprießt an allen Ecken und Enden und Ranken bahnen sich ihren Weg zwischen den Steinen. Die Bauten selbst sind weit älter als Machu Picchu oder die Tempel der Azteken. Als ich diesen Ort betrachte, mit seinen fleckigen Steinen und überwucherten Wegen, wird mir klar, dass die Zeit letzten Endes alles zunichtemacht. Die Herrschaft der Saudeleurs endete auf ihrem kulturellen Höhepunkt, so wie die Herrschaft derer, die vor ihnen da waren. Nur die kalten Steine würden überdauern.

Wir sind nur zu fünft. Samuel, ich und eine andere Familie, die Spanisch spricht. Während unser Guide – ein junger Mikronesier namens Gerrard – einiges erklärt, mache ich Notizen. Er erzählt mir nichts Neues, aber die Atmosphäre des Ortes ist doch beeindruckend. Ich nehme mir vor, Gerrard später über McCinleys Aufzeichnung auszufragen. Irgendetwas muss er wissen. Samuel läuft während der Führung aufgeregt umher und betatscht begeistert die Steine.
„Gefällt es dir hier?“, frage ich ihn.
Er lächelt. Ihm sind in den letzten Wochen bestimmt zehn Zähne ausgefallen.
„Das ist wie eine Ritterburg und ich bin der König der Sadellos.“
Ich lache.
„Gibt es hier Knochen?“, fragt er.
„Na, hoffentlich nicht. Das würde deiner Mutter gar nicht gefallen.“
„Der alte Mann hat gesagt, Knochen böser Kinder sind das, woraus die Inseln gemacht sind.“
„Welcher alte Mann?“
Ich sehe mich um, erblicke nur die Spanier, Gerrard und einige andere Guides. Keiner ist älter als vierzig.
„Weiß auch nicht“, sagt er schüchtern und läuft voraus. Ich frage nicht weiter nach. Er hatte schon immer eine lebhafte Fantasie. Einmal an Weihnachten hatte er felsenfest behauptet, der Weihnachtsmann lauere unter seinem Bett und wolle seine Fersen anknabbern. Ich zucke mit den Schultern und richte meine Aufmerksamkeit erneut auf die Ruinen.

Gerrard zeigt uns die größte Grabanlage, sowie die kleineren Grabanlagen, die diese flankieren. Alle sind vom Aufbau her ähnlich und erinnern mich an ein Jenga-Spiel. Gegen Ende der Tour deutet Gerrard auf einen kleinen Hügel, der sich von der Umgebung abhebt, als wäre er extra dort platziert worden.
„Hier wurde das Schildkrötenopfer abgehalten“, erklärt er. „Die Priester der Saudeleurs schmetterten eine gesalbte Schildkröte auf einen heiligen Basaltstein und zertrümmerten ihr anschließend auf diesem Hügel mit einer geweihten Keule den Schädel.“
Und mit diesem Schlusswort endet die Tour. Wir klatschen und die spanische Familie betrachtet den Hügel näher. Ich winke Gerrard zu.
„Was kann ich für Sie tun?“, fragt er.
Ich danke ihm für die tolle Führung, bei der ich kaum zugehört habe, und frage ihn, was er über McCinleys Aufzeichnungen weiß. Er grinst.
„Wenn Sie mich fragen, sind das nur Hirngespinste eines alten Irren, der hier Ausgrabungen geleitet hat. Da ist nichts dran. Ich arbeite seit zwei Jahren hier und habe nachts keine Ghule gesehen oder außergewöhnliche Tierlaute gehört.“
„Ich dachte, die Einwohner meiden Nan Madol bei Nacht?“
„Ja, die meisten schon, ich war selbst nur einmal hier, während es dunkel war. Hab nichts gesehen.“
Er wendet den Blick ab, ich runzle die Stirn. Verheimlicht er mir etwas? Ich kann ihn jedoch kaum der Lüge oder Heimlichtuerei bezichtigen, daher bedanke ich mich, klappe meinen Notizblock zusammen und stecke ihn zurück in meine Brusttasche. Ich sehe auf meine Uhr. Lisa wartet schon seit vierzig Minuten, es ist an der Zeit, zurückzukehren.
„Samuel, komm, wir gehen zurück.“
Keine Antwort.
„Samuel?“
Gerrard sieht sich ebenfalls um.
„Vor einer Sekunde war er doch noch da“, sagt er.
Ich erstarre. Mein Herz beginnt wild zu pochen, kalter Schweiß steht mir auf der Stirn und mein Magen verkrampft. Wo ist Samuel? War er nicht eben noch an meiner Seite? Hektisch bewege ich meinen Kopf von links nach rechts, gehe einige Schritte in diese und jene Richtung und rufe seinen Namen. Erst leise, dann immer lauter. Die spanische Familie beäugt mich genervt.
„Perdón, haben Sie meinen Sohn gesehen, einen kleinen Jungen, der am Anfang der Tour noch bei uns war?“
Alle drei schütteln den Kopf. Ich bemerke, dass meine Hände anfangen zu zittern und mir schwindelig wird. Die Sonne brennt in meinem Nacken. Aber noch ist alles in Ordnung. Vielleicht ist er ja zurück zu seiner Mutter gegangen. Nur keine Schwarzmalerei. Trotzdem wird mir schlecht. Ich lehne mich gegen eine Steinwand und atme tief durch.
„Geht es Ihnen gut? Brauchen Sie Hilfe?“, fragt Gerrard.
„Nein, nein, ist schon okay. Vermutlich ist er bei meiner Frau … Die wird mir die Hölle heiß machen.“
Ich lächele gequält und ohne weitere Worte zu verlieren, lasse ich Gerrard zurück, der mich besorgt mustert. Ich eile zum Wasser zurück, halte nach Samuel Ausschau und rufe seinen Namen. Als ich den Fluss sehe, erblicke ich Lisa. Sie sitzt am anderen Ufer und hält die Füße ins Wasser. Sie ist allein.

Sie weint. Sie weint und flucht und macht mir Vorwürfe. Ich stehe da, weiß nicht, was ich tun soll, weiß nicht, was ich sagen soll.
„Unser Junge, wo ist er?“
Sie brüllt, Tränen laufen ihre Wangen hinab. Warum ich nicht aufgepasst habe, fragt sie, ich sei ein egoistisches Schwein, sagt sie. Ich höre das alles wie durch einen Filter, als trüge ich einen Gehörschutz. Die Sonne knallt auf meinen Schädel, ich spüre, wie ich einen Sonnenbrand bekomme. Vielleicht habe ich ja einen Hitzekoller und träume? Gerrards Stimme holt mich zurück in die Realität.
„Wir haben drei Teams gebildet. Eines sucht die Ruinen ab, zwei den Urwald. Wollen Sie sich uns anschließen?“
Ich nicke. Lisa schluchzt und dreht sich weg.
„Ruinen oder Wald?“, fragt er.
„Wald“, sage ich.

Die Luft ist noch schwüler geworden, die hohe Luftfeuchtigkeit erschwert mir das Atmen. Seit drei Stunden suchen wir bereits den Wald ab, von Samuel fehlt jede Spur. Touristenführer durchkämmen das Unterholz. Äste knacken, Blätter rascheln und hin und wieder sehe ich ein verzweifeltes Kopfschütteln. Lisa ist am Fluss geblieben, zusammen mit einigen Touristen, die ihr Mut zusprechen und sie trösten wollen. Ich denke, sie wissen genauso gut wie ich, dass das keinen Zweck hat. Gerrard steht vor mir, durchsucht Büsche. Er hat gesagt, ich solle zurückbleiben, mich nicht ins Unterholz begeben. Es gebe Tiere – Spinnen und dergleichen -, die für Ungeübte eine Gefahr darstellen könnten. Also bleibe ich zurück, warte und bete und spüre, wie ich mit jeder verstrichenen Minute nervöser werde. Der Einbruch der Nacht ist in wenigen Stunden und ich will mir nicht vorstellen, was passieren würde, wäre mein Junge dann noch auf der Insel.

Als wir an einem Wasserfall vorbeikommen, höre ich einen Touristenführer rufen. Er habe etwas gefunden, sagt er. Wir nähern uns seinem Fund. Ein abscheulicher Anblick bietet sich mir. Knochen liegen auf dem Waldboden verstreut. Eine Fläche von der Größe eines Tennisplatzes ist übersät mit gelblichen, deformierten Knochen, kaum größer als die von Kindern. Hunderte, Tausende.
„Mein Junge?“, frage ich.
„Die Knochen liegen schon länger hier“, sagt der Touristenführer. „Wären die Knochen Ihres Sohnes darunter, wären sie … nun ja … glitschiger.“
Ich verziehe das Gesicht, möchte an sowas gar nicht denken.
„Vermutlich Affenknochen“, sagt Gerrard.
„Warum hat das keiner weggeräumt?“, frage ich.
„Weil wir das zum ersten Mal sehen“, antwortet er und blickt nach oben, zu den dichten Baumkronen. „Wir benutzen nur den Waldweg, der zur Bucht führt und versuchen, den Wald möglichst unberührt zu lassen.“
Der Touristenführer kniet sich hin und berührt einen der Knochen. Er zuckt zurück.
„Verdammt, die sind kochend heiß.“
„Wie kann das sein?“, frage ich. „Sie liegen doch im Schatten der Baumkronen.“
Ich bekomme keine Antwort. Wie können die beiden so gelassen bleiben? Da weiten sich Gerrards Augen. Er hebt die Hand und deutet auf Knochen, die am anderen Ende des Grabes liegen. Es sind Schädel von menschlichen Kindern.

„Ich möchte, dass du die Insel schnellstmöglich verlässt.“
Die Dämmerung schreitet voran, die letzten Touristen machen sich auf den Rückweg zur Bucht.
„Warum?“, fragt Lisa.
Ich wische mir den Schweiß von der Stirn, suche nach den richtigen Worten.
„Wir haben ein Massengrab im Wald gefunden.“
„Was?“
„Knochen von Affen.“ Ich lüge sie an, es muss sein, um ihretwillen. „Die Angestellten meinen, es könnte sich um den Fressplatz eines Tieres handeln. Es ist einfach zu gefährlich hier.“
Jegliche Farbe hat ihr Gesicht verlassen. Ich fürchte, sie bricht gleich zusammen. Aber das tut sie nicht. Sie steht nur da und blickt mich mit tränennassen Augen an.
„Bitte, ich würde mich besser fühlen, wenn ich wüsste, dass du in Sicherheit bist.“
Sie scheint zu überlegen, nickt dann jedoch.
„Gut, ich gehe. Ich werde auch die Polizei informieren, vielleicht hat ihn jemand … entführt und nach Pohnpei gebracht, ohne dass wir es mitbekommen haben.“
Ihre feste Stimme und ihre klare Ansage überraschen mich. Ich hätte gedacht, sie würde protestieren und mir weiterhin Vorwürfe machen, doch sie wirkt stabil, stellt sich der Situation. In diesem Augenblick wird mir wieder bewusst, warum ich sie liebe.
„Wirst du die ganze Nacht suchen?“, fragt sie.
„Wenn es sein muss, werde ich das tun.“
Sie wirft mir einen letzten Blick zu, nickt und schließt sich den Touristen auf den Weg durch den Wald an. Ich beobachte sie, bis die Bäume sie endgültig verschlucken.

„Wir werden auch gehen“, höre ich eine Stimme hinter mir sagen.
Als ich mich umdrehe, stehen die Touristenführer vor mir.
„Ihr wollt die Insel verlassen?“, frage ich ungläubig. „Aber wir haben meinen Sohn noch nicht gefunden!“
Von allen Seiten prasseln ihre Stimmen auf mich ein.
„Niemand bleibt nachts hier.“
„Hier ist es nicht sicher.“
„Sie haben doch die Knochen gesehen!“
Ich wische mir den Schweiß von der Stirn und frage: „Seid ihr so von Ammenmärchen geblendet, dass ihr einen kleinen Jungen auf der Insel zurücklassen wollt?“
Die Guides vermeiden Blickkontakt mit mir. Ich bekomme keine Antwort.
„Ich fass es nicht.“
Ich werfe resignierend die Hände nach oben.
„Es tut uns leid. Sie sollten auch gehen.“
„Ihr wisst, dass ich das nicht kann und auch nicht werde.“
Einige Guides werfen mir besorgte Blicke zu, aber sie scheinen zu akzeptieren, dass mein Entschluss unumstößlich ist.
„Viel Glück“, sagen sie und klopfen mir auf die Schulter. Und sie gehen. In geschlossener Formation machen sie sich auf den Weg. Sie lassen mich zurück. Allein. Doch einer bleibt stehen. Er scheint zu überlegen. Dann dreht er sich um, kommt auf mich zu und blickt mir tief in die Augen.
„Ich werde hierbleiben und dir helfen“, sagt Gerrard.

Der Himmel nimmt die Farbe von Blei an und wir suchen weiter den Wald ab. Die Sonne ist fast gänzlich hinter dem Horizont verschwunden. Gerrard hat seine Taschenlampe rausgekramt und leuchtet ins Dickicht. In der anderen Hand hält er ein Jagdmesser. Insekten zirpen lautstark und eine Brise weht sanft durch die Bäume. Der Wind ist angenehm frisch auf meiner verschwitzten Haut. Die Temperatur muss noch immer an die dreißig Grad hoch sein. Ganz zu schweigen von dieser elenden Luftfeuchtigkeit.
„Was brachte dich eigentlich dazu, hier zu arbeiten?“, frage ich.
„Meine Großmutter hat mir immer von dem Ort erzählt, ich kenne also alle Geschichten. Da hat sich das als Nebenjob neben meinem Studium angeboten.“
„Und du warst schon in der Nacht hier.“
Nun leuchtet er mir mit der Taschenlampe ins Gesicht, blendet mich.
„Daher weht also der Wind. Kommst du immer so direkt zur Sache?“
„Ich frage doch nur. Und könntest du aufhören, mir ins Gesicht zu leuchten?“
Er leuchtet wieder in die Büsche.
„Wie gesagt, es war nur ein Mal. Mit meinem Bruder. Wir waren noch klein.“
„Warum wart ihr hier?“
„Eine Mutprobe. Für so eine bescheuerte Clique.“
„Mein Sohn ist auch in so einer. Was ist damals passiert?“
Er geht wieder in die Büsche, ohne zu antworten, ohne mich anzusehen, und lässt mich unter dem funkelnden Sternenhimmel allein auf dem Weg zurück.

Die Nacht ist hereingebrochen.
Der Wind weht stärker. Aus der frischen Meeresbrise ist eine kräftige Sturmbö geworden. Blätter und kleine Äste fliegen durch die Luft, der ganze Wald rauscht wie ein Wasserfall. Der Wasserfall. Wir sind ganz in der Nähe. In der Nähe des Meeres, der Knochen, des Massengrabs. Gerrard will nicht über die Nacht damals reden. Aber das ist gerade unwichtig. Ich stehe am Rand des Waldes und blicke auf den Ozean hinaus. Der Mond spiegelt sich im Wasser. Die Kronen kleiner Wellen glitzern im Licht. Das erinnert mich an Nächte in Hamburg, Nächte, in denen ich an der Elbe sitze, auf das Wasser starre und mir Gedanken mache. Immer, wenn meine Frau Erfolg hat - eine Beförderung, den ersten Platz beim Dressurreiten, Sieg bei der Wahl zur Elternsprecherin -, denke ich nach. Über mein Leben, meine Familie, meine Zukunft. Stundenlang sitze ich im Hafen auf einer Bank, betrachte die Lichter der Stadt und höre das Wasser schwappen. Ich sehe die Gesichter der Universitätsprofessoren, wie sie mich herablassend beäugen, erinnere mich an jahrelanges Brüten über meine Doktorarbeit ohne Ergebnis und meine gescheiterten Manuskripte. Nichts klappt, nichts würde je klappen. Manchmal weine ich. Nicht bitterlich, nie mehr als ein paar Tränen, so als hätte ich einen Schlag auf die Nase bekommen, aber ich weine. Sollte ich niemals ein Erfolgserlebnis haben? Ich fühle mich wie ein Versager. Und heute Nacht ist es genauso.

Ich spüre den Wind auf meiner Haut. Er wird stärker. Ein Sturm muss im Anmarsch sein. Doch der Pazifik wogt sanft hin und her. Zu sanft. Müssten die Wellen bei dem Wind nicht höher sein, das Wasser sich stärker kräuseln? Wo sind die Gewitterwolken? Ich blicke nach oben. Der Mond scheint hell, es sind keine Wolken über dem Meer. Doch direkt über Temwen Island ist der Himmel schwarz, als blickte man in ein Loch, als wäre man blind. Keine Sterne, keine Wolken, kein Mondschein, nichts. Ich höre Gerrard hinter mir.
„Irgendwas stimmt hier nicht“, sagt er.
„Dir ist also auch der Himmel aufgefallen?“
„Was?“
Ich deute nach oben.
„Was zum…?“
Wir stehen da, blicken nach oben, blicken in das Nichts. Der Wind peitscht, Äste knacken, Bäume schwanken.
„Das ist merkwürdig“, sagt Gerrard. „Aber das meinte ich nicht.“
Mir schwant Übles.
„Was ist denn dann so merkwürdig?“
„Ich war vorhin bei dem Massengrab, weißt schon, am Wasserfall.“
„Ja und? Hast du was gefunden?“
„Das ist es ja.“
„Was meinst du?“
„Die Knochen … sie sind alle weg.“

Wir sind an der Stelle des Massengrabes. Alle Knochen sind spurlos verschwunden.
„Könnte sie jemand weggeräumt haben?“, frage ich.
„Unmöglich, nicht alle, nicht so schnell.“
Und da spüre ich einen Atem im Nacken. Ein Schauer fährt mir durch den Körper. Ich vernehme deutlich ein Ein- und Ausatmen, fühle die Atemluft auf meiner Schulter streifen. Es ist ein rasselnder Atem wie der eines Löwen. Mein Körper versteift sich. Mein Herz rast, meine Muskeln sind angespannt, meine Hände zu Fäusten geballt. Ich drehe mich langsam um, bereit dem Tod ins Antlitz zu blicken, die Fratze eines wilden Tieres zu sehen. Doch ich sehe nichts. Nur Bäume und das Meer dahinter.
„Was ist denn? Hast du was gesehen?“, fragt Gerrard.
„… Nein, ich glaube nicht. Ich muss total übermüdet sein.“
Ich fahre mir durch die Haare.
Gerrard legt mir eine Hand auf die Schulter.
Da vernehme ich ein anderes Geräusch, weit entfernt und leise. Der Wind scheint es durch den Wald zu tragen, es mir ins Ohr zu flüstern. Ein menschliches Geräusch. Ein Hilfeschrei. Der Schrei eines Kindes.
„Hast du das auch gehört?“, frage ich.
Gerrard nickt langsam.
„Das muss von den Ruinen kommen“, sagt er.
Wir blicken uns kurz an und dann laufen wir durch den Wald, zurück zu dem Weg und zurück zu den Ruinen. Die Taschenlampe leuchtet beim Laufen wild in alle Richtungen. Ich weiche Ästen und Wurzeln aus und sehe schon bald den Fluss und Nan Madol auf der gegenüberliegenden Seite. Wir setzen in einem kleinen Boot über, der Wind wird stärker, fast orkanartig. Es müssen die Ruinen sein. Sie pusten den Wind über Temwen Island. Als wir die Ruinen betreten, habe ich das Gefühl, die Nacht sei dunkler geworden. Aber ich kann noch genug sehen, um zu bemerken, dass die Steine keine Flecken mehr haben, das Gras, das die Steine überwucherte, fort ist und Steine, die zuvor Bruchstellen hatten, wieder intakt sind, als wären sie erst gestern hier platziert worden.

Wir haben uns aufgeteilt.
Ich suche beim Hügel des Schildkrötenopfers nach der Quelle der Stimme. Doch ich höre sie nicht mehr, finde nichts außer Stein. Habe ich mich getäuscht? Hat mir mein Gehirn einen Streich gespielt, entsprungen aus dem Wunsch, ein Lebenszeichen von Samuel zu erhalten? Nein, das kann nicht sein. Immerhin hat Gerrard die Stimme auch gehört. Ich sehe den Lichtkegel seiner Taschenlampe in der Nähe. Ich hoffe, er hat mehr Glück als ich. Da sehe ich einen Schatten an der Außenmauer einer Grabanlage. Einen menschlichen.
„Samuel?“
Der Schatten zeigt keine Regung, als wäre er an die Mauer gemalt. Ich sehe mich um, versuche die Person zu erblicken, die den Schatten wirft. Doch ich bin allein. Niemand ist bei mir und doch ist da dieser Schatten. Dem Körperbau zu urteilen, muss es der Schatten eines Mannes sein. Zum zweiten Mal in dieser Nacht versteife ich mich, wage mich nicht zu rühren. Und doch gehe ich auf die Mauer zu. Der Schatten bleibt unverändert. Ich steh direkt vor ihm und berühre die Mauer. Sie ist warm. Während ich vor dem Schatten stehe, fällt mir auf, dass ich selbst keinen werfe. Ich blicke gen Himmel. Der Mond ist nicht zu sehen, es gibt keine Lichtquelle. Die Sterne sind erloschen, und doch sind die Ruinen hell erleuchtet.

Plötzlich höre ich ein Quieken. Es kommt von dem Hügel des Schildkrötenopfers. Unzählige Schildkröten liegen um den Hügel verstreut. Ihre Köpfe sind zerschmettert, ihre Gehirne schleifen über den Boden. Obwohl sie tot sein müssten, bewegen sich ihre Vorderläufe. In einem Versuch, sich fortzubewegen, scharren sie über den Boden. Dunkles Blut besudelt den Hügel, sprudelt aus dessen Spitze. Es läuft über die Steine, über die Schildkröten, auf mich zu. Ich höre es plätschern, wie eines dieser kleinen Brunnen, die man sich auf den Nachtschrank stellen kann. Gleich berührt das Blut meine Schuhe. Ich schließe die Augen, will nicht sehen, wie es meine Beine umspült. Ich weiß nicht, wie lange ich so da stehen blieb, aber als ich meine Augen öffne, ist das Blut fort, ist der Schatten fort, sind die Schildkröten fort.
Ich höre Gerrard schreien.

„Da bist du ja!“
Er dreht sich im Kreis, lächelt wie ein Wahnsinniger.
„Du warst also die ganze Zeit hier“, sagt er.
Ich blicke ihn fassungslos an.
Er lacht.
„Und ich dachte, du wärst damals hier gestorben. Weißt du noch, wegen dieser bescheuerten Mutprobe?“
„Gerrard? Wovon redest du?“
„Ruhe! Ich rede mit meinem Bruder.“
Es war weit und breit niemand zu sehen.
„Wie geht es dir?“, fragt er einen Stein.
„Komm zu dir.“
Ich rüttle ihn an der Schulter, er zuckt zurück.
„Weg mit dir!“
Ich stehe ratlos da, kann nichts sagen, nichts tun. Ich kann nur Gerrard beobachten, wie er mit einer Wand Witze reißt und in Erinnerungen schwelgt.
Gerade als ich denke, es kann nicht noch verrückter werden, erscheinen Lichter über uns. Aus dem schwarzen Loch am Firmament ist ein Farbenspiel aus hellblau und grün geworden. Es erinnert mich an Polarlichter. Wunderschön und schrecklich zugleich.
„Nimm sie weg, nimm sie weg.“
Gerrard fängt an zu brüllen.
„Sie sitzen unter meinen Fingernägeln“, sagt er.
„Wovon redest du?“
„Die Maden! Sie fressen mich!“
Ich sehe, wie er sein Messer packt.
„Was hast du vor?“, frage ich und befürchte das Schlimmste.
„Ich muss sie entfernen, bevor sie mir unter die Haut krabbeln!“
Er fährt mit der Spitze des Messers unter einen seiner Fingernägel.
„Bist du verrückt?“
Er blickt mich verzweifelt an. Ein Blick voller Angst und Wahn. Dann schiebt er sein Messer langsam unter seinen Fingernagel. Blut tropft auf den Boden, er verzieht sein Gesicht vor Schmerz. Doch er macht weiter. Immer tiefer schneidet er - die Klinge erreicht das Nagelbett - und dann, als wollte er ein Schloss mit einer Brechstange aufbrechen, vollführt er eine Hebelbewegung. Mit einem Schmatzen löst sich der Fingernagel vom Fleisch und landet auf dem Boden. Sein blutiger Finger glitzert in dem seltsamen Licht.
„Jetzt kann ich die Maden entnehmen“, sagt er und stochert mit der Messerspitze im weichen Fleisch herum.
„Lass das sein.“
Ich will ihn davon abhalten, sich noch mehr zu verletzen, aber er wirft mir Blicke zu, so wahnsinnig, so besessen. Und er hat immer noch ein Messer in der Hand. Plötzlich wird das Licht über uns intensiver. Um uns herum sind Schatten. An den Wänden, auf dem Boden, überall. Sie scheinen zu tanzen. Es ist ein makabrer Tanz, so als stünden sie unter Strom. Sie zucken und winden und krümmen sich. Ein Laut ertönt. Es ist wie der Schrei eines Tieres im Todeskampf, gemischt mit dem hämischen Lachen eines alten Mannes. Gerrard ist erstarrt. Ich packe ihm am Arm.
„Lass uns weg von hier“, sage ich.
Er rührt sich nicht.
„Der leuchtende Mann“, flüstert er. „Er kommt, um uns zu sich zu holen.“

Im Eingang der rechteckigen Grabanlage erscheinen hellblaue Augen in der Dunkelheit. Sie sind von roten Striemen durchzogen, wie blutige Kratzer. Ich höre keine Schritte, doch sie kommen näher, schweben auf uns zu. Als die Augen ins unnatürliche Licht treten, glaube ich zu halluzinieren. Das Licht bildet unter den Augen einen blass-grauen Bart, der bis zum Boden reicht. Ansonsten ist dort, wo ein Körper hätte sein sollen, nichts. Nur diese Augen, die mich boshaft anfunkeln, und ein Bart, der im Licht zu wehen scheint. Die Schatten tanzen schneller. Sie drehen sich wild im Kreis und ich glaube, bei manchen zerrissene Gedärme zu erkennen, die ihnen zwischen den Beinen baumeln. Die Luft riecht nach Blut und Verwesung. Gerrard sagt nichts, tut nichts, starrt lediglich auf den leuchtenden Mann. Und auf die Kinder, die hinter ihm aus den Schatten treten.

Bei Gott, ein Bild der Perversion bietet sich mir. Dutzende gehäutete Kinder sammeln sich hinter dem leuchtenden Mann. Das bisschen Haut, das sie haben, hängt ihnen in Fetzen vom Körper. Ihre entblößten Muskeln schimmern schleimig. Sie alle haben hellblaue Augen und grinsen hämisch. Sie heben ihre hautlosen Arme. Gelbliche Knochen treten unter den Sehnen zum Vorschein.
„Bruder?“
Gerrard geht einen Schritt auf sie zu. Ich will was sagen, ihn aufhalten, doch ich bin wie erstarrt.
„Da bist du ja“, sagt er.
Und dann läuft er, in Richtung der Kinder, in Richtung des leuchtenden Mannes. Die Kinder reißen gierig die Mäuler auf, so weit, dass ihnen das Fleisch an den Wangen mit einem grotesken Geräusch zerreißt. Schwarze Zungen zappeln hungrig in der Dunkelheit. Die Augen der abscheulichen Gottheit verengen sich siegessicher. Sieht Gerrard denn nicht, worauf er da zuläuft? Er hat schon fast den Mann erreicht. Ich mache einen Schritt vorwärts. Ich darf nicht zulassen, dass er sich in den Tod stürzt. Doch gerade, als ich diesen Entschluss gefasst habe, spüre ich einen Sog. Gerrard ist dem leuchtenden Mann zu nahe gekommen. Ich muss würgen, als ich sehe, was mit ihm geschieht. Der Mann saugt ihm die Haut von den Knochen. Fetzen fliegen durch die Luft. Gerrard schreit um Gnade. Doch sie wird ihm nicht gewährt. Sein Fleisch löst sich von den Knochen, er schreit ohrenbetäubend. Seine Haare werden aus der Kopfhaut gerissen, ganze Büschel fliegen durch die Luft und tanzen wie ein Moskitoschwarm um den leuchtenden Mann herum. Und dann schälen sich die Augen mitsamt Sehnerv aus dem Schädel und seine Zähne lösen sich mit einem Knacken aus seinem Kiefer. Blut spritzt ihm aus Augenhöhlen und Nase, sein Schrei verkommt zu einem Gurgeln. Ich will meinen Blick abwenden, ihn nicht sterben sehen, doch ich kann nicht, bin wie gebannt. In seinen letzten Momenten versucht Gerrard sich umzudrehen und fortzulaufen, doch der Sog des Wesens ist zu stark und zwingt ihn auf die Knie.
"Bitte... nicht...", bringt er stammelnd hervor. Es ist das Letzte, was er sagt. Seine Zunge schnellt aus seinem Mund, als hätte sie jemand gepackt und ziehe sie aus dem Rachen. Mit einem Geräusch, das mir durch Mark und Bein geht, löst sich seine Zunge aus seinem Mund. Die Bilder haben sich in mein Gedächtnis gebrannt, denn dabei bleibt es nicht. Seine Organe werden ebenfalls aus seinem Mund gesaugt. Lunge, Leber, Darm. Er fuchtelt wild mit den Händen, während ihm seine Gedärme aus dem Körper schießen, versucht sie zu fassen, sie davon abzuhalten, weggesaugt zu werden. Doch schon bald erschlaffen seine Arme und nach einigen Sekunden sind nur noch Knochen von ihm übrig. Ich kotze. Warme Flüssigkeit strömt mir aus dem Mund, ohne dass ich etwas dagegen unternehmen kann. Das Erbrochenen klatscht auf meine Schuhe und schimmert im Licht. Ich ringe um Fassung.
„Nein, nein, nein.“
Er hat ihn getötet, ihn komplett in sich aufgesogen, doch der leuchtende Mann scheint noch hungrig zu sein. Er schwebt mir weiterhin entgegen. Erst jetzt erblicke ich hinter ihm die Kreatur, die einst mein Sohn gewesen war.

Ich falle auf die Knie.
„Samuel, es tut mir leid“, sage ich mit leiser, weinerlicher Stimme.
Laut und deutlich vernehme ich die Stimme meines Sohnes, als wäre sie in meinem Kopf.
„Der leuchtende Mann sagt, ich muss hierbleiben und die Steine für immer beschützen.“
Er musste in die große Grabanlage gelaufen und dort diesem formlosen Schrecken begegnet sein, der sich jetzt vor mir aufbäumt.
„Warum mein Junge?“, rufe ich verzweifelt.
Der leuchtende Mann kommt näher.
„Darf ich dir was vorsingen, Papa? Ein Lied, damit wir einschlafen können?“
Mit hoher Stimme beginnt sie, in meinem Kopf zu singen.
Funkel, Funkel, kleiner Stern.
Ich sitze zusammengesackt auf dem Boden. Das Lied hat Lisa ihm immer vorgesungen. Samuel kommt ebenfalls auf mich zu.
Ach wie bist du mir so fern.
Seine Augen leuchten, sein Mund öffnet sich ebenfalls in grotesker Weise.
Wunderschön und unbekannt.
Nur noch ein paar Schritte, nur noch wenige Sekunden.
Wie ein strahlend Diamant.
Mein Sohn streckt seine kleinen Händchen aus, versucht mich zu berühren. Es ist gut so. Mein Sohn kommt zu mir zurück, wir werden uns nie mehr trennen, uns nie mehr aus den Augen verlieren. Ich lächle und breite die Arme aus.

Ich spüre den Sog des leuchtenden Mannes und fühle, wie sich meine Haut spannt. Meine Muskeln brennen, Blut schießt mit Hochdruck durch meinen Körper. Die Geräusche meiner Umgebung werden intensiver. All meine Gedanken sind wie fortgeblasen. So fühlt sich also ein Mann, kurz vor seinem Ende. Doch soll es hier enden? Mein Leben beendet von seelenlosen Wiedergängern? Ich muss an die Worte Samuels denken, dessen Gesang in meinem Kopf nachhallt. Ich muss diesen Ort beschützen … ewiglich. Doch wäre das so schlimm? Ich wäre mit meinem Sohn wiedervereint, ich wäre unsterblich. Ist das nicht das Opfer wert? Mit diesem Gedanken lasse ich meinen Blick ein letztes Mal über die Ruinen schweifen.

In einem letzten Moment geistiger Klarheit sehe ich die Stelle vor dem Urwald, wo noch vor wenigen Stunden Lisa saß. Die Palmen wogen im Wind, Blätter rascheln und Vögel flattern durch die Nacht. Der Pazifik schimmert im Polarlicht. Die Wahrheit trifft mich wie ein Schlag ins Gesicht. Irgendwo dort draußen sind meine Frau, mein Job und mein Traum, ein renommierter Autor zu werden. Dort draußen zu sein, heißt zu leben. In Nan Madol gibt es nur den Tod und ewiges Bedauern. Ich wäre nicht mit meinem Sohn zusammen, sondern mit einem Dämon, der meinen Sohn imitiert. Ich kann nicht hier bleiben, ich darf nicht hier bleiben.

Ich wende meinen Blick von Samuels Fratze ab. Meine Glieder sind schwer wie Blei, doch irgendwie schaffe ich es, aufzustehen. Die Abscheulichkeit steht vor mir, lechzt nach meiner Seele.
„Mich bekommst du nicht.“
Unter Schmerzen entziehe ich mich dem Sog, spüre jeden Knochen in meinem Körper, fühle meine Knie knirschen, fühle wie meine Muskeln sich verkrampfen. Doch ich drehe mich um und laufe. Weg von dem leuchtenden Mann, weg von Samuel und den gehäuteten Kindern. Ich laufe so schnell ich kann. Meine Beine tragen mich, ohne dass mir bewusst ist, dass ich die Macht über meine Bewegungen habe. Ich erreiche den Eingang, laufe die Steintreppe hinunter und durch den Wald. Ich blicke nicht zurück und denke nicht nach, handle instinktiv. Ich will einfach nur weg von hier, das alles vergessen, doch ich weiß, dass ich das nie würde können. Als ich Gerrards Boot erreiche, fängt es bereits an zu dämmern. Ich drücke und schiebe. Ich fühle mich verfolgt, habe Angst. Doch ich bin allein an diesem Strand. Das Boot gleitet sanft über den Sand, hinein ins Wasser. Ich springe an Bord und mache den Motor an.

Die ersten Sonnenstrahlen lugen über den Horizont. Das Boot schaukelt sanft im Wellengang. Der Motor rattert leise vor sich hin. Ein Sturm kommt auf. Schwere Wolken haben sich über dem Ozean gesammelt und werden vom Wind Richtung Pohnpei getrieben.
Ich massiere mir die Stirn und versuche, die Geschehnisse irgendwie zu verarbeiten. Die Münder, die Augen, die Stimme in meinem Kopf, der Ausdruck auf dem hautlosen Gesicht meines Sohnes. Ich ziehe meinen Notizblock aus der Brusttasche und betrachte die erste Seite. All der Terror, all der Schmerz, nur für einen Stapel Papier. Ich werfe den Block in hohem Bogen in den Pazifik und beobachte ihn eine Weile, bis er endlich aus meinem Sichtfeld verschwindet. Ich merke zunächst nicht, wie mir Tränen an den Wangen hinunterlaufen und der Regen einsetzt.
Ich schüttle langsam den Kopf und während der Regen stärker wird und die Wellen gegen das Boot schlagen, höre ich das Flüstern des leuchtenden Mannes, des uralten Wesens, älter als die Saudeleurs und älter als die Steine Nan Madols, das mich und meine Frau zu sich in den Abgrund ruft.

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo liebe Wortkrieger,

wie angekündigt habe ich meine Story Regen über Pohnpei überarbeitet. Ich erstelle diese Geschichte als neues Thema, da sie sich doch stark von der ursprünglichen Version unterscheidet. Falls dies nicht erlaubt ist, bitte ich darum, dass mir das mitgeteilt wird. ;)

Die ursprüngliche Version wurde mittlerweile leider gelöscht.

Vor allem habe ich versucht, die Kritiken bezüglich der Charakterzeichnung und des Spannungsbogens umzusetzen. Ich hoffe, das ist einigermaßen gelungen. Und ja, da bleibt mir nur, mich nochmal für die tollen Kritiken zu bedanken, und ich hoffe, diese Geschichte hier ist unterhaltsam genug. :)

Willkommen in Nan Madol, ich hoffe, ihr genießt euren Aufenthalt. :naughty:

Danke für eure Aufmerksamkeit,
gibberish

 

Hallo gibberish,

wow! Deine Neufassung ist der Hammer! Aber von Anfang an. Dein Einstieg ist super, wie du gleich im zweiten Absatz alles zusammenfasst und auf den Punkt bringst. Man weiß sofort, was sich zuvor abgespielt hat, warum dein Protagonist auf dem Boot ist.

Dann das hier, das hat mir sehr gefallen:

Mein Sohn greift nach meiner Hand.
„Es ist so dunkel da drin“, sagt er. „Ich will da nicht rein.“
„Keine Angst, Samuel. Das ist nur ein Wald. Erinnerst du dich an den Schwarzwald?“
„Ja, wir haben uns verlaufen und Mami hat gesagt, du wärst ein Stümper.“
Ich grinse.
„Da hat Mami übertrieben.“ Ich zwinkre ihm zu. „Aber der Wald war viel dunkler, oder? Und es ist nichts passiert. Wir sind heil wieder rausgekommen. Das wird heute nicht anders sein, nicht wahr, Schatz?“, sage ich an meine Frau gewandt, doch sie antwortet nicht, schüttelt nur mit dem Kopf.
Das hat etwas Zärtliches, deutet aber auch an, dass die Frau schon des Öfteren gedacht hat, ihr Mann sei eine Lusche.

Der darauffolgende Dialog zwischen dem Protagonisten und seiner Frau ist ebenso gelungen. Durch das Gespräch erfährt man, dass er schon im letzten Jahr Versprechungen im Urlaub machte, die er nicht hielt, alles dreht sich immer nur um ihn und seine erfolglosen Ambitionen, ein großer Autor zu werden. Man kann in deiner neuen Version sofort nachvollziehen, warum seine Frau so genervt ist. Das hast du super gemacht.

Auch den Grusel hast du ganz anders verpackt. Noch wirkungsvoller. Diese kleinen zusätzlichen Szenen (die toten Schildkröten, die Knochen auf dem Waldboden) deuten an, dass noch viel Schlimmeres folgen wird. Die Beschreibungen der Natur und der Insel – ich konnte mir alles vorstellen!

Und dann das. Gerrards irres Gequatsche mit seinem Bruder, das Messer unterm Fingernagel. Alter Falter, da fing es an, weh zu tun. Das ist echt fies. Ein wenig Gesplatter, das ich nicht allzu gerne mag, aber ich war tapfer. Meine Güte, dann die Kinder, ohne Haut. gibberish, da hast du aber ordentlich auf die Pauke gehauen. Die Geschichte wird immer schneller und immer grausamer.

Das Ende ist ähnlich, wie bei Version eins, nur ein wenig knapper gehalten (wenn ich mich richtig erinnere), was ich gut fand.

Du merkst schon, ich war voll dabei. Mir hat dein erster Entwurf vor ein paar Wochen schon gefallen, aber das hier ist echt nochmal eine Stufe weiter. Kompliment! Spannend, brutal, einfühlsam, lesenswert!

RinaWu

 

Gruß!

Also vorneweg: großes Lob! Die Geschichte hat mir sehr gut gefallen, mich schnell gefesselt, wodurch ich sie ambitioniert von Anfang bis Ende gelesen habe und in der ersten Hälfte ist mir auch nichts fehlerhaftes aufgefallen, dann jedoch ein paar Kleinigkeiten:

Ansonsten sehe dort, wo ein Körper hätte sein sollen, nichts.

"[...] sehe ich dort [...]"

Gerrard sagt nichts, tut nicht, starrt lediglich auf den leuchtenden Mann.
"[...] nichts [...]"

Bei Gott, ein Bild der Perversion bietet sich mir. Dutzende gehäutete Kinder sammeln sich hinter dem leuchtenden Mann. Das bisschen Haut, das sie haben, hängt ihnen in Fetzen vom Körper. Ihre entblößten Muskeln schimmern schleimig. Sie alle haben hellblaue Augen und grinsen hämisch. Sie heben ihre hautlosen Arme. Ich erkenne gelbe Knochen, die Knochen vom Massengrab.

Wenn die Kinder "nur" gehäutet sind, wie kann er dann Knochen erkennen? - Gut es findet sich etwas Knorpel- und Knochen-Gewebe an den Armen, dass nicht von Muskeln bedeckt ist aber reicht dass um die Knochen als die vom Massengrab zu identifizieren? - Finde es nicht vollkommen eingängig bzw. nachvollziehbar.

Der leuchtende Mann kommt näher.
"Darf ich dir was vorsingen, Daddy? Ein Lied, damit wir einschlafen können?“
Mit hoher, engelsgleicher Stimme beginnt die Stimme in meinem Kopf zu singen.

1. Wortwiederholung!

2. Wessen Stimme ist das? Die seines Sohnes oder die des leuchtenden Mannes? - Wenn der Mann: Warum "Daddy?" erweckt den Eindruck dass es doch der Sohn ist, was aus noch folgenden Gründen komisch ist - Wenn Samuel: warum mit "[...] hoher, engelsgleicher Stimme [...]" ? Ist sein Sohn ein Kastrat? - dann hätte diese Besonderheit schon vorher erwähnt werden sollen - ansonsten: wenn es eine engelsgleiche Stimme ist, sein Sohn diese aber normalerweise nicht hat, dann ist es wohl doch nicht seine Stimme - soll es jedoch die Stimme Samuels sein, die entsprechend "verzerrt" bzw. "aufgeklart" erklingt, sollte das deutlicher erklärt werden!

- später steht, dass Samuel gesungen hat, daher würde ich die erwähnte Szene nochmal nachbessern

Mit diesem Gedanken lasse meinen Blick ein letztes Mal über die Ruinen schweifen.

"[...] lasse ich meinen [...]"

Ich fühle mich verfolgt, habe Angst, jeden Augenblick von dem leuchtenden Mann aufgesaugt zu werden.

finde der letzte Teilsatz klingt etwas platt: "Ich fühle mich verfolgt, habe Angst!" reicht mMn.

Ich schüttle langsam mit dem Kopf und während der Regen stärker wird [...]

"Ich schüttle langsam den Kopf [...]"

Danke für diese spannende und schaurige Geschichte. Vor allem hat mir gefallen, wie du die Emotionen und das Handeln des Protagonisten vermittelt hast. Ich konnte sein Fühlen und Handeln dadurch sehr gut nachvollziehen - lese gerne mehr von dieser Art!

Beste Grüße
Das LAK

 

Hallo gibberish,

Ich finde es toll, dass du so intensiv an der mikronesischen Horrorinselidee gearbeitet hast. :)

Die neue Geschichte gefällt mir in der ersten Hälfte auf jeden Fall besser als die ältere Version. Ich habe das Gefühl, der Aufbau funktioniert besser, also dass du gleich mit der Fahrt nach Nan Madol anfängst und solche Sachen wie die Begrüßung durch den Vermieter des Ferienhauses weggelassen hast. Auch die neuen Dialoge mit Lisa und Samuel gefallen mir, die Gereizheit von Lisa kommt sehr gut rüber und obwohl ich auf der einen Seite dem Protagonisten seine Träume vom Horror-Bestseller gönne, kann ich auch nachvollziehen, warum sie sauer auf ihn ist.

Und die Stelle, als Samuel mit dem leuchtenden Mann spricht, fand ich sehr effektiv.

„Der alte Mann hat gesagt, Knochen böser Kinder sind das, woraus die Inseln gemacht sind.“
:thumbsup: Das ist echt gruselig, und dass sie dann Kinderknochen im Wald finden, ist auch eine gute Ergänzung, fand ich.

In der zweiten Hälfte, also etwa ab dem Teil, wo der Erzähler und Gerrard allein auf der Insel bleiben, hatte ich dann aber das Gefühl, die Geschichte zerfasert so ein bisschen. Da kommt es mir so vor, als ob die Protagonisten in einer Geisterbahn unterwegs sind, und da kommt ein Horrorbild nach dem anderen - und die Bilder sind für sich genommen auch effektiv, aber es geht irgendwie der Fokus verloren. Der Erzähler scheint da stellenweise aus den Augen zu verlieren, dass er nach seinem Sohn sucht. Also den Teil würde ich vielleicht noch straffen. Zum Beispiel den Teil, wo Gerrard sich wegen eingebildeter Maden selbst verstümmelt, finde ich nicht unbedingt notwendig. Die Stelle fällt für mich auch so ein bisschen aus dem Rahmen, weil die Geister der Insel ja normalerweise sehr direkt mit der Welt der Lebenden interagieren. Also ein Geist, der einem sämtliche Weichteile von den Knochen saugen kann, der hat es ja eigentlich nicht nötig, einen mit Halluzinationen in den Wahnsinn zu treiben. :p

Der leuchtende Mann hat sich in dieser Inkarnation etwas verändert. Er scheint sich jetzt wirklich auf Kinder spezialisiert zu haben, die er als Inselwächter behält, und die Erwachsenen frisst er einfach. Das funktioniert für mich auch gut - kindlich aussehende Horrormonster haben sowieso immer was besonders Fieses an sich.
Aber mir hat es eigentlich in "Regen über Pohnpei" auch gut gefallen, dass die Geister auf der Insel so "zusammengewürfelt" sind aus unterschiedlichen Kulturen. Also das vermisste japanische Filmteam, das aus dem Meer auftaucht, der Schildkrötenmanscher mit der Keule, etc. - du merkst schon, die haben Eindruck hinterlassen, weil ich mich echt gut an die erinnern kann. Jetzt hast du außer den geopferten Schildkröten und dem leuchtenden Mann eigentlich "nur" noch die toten Kinder. Dafür haben jetzt sowohl der Erzähler als auch Gerrard eine persönliche Beziehung zu einem der Opfer des leuchtenden Mannes, das hat auf jeden Fall etwas für sich, aber irgendwie vermisse ich die größere Vielfalt der Spukerscheinungen aus der alten Geschichte. Das ist aber sicher je nach Leser unterschiedlich.

Ein paar Kleinigkeiten im Text:

Unzählige Mücken schwirren durch die Luft, Papageie krächzen in den Baumkronen und ein Bach plätschert ruhig neben dem Weg.
Papageien

„Freut ihr euch auf eine sagenumwobene Ruinenstadt voller geheimer Gräbern?“
Gräber

„Was meinst du, für wen ich das tue?“, frage ich.
Sie dreht sich langsam um, so wütend hab ich sie lange nicht gesehen.
„Für dich“, flüstert sie.
Den Dialog fand ich wirklich super, das bringt es echt gut auf den Punkt. Schreiben ist ja wirklich eine sehr egozentrische Angelegenheit. Wenn das Umfeld nicht sehr tolerant und verständnisvoll ist, kann das schon zu heftigen Konflikten führen. :)

Wir sind an der Stelle des Massengrabes. Alle Knochen sind spurlos verschwunden.
„Könnte sie jemand weggeräumt haben?“, frage ich aus einer Hoffnung heraus.
Äh, welche Art von Hoffnung verbindet er denn mit jemandem, der sich nicht blicken lässt und die Überreste eines Massenmordes heimlich verschwinden lässt? Das würde mich noch mehr in Panik versetzen, ehrlich gesagt.

Hat mir mein Gehirn einen Trick gespielt, entsprungen aus dem Wunsch, ein Lebenszeichen von Samuel zu erhalten?
"Streich spielen" ist eine feste Redewendung, es müsste also entweder das sein, oder so was wie "einen Trick vorgeführt"

Ich stehe da wie ein lobotomierter Affe, kann nichts sagen, nichts tun.
Den Vergleich fand ich zu übertrieben. Wieviele lobotomierte Affen hat denn der Erzähler schon gesehen, oder der durchschnittliche Leser? Ich würde irgendwas alltäglicheres nehmen.

„Darf ich dir was vorsingen, Daddy?
Das ist doch eine deutsche Familie, oder war es zumindest in der älteren Fassung. Deshalb würde ich Papa nehmen.

Ich habe es auch in dieser Version gerne gelesen, nur in der zweiten Hälfte fand ich wie gesagt, das könnte noch etwas gestrafft werden.

Grüße von Perdita

 
Zuletzt bearbeitet:

Liebe RinaWu,

Es freut mich wirklich sehr, dass du diese zweite Fassung ebenfalls gelesen und kommentiert hast. Und umso mehr freut mich, dass sie dir besser gefällt.

Dein Einstieg ist super, wie du gleich im zweiten Absatz alles zusammenfasst und auf den Punkt bringst.

Hier hatte ich schon die Befürchtung, zu sehr in Richtung Infodump zu gehen, gleich zu Beginn zu viel zu erklären. Doch anscheinend ist das nicht negativ aufgefallen und die kurze Zusammenfassung der Ausgangssituation kommt bei dir gut an. Da fällt mir ein Stein vom Herzen.

Das hat etwas Zärtliches, deutet aber auch an, dass die Frau schon des Öfteren gedacht hat, ihr Mann sei eine Lusche.

Ja, ich habe bei der Neufassung den Fokus sehr stark auf die Charaktere gelegt, weil sie ja in der ersten Version sehr blass waren, abgesehen vom Protagonisten. Ich habe versucht, das großteils in Dialoge zu verpacken und es scheint zu funktionieren. Echt schön, dass die Charakterzeichnung jetzt ausgeprägter ist und beim Leser ankommt.

Diese kleinen zusätzlichen Szenen (die toten Schildkröten, die Knochen auf dem Waldboden) deuten an, dass noch viel Schlimmeres folgen wird. Die Beschreibungen der Natur und der Insel – ich konnte mir alles vorstellen!

Diesmal habe ich versucht, etwas subtiler vorzugehen, mit Schatten und Lichtern und Halluzinationen. Die Geister sind ja jetzt nur noch als Schatten vorhanden, nur die Kinder sind, ich sage mal physisch vorhanden. Ist natürlich ein Unterschied zur ersten Fassung, die ja sehr verfolgungslastig war und die Geister den Protagonisten aktiv angegriffen haben. Aber mir machen solche Sachen eher Angst, also komische Schatten und diese Lichter. Das wirkt auf mich intensiver und wenn es bei dir auch so ist, freut mich das natürlich ungemein. ;)

Gerrards irres Gequatsche mit seinem Bruder, das Messer unterm Fingernagel. Alter Falter, da fing es an, weh zu tun. Das ist echt fies. Ein wenig Gesplatter, das ich nicht allzu gerne mag, aber ich war tapfer. Meine Güte, dann die Kinder, ohne Haut. gibberish, da hast du aber ordentlich auf die Pauke gehauen.

Ja, der Dank hierfür gebührt Matthew, der unter der ersten Version geschrieben hat, dass man schreiben solle, wovor man sich selbst gruselt. Und für mich gibt es keine schlimmere Vorstellung als spitze Gegenstände unter Fingernägeln und alles was mit dem Häuten zu tun hat. Widerlich. Also musste das mit rein. Schön dass du tapfer warst und durchgehalten hast, sei versichert, das hat auch beim Schreiben wehgetan, weil ich mir das so lebhaft vorstellen musste.

Das Ende ist ähnlich, wie bei Version eins, nur ein wenig knapper gehalten (wenn ich mich richtig erinnere), was ich gut fand.

Ja, der letzte Absatz ist wirklich kürzer, Gerrard ist ja nicht mehr. Also fällt der Dialog zwischen den beiden weg und das Ende ist knapper, aber ich finde es auch besser so.

Kompliment! Spannend, brutal, einfühlsam, lesenswert!

Vielen Dank für diese tollen Worte. Das motiviert total und macht mich happy. :D

Nochmals Danke und ich wünsche dir viel Erfolg mit deinem Roman.

Man liest sich,
gibberish

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Gruß zurück Das LAK,

Die Geschichte hat mir sehr gut gefallen, mich schnell gefesselt, wodurch ich sie ambitioniert von Anfang bis Ende gelesen habe und in der ersten Hälfte ist mir auch nichts fehlerhaftes aufgefallen

Das ist doch die Hauptsache und ich könnte mir nichts Besseres wünschen. Da geht einem das Herz auf. ;) Und die erste Hälfte gefällt mir auch sehr. Sie ist halt ruhiger und dadurch irgendwie intensiver. Und es fallen diese ganzen Nebensächlichkeiten weg, die in der ersten Fassung noch so ausgeprägt waren. Liest sich definitiv besser, das finde ich auch. Vielen Dank für das Feedback.

Gut es findet sich etwas Knorpel- und Knochen-Gewebe an den Armen, dass nicht von Muskeln bedeckt ist aber reicht dass um die Knochen als die vom Massengrab zu identifizieren?

Ich habe jetzt einfach nur gelbliche Knochen geschrieben. Ich lasse nun den Leser entscheiden, wo diese herkommen.

Wessen Stimme ist das? Die seines Sohnes oder die des leuchtenden Mannes?

Genau das ist die Frage, die man sich stellen muss. Ist das noch der Sohn? Oder etwas anderes? Aber durch das direkte Ansprechen des Vaters denke ich, dass es deutlich ist, dass der Protagonist zunächst denkt, es sei sein Sohn, der da spricht. Später wird ihm ja bewusst, dass dem nicht so ist.

Wenn Samuel: warum mit "[...] hoher, engelsgleicher Stimme [...]" ? Ist sein Sohn ein Kastrat? - dann hätte diese Besonderheit schon vorher erwähnt werden sollen - ansonsten: wenn es eine engelsgleiche Stimme ist, sein Sohn diese aber normalerweise nicht hat, dann ist es wohl doch nicht seine Stimme - soll es jedoch die Stimme Samuels sein, die entsprechend "verzerrt" bzw. "aufgeklart" erklingt, sollte das deutlicher erklärt werden!

Naja, ein Junge in diesem Alter kann schon mit hoher Stimme singen. Man muss nur mal so einem Knabenchor lauschen, da brennen einem nach fünf Minuten die Ohren. Aber ich habe den Satz trotzdem verändert, da hoch und engelsgleich ja mehr oder weniger dasselbe aussagen. Daher musste ein Adjektiv weg, hier das engelsgleich. Danke für den Hinweis. ;)

Deine weiteren Anmerkungen habe ich übernommen bzw. ausgebessert. Danke.

Danke für diese spannende und schaurige Geschichte. Vor allem hat mir gefallen, wie du die Emotionen und das Handeln des Protagonisten vermittelt hast. Ich konnte sein Fühlen und Handeln dadurch sehr gut nachvollziehen - lese gerne mehr von dieser Art!

Ich muss mich für diesen hilfreichen Kommentar bedanken. Und da ich die Charaktere in den Vordergrund gestellt habe, finde ich es super, dass das auch angekommen ist und du das Handeln des Protagonisten so gut nachvollziehen konntest.

Nochmal vielen Dank und ein schönes Wochenende,
gibberish

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Hallo Perdita,

Wieder finde ich einen tollen und hilfreichen Kommentar von dir unter einer meiner Geschichten. Du hilfst mir echt sehr, ich kann mich gar nicht genug bedanken.

Ich finde es toll, dass du so intensiv an der mikronesischen Horrorinselidee gearbeitet hast.
Ja, es war mir einfach ein persönliches Anliegen, das Ding nochmal neu zu schreiben, weil ich das Gefühl hatte, da nochmal ein Quäntchen mehr rausholen zu können. Da heißt es schreiben, schreiben, schreiben, bis einem der Stoff aus den Ohren quillt.

Die neue Geschichte gefällt mir in der ersten Hälfte auf jeden Fall besser als die ältere Version. Ich habe das Gefühl, der Aufbau funktioniert besser, also dass du gleich mit der Fahrt nach Nan Madol anfängst und solche Sachen wie die Begrüßung durch den Vermieter des Ferienhauses weggelassen hast.

Mir auch. Das mit dem linearen Aufbau war wirklich ein super Tipp, den ich gleich umgesetzt habe. Da fallen dann diese ganzen Nebenschauplätze wie z.B das Ferienhaus weg und die Geschichte spielt sich nur noch auf Temwen Island ab. Das finde ich auch besser so. ;)

In der zweiten Hälfte, also etwa ab dem Teil, wo der Erzähler und Gerrard allein auf der Insel bleiben, hatte ich dann aber das Gefühl, die Geschichte zerfasert so ein bisschen. Da kommt es mir so vor, als ob die Protagonisten in einer Geisterbahn unterwegs sind, und da kommt ein Horrorbild nach dem anderen - und die Bilder sind für sich genommen auch effektiv, aber es geht irgendwie der Fokus verloren. Der Erzähler scheint da stellenweise aus den Augen zu verlieren, dass er nach seinem Sohn sucht. Also den Teil würde ich vielleicht noch straffen. Zum Beispiel den Teil, wo Gerrard sich wegen eingebildeter Maden selbst verstümmelt, finde ich nicht unbedingt notwendig. Die Stelle fällt für mich auch so ein bisschen aus dem Rahmen, weil die Geister der Insel ja normalerweise sehr direkt mit der Welt der Lebenden interagieren. Also ein Geist, der einem sämtliche Weichteile von den Knochen saugen kann, der hat es ja eigentlich nicht nötig, einen mit Halluzinationen in den Wahnsinn zu treiben.

Oha, wieder was zum Drüber-Nachdenken. Wenn ich was streichen wollen würde, dann die Szene mit Gerrard, weil ich auch beim Schreiben das Gefühl hatte, sie könnte too much sein. Nicht im Hinblick auf den Gorefaktor sondern in Bezug auf die anderen Horrorszenen, sodass die Story wie ein Mosaik aus Gruselszenen wirken könnte. Aber ich wollte wohl unbedingt die Fingernagelszene drinhaben. :D Beim Schreiben der Horrorszenen ist mir so ein bisschen die Fantasie durchgegangen, ich habe aber nicht das Gefühl, dass die anderen Szenen überflüssig sind oder den Konflikt verwässern. Daher würde ich die nicht rausnehmen wollen (es sei denn da kommentieren noch andere, dass es zu viel ist), aber über die Fingernagelszenen werde ich mir noch Gedanken machen, ob ich die nun rausnehmen, drinlassen oder kürzen will. Auf jeden Fall danke für den Gedankenanstoß.

Aber mir hat es eigentlich in "Regen über Pohnpei" auch gut gefallen, dass die Geister auf der Insel so "zusammengewürfelt" sind aus unterschiedlichen Kulturen. Also das vermisste japanische Filmteam, das aus dem Meer auftaucht, der Schildkrötenmanscher mit der Keule, etc. - du merkst schon, die haben Eindruck hinterlassen, weil ich mich echt gut an die erinnern kann. Jetzt hast du außer den geopferten Schildkröten und dem leuchtenden Mann eigentlich "nur" noch die toten Kinder. Dafür haben jetzt sowohl der Erzähler als auch Gerrard eine persönliche Beziehung zu einem der Opfer des leuchtenden Mannes, das hat auf jeden Fall etwas für sich, aber irgendwie vermisse ich die größere Vielfalt der Spukerscheinungen aus der alten Geschichte. Das ist aber sicher je nach Leser unterschiedlich.

Wie gesagt war es ja mein Anliegen, die Story persönlicher zu machen und den Horror eine Spur subtiler zu gestalten. Ob nun die japanische Filmcrew damit vereinbar gewesen wär... hmm. Ich fand, sie passte nicht mehr so recht ins Gesamtbild, da ich ja auch die blauäugigen Widergänger entfernt habe. Ist vermutlich wirklich Geschmackssache, welche Art des Horrors nun besser ist, aber Regen über Pohnpei ist ja auch noch online. :D Wie gesagt, hier wollte ich mal einen anderen Ansatz verfolgen. Und ja, Kinder in Horrorgeschichten sind verdammt gruselig.

Deine Anmerkungen habe ich mir zu Herzen genommen - wie immer ;) - und den Text dahingehend überarbeitet.

Vielen Dank für deine Zeit und Mühe.

Liebe Grüße,
gibberish

 
Zuletzt bearbeitet:

Moin gibberish,

Da hat wohl jemand "Aus Äonen" von Lovecraft gelesen, bzw. Lin Cartes Xothic Cycle. Nichtsdestotrotz, ich bin immer schon ein Freund von Geschichten gewesen, die sich an Vorbildern orientieren, noch dazu, wenn diese Vorbilder zu meinen Vorbildern gehören.;)

Der Motor unseres Bootes dröhnt, man müsste schreien, um miteinander sprechen zu können, aber ich will nicht reden. Meine Frau sitzt mir gegenüber und wirft mir missmutige Blicke zu, mein Sohn hat sich über die Reling gebeugt und hält nach Fischen Ausschau. Die Luft riecht nach Salz und Abgas. In der Ferne erblicke ich den Urwald von Temwen Island. Ich bin schon ganz unruhig. Endlich werde ich die Ruinenstadt Nan Madol sehen.

Guter Einstieg. Vorbildlich. Alle relevanten Informationen in einem kurzen Absatz: Handelnde Personen, Setting und Objekt der Handlung. Bravo.

Ich arbeite als Geschichtsdozent in Hamburg und als mir ein Kollege von den Ruinen erzählte, war ich fasziniert. Er hatte eine Dokumentation über Nan Madol vor Temwen Island, einer Nebeninsel von Pohnpei, gesehen und mir einiges erzählt. Bis heute weiß niemand, wer diese Stadt errichtet hat, oder zu welchem Zweck. Bekannt ist nur, dass das Volk der Saudeleurs die Stadt Anfang des zwölften Jahrhunderts verlassen vorfand, sie besiedelte und bis 1628 in ihr lebte.

Was ich nicht verstehe: Dein Protagonist erzählt uns diese Geschichte im Präsens. Wem? Uns als Lesern? Ich finde diese Zeitform unglücklich für eine Geschichte, an derem Ende alle sterben und die Geschichte quasi ein Bericht der schrecklichen Ereignisse ist. Denn "Ich arbeite als ..." ist ganz klar als Bericht an einen Adressaten gemeint. Lovecrafts Texte waren immer als Brief oder Tagebucheintrag verfasst, was dem Bericht über die Geschehnissen eine Glaubwürdigkeit verlieh. Natürlich kann man das auch so schreiben, aber zumindest reißt es einen ein wenig aus der Immersion, wenn man etwas länger als zwei Minuten darüber nachdenkt. Andererseits ist die Präsensform sehr effektiv und spannender, da die Geschehnisse auf den Leser viel unvermittelter wirken. Nur das Selbstreferenzielle stört. Magst du das vielleicht nicht lieber im Gespräch mit seiner Frau unterbringen?

[...]spürte ich, dass ich die passende Inspirationsquelle für meinen Roman gefunden hatte. Schon lange arbeite ich an der Veröffentlichung eines Romans, doch alle Manuskripte, die ich einsende, werden von den Verlagen abgelehnt. Diesmal muss es klappen und es wird klappen, das spüre ich.

Das spürte ich
das spüre ich

Unschöne Doppelung in einem Absatz. Ansonsten: Eine schöne Reminiszenz an all die armen Künstler in Lovecrafts Welt, die sich auf der Suche nach Inspiration zu weit vorgewagt haben ...

Sie winkt abwehrend mit der Hand und geht zu Samuel.
„Was meinst du, für wen ich das tue?“, frage ich.
Sie dreht sich langsam um, so wütend hab ich sie lange nicht gesehen.
„Für dich“, flüstert sie.

Gruselig, so glaubhaft!:D

„Geht es Ihnen gut? Brauchen Sie Hilfe?“, fragt Gerrard.
„Nein, nein, ist schon okay. Vermutlich ist er bei meiner Frau … Die wird mir die Hölle heiß machen.“
Ich lächele gequält und ohne weitere Worte zu verlieren, lasse ich Gerrard zurück, der mich besorgt mustert. Ich eile zum Wasser zurück, halte nach Samuel Ausschau und rufe seinen Namen. Als ich den Fluss sehe, erblicke ich Lisa. Sie sitzt am anderen Ufer und hält die Füße ins Wasser. Sie ist allein.

Gut geschrieben. Ich krieg da nen richtigen Kloß im Hals, weil ich mich reinversetzen kann!

Die Augen der abscheulichen Gottheit verengen sich siegessicher. Sieht Gerrard denn nicht, worauf er da zuläuft? Er hat schon fast den Mann erreicht. Ich mache einen Schritt vorwärts

Ich schüttle langsam den Kopf und während der Regen stärker wird und die Wellen gegen das Boot schlagen, höre ich das Flüstern des leuchtenden Mannes, der alten Gottheit, älter als die Saudeleurs und älter als die Steine Nan Madols, die mich und meine Frau zu sich in den Abgrund ruft.

Wieso betitelt er den Leuchtenden Mann als Gottheit? Das kann er gar nicht wissen, bei dem Wesen könnte es sich um alles Mögliche handeln. Hier hast du Metawissen des Autors miteinfließen lassen, sofern ich nicht etwas überlesen habe.

Mein Fazit: Kein Lovecraft-Pastiche, sondern eine gelungene Variation des Themas. Die erste Hälfte finde ich besser als die Zweite. Der Spannungsaufbau ist dir gut gelungen, aber du lässt die Situation zu schnell eskalieren und räumst dieser Eskalation zuviel Raum ein. Spannung entsteht nicht dadurch, dass du mit der Kamera die ganze Zeit auf das Böse draufhältst, sondern dass du dieses Böse nur andeutest, bzw. möglichst lange nur in Ansätzen erahnen lässt. Du gibst zu schnell preis, wer der Antagonist ist und ab da an ist es nur noch Gemetzel.
Das ganze Rumgesplatter lässt mich kalt, da du es sehr distanzierst und nüchtern verkaufst. Die Gewalt beschreibst du als "technische Vorgänge", aber Schrecken entsteht so nicht. Weißt du, was ich meine?

Fleisch löst sich von Knochen, Haare werden aus der Kopfhaut gerissen, die Augen werden mitsamt Sehnerv aus dem Schädel geschält, seine Zähne lösen sich mit einem Knacken aus seinem Kiefer. Seine Organe werden aus seinem Mund gesaugt. Erst die Zunge, dann die Lunge, dann der Darm. Nach einigen Sekunden sind nur noch Knochen von ihm übrig.

Das liest sich wie ein Transkript aus dem Diktiergerät eines Pathologen. Sachlich, unaufgeregt und somit auch wenig schockierend. Ich würde es nicht so einfach aufzählen, sondern die Konsequenzen verdeutlichen.

Tränen treten in Gerrards Augen, als seine Därme durch einen Schnitt in der Magendecke rutschen und feucht auf den Sand klatschen. Perplex versuchen seine Hände, nach den freiliegenden Organen zu greifen, doch die blutigen Schläuche gleiten ihn immer wieder durch die Finger. Dann setzt der Schock ein und ich muss ansehen, wie Gerrard, von Krämpfen geschüttelt, einen Schwall aus Blut und Kot vor meine Füße spuckt.

Das mag jetzt nicht 1 zu 1 zur Situation passen, aber ich wollte nur deutlich machen, wie man sowas effektvoller und persönlicher gestalten kann.

So, dass war es erstmal von mir. Wie immer sind dir die Dialoge grandios gelungen, durch die Bank weg glaubhaft. Überleg mal, ob du den zweiten Part nicht etwas kürzen, und den ersten Part etwas ausbauen magst!

Schönes WE

Exilfranke :)

 
Zuletzt bearbeitet:

Heyho Exilfranke,

Deine freundlichen Worte sind immer gern gesehen. Und natürlich auch deine kritischeren. ;)

Da hat wohl jemand "Aus Äonen" von Lovecraft gelesen, bzw. Lin Cartes Xothic Cycle.

Ja, Lovecraft werde ich wohl nie aus meinen Horrorgeschichten verbannen können, zu stark ist sein Einfluss, hab immerhin sein Gesamtwerk hier liegen. :D Aber ich finde es auch nicht schlecht, ein bisschen dieses Flair versprühen zu können - mit genug eigenem natürlich. Und diesmal dachte ich mir, jetzt könnte ich noch ein bisschen "Lovecraftiger" werden, immerhin hab ich erst durch ihn von diesem Ort erfahren. Scheint ja doch gut anzukommen.

Zunächst danke ich dir für das Lob, das tut immer unheimlich gut. Besonders die Dialoge und Charaktere liegen mir hier sehr am Herzen und es war mir wichtig, dies besser zu machen als in der Urfassung. Gut, der Text hier hatte somit was von Schreibübung, das will ich nicht abstreiten, war doch vorher klar, wohin die Reise geht und was die Eckpfeiler der Handlung sind, aber ich mag die Geschichte mittlerweile sehr, obwohl ich mich schon fast ein halbes Jahr mit ihr beschäftige (die Rohfassung von Regen über Pohnpei - immerhin 40.000 Zeichen - habe ich im März geschrieben, damals sogar nochmal mit einem anderen Titel), oder gerade weil sie mich so lange beschäftigt.

Daher danke, danke, danke für all das Lob, das bedeutet mir viel.

Aber nun zur Kritik. ;)

Dein Protagonist erzählt uns diese Geschichte im Präsens. Wem? Uns als Lesern? Ich finde diese Zeitform unglücklich für eine Geschichte, an derem Ende alle sterben und die Geschichte quasi ein Bericht der schrecklichen Ereignisse ist.

Nun ja, der Protagonist stirbt ja nicht, daher dachte ich, es wäre okay - vielleicht sogar besser da näher am Protagonisten - die Geschichte im Präsens zu schreiben. Wem er das nun erzählt? Wer weiß? Polizei, Psychiater, einem Blatt Papier ... alles möglich. ;) Die erste Version stand im Präteritum, dann in einem Zwischending, jetzt komplett im Präsens, irgendwie passt keine Zeitform so recht, habe ich den Eindruck. Die eine ist zu distanziert und man weiß von vorneherein, dass er überlebt, die andere ist nicht schlüssig, da er überlebt und man nicht weiß, wem er das alles erzählt. Schwierig.

Nur das Selbstreferenzielle stört. Magst du das vielleicht nicht lieber im Gespräch mit seiner Frau unterbringen?

Das werde ich mir überlegen, lieber Exilfranke, wirklich, danke für den Gedankenanstoß.

Wieso betitelt er den Leuchtenden Mann als Gottheit? Das kann er gar nicht wissen, bei dem Wesen könnte es sich um alles Mögliche handeln.

Du hast nichts überlesen, das ist tatsächlich mein Wissen. Habe ich rausgenommen, jetzt ist es einfach nur ein Wesen.

Spannung entsteht nicht dadurch, dass du mit der Kamera die ganze Zeit auf das Böse draufhältst, sondern dass du dieses Böse nur andeutest, bzw. möglichst lange nur in Ansätzen erahnen lässt. Du gibst zu schnell preis, wer der Antagonist ist und ab da an ist es nur noch Gemetzel.
Das ganze Rumgesplatter lässt mich kalt, da du es sehr distanzierst und nüchtern verkaufst. Die Gewalt beschreibst du als "technische Vorgänge", aber Schrecken entsteht so nicht.

Ja, ich weiß was du meinst, und da müsste ich mir was überlegen, um da ein bisschen mehr Pfiff reinzubringen und noch subtiler vorzugehen. Hab momentan aber viel um die Ohren, also wird das noch etwas dauern, aber ich werde sehen, was sich machen lässt, aber ganz ohne Splatter werde ich in meinen Horrorstorys wohl nie auskommen können. :D

Das liest sich wie ein Transkript aus dem Diktiergerät eines Pathologen. Sachlich, unaufgeregt und somit auch wenig schockierend. Ich würde es nicht so einfach aufzählen, sondern die Konsequenzen verdeutlichen.

Jetzt, wo du es sagst, fällt mir das auch auf. Liest sich in der Tat sehr unaufgeregt. Ich habe versucht, dass ein bisschen eindrücklicher zu schildern und es demnach ergänzt. Vielen Dank dafür, dass du mich darauf aufmerksam gemacht hast.

Überleg mal, ob du den zweiten Part nicht etwas kürzen, und den ersten Part etwas ausbauen magst!

Ich wüsste jetzt nicht, was ich im ersten Part noch groß hinzufügen könnte, außer den Dialog mit der Frau wie von dir vorgeschlagen auszubauen. Ich denke, da habe ich so ziemlich alles gesagt, was ich zu sagen hatte. Aber ich werde mich definitiv nochmal an die zweite Hälfte setzen und gucken, ob ich das noch straffen kann. Die Fingernagelszene wurde ja bereits von Perdita als streichenswert eingestuft. Wie gesagt, ich mach mich da nochmal dran, sobald die Zeit das zulässt.

Vielen Dank, dass du dir die Mühe machst, einem alten Horroraficionado (hätte nicht gedacht, dass Aficionado im Duden steht) immer wieder auf die Sprünge zu helfen.

Ich wünsche dir eine sonnige und angenehme Woche,
gibberish

 

Hey Gibberish

Die neue Version ist, meine Güte, so viel besser. Eleganter, bessere Figurenzeichnung, gutes Vorshadowing und der leuchtende Mann ist wirklich sehr unheimlich geworden. Ich habe Gänsehaut gehabt. Ich finde die Brutalität in der Geschichte verstörend und passend eklig beschrieben, obwohl Gerrards Tod vielleicht doch etwas zu "klinisch" beschrieben wurde, wie im obigen Kommentar erwähnt. Aber der Star des Gruselkabinetts bleibt der leuchtende Mann. Dass Samuel ihn schon kennenlernt fand ich super, dadurch hat er einen Charakter bekommen, nicht nur, dass er es offensichtlich auf Kinder abgesehen hat (durch Samuels Gespräch mit ihm, hast du komplett ausreichend darauf hingewiesen), seine Erscheinung ist kreativ und beängstigend, die Art wie er Gerrard aufsaugt war wirklich passend widerwärtig. Gerrards Vergangenheit auf der Insel war gut gewählt und hat enorm zur Spannung beigetragen und die Atmosphäre war diesmal richtig dicht und kohärent. Chapeau!

Du hast ein E bei Sturmbö(e) vergessen, mehr fällt mir jetzt nicht ein.

Freue mich auf weitere Werke von dir :)

Grüße

 
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Hey Matthew,

Es ist schön, wieder von dir zu lesen, und noch schöner, dass dir die Geschichte so viel besser gefällt als die erste.

Eleganter, bessere Figurenzeichnung, gutes Vorshadowing und der leuchtende Mann ist wirklich sehr unheimlich geworden.

Ja, die Figurenzeichnung stand wie gesagt diesmal im Fokus und es macht mich echt froh, dass die gut geglückt ist. Dass auch der Spannungsbogen stimmt, macht mich gleich noch ne Spur glücklicher. Vielen Dank für das Lob.

Ich habe Gänsehaut gehabt. Ich finde die Brutalität in der Geschichte verstörend und passend eklig beschrieben, obwohl Gerrards Tod vielleicht doch etwas zu "klinisch" beschrieben wurde, wie im obigen Kommentar erwähnt.

Dass du einen Gänsehaut bekommen hast, ist das Beste, was ich mir als Reaktion auf meine Horrorgeschichte wünschen könnte. Finde ich echt cool. Was den Gorefaktor angeht, sind mir hier und da wieder die Pferde ein bisschen durchgegangen, aber wenn es passt und zu der Geschichte beiträgt, könnte ich nicht zufriedener sein. Die Szene mit Gerrards Tod habe ich überarbeitet und dabei versucht, weniger sachlich zu beschreiben. Ich werde aber sicherlich bald nochmal auf die Szene zurückkommen. Wenn ich etwas nicht fünf Mal überarbeiten kann, bin ich nicht glücklich. :D

Aber der Star des Gruselkabinetts bleibt der leuchtende Mann.

Genau so sollte es sein. Ich habe auf den Hünen, der die Schildkröten zermatscht hat, sowie auf die Geister aus den verschiedenen Epochen verzichtet, um u.a. den leuchtenden Mann stärker in den Fokus zu rücken, quasi als einzige handfeste Entität. Sein Kindergefolge kam mir da nur recht und die gehäuteten Kinder erzeugen auch bei mir ein ziemlich ekliges Bild. Da musste ich selbst beim Schreiben das Gesicht verziehen. Freut mich, dass das auch bei dir angekommen ist. ;)

Gerrards Vergangenheit auf der Insel war gut gewählt und hat enorm zur Spannung beigetragen und die Atmosphäre war diesmal richtig dicht und kohärent.

Ja, ich brauchte einen Grund, warum er dem Protagonisten bei der Suche hilft und wollte nicht, dass er einfach nur ein netter Typ ist, der für einen Fremden sein Leben riskiert. Deshalb war er in Regen über Pohnpei ein bisschen farblos. Daher habe ich nun diese Hintergrundgeschichte hinzugefügt. Danke auch für dein Lob bezüglich der Atmosphäre, die ist mir immer wichtig. ;)

Du hast ein E bei Sturmbö(e) vergessen, mehr fällt mir jetzt nicht ein.

Laut Duden kann mann sowohl Sturmbö als auch Sturmböe schreiben. Beides ist gleichermaßen akzeptabel.

Vielen Dank, dass du mir einen motivierenden Kommentar dagelassen hast - wie auch schon unter Regen über Pohnpei. ;)

Man sieht sich,
gibberish

 

Hi gibberish!

Ich kannte bis jetzt bloß "Kreise" von dir (habe aber nie kommentiert, glaube ich), aber auf jeden Fall finde ich, dass auf jeden Fall Fortschritte gemacht hast. Ich habe das richtig gerne gelesen und finde das sehr gut geschrieben und spannend war's auch.

Ja, sprachlich bzw. schreibtechnisch kann ich dir kaum etwas sagen - schreiben kannst du auf jeden Fall. Da sind tolle Beschreibungen für Landschaften drinnen, die Dialoge waren immer schön konfliktreich und kurzweilig, und einen wirklichen stilistischen Fehltritt konnte ich auch nicht finden.

Kleinigkeiten gab's:

Sie waren eine religiöse Sekte, eine isolierte Gemeinschaft, eine völlig eigene Kultur. Bis dieses mir zuvor unbekannte Volk spurlos verschwand.
das würde ich streichen - m.M.n. eine überflüssige Info, der Leser weiß das erstens schon (du wiederholst dich) und zweitens ist die Info in dem Augenblick auch nicht wichtig

Sie deuten Abscheuliches an, das sich auf dieser kleinen Insel vor vierhundert Jahren zugetragen haben könnte und noch immer in den Ruinen verweilt. So abscheulich, dass sich der normale Menschenverstand solcherlei nicht vorstellen kann. Grauenvolle Erscheinungen bei Nacht, Schatten, die jeder Beschreibung entbehren, und animalische Geräusche, die keinem bekannten Lebewesen zugeordnet werden konnten.
Das kam mir irgendwie schief vor - ich würde den komplett streichen, den Satz, weil ich glaube (gerade im Internetzeitalter) können sich Menschen AUF JEDEN FALL jede Menge Abscheuliches vorstellen :D

Es kommt von dem Hügel des Schildkrötenopfers. So etwas habe ich noch nie gesehen und werde es nie wieder sehen. Unzählige Schildkröten liegen um den Hügel verstreut.
mhm ... würde ich mir überlegen, zu streichen. Verwässert die Szene etwas, dieser Satz - er ist auch auf einer Art und Weise belanglos, nichtssagend

Das war's auch schon!
Was mir gefallen hat in dem Text: Du arbeitest die Motivationen deiner einzelnen Figuren sehr schön heraus - also besonders bei dem Prot und seiner Frau. Die zeichnest du ganz toll, man versteht jeden Schritt, den sie tun, das wirkt alles sehr organisch, natürlich.

Ich bin jetzt auch nicht wirklich im Horror-Genre drinnen und weiß, was da so abgeht, ich habe ein bisschen was von Steven King gelesen, paar Horror-Filme, das war's aber auch schon - aber mein einzige Tipp wäre: Geh einen Schritt weiter. Wie gesagt, sprachlich und figurenzeichnungstechnisch ist das alles top, das liest sich weg, aber dann kommt eben alles so, wie man es sich von Anfang an gedacht hat (nachdem man hier was aus der "Horror"-Kategorie angeklickt hat): Übernatürliches passiert, auch Grauenhaftes, Ekliges. Das ist alles gut und du machst auch bis auf Seite 23 alles richtig, das ist richtig spannend und alles, ABER dann fährt der Prot nach Hause und das war's.
Ich weiß, wie schwierig es ist, einen fertigen Text noch mal neu umzukrempeln oder weiterzuspinnen. Aber was mir hier gefehlt hat, ist noch so eine zündende Idee, etwas Unvorhersehbares für den Leser, was ihn zum Schluss noch mal die Schuhe auszieht, was die ganze Story noch mal in ein neues Licht legt: Da fällt mir z.B. zum Schluss von Das geheime Fenster ein, dass herauskommt, dass der Schriftsteller seine Frau ermordet und im Garten vergraben hat und dass er es eigentlich selbst war, der die ganze Zeit alle umbringt - oder (schlechteres Bsp, aber mir fällt sonst gerade keines ein): bei Scream, wo zum Schluss herauskommt, dass die beiden Kumpels von der Prot die Mörder sind, und den Verdacht auf ihren Vater die ganze Zeit lenken wollen.
Einfach so eine zündende Idee, so ein Aha-Erlebnis zum Schluss, wieso das Gottes-Wesen das tut und wieso es vllt gerade den Jungen und den Prot will: Evtl könnte ja rauskommen, dass alle tausend Jahre, bei einer bestimmten Mondkonstellation es die Möglichkeit für das Gottes-Wesen gibt, wieder einen Körper zu bekommen (es ist ja körperlos, entstellt), und dass es dann den Körper eines männlichen Kindes dafür braucht. Irgendwie sowas, ist nur ein Vorschlag.

Hat mir gut gefallen! Bleib am Ball, wie gesagt, schreiben kannst du, und wenn du noch mehr Unvorhergesehenes, Originelles einbasteln würdest, noch einen Schritt weiter gehen würdest in deinem Plot, fände ich es äußerst gelungen.

Viele Grüße,
zigga

 
Zuletzt bearbeitet:

Hey zigga,

vielen vielen Dank dafür, dass du dir trotz des warmen Wetters die Zeit genommen hast, mir so einen tollen Kommentar zu schreiben.

Ich kannte bis jetzt bloß "Kreise" von dir (habe aber nie kommentiert, glaube ich), aber auf jeden Fall finde ich, dass auf jeden Fall Fortschritte gemacht hast. Ich habe das richtig gerne gelesen und finde das sehr gut geschrieben und spannend war's auch.

Hey, das freut mich wirklich sehr. Horrorliteratur ist Spannungsliteratur, und wenn mein Text als spannend wahrgenommen wird, könnte ich nicht glücklicher sein. Und zu hören, dass ich Fortschritte mache, gibt mir nochmal einen gehörigen Motivationsschub. Das tut gut, danke.

Da sind tolle Beschreibungen für Landschaften drinnen, die Dialoge waren immer schön konfliktreich und kurzweilig, und einen wirklichen stilistischen Fehltritt konnte ich auch nicht finden.

Ja, der Ort stand im Fokus, da mussten Beschreibungen her. Es fiel mir schwer, da das richtige Maß zu finden, also Bilder im Kopf des Leser zu erzeugen und gleichzeitig nicht zu viel zu beschreiben. Dass das geklappt hat, ja, da fällt mir echt ein Stein von Herzen, da ich sowieso die Tendenz habe, zu viel zu quasseln. :) Die Dialoge und die Figurenzeichnung waren mir hier besonders wichtig, da letzteres in der Urfassung, die hier nicht mehr zu finden ist, als verbesserungswürdig eingestuft wurde. Und auch da bin ich unglaublich froh, dass das geklappt hat. ;)

Über deine Anmerkung bezüglich der Sätze habe ich mir Gedanken gemacht und kann mich nur bedanken. Ich muss dir da recht geben und ich habe die Passagen demgemäß geändert. Es liest sich jetzt tatsächlich besser, tausend Dank.

Ich bin jetzt auch nicht wirklich im Horror-Genre drinnen und weiß, was da so abgeht, ich habe ein bisschen was von Steven King gelesen, paar Horror-Filme, das war's aber auch schon

Umso mehr freut es mich natürlich, dass du dich in dieses Genre gewagt hast und sogar kommentierst. Das finde ich klasse.

Aber was mir hier gefehlt hat, ist noch so eine zündende Idee, etwas Unvorhersehbares für den Leser, was ihn zum Schluss noch mal die Schuhe auszieht, was die ganze Story noch mal in ein neues Licht legt

Ja, ich weiß genau, was du meinst. Das fällt mir immer schwer, vor allem in Horrorgeschichten, von denen ich ja schon einige fabriziert habe. Am Ende nochmal so ein Knall zu haben, so ein Oha!, das ist enorm schwierig. Hier habe ich versucht, mit dem letzten Satz anzudeuten, dass die Ereignisse auf der Insel Spuren beim Protagonisten hinterlassen haben und er die Stimme hört, quasi so ein bisschen als Wahn, und er nicht folgenlos da rausgeht. Aber gerne überleg ich mir da was, denn so konstruktive Kritik ist natürlich immer motivierend. Das Problem momentan ist, dass ich an meiner nächsten KG schreibe, die mir alles abverlangt, weil sie enorm schwierig für mich ist, da sie ein völlig anderes Genre hat, also wirklich völlig, ein Genre in dem ich noch nie geschrieben habe. Meine Gedanken kreisen also die ganze Zeit um diese KG und wollen aus dem Kopf geschrieben werden. Da fällt es natürlich schwer, wieder in diese hier reinzufinden. Das heißt aber nicht, dass ich mir um deinen Tipp keine Gedanken machen werde. Ich werde darauf zurückkommen und es im Hinterkopf behalten. Und wenn nicht für diese KG, aus welchen Gründen auch immer, dann sicher für die Zukunft. ;)

Ich danke dir für deine konstruktive Kritik für diese doch sehr lange KG, die mit nun 38.245 Zeichen die längste von mir hier ist (und das will was heißen, schreibe ich doch nie kurze ... Kurzgeschichten). Du hast mich ordentlich motiviert, zigga.

Ich wünsche einen schönen Sonntagabend und man sieht sich,
gibberish

 

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