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Die Schöne

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23.08.2013
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Die Schöne

Die Nacht ist vergangen und der Tag übernimmt die Vorherrschaft. Erste Sonnenstrahlen durchziehen diesen frühen Morgen der Pariser Innenstadt. Doch er ist schon lange auf, vollzieht seine Pflicht. Während er einen kleinen Schluck aus einer grünen, mit Wasser gefüllten Feldflasche nimmt, ragen die Wipfel der Bäume gegen Himmel entgegen. Auch in dieser düsteren Gegenwart, so als hätten sie nie etwas anderes getan.

Die Gegenwart hinterlässt ihre Spuren, doch es spielt keine Rolle, mit welcher Facette die Stadt sich zeigt, sie bleibt weiterhin die Stadt der Liebe. Mit dieser Überzeugung in seinen Gedanken, behält er alles im Überblick. Konzentriert schweift sein Blick durch all die kleinen, von der Straße sich wegwindenden Gassen. Die Vögel zwitschern ein fröhlich anmutendes Lied, die Fassaden der Häusermauern sahen auch schon bessere Zeiten. Verblassen diese doch im Fortschritt der Zukunft.

Ein Geräusch aus der Richtung vor ihm, wo ein kleiner Brunnen steht. Wohl in der goldenen Vergangenheit erbaut. Vielleicht während der Belle Epoque. Es ist nicht wichtig. Wichtig ist nur dieses Geräusch, denn es sind Schritte. Ja, ganz klar erkennbar. Zwar entfernt, hundertfünfzig Meter, vielleicht, aber deutlich hörbar. Wer ist da?, denkt er sich. In seinem Inneren breitet sich Unsicherheit aus. Er wird nervös. Das ist ein Fehler, er darf keine Schwäche zeigen, geht es doch um Alles.

Dann erscheint eine Gestalt. Vom Licht, der noch tief stehenden Sonne geblendet, erkennt er zunächst nur Umrisse. Langsam klärt sich der Blick, und die Gestalt wandelt sich in eine junge Frau. Paris am Morgen ist wundervoll, fühlt er sich in seinem Wissen bestätigt. Ja tatsächlich sehr wundervoll. Sie ist wundervoll. Ihr Antlitz fesselt ihn. Seine Konzentration für die Umgebung schwindet, doch ihr, nur noch ihr gehört die Aufmerksamkeit. Sehr wohl weiß er, dass es gefährlich ist. Aber die Vernunft hat ihn verlassen, ihr Aussehen, diese Ausstrahlung ihn lahm gelegt. Eine leicht aufkommende Windbriese durchzaust ihr Haar. Ihr blondes Haar, fast, so ertappt er sich bei dem Gedanken, fast als würde Aphrodite selbst dort stehen. Dort an dem kleinen steinernen Brunnen, mit der Wasserquelle für Jedermann. Was macht sie da bloß?, bekommt seine Gedankenfrage mit zunehmender Beobachtung prompt die Antwort. Sie holt mit ihrem Holzeimer Wasser. Wertvolles Trinkwasser, in Situationen wie diesen. Gerne würde er ihr den Holzeimer abnehmen. Ihn an der Schnur festbinden und behutsam nach unten gleiten lassen, bis er ein leises Plätschern vernimmt. Um den Eimer, mit Wasser vollgelaufen, nach oben zu ziehen. Doch er darf nicht, taucht ihm kurzzeitig seine Pflicht in Erinnerung. Er darf und kann ihr nicht helfen. Die Konsequenzen könnten verheerend sein. Mit etwas Glück, würde nichts geschehen, aber wer kann dies schon mit Sicherheit sagen? Mal ganz abgesehen davon, es würden die Anderen dabei zusehen. Nein, es ist nicht möglich, will er einen Schlussstrich unter sein Denken ziehen, als dieses unterbrochen wird.

Grau-schwarze Wolken ziehen am Himmel auf, als er plötzlich in seiner Brust einen warmen und zu gleich stechenden Schmerz, welcher sich immer mehr in seinem Brustkorb ausbreitet, spürt. Ist das, das Gefühl der Liebe?, so ein kleiner, nach Hoffnung sehnender Gedanke. Die Wahrnehmung verändert sich, er ist zurück.- Zurück, in der Realität angekommen.
Das Gezwitscher der Vögel ist schon lange verstummt. Doch all dies nahm er nicht wahr, so sehr war er von dieser magischen Ausstrahlung von ihr, der Schönen, abgelenkt. Förmlich geblendet.

Auch nahm er den deutschen Soldaten am Ende der Straße nicht wahr, dessen Lauf eines Scharfschützengewehres noch immer auf ihn gerichtet ist.

Selbst im Krieg, zeigt sich sein Paris von ihrer schönsten Seite. Der Liebe.

 

Hallo Eggerstone

Herzlich willkommen hier im Forum.

Deine erste Geschichte, ein Versuch mit Poesie einem verhängnisvollen Tag im Leben des Protagonisten einen romantischen Anstrich zu geben, vermochte mich nicht zu überzeugen. Da ist Verschiedenes, das mir allzu abstrakt wirkt.

Die Nacht ist vergangen und der Tag übernimmt die Vorherrschaft. Erste Sonnenstrahlen durchziehen diesen frühen Morgen der Pariser Innenstadt.

Der erste einleitende Satz ist überflüssig, der Nächste sagt alles aus. Auch hinkt die Zeitform, da die Nacht bereits vergangen ist.

Du lässt es offen, aber ich nehme an, es ist der 14. Juni 1940 an dem die Geschichte spielt. An diesem Tag marschierte die deutsche Wehrmacht in Paris ein. Die Figur, welche du zeichnest, hat eine grüne Feldflasche, wohl ein französischer Soldat. Nur, die französische Armee war bereits Tage zuvor abgezogen, Paris eine offene Stadt, die keinen Widerstand leistete. Auch konnte der Protagonist zu diesem Zeitpunkt kein Angehöriger der Résistance sein, da diese Organisation erst acht Tage später, am 22. Juni 1940, gegründet wurde. Selbst wenn ich in Betracht zöge, es sind einige Wochen später, wirkt es mir nicht plausibel. Warum sollte ein deutscher Soldat auf den Protagonisten zielen. Angehörige der Résistance waren nicht an ihrem Äusseren erkennbar. Feldflaschen mit Wasser führten sie in Paris ohnehin nicht mit, es gab da öffentliche Brunnen und offene Bistros. Diesbezüglich hast du dich, wohl in Unkenntnis der historischen Gegebenheiten, in eine etwas unwirkliche Szene manövriert.

Er wird nervös. Das ist ein Fehler, er darf keine Schwäche zeigen, geht es doch um Alles.

Das ist sehr vage und vermischt Verschiedenes, das auch, wenn man den Text insgesamt gelesen hat, keinen klaren Zusammengang ergibt. Was ist das Alles? Welche Schwächen könnten ihn in dieser Situation gefährden und warum? Schritte allein können es nicht sein.

Paris am Morgen ist wundervoll, fühlt er sich in seinem Wissen bestätigt. Ja tatsächlich sehr wundervoll.

Dieser abrupte Wandel der Gefühle, nur weil er eine junge Frau im Sonnenlicht erblickt, ist etwas abstrus oder der Protagonist völlig konfus.

Sie holt mit ihrem Holzeimer Wasser. Wertvolles Trinkwasser, in Situationen wie diesen.

Paris hatte eine intakte Infrastruktur, was die Wasserversorgung in den Häusern und die öffentlichen Brunnen betraf.

Was mir hier zu kurz kommt, ist zumindest in der Grundstruktur ein realer Bezug. Dann geht es mir auch zu wenig tief. Du vermischst eine Besatzungssituation mit einer völlig andern Vision, wobei beides nur rudimentär aufscheint. Beim Schreiben hattest du wahrscheinlich Bilder vor Augen, es wirkte dir greifbar, wie es sich abspielt, doch, was da in den Text einfloss, waren mehr fragmentarische Teile. Ich denke, du tätest gut daran, den ganzen Inhalt nochmals zu bedenken, es auf eine handfeste Basis stellen, und dem Anblick der jungen Frau weniger Übertriebenes, dafür aber greifbaren Anreiz zu geben. Auch der Schlusssatz hinkt mir etwas. Was der Protagonist wahrnahm, ist wohl kaum mit Liebe im wahren Sinne des Wortes zu verstehen.

Auch bei der Rechtschreibung solltest du nochmals schauen, es hat überflüssige Kommas, falsch geschriebene Worte (Windbriese) und Satzkonstruktionen.

Warte mal ab, welche Einwendungen andere Leser zu deiner Geschichte bringen, und versuche dann daran das Nötige zu überarbeiten. Es wird nicht ganz einfach sein, dieses Gerüst auf ein gutes Fundament zu stellen, aber keineswegs unmöglich. Ich hoffe, du nimmst die Herausforderung auch an, die du dir selbst geschaffen hast. ;)

Schöne Grüsse

Anakreon

 

Hallo Eggerstone

Ich hoffe, Du hast Deinen Text hier eingestellt, um ehrliche Kritik zu erhalten. Ich will Dir meine gerne geben.

Zunächst einmal: Der Inhalt Deiner Geschichte ist ein Soldat, der eine Strasse bewachen soll, sich von einer hübschen Blonden ablenken lässt und aus diesem Grund erschossen wird.

So richtig romantisch wird es mir da noch nicht ums Herz. Als Autor hast Du natürlich alle Freiheit, jetzt die Hände empört in die Luft zu strecken und "Banause" zu rufen. Ich mache trotzdem weiter:
Du sprichst in Deinem letzten Satz, im Resümee, von der Liebe.
Und ich stocke an der Stelle, fliege nochmals kurz über Deinen Text und denke Liebe? Welche Liebe?
Er sieht eine Blondine mit einem Holzeimer. Er beobachtet sie für ein paar Sekunden (meinetwegen zwei Minuten) dabei, wie sie Wasser aus einem Brunnen holt. Wann genau ist jetzt das mit Liebe? Vermutlich wirfst Du gerade Deine Hände in die Luft und rufst "Liebe auf den ersten Blick, Banause!". Ich fuchtele zurück und rufe "aber doch nicht so platt, Maestro, bitte doch nicht so platt!"

als er plötzlich in seiner Brust einen warmen und zu gleich stechenden Schmerz, welcher sich immer mehr in seinem Brustkorb ausbreitet, spürt. Ist das, das Gefühl der Liebe?, so ein kleiner, nach Hoffnung sehnender Gedanke.
Später erfährt man ja, dass das die Gewehrkugel war, die sich da so warm und stechend in seinen Brustkorb gekuschelt hat. Ich muss zugeben, ich habe selbst noch enttäuschend wenig praktische Erfahrung im Erschossenwerden, wage aber trotzdem zu behaupten, dass sich dieses Bild für mich sehr unrealistisch liest. Damit eine Kugel Haut und Knochen durchdringen kann, braucht sie viel Energie. Genaus diese Energie macht auf dem Brustkorb sicher nicht nur ein leises "Flupp", sondern haut dem Getroffenen ganz schön die Luft aus den Lungen.
Erschwerend kam hier noch hinzu, dass der Leser ja erst im Nachhinein aufgeklärt wird, woher dieser warme, stechende Schmerz den nun seine Ursache hatte. Das kippelt bei mir gefährlich in Richtung "den Leser auf eine falsche Fährte locken".

Ich fand es auch ein bissl störend, dass die Geschichte im Präsens geschrieben ist. Aber das mag Geschmacksache sein.

Erste Sonnenstrahlen durchziehen diesen frühen Morgen der Pariser Innenstadt. Doch er ist schon lange auf,
Erster Stolperstein für mich. Der Morgen ist schon lange auf? Er später wird klar, Du sprichst über einen Mann. Da bin ich aber schon gestolpert und rappele mich gerade wieder vom Fußboden auf.

er einen kleinen Schluck aus einer grünen, mit Wasser gefüllten Feldflasche nimmt,
Warum nimmt er nicht einfach einen Schluck Wasser aus seiner grünen Feldflasche? (Ich lass das grün jetzt mal drin, weil es ja vielleicht irgend einen historischen Zusammenhang gibt) Ich fand Deine Formulierung ein wenig hölzern und bin drüber gestrauchelt.

Während er ..., ragen die Wipfel der Bäume gegen Himmel entgegen
Das machen die nur während er trinkt? Was machen die in der übrigen Zeit? Das Während ist hier keine gute Wahl, finde ich.

Auch in dieser düsteren Gegenwart,
düsteren Gegenwart = düstere Zeiten? Ist das gemeint? Ich verstehe es so, bin aber nicht sicher.

Mit dieser Überzeugung in seinen Gedanken
Für mich so ein mittelgrosser Knubbel im Teppich. Keine gemeine Stolperfalle, aber liest sich hubbelig.

Ein Geräusch aus der Richtung vor ihm, wo ein kleiner Brunnen steht. Wohl in der goldenen Vergangenheit erbaut.
Mein Fokus ist beim ersten Satz klar auf dem Geräusch. Der Brunnen dient nur zur Orientierung. Daher überlege ich kurz, ob das Geräusch in der goldenen Vergangenheit erbaut wurde. Das bringt meine Beine schon ein Stück weit ins Schlackern.

Wer ist da?, denkt er sich.
Wer ist da? denkt er sich.
Du könntest "sich" weglassen. Du könntest auch "denkt er sich" weglassen. Dass es seine Gedanken sind, erschliesst sich von selbst.

In seinem Inneren breitet sich Unsicherheit aus. Er wird nervös.
Hier hast Du nach meinem Gefühl eine Chance verpasst. Angenommen, es herrscht Krieg. Das bedeutet: Es gibt andere Menschen, die mich töten wollen. (Die wollen mir nicht den Geldbeutel klauen, die werden mir mein Leben nehmen, wenn sich die Gelegenheit ergibt.) Angenommen, ich stehe unter dieser Prämisse im Morgengrauen mutterseelenallein in irgend einer Strasse und höre plötzlich Schritte. Da breitet sich nix in meinem Inneren aus, da werde ich nicht nervös. Da reisse ich mein Gewehr wieder hoch, das ich vor Müdigkeit und Nachlässigkeit hatte sinken lassen. So schnell es mir meine Hände, die jetzt unangenehm schwitzig werden, erlauben, fummele ich an irgendwas am Gewehr rum, das ich jetzt erst noch recherchieren müsste. Ist das wirklich entsichert, das verfluchte Ding? Ganz sicher? Ich fuchtele mit meinem Gewehr unschlüssig in der Richtung, aus der ich die Schritte vermute. Aber durch den Hall in dieser Strasse kann ich das gar nicht richtig sagen, wo das herkommt. Ich fuchtele nach links. Nein, warte, das kommt doch von rechts. Ich fuchtele zurück. Oder doch nicht? Weisst Du was? Am liebsten würde ich das verfluchte Gewehr einfach hier hinwerfen und gucken, dass ich Land gewinne. Sollen die mich doch mal am Arsch mit ihrem bescheuerten Krieg!

45 Jahre später mit dem Enkel auf dem Knie, da würde ich dann vermutlich sagen "Da war der Opa schon ganz kurz mal ein bissl nervös geworden, hahaha" Aber Du schreibst im Präsens. Das heisst, wenn der in die Hose macht, hör ich es im gleichen Augenblick auf den Asphalt tröpfeln. Aber bei "Er wird nervös" tröpfelt da nicht viel.

Vom Licht, der noch tief stehenden Sonne geblendet
kein Komma nach Licht

Seine Konzentration für die Umgebung schwindet, doch ihr, nur noch ihr gehört die Aufmerksamkeit.
Nach zwei- oder dreimaligem Lesen hab ich verstanden, wie es gemeint ist. Ich denke, das kann man somit als "über einen Satzbau stolpern" nennen.
Das "doch ihr" ist an der Stelle zum einen verwirrend, zum anderen unnötig.

Windbriese
Windbrise


Ist das, das Gefühl der Liebe?, so ein kleiner, nach Hoffnung sehnender Gedanke.
Auch wenn es gleich noch korrigiert wird: Das fand ich schön formuliert. Mag ein wenig kitschig sein, aber trotzdem schön. Auch ein Banause hat seine schwachen Momente.
Korrektur wäre: Ist das das Gefühl der Liebe? so ein kleiner, nach Hoffnung sehnender Gedanke.

Auch nahm er den deutschen Soldaten am Ende der Straße nicht wahr, dessen Lauf eines Scharfschützengewehres noch immer auf ihn gerichtet ist.
Du bist ja thematisch bei Romantik und Poesie. Da liest sich "Scharfschützengewehr" ein wenig grob.
"dessen Gewehrlauf noch immer ..." reicht völlig.

Lass Dich nicht entmutigen. Kritik soll helfen, die eigenen Schwächen und Fehler zu erkennen, damit man daran arbeiten kann. Ferner schreibe ich hier meine persönliche Wahrnehmung. Ein anderer stört sich vielleicht an etwas ganz Anderem, oder auch an gar nichts bei Deiner Geschichte.

Und Du hast ja immer die Freiheit, die Hände in die Luft zu werfen und ... Du weisst schon.

banausische Grüße
Oli

 

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