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Die Sanduhr schlägt
Es riecht nach erbrochenem. Überall liegen Rechnungen, Briefe und Klamotten wahllos auf dem Boden. In einer unordentlichen Anordnung. Ich bemerke den Duft von Martini und billigem Sekt. Mein Atem riecht nach kalten Zigarettenrauch. Ich streife mein T-Shirt ab. Es fliegt in die Kotze. Ich muss es beseitigen. Irgendwann. Ich gehe ins Bad und stelle die Brause an. Schmutz, der üble Geruch und Schweiß strömen an mir runter und gleiten verdünnt mit Wasser in den Badewannenabfluss. Alles gleitet an mir ab. Mit Wasser werden Spuren beseitigt. Meine Körperkraft geht auch baden. Ich steige aus der Dusche. Abtrocknen halte ich für unnötig. Rein in Hose und Sweatshirt, ohne Socken in die Turnschuhe. Ich werde mir Blasen holen. Ich weiß es schon jetzt. Hellseher. Ich schaue nicht in den Spiegel und gehe aus dem Bad. Nehme mir aber die Zeit eine Mütze auf den Kopf zu setzten, es ist sehr windig. Noch jetzt bin ich gut in Ausreden. Eitelkeit=Männlichkeit. Ich trete vor die Haustür. Die Tür schlägt zu. Der Schlüssel bleibt drinnen.
Ich atme tief. Die Ostseeluft. Sie dringt in meine Lunge. Ich inhaliere wie bei einer Zigarette. Meine Lungenblässchen erkennen keinen schädlichen Eindringlinge und entwickeln sich prächtig.
Ich setzte mich in den Sand. Er dringt mir in meine Schuhe, die ohne Socken. Der Sand sucht sich seinen Weg zu den Zehen und bleibt in der Schuhspitze liegen. Der Sand gleitet mir durch die Hände. Es erinnert mich an eine Sanduhr die nicht aufhört, die Zeit verrinnt und bildet eine Sandburg unter meiner Hand. Ich blicke hoch zum Meer. Sehe Schiffe, badende Kinder. Sie spielen ertrinken.
Ich werde kündigen. Mein Job als Hotelkoordinator. Ich denke an Rebecca. Ich sehe auf und lasse mich der Länge nach in den Sand fallen, wie in der Jever Werbung. Es tut verdammt weh. Sie überraschte mich. Ich denke an das Erbrochene, Rebecca ist dafür verantwortlich. Eigentlich müsste sie es wegmachen. Mit Wasser. Spuren beseitigen. Kotze verbindet. Ich-sie-er. Ich durch sie und er. Sie sind dafür. Ich kann nichts dafür. Es kam! Wie es kommen musste?
Ich ging in den Club, betrank mich. Der Pegel stieg. Kurz vor 100 entging ich dem auspumpen des Magens, landete im Taxi und war zu Hause. Ich habe keinen Kater. Ich hatte eine Katze, die hinterlistig den Kater wechselte.
Ich werde nach Hause fahren. Zu meinen Eltern. Das bringt mich noch mehr zum kotzen. Habe sie gern und liebe sie aber.
Ich werde mir eine neue Stadt suchen dann einen Job. In dieser Reihenfolge. Die Deutschlandkarte flimmert vor meinen geschlossenen Augen. Gekennzeichnet durch rote und blaue Stecknadeln. Wie bei einem Krimi. Der Täter war in rot, noch nicht in blau. Rot= Rügen, Berlin, Würzburg, Dortmund, Bremerhafen, Lüneburg. Es ergibt Sinn. Ein Herz. Der Pfeil ist grün. Meine Eltern wohnen in Magdeburg.
Ich packe den letzten Karton in den Kombi. Ein Himmelfahrtskommando winkt mir zu. Ich bin gelassen. Ich verlasse das, was in meinem Leben wichtig war und suche wichtigeres. Der Zündschlüssel steckt. Ich starte den Motor und halte den Atem an. Ich fahre ohne noch einen Atemzug zu verschwenden aus der Stadt. Die Sanduhr liegt neben mir auf dem Beifahrersitz. Ich würde sie gern küssen, wie Mädchen ihren Talisman. Ich tue es nicht. Denke an weiche Männer und Muttersöhne. Ich schalte in den 4 Gang, das Auto gleitet hoch zu 70 St./km. Ich werde es überleben. Wie immer. Es ist ein kommen und ein gehen. Die nächste Stadt habe ich schon ausgesucht. Wie lange ich bleibe weiß nur die SANDUHR. Bis sie stehen bleibt und es Zeit ist zu gehen.