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Die süßen kleinen Dinger
Mal ernsthaft, was finden Frauen bloß an Fußball so toll? Ja genau, die Frauen. Die süßen kleinen Dinger ...
Vielleicht wenn ihr zu Fußballmärchen Zeiten durch die Stadt schlendert, seht ihr ein Haufen singende Männer, die Arm in Arm fahnenschwenkend durch die Stadt marschiert. Vielleicht hört ihr das Hupen der Autos, und riecht der fahle Geruch von abgestandenem Bier. Vielleicht lässt euch nach dem Spiel die eine vergebene Torchance nicht mehr los. Kann sein, dass ihr auf solche Dinge achtet. Kann sein, dass die meisten Menschen auf solche Dinge achten.
Aber ich nicht. Ich bin da irgendwie anders. Während alle anderen den Spielverlauf beobachten, verfolge ich die Frauen.
Ihr wisst schon, die süßen kleinen Dinger. Die etwas kleineren unter uns. Die mit den gemalten Fähnchen auf den Gesichtern und den hohen Stimmen. Die, die schreien wenn Schweini gefoult wird und kreischen wenn er ein Tor schießt. Die, mit diesem Glitzern in den Augen ...
Da zum Beispiel. Da stehen solche Frauen. Sogar drei davon. Seht ihr sie? Da beim Schlangenstehen vor dem Bratwurststand. Komm, gehen wir mal näher ran. Die Sonne scheint. Wir hören uns nur ein bisschen an, was die kleine Blonde mit den großen Brüsten zu sagen hat.
„Boah voll Assi! Wie scheiße! Hey, die sind so doof. Die spielen so lahm. Sogar Odonkor war langsam. Die waren aber völlig neben sich. Boah ... leck! So ein beschissenes Spiel!“
Jetzt die andere:
„Ja echt hey! Unglaublich! Nur der Poldi war wieder gut. Sonst niemand.“
Und die Dritte:
„Wenn wir gegen Österreich nicht wieder bei der Sache sind, dann kommen wir ja nicht mal aus der Vorrunde. Wie scheiße wär denn das denn?
Das sind Frauen.
Wisst ihr, eigentlich bin ein ziemlich unsicherer Typ. Frauen Ansprechen ist nicht meine Stärke.
Aber jetzt versuche ich es halt.
„Mein Gott, was war denn da los? Was für ein scheiß Spiel! Hast du den Ballack gesehen. Wie unter Drogen war der!“
Alle drei Frauen schauen zu mir auf, und ich sehe wie sie kollektiv zögern. Sich von einem jungen Mann ansprechen zu lassen? Am helllichtenTag? Mitten auf der Straße?
Sie kämpfen mit sich. Ungefähr jetzt sollten sie eigentlich kurz schmunzeln, nicken, und mir dann augenverdrehend den Rücken zukehren. Ungefähr jetzt müsste es passieren. Aber sie schaffen’s nicht. Sie zerbrechen jetzt, sie zerbrechen an der Sonne und dem Trubel vielleicht auch an Ballack. Die eine trägt ja auch sein Trikot. Jawohl, ein wenig zerbricht sie auch an Ballack. Sie kann es nicht lassen:
„Ja aber Wirklich!!! Was haben die da bloß gemacht? Da waren so viele Fehlpässe! Und der Gomez! Der stand ja permanent im Abseits!“
Wahnsinn. Einfach nur Wahnsinn. Diese Abseitskompetenz! Diese Begeisterung! Dieses Flackern in den Augen ...
Ich stimme ihr zu. „Ja absolut, hey! Brutal! Der stand permanent im Abseits. Hat noch nichts hinbekommen, der Junge. Und wo war eigentlich das Kombinationsspiel, dass gegen die Polen so gut funktioniert hat?"
Jetzt können die anderen Frauen sich auch nicht mehr halten. Die zweite, eine Schlanke langen schwarzen Haaren macht jetzt auch mit. Auch sie muss dazugehören. Auch sie muss verstehen und verstanden werden.
„Ich finde der Jogi hätte Kurayni früher bringen sollen.“
„Kann gut sein", sage ich. "Das wäre vielleicht besser gewesen. Ich hätte ihn für Gomez gebracht.“
Sie lächelt jetzt. Ein bezauberndes, unterwürfiges Lächeln ist das. Ein grandioses Kichern. Und schaut euch das an, jetzt lächelt auch die süße kleine Blonde mit den Brüsten, und ... jetzt habe ich sie alle! Auch die Dritte hat kurz geschmunzelt.
Das ist Leidenschaft pur! Wie die Trikots sich an ihren heißen Körper schmiegen, wie die Frauen unterwürfig zu mir hinaufschauen. Ich, der kompetente Mann. Kompetent in Sachen Fußball. Kompetent in Sachen gegen den Ball treten. Eine Autorität bin ich. So ist es! Eine Autorität die schreit und gröllt und nach Bier riecht, und sogar mal die Frauen zu Wort kommen lässt.
Jetzt kommt der entscheidende Augenblick.
„Hey geht ihr nach auch in die Stadt weg, da ist eine coole Party…“
Sie lassen mich gar nicht ausreden.
„Ja da wollten wir auch hin. Aber jetzt, nach der Niederlage und so …"
„Jetzt müssen wir halt das Beste daraus machen …“, sage ich.
Alle drei Frauen lächeln, und ich lächele zurück, denn heute Abend werde ich sie mir schnappen. Sie alle. Ich werde im Namen des Fußballs so lange gegen den Ball treten bis sie kommen. Eine nach der anderen. Die EM hält noch lange an. Wenn der Jogi sein Team wieder auf Trab bringt, wird es ein einen glorreichen Sommer.
„Dann sieht man sich heute Abend“, sage ich und beginne wegzulaufen.
„Bis dann“, schreien sie mir hinterher. Und schon bin ich weg. Die Stadt ist voll mit Bier, und Fahnen, und Frauen. Ihr wisst schon, die süßen kleinen Dinger.