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Die rosige Flut

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20.12.2002
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Die rosige Flut

And in that slow, steady channel of darkness that cut across the white glare of day were touches of alert white, the eyes, the ivory eyes staring ahead, glancing aside, as the river, the long and endless river, took itself from old channels into a new one.
- Ray Bradbury, die Mars-Chroniken


Wolfgang: 67 Jahre alt
Lars: 44 Jahre alt
Marco: 23 Jahre alt

Die Männer saßen auf der Veranda, als die Frauen für immer verschwanden. Unter einer grünen, löchrigen Markise hockten sie, auf alten, weißen Plastikstühlen. Sie tranken Bier aus der Flasche und hörten Radio.
„Die Frauen“, erklärte Wolfgang, „sie gehen.“
Lars griff nach hinten in die Eisbox. „Noch eins?“
„Was n’ das?“, fragte Marco.
Lars blickte die Straße hinauf und ließ die Bierflasche fallen. Eine rosige Flut pulsierte am Horizont. Eine rosige Flut, die über Felder floss und zwischen Häuser drängte. Bald erstrahlte alles in einem rosigen Glanz, auch der Himmel. Es war wie ein Sonnenuntergang am Tag, pink und violett und pfirsichfarben.
„Sie gehen“, sagte Wolfgang, „aber zuerst kommen sie zu uns.“
Langsam nahm die Flut Gestalt an. Sie bildete eine lange Gerade, die über die Straße kam. Lars fühlte sein Herz in der Brust pochen und eine prickelnde Wärme auf der Haut. Es waren Frauen. Unzählige Frauen. Frauen mit Orchideen im Haar, Frauen mit Babys im Arm, Frauen in langen weißen Sommerkleidern, die im Wind schwirrten, Frauen in Jeans, Frauen mit schwarzer Haut und grünen Augen, Frauen mit kupferfarbenem Haar und Tattoos, blasse Frauen und goldgebräunte Frauen, Frauen mit Sonnenbrillen und Heavy-Metal-T-Shirts, Frauen mit Grübchen, Frauen mit Wespentaillien, Frauen in weißer Schwestertracht, Frauen mit gepuderten Wangen, Frauen mit Dreads, Frauen mit Perlenketten, Frauen mit Kleidern aus Samt und Seide und Jute und Hanf. Und alle zusammen rochen die Frauen, wie nur Frauen riechen können, nach Vanille und Hefeteig und Haarspray, nach Hautcremes und Johanniskraut und Lippenstift, nach Nagellack und Olivenöl und Lipgloss und Eyeliner und Minze und Zimt und Lilien und Flieder und Lavendel.

„Julia?“
Am Flutrand blieb eine junge Frau stehen. Sie hatte ein freundliches Gesicht und ein Buch in der Hand. Marco rannte auf sie zu und packte sie am Arm. Das Buch fiel zu Boden.
„Bleib“, sagte Marco.
Julia ging in die Hocke, hob das Buch auf, und strich eine braune Strähne hinters Ohr. „Ich geh.“
„Nein, du bleibst bei mir. Ich werde unsere Kinder großziehen. Ich werde Geld verdienen. Ich werde dein Fels in der Brandung sein und deine Schulter zum Ausweinen und deine Bürste wenn es kratzt und deine Augen wenn es dunkelt und dein Herz wenn es höher schlägt. Ich werde so tun, als könnte ich deine Familie ausstehen und dich immer verteidigen. Ich werde dir jeden Tag erzählen, wie einzigartig du bist und wie sehr ich dich liebe. Ich werde noch in zwanzig Jahren da stehen, so wie ich jetzt da stehe. Ich werde immer da sein. Du gehst nicht.“
„Wir gehen jetzt nach Doppel X, Marco, es tut mir leid.“
Sie ließ ihn stehen.

Nur wenig später kam Lars’ Frau vorbei, Kathrin. Sie hielt ihre zweijährige Tochter im Arm. Und an der Hand: ihren fünfjährigen Sohn.
Lars stellte sich ihnen in den Weg und breitete die Arme aus.
„Aus dem Weg“, sagte Kathrin.
„Wenn du wirklich gehen willst“, sagte Lars, „dann geh. Du kannst den Peugeot haben. Und den Mercedes. Und das Haus. Die Kronleuchter sollen dir gehören, der Mahagoni-Schrank und der Perser-Teppich. Das Hundertwasser kannst du behalten, meine Jugend sowieso. Mach mit dem Wein, was du willst, verschenk ihn, trink ihn selbst! Die Karpfen mach ich dir nicht streitig, unsere Freunde auch nicht. Ich überlass dir den Billard-Tisch und meine Panini-Heft-Sammlung. Ich schenke dir die Holzfiguren aus Kamerun, das Silberbesteck meiner Mutter und Opas Schachbrett. Raum sollst du haben, so viel du willst, ich gönn dir alles, ein neues Leben und eine neue Liebe. Alles steht dir zu, nur meine Kinder, die nimmst du mir nicht weg.“
„Arschloch“, sagte Kathrin, und drei Frauen aus dem Strom gesellten sich sofort dazu.
„Was?“, sagte Lars.
„Arschloch!“, riefen sie, dann deutete Julia nach links, zu Vanessa, der neuen Praktikantin in Lars' Betrieb, die just in diesem Moment vorbeiging und Lars den Mittelfinger zeigte.
„Arschloch!“, riefen die Frauen im Chor. „Arschloch! Arschloch! Arschloch!“
Lars riss seine Tochter an sich, rannte los - und knallte gegen eine rosige Wand. Die Frauen zerrten und bissen, und schon war es geschehen: Seine Kinder waren weg.
Lars kroch zurück in den Garten, ließ sich in den Plastikstuhl zwischen Marco und Wolfgang sinken, drehte sich nach links und rechts, schlug die Hände auf den Kopf und fing zu weinen an. Und zu schimpfen. Undankbar seien sie doch! Der ganze Haufen. Die komplette Brut! Was hatte man nicht alles für sie getan? Was hatte er nicht erschaffen? Die höchsten Türme, die besten Dramen, die traurigsten Lieder. Alles nur für sie!
Ja, wollte Marco auch wissen, was sei bloß in sie gefahren? Wer würde auf Doppel X für sie leiden? Und wer sie zum Lachen bringen? Und hätten sie zuletzt nicht alles bekommen, was sie wollten?
Wolfgang beteiligte sich nicht an diesem Gespräch. Er musterte die Flut und schwieg. Ein Mal huschte ein Schatten über sein Gesicht, als habe er einen Geist gesehen. Ein anderes Mal schoss ein Ruck durch seinen Körper, sodass seine Hände in die Höhe zuckten und sein Mund aufklappte.
Bald verfielen auch Lars und Marco in Schweigen, und so saßen sie da, zu dritt auf ihren Gartenstühlen, während die Frauen an ihnen vorbeizogen und ihre Zukunft planten. Man konnte hören, wie sie Häuser bauten in diesen Gesprächen, wie sie Banner in die Höhe zogen und Gesetzte verabschiedeten. Ihre Stimmen klangen ganz wundervoll dabei. Manche Frauen flüsterten wie Brisen, andere summten wie Gitarren, und ab und zu schnurrte eine so zart, das es einem direkt in die Brust fuhr. Und alle zusammen, all diese Klänge, sie stiegen auf und formten Wirbel, die sich drehten und immer geschmeidiger wurden. Bald glaubte Lars, zu verschwinden, er fühlte sich klein, er hörte das erste und das letzte Lied. Aber es fing erst an. Die Frauen hakten sich ein, sahen in den rosigen Himmel und begannen zu singen:

O dieser Weg führt uns aus dem Tal

O dieser Weg … der Erde so fern

Lass uns gehen und lass uns weinen

Lass uns lachen und lass uns schreien

Dieser Weg führt uns aus dem Tal

O dieser Weg … der Erde so fern

Gestolpert sind wir, gefallen sind wir

auf Blut und Hass, auf Lust und Gier

Gestolpert wird, gefallen wird

Lass gehen, lass weinen

Lass uns lachen und lass uns schreien

O dieser Weg … der Erde so fern

Lars schloss die Augen, während das Lied der Frauen über ihn hinwegschwappte, und verlor das Bewusstsein. Als er aufwachte, strömte die Flut noch immer, aber es war kühler geworden. Das warme Prickeln auf den Wangen hatte nachgelassen, auch das Beben im Bauch.
Frauen in High-Heels kamen nun vorbei, Frauen mit Rändern unter den Augen und Narben am Bauch. Frauen mit aufgeplatzten Lippen und Krampfadern. Frauen mit brüchigem Haar und Ritzwunden.
Und dann aber, ganz zum Schluss: eine Gruppe Studentinnen.
„Das war's!“, sagte ihre Anführerin, während sie eine Sektflasche in den rosigen Himmel stieß. „Das war's!“
Ihre Kommilitoninnen jubelten ihr zu. Sie klatschen und lachten.
Aber irgendwas fehlte.
„Das waaaaaaaaaaaaaaar's“, brüllten sie zusammen. Mit verzerrtem Gesicht, mit gellender Stimme, mit Wut und Trotz. Sie schrien und schrien, bis sie nicht mehr schreien konnten.
„Das war's …“, sagte eine zum Schluss.

„Aber wir müssen doch irgendwas machen“, sagte Marco. „Halten wir sie auf, reisen wir ihnen nach!“
„Wenn du jetzt zum Wurmloch gehst, bringen sie dich um“, sagte Wolfgang. „Und wenn sie dich auf Doppel X entdecken, erst recht.“
„Ich werde sie finden“, sagte Marco mit Nachdruck. „Ich werde sie finden.“
„Viel Glück“, sagte Lars.

Lars blieb noch eine Weile neben Wolfgang sitzen. Sie sahen in den Himmel, der bald nur noch im Westen rosig war, und schwiegen. Als die ersten Sterne zum Vorschein kamen, wandte sich Lars an Wolfgang. „Ich sollte heim.“
„Eine schöne Nacht wünsch ich dir.“
Sie reichten sich die Hand.

Die Straßen waren leer. Lars ging durch die Dunkelheit und wurde von etwas Trockenem erfasst, etwas Staubartigem. Es war nicht das Grauen, das ihn packte, es war etwas Schlimmeres. Es war die Ahnung davon. Es waren nicht die leeren Häuser, die ihn umgaben, denn die Häuser sahen normal aus. In den meisten brannte sogar Licht. Es war das Wissen um die Leere hinter diesen Mauern. Es war das, was er beim Schauen von As Good As it Gets nicht an sich hatte ranlassen wollen. Und das, was ihm beim Hören von Tiny Dancer in den Sinn kam. Und das, was er bei der Beerdigung seines Vaters gespürt hatte und sogar bei Davids Geburt. Und bei Lisas Geburt. Und bei der Hochzeit. War da nicht immer ein Hauch von dieser Ahnung in der Luft gewesen? Sogar in seinen glücklichsten Momenten. Man schob diese dunkle Ahnung vor sich her, man hielt sie fern so gut es ging, man bekreuzigte sich in der Nacht vor einer Knie-OP, obwohl man nicht gläubig war, und man weinte Tränen des Glücks, als man zum ersten Mal David im Arm hielt. Man weinte, dass es einem von den Füßen haute, weil man sein Glück nicht fassen konnte, weil man Vater geworden war, aber was man nicht erzählte, was man nicht unbedingt weitergab: wie viel Erleichterung dabei war. Wie viel Spannung von einem abfiel. Wie nahe man dieser schrecklichen Ahnung im Geiste gewesen war, und wie es dann plötzlich schien, für einen kurzen, herrlichen Moment, als habe man ein Wunder erschaffen, als habe David die Kraft, obwohl er noch gar keine Kraft besaß, diese Ahnung für immer zum Teufel zu jagen.

Lars öffnete die Tür, betrat sein leeres Haus und setzte sich auf die Couch. Dann holte er ein Bier aus dem Kühlschrank und machte den Fernseher an. Sie sprachen über die rosige Flut. Auf allen Kanälen. Man warnte vor Kriegen. Man warnte vor Tumulten. Man warnte vor voreiligen Schlüssen. Man warnte vor Engpässen. Zwei Geistliche betonten die Sünde der Homosexualität, ein großer Boxer brach sein Kampf nach der dritten Runde ab, und ein kleiner Junge in blauen Pyjamas schrie im Heim nach seiner Mutter. Lars schaltete den Fernseher aus und ging nach draußen. Ein Kätzchen mit schwarzem Fell stand vor der Tür. Lars brachte es ins Haus und besorgte eine Schüssel Milch. Dann legte er sich ins Bett und schloss die Augen. Er träumte von einem Ort namens Doppel X, von einer Welt voller Frauen, von einer Oase des Friedens und der Liebe. David und Lisa spielten dort und waren glücklich. Lars schlief gut. Neben ihm schnurrte das Kätzchen.

Hinter der zweiten Absperrung fiel Marco einer Scharfschützin zum Opfer.

Wolfgang sah noch eine ganze Weile in den Himmel. Er saß da und wartete, bis der letzte rosige Strahl von der Dunkelheit verschluckt wurde. Dann stand er auf, ging in Küche und machte sich einen Whisky on the rocks. Schließlich setzte er sich in dem Sessel vor dem Fernseher und ließ das Eis im Glas klirren.
Wo war die Fernbedienung?
Vor gar nicht allzu langer Zeit, hatte es noch jemand gegeben, der ihn weckte, wenn er in seinem Sessel einschlief. Damit er nicht mit steifem Hals aufwachte. Oder mit einer Thrombose im Bein.
Er spürte die Augen schwer werden und trank einen großen Schluck. Der Whiskey brannte sich durch seine Kehle und wärmte seine Mitte, ein schönes Gefühl. Bald hüllte ihn ein dunkler Nebel ein, eine schwarze Brühe, ein gedankenloser Saft, in dem es nur noch Bilder und Gerüche gab, dampfende Töpfe und schäumende Badewannen, das Prasseln des Sommerregens und der Geruch des Schlamms. Wolf tauchte in einen heißen See, die schwarze Brühe ging zurück, und etwas Helles strömte auf ihn zu, etwas Rosiges. Er breitete die Arme aus, schwebte nach oben und Wärme erfüllte ihn. Ganz in der Nähe hörte er etwas schlagen, ein angenehmes, rosiges Pulsieren …

Um elf Uhr zwanzig schloss ein Blutgerinnsel Wolfgangs rechte Koronararterie. Als die Uhr zwölf schlug, war er tot.

Vom Weltraum aus betrachtet sah es eigentlich schön aus. Mit einem Mal sprossen graue Pilze aus dem Boden. Die beiden Erdsatelliten, die frau kurz vor dem Exodus in einer hochgeheimen Aktion „zur Überwachung des Mutterplaneten“ infiziert hatte, zeigten klare Bilder.
Offiziell hatte frau alle Raum- und Zeitfrequenzen zwischen der Erde und Doppel X verschlüsselt - und die entsprechenden Codes zerstört. Um wirklich mit der Erde abschließen zu können, so hatte frau räsoniert, sei der radikalste Bruch notwendig. Dennoch wusste frau: wenn's darum ging, Frauen aufzuspüren, konnte man sehr erfinderisch sein.
Und so hatte frau ein paar Vorkehrungen getroffen, um die Männer doch noch im Auge behalten zu können.
Zusammen blickten die Führerinnen auf die große Leinwand in der Xentrale. Zwei Wochen nach dem Exodus von der Erde war ein Atomkrieg ausgebrochen. Auf den neuesten Satellitenbildern sah die Erde wie ein grauer Gasplanet aus, keine Spur mehr eines Ozeans oder eines Bergs oder überhaupt irgendwas. Die Atmosphäre war voller Staub.
Die Führerinnen sahen sich in die Augen. Sie nickten sich zu. Sie strafften sich.
Draußen wartete ihre Welt.

 
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Hallo @JuJu,

Es ist zwar eigentlich überhaupt nicht mein Genre, aber da ich die Geschichte jetzt schon gelesen habe, lasse ich mal ein paar Gedanken da. Vielleicht helfen sie ja doch ein wenig.

ie bildete eine lange Gerade, die über die Straße floss. Lars fühlte sein Herz in der Brust pochen und eine prickelnde Wärme auf der Haut. Es waren Frauen. Unzählige Frauen. Frauen mit Orchideen im Haar, Frauen mit Babys im Arm, Frauen in langen weißen Sommerkleidern, die im Wind schwirrten, Frauen in Jeans, Frauen mit schwarzer Haut und grünen Augen, Frauen mit kupferfarbenem Haar und Tattoos, blasse Frauen und goldgebräunte Frauen, Frauen mit Sonnenbrillen und Heavy-Metal-Shirts, Frauen mit Grübchen, Frauen mit Wespentaillien, Frauen in weißer Schwestertracht, Frauen mit gepuderten Wangen, Frauen mit Dreads, Frauen mit Perlenketten, Frauen mit Kleidern aus Samt und Seide und Jute und Hanf. Und alle zusammen rochen die Frauen, wie nur Frauen riechen können, nach Vanille und Hefeteig und Haarspray, nach Hautcremes und Johanniskraut und Lippenstift, nach Nagellack und Olivenöl und Lipgloss und Eyeliner und Minze und Zimt und Lilien und Flieder und Lavendel.
Ich verstehe, was du hier machen willst, aber ich finde diese Aufzählung dann doch etwas zu lange.
Sie hatte ein offenes Gesicht
Gibt es die Bezeichung "offenes Gesicht"? Sagt mir gar nichts
Ja, wollte Marco auch wissen, was sei bloß in ihnen gefahren?
*in sie gefahren Geht doch um die Frauen oder?
beim Schauen von As Good As it Gets nicht an sich hatte ranlassen wollte.
*hatte ranlassen wollen; Weil sonst müsste es doch nur "ranlassen wollte" heißen, wenn mich mein Deutsch nicht völlig im Stich lässt
die frau kurz vor dem Exodus in einer hochgeheimen Aktion „zur Überwachung des Mutterplaneten“ infiziert hatte, zeigten klare Bilder.
"inifziert" ist hier glaube ich nicht das richtige Verb

Mir persönlich hat die Geschichte jetzt nichts gegeben, aber wie gesagt, ist auch nicht mein Genre. Es kam keine Spannung auf und es hat mich auch nicht zum Nachdenken oder ähnliches angeregt. Aber das ich sie trotzdem bis zum Ende gelesen habe, spricht dafür sehr für die Lesbarkeit der Geschichte.

Gruß,
Henrik

 

Hallo,

das ist eine interessante Geschichte, die du da geschrieben hast.

Mit den Aufzählungen, der Sprache, den Symboliken und dem Auszug wirkt das für mich wie ein (neu-)biblischer, popkulturell aufgeladener Exodus.

Ich denke, man kann diese Story auf wirklich vielen verschiedenen Ebenen lesen und verstehen. Im Endeffekt ist das der Auszug der Frauen und der Tod der Männer. Interessant finde ich, dass die Frauen keinen Kontinent besetzen oder sich ihre Unabhängigkeit erkämpfen, sondern sie ziehen aus. Im Exodus ziehen die Israeliten als Sklaven, als Unterdrückte, Verschleppte aus Ägypten. In ein Land, das ihnen Gott verspricht. Auf eine Art ziehen deine Frauen hier auch aus dem Land der Männer: Als Unterdrückte. Zumindest verstehen sie sich selbst als solche. "Sind sie es denn wirklich?" - diese Frage stellt dein Text gekonnt, indem er nette, verzweifelte Männer versuchen lässt, ihre Frauen irgendwie zu überzeugen, nicht zu gehen. Sie schlagen sie nicht, sie sagen: "Ihr könnt ja gehen, ihr seid gleichberechtigt! Aber ich sterbe, wenn ihr geht. Bitte, bitte, geht nicht!" Aber deine Frauen in der Geschichte sehen sich trotzdem als Unterdrückte, die ausziehen müssen.

Beim Auszug der Israeliten teilt Gott das Meer, damit sie verschwinden können. Hier erscheint ein Wurmloch, damit die Frauen verschwinden können. (Oder bauen sie es selbst? Ich fände es cool, wenn es einfach auftauchen würde. Wie in Interstellar. Das hätte dieses Biblische Element.) Wenn Gott einem das Meer teilt oder ein Wurmloch vor die Füße legt, bedeutet das: Du bist im Recht. Ich helfe dir, weil ich der Gott der Unterdrückten bin. (Wenn die Frauen mit Hilfe der Wissenschaft dieses Wurmloch nun selbst erschaffen hätten, könnte das im Gegenzug im Subtext deiner Story heißen: Unser postmoderner Gott, die Wissenschaft, hat es uns ermöglicht, unseren Peinigern zu entfliehen. Nur ein Gedanke.)

Mir gefällt die Geschichte vom Gefühl her sau gut. Sprachlich läuft das, was gerade bei einem solchen Text wichtig ist, dass da nichts stockt, nichts zäh wird. Es ist auch die Thematik und die Prämisse, die mich lockt.

Lediglich beim Ende schwanke ich. Ich weiß nicht, ob ich's bombe finde oder einfach nur flach. Im Endeffekt schließt sich der Story- oder Prämissenbogen am Ende hin zu: Ohne Frauen bringen sich die Männer gegenseitig um. Das hielte ich für flach. Aber irgendwie gefällt's mir auch. Es ist schon was Wahres dran. Natürlich würde sich eine Welt, in der nur Männer existieren, die Köpfe einschlagen. Für was lohnt es dann noch zu leben? Where is the love?
Ich denke nur, dass die Frauen hier in der Story einfach zu gut wegkommen, im großen Ganzen. Weil ich mir gedacht habe: Klar, ich weiß nicht, wie diese Science-Fiction-Welt aussieht, ob die Frauen sich gegenseitig klonen bzw. reproduzieren können. Weil eigentlich würde ihr Exodus auch ihr eigenes Ende bedeuten: Sie würden genauso aussterben wie die Männer. Die bringen sich zwar gegenseitig um, aber die Frauen würden einfach kein Nachwuchs mehr bekommen und auf Planet X dann genauso ausradiert werden. Sind sie nicht genauso aggressiv wie die Männer? Auf irgendeine Skala? Weiblich-aggressiv, nicht das mit Atombomben, aber im Grunde sterben sie genauso aus, haben ihre Spezies genauso verraten. Vielleicht willst du mit deiner Story genau dorthin.
Böse gefragt: Was wäre eine Welt ohne Männer, nur mit Frauen? Das ist eine böse Frage. Und eine, die dir Feministinnen und vielleicht sogar den Papst auf die Pelle rückt. Denn auf eine gewisse Lesart ist dein Text durchaus auch ein feministischer, in der die Frauen sich selbst eine bessere Welt aufbauen, indem sie die Maskulinität hinter sich lassen. Ich hab das Gefühl, dass du auch ganz genau weißt, was einer Welt ohne Männer fehlen würde. Es kommt in deiner Story vor:

Was hatte man nicht alles für sie getan? Was hatte er nicht erschaffen? Die höchsten Türme, die besten Dramen, die traurigsten Lieder. Alles nur für sie!
Das ist jetzt politisch sehr inkorrekt, aber ich finde durchaus, dieser Schaffensdrang, dieser faustische Funke, etwas Großes zu schaffen, etwas neues aufzubauen, neue Wege einzuschlagen, diese Kraft, das ist durchaus etwas Männliches. Ja, bla bla, Frauen können das auch haben, ja, gewisse Frauen, aber es ist doch wesentlich verbreiteter unter Männer, seine ganze Schaffenskraft auf so etwas zu richten und nicht inmitten des Lebens dann auf Nachwuchs oder zwischenmenschliche Harmonie. Wenn man so will, ist diese Welt hier eine Welt der Männer, der Stuhl, auf dem du sitzt, wurde von Männern gebaut, das Internet, das wir benutzen, wurde von Männern erfunden; all dem entfliehen diese Frauen, aber all dieses Faustische könnten sie auch auf einem feministischen Planet X vermissen.

Noch mal zum Ende: Was mich glaube ich etwas stört am Ende ist, dass der Atomkrieg, diese ganze Sache, irgendwie den Text in die Konstruktion eines Witzes bringt. Also so, wie ein Witz aufgebaut ist. Und das fände ich der Story gegenüber unangemessen, ich will sie als Leser nicht als Witz verstehen, ich will sie durchaus ernst nehmen.

Es waren Frauen. Unzählige Frauen. Frauen mit Orchideen im Haar, Frauen mit Babys im Arm, Frauen in langen weißen Sommerkleidern, die im Wind schwirrten, Frauen in Jeans, Frauen mit schwarzer Haut und grünen Augen, Frauen mit kupferfarbenem Haar und Tattoos, blasse Frauen und goldgebräunte Frauen, Frauen mit Sonnenbrillen und Heavy-Metal-T-Shirts, Frauen mit Grübchen, Frauen mit Wespentaillien, Frauen in weißer Schwestertracht, Frauen mit gepuderten Wangen, Frauen mit Dreads, Frauen mit Perlenketten, Frauen mit Kleidern aus Samt und Seide und Jute und Hanf. Und alle zusammen rochen die Frauen, wie nur Frauen riechen können, nach Vanille und Hefeteig und Haarspray, nach Hautcremes und Johanniskraut und Lippenstift, nach Nagellack und Olivenöl und Lipgloss und Eyeliner und Minze und Zimt und Lilien und Flieder und Lavendel.
Finde ich nicht zu viel. Sehr gewagt, aber das sind alles so unterschiedliche und detaillierte Beobachtungen, die haben Zug, das wirkt nicht langwierig ... in my opinion.

Die Straßen waren leer. Lars ging durch die Dunkelheit und wurde von etwas Trockenem erfasst, etwas Staubartigem. Es war nicht das Grauen, das ihn packte, es war etwas Schlimmeres. Es war die Ahnung davon. Es waren nicht die leeren Häuser, die ihn umgaben, denn die Häuser sahen normal aus. In den meisten brannte sogar Licht. Es war das Wissen um die Leere hinter diesen Mauern. Es war das, was er beim Schauen von As Good As it Gets nicht an sich hatte ranlassen wollen. Und das, was ihm beim Hören von Tiny Dancer in den Sinn kam. Und das, was er bei der Beerdigung seines Vaters gespürt hatte und sogar bei Davids Geburt. Und bei Lisas Geburt. Und bei der Hochzeit. War da nicht immer ein Hauch von dieser Ahnung in der Luft gewesen? Sogar in seinen glücklichsten Momenten. Man schob diese dunkle Ahnung vor sich her, man hielt sie fern so gut es ging, man bekreuzigte sich in der Nacht vor einer Knie-OP, obwohl man nicht gläubig war, und man weinte Tränen des Glücks, als man zum ersten Mal David im Arm hielt. Man weinte, dass es einem von den Füßen haute, weil man sein Glück nicht fassen konnte, weil man Vater geworden war, aber was man nicht erzählte, was man nicht unbedingt weitergab: wie viel Erleichterung dabei war. Wie viel Spannung von einem abfiel. Wie nahe man dieser schrecklichen Ahnung im Geiste gewesen war, und wie es dann plötzlich schien, für einen kurzen, herrlichen Moment, als habe man ein Wunder erschaffen, als habe David die Kraft, obwohl er noch gar keine Kraft besaß, diese Ahnung für immer zum Teufel zu jagen.
Das ist sehr stark.

Es hat schon eine coole Wirkung, dein Text; irgendwie frech, originell, abgedreht; gleichzeitig hab ich das Gefühl, dass da etwas Unausgesprochenes mitschwingt. Ein Abbild unserer Zeit, aus einer gewissen Perspektive. Coole Idee mit dem Auszug.

Viele Grüße,
zigga

 
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“...
Idiot wind, blowing through the buttons of our coats
Blowing through the letters that we wrote
Idiot wind, blowing through the dust upon our shelves
We're idiots, babe
It's a wonder we can even feed ourselves
...“ aus Dylans “Idiot Wind“ (1974)
Auf dem Sterbebett soll übrigens Lenin vor seinem Kampfgenossen Stalin gewarnt haben … Ja, ich habs mit Führern und (Ver)Führerinnen, dass ich nicht mal ne "Driver's license" in 69 Lebensjahren angestrebt hab, hatten wir doch schon genug Führer/innen, dass ich mir das auch nicht noch bescheinigen lassen muss,

JuJu,

aber schön, mal wieder von Dir zu lesen, da kann man auch mal SF riskieren als Fortschreibung des Gewesenen auf technisch höherem Niveau ...

Waren es nicht die Suffragetten, die einst diszipliniert wie eine Armee unbeirrt wider die Ungleichbehandlung antraten und immerhin vor hundert Jahren erst das aktive und dann das passive Wahlrecht durchsetzten? Die interessierte das reale Ergebnis, nicht die moderne Weichspülerei im Genderquatsch oder die Neutralisierung der Sprache durch Partizipienreiterei (Lerhrlinge werden zu Auszubildenden, aus Flüchtlingen werden Geflüchtete, was ja nicht falsch ist und doch nicht die Position der Betroffenen verbessert und wäre der „Gelehrte“ nicht schon belegt, Lehrer innen wie außen würden es.) Für einen Augenblick hatte ich das Gefühl, dass die grammatischen Geschlechter ausgehebelt werden ohne in Frausprech der Missfits: „Die Männsies sind alle Vsiebrechsies, ihr Hsiez ist ein finstsiees Loch“ - der ersten Frauenkabarettgruppe (Jahnke + Überall unserer schönen Republik - zu verfallen, hier nämlich, wenn es heißt

„Wenn du wirklich gehen willst“, sagte Lars, „dann geh. Du kannst das Peugeot haben. Und das Mercedes. Und das Haus. Die Kronleuchter sollen dir gehören, der Mahagoni-Schrank und der Perser-Teppich. Das Hundertwasser kannst du behalten, meine Jugend sowieso. …
d. hieße, bis auf den Schrank, dass Dinge des bürgerlichen Sachenrechts auch grammatikalisch neutralisiert würden, aber das ist ja nicht der Fall – da zöge ich auch die beiden grammatischen Geschechter des Niederländischen vor (das anglosächsische wäre dann eine Untertreibung).

Aber tatsächlich hab ich zu Anfang – wie schon zigga – an das Buch Mose gedacht, das wir Exodus nennen, vom Titel her, was noch verstärkt wird durch folgende Szene

„Julia?“
Am Flutrand blieb eine junge Frau stehen. Sie hatte ein offenes Gesicht und ein Buch in der Hand. Marco rannte auf sie [zu] und packte sie am Arm. Das Buch fiel zu Boden.
„Bleib“, sagte Marco.
Julia ging in die Hocke, hob das Buch auf, und strich eine braune Strähne hinters Ohr. „Ich geh.“
„Nein, du bleibst bei mir. Ich werde unsere Kinder großziehen. Ich werde Geld verdienen. Ich werde dein Fels in der Brandung sein und deine Schulter zum Ausweinen und deine Bürste wenn es kratzt und deine Augen[,] wenn es dunkelt[,] und dein Herz[,] wenn es höher schlägt.
(ich bau kleinere Korrekturen direkt mit ein, wie hier die Kommas, erspart Doppelnennungen. Zugleich mein ich, wie beim ersten "Bleib", dass gelegentlich mehr als eine bloße Aussage sei, die sich auch in Satzzeichen wie dem "!" - also "Bleib!" ausdrücken liassen, selbst wenn es weniger ein Befehl denn ein Wusch ist. Müsstestu noch mal insgesamt durchschauen)

Wenn nämlich die sieben Plagen Pharao (= „Großes Haus“, das halt Ober- wie Unterägypten repräsentiert) heimsuchen und die Wasser sich verfärben und Moses (Tutmosis?) doch eben im Großen Haus ein und ausging (erinnere Dich, dass er wie andere große GründerVäter – die bekanntesten sind wohl Ödipus und Romulus – ausgesetzt und als Säugling bereits in der Königsfamilie aufgenommen wurde. Und weil wir gerade am Nil sind, mal eben ein anderer Beleg, dass Frauen politisch nix wesentlich anders machen als die Herr(en)schaften zeigt im 15. Jh. vor unserer Zeitrechnung die erste Frau auf dem ägyptischen Thron, Hatschepsut, die immer und immer wieder mit Bart dargestellt wird aber auf der Büste, die ich kenne, gleichwohl frauliche Züge trägt, wäre da nicht der angesetzte Königsbart. Matrilineare Gesellschaften gibt es heute noch (Ranke-Graves sieht in den antiken Mythen vor allem der Griechen Erzählungen über die Übergangeszeit vom Matriarchat zum Patriarchat), aber am Beispiel der Historie des Bundes der Irokesen kann man erkennen, dass die Welt nicht die Bohne friedfertiger wird durch Frauenpower – bei Dir wohl durch Scharfschützen …

Aber bleiben wir bei Moses, denn der Exodus war auch alles andere als innerhalb der Stämme Israels Friede, Freude, Eierkuchen: Man erinnere der Abschlachtung der Stammesgenossen, die am Sinai ums Goldene Kalb tanzten, ein Symbol des in der Levante (Kanaan, Phönizien mitsamt Hinterland) allgemein verehrten Baal'. Der aus Ägypten mitgebrachte Gott duldete – um es in der neoreligiösen Sprache des Konsumismus und Neoliberalismus zu kleiden – keinen Konkurrenten. Was aber bezeichnender ist, ist das 40-jährige Nomadendasein, das die in Ägypten sesshaft gewordenen Hebräer überstehen mussten, was vergleichsweise eine geringe Zeit ist gegenüber der Zahl der Lichtjahre zum bisher noch nicht gefundenen erdähnlichen Planeten. Aber wer weiß das schon, ob die schwarzen Löcher und andere Erscheinungen nicht so was wie Alice hinter den Spiegeln bereithalten.

Und siehe, der Schlusssatz

Die Führerinnen sahen sich in die Augen. Sie nickten sich zu. Sie strafften sich.
Draußen wartete ihre Welt.
hat bis hin zum Possessivpronomen, was den ewigen Kreislauf der Geschichte neu befeuern wird incl. der Gewissheit, dass eine Stahlin nicht mal gegendert werden müsste. Und alles auf einem anderen technologischen Niveau.

Dass Ackerbauern auch wieder Jäger und Sammler werden können, zeigt wunderbar die Geschichte der amerikanischen Ureinwohner, weniger der Mohawk - Irokesen, die wegen ihrer - relativen - Schwindelfreiheit zum Hochbau gebraucht werden.

Hier noch ein paar Flusen

Bald hüllte ihn ein dunkler Nebel hüllte ein, eine schwarze Brühe, …
Dennoch wusste frau: wenn's darum ging, Frauen aufzuspüren, konnten man sehr erfinderisch sein.
Wobei man "Frau" durch beliebige andere soziale Rollen ausfüllen kann, denn schon das Wort ist vom Herrn (ahd. "fro") abgeleitet als "frouwe / vrouwe" = Herrin (die dann mit der Domina als Dame frz. gehoben daherkommt). Der alte Herr wird in Kürze im "Fronleichnam" gefeiert und feiert immer wieder fröhlich Urständ' im Frondienst, obe für Herrchen oder Weibchen, Jacke wie Hose.

Wie dem auch sei, gern gelesen vom

Friedel

 

Hallo @JuJu ,
Kommen wir gleich zu den Aspekten, die mich haben stocken lassen.

Nur wenig später kam Lars’ Frau vorbei, Kathrin. Sie hielt ihre zweijährige Tochter im Arm. Und an der Hand: ihren fünfjährigen Sohn.
und ein kleiner Junge in blauen Pyjamas schrie im Heim nach seiner Mutter.
Auf der einen Seite nimmt Kathrin ihren Sohn mit, auf der anderen wird ein kleiner Junge zurück gelassen. Wo liegt bei den beiden Fällen der Unterschied?

Und bei noch einen anderen Aspekt bin ich mir nicht sicher, wie ich damit umgehen soll. Oft fällt ja der Satz "Männer, die sind alle gleich!" In deinem Text kommt mir das aber anders vor. Du beschreibst die unterschiedlichen Facetten der Männer, wie Marco, der die "seelischen" Aspekte wahrnimmt, Lars, der eher materielle Werte verfolgt und Wolfgang, bei dem ich mir noch nicht sicher bin, was für eine Rolle er spielt.
Die Frauen kommen in deinem Text hingegen als einfältige Masse rüber. Keine erwiedert argumentativ auf die Belange der Männer und alle sind sie auf die gleiche Weise abweisend.
War das deine Intention?

Insgesammt finde ich jedoch, du hast einen schönen Text abgeliefert. Danke für die Unterhaltung.

Liebe Grüße,
Träumerle

 

So, da bin ich wieder, @JuJu ;)

Wolfgang: 67 Jahre alt
Lars: 44 Jahre alt
Marco: 23 Jahre alt

Das würde ich mir sparen und eher versuchen, über die Geschichte zu zeigen, wie alt sie sind. Es wirkt vorgeschoben, als wäre es gar kein Teil der Geschichte. Sobald ich in der Geschichte bin, vergesse ich ohnehin sofort wieder, wer wie alt ist. Braucht es diese Information überhaupt?

Die Männer saßen auf der Veranda, als die Frauen für immer verschwanden.

Den Anfang finde ich mega. Was für ein cooler erster Satz, so geheimnisvoll. Top! :thumbsup:

Langsam nahm die Flut Gestalt an. Sie bildete eine lange Gerade, die über die Straße kam.

Ein wenig irritiert mich, dass du erst schreibst »die Frauen verschwinden« und dann ist das erste, das passiert, das »eine Flut an Frauen« erscheint. :D Aber klar, sie ziehen ja quasi an den Männern vorbei zu ihrem XX-Planeten, von daher stimmt es ja schon.

Und alle zusammen rochen die Frauen, wie nur Frauen riechen können, nach Vanille und Hefeteig und Haarspray, nach Hautcremes und Johanniskraut und Lippenstift, nach Nagellack und Olivenöl und Lipgloss und Eyeliner und Minze und Zimt und Lilien und Flieder und Lavendel.

Das ist toll, ich mag solche Aneinanderreihungen, die nur mit »und« verbunden werden. Besonders gefällt mir auch dieses: »Wie nur Frauen riechen können.« So poetisch. :)

Ich werde dein Fels in der Brandung sein und deine Schulter zum Ausweinen und deine Bürste wenn es kratzt und deine Augen wenn es dunkelt und dein Herz wenn es höher schlägt.

Für meinen Geschmack reden die Männer viel zu gestelzt. Das hat mich aus dem Text geworfen. Verfolg diese hochgestochene wörtliche Rede einen Zweck? Wenn nicht, würde ich die Männer viel verrohter und echter reden lassen. Das man ihre Panik spürt. So klingt es wie eine Ode an die Frau, als hätten sie's vorher sorgfältig auswendig gelernt. :D Würde es lockerer machen:

»Ich werd da sein ab jetzt, ehrlich. Geh nich, ich werd dir immer sagen, das ich dich liebe und ... alles was du willst.«

Lars stellte sich ihnen in den Weg und breitete die Arme aus.
„Aus dem Weg“, sagte Kathrin.

Hier zweimal Weg auf engstem Raum, vielleicht kannst du stattdessen schreiben: Lars stellte sich vor sie und breitete die Arme aus.

Du kannst das Peugeot haben. Und das Mercedes.

Dafür würde ich jetzt nicht meine Hand ins Feuer legen, aber sagt man nicht umgangssprachlich eher: den Peugeot und den Mercedes? ;)

„Arschloch“, sagte Kathrin,

You go, Kathrin! :lol:

Was hatte er nicht erschaffen? Die höchsten Türme, die besten Dramen, die traurigsten Lieder. Alles nur für sie!

Das ist auch so Shakespeare-mäßig. Würde es, wie oben erwähnt, schlichter gestalten, sonst wirkt es unglaubwürdig.

Doppel X

Sehr clever. ;) Dann können die Männer sich ja auf XY ermorden. :D

Man konnte hören, wie sie Häuser bauten in diesen Gesprächen, wie sie Banner in die Höhe zogen und Gesetzte verabschiedeten.

Schön. Oha, die Frauen kriegen das ja auch ohne die Männer hin! Empörend!

O dieser Weg führt uns aus dem Tal

O dieser Weg … der Erde so fern

Lass uns gehen und lass uns weinen

Lass uns lachen und lass uns schreien

Dieser Weg führt uns aus dem Tal

O dieser Weg … der Erde so fern

Gestolpert sind wir, gefallen sind wir

auf Blut und Hass, auf Lust und Gier

Gestolpert wird, gefallen wird

Lass gehen, lass weinen

Lass uns lachen und lass uns schreien

O dieser Weg … der Erde so fern


Das finde ich kitschig und ist mir zu offensichtlich. ;) Haha, ich weiß ja jetzt, das du es nicht so geheimnisvoll und rätselhaft magst, aber "Gestolpert sind wir, gefallen sind wir, auf Blut und Hass, auf Lust und Gier" ist schon sehr arg mit dem Holzhammer gearbeitet. ;) Ist aber bestimmt einfach eine Geschmackssache.

Sie sahen in den Himmel, der bald nur noch im Westen rosig war, und schwiegen.

Toller Satz!

War da nicht immer ein Hauch von dieser Ahnung in der Luft gewesen? Sogar in seinen glücklichsten Momenten.

Mega! Tja, retrospektiv macht man sich da als Kerl wohl doch irgendwie seine Gedanken.

Er träumte von einem Ort namens Doppel X, von einer Welt voller Frauen, von einer Oase des Friedens und der Liebe.

Hier geht es mir wie Zigga. Ich bin mir ziemlich sicher, das die Frauen sich auch relativ schnell an die Gurgel gehen würden, daher würde ich diesen Teil eher weglassen.

Hinter der zweiten Absperrung fiel Marco einer Scharfschützin zum Opfer.

Hammerhart. Ich finde super, wie du den Satz so kühl abgesetzt hast, da entfaltet er seine Wirkung.

Bald hüllte ihn ein dunkler Nebel hüllte ein,

Hier ist was verrutscht.

Die beiden Erdsatelliten, die frau kurz vor dem Exodus in einer hochgeheimen Aktion „zur Überwachung des Mutterplaneten“ infiziert hatte, zeigten klare Bilder.

Das fand ich erst nicht so geil, weil es ein ziemlich verbrauchtes Wortspiel ist, aber in diesem Fall (und weil du es durchgezogen hast) wirkt es schon ganz gut. Vor allem weil eine Welt voller Frauen vielleicht tatsächlich erstmal das Wort Mann aus ihrem Vokabular streichen würde :D

Auf den neuesten Satellitenbildern sah die Erde wie ein grauer Gasplanet aus, keine Spur mehr eines Ozeans oder eines Bergs oder überhaupt irgendwas. Die Atmosphäre war voller Staub.

Oha. :D

Fazit: Mir gefällt dein Text. Es gibt viele tolle Stellen, du kannst echt gut schreiben. Den Plot finde ich auch cool, diese fantastischen Elemente, gemischt mit der Wirklichkeit, das hat was. Hier und da würde ich es noch etwas weniger Dramatisch gestalten, dann entfaltet es noch eine größere Wirkung. Aber gut gemacht, hab's gern gelesen. :)

Viele liebe Grüße, PP

 

Hallo @JuJu,

zwei Dinge vorab: Erstens habe ich die vorangegangenen Kommentare nicht gelesen, also verzeih mir bitte, sollte ich hier Dinge doppelt ansprechen. Zweitens wird mein Kommentar wahrscheinlich nur rudimentär hilfreich sein, denn ich denke, meine geistigen Kapazitäten reichen nicht aus, um diesen Text in seiner Genialität vollkommen erfassen zu können :P Du wirst merken, was ich damit meine.

Ich habe drei Anläufe gebraucht, um die Geschichte zu lesen. Nachdem ich das erste Mal aufgehört hatte zu lesen, wollte ich eigentlich nicht wiederkommen. Erst später habe ich das Genie, das diesem Text innewohnt, zu erkennen vermocht, denn:

Langsam nahm die Flut Gestalt an. Sie bildete eine lange Gerade, die über die Straße kam. Lars fühlte sein Herz in der Brust pochen und eine prickelnde Wärme auf der Haut. Es waren Frauen. Unzählige Frauen. Frauen mit Orchideen im Haar, Frauen mit Babys im Arm, Frauen in langen weißen Sommerkleidern, die im Wind schwirrten, Frauen in Jeans, Frauen mit schwarzer Haut und grünen Augen, Frauen mit kupferfarbenem Haar und Tattoos, blasse Frauen und goldgebräunte Frauen, Frauen mit Sonnenbrillen und Heavy-Metal-T-Shirts, Frauen mit Grübchen, Frauen mit Wespentaillien, Frauen in weißer Schwestertracht, Frauen mit gepuderten Wangen, Frauen mit Dreads, Frauen mit Perlenketten, Frauen mit Kleidern aus Samt und Seide und Jute und Hanf. Und alle zusammen rochen die Frauen, wie nur Frauen riechen können, nach Vanille und Hefeteig und Haarspray, nach Hautcremes und Johanniskraut und Lippenstift, nach Nagellack und Olivenöl und Lipgloss und Eyeliner und Minze und Zimt und Lilien und Flieder und Lavendel.

Bei diesem Teil dachte ich mir anfangs: Um Gottes Willen, what the hell, was wird mir da angetan, warum muss ich das lesen? Warum schreibt man sowas? Und dann bin ich gegangen und irgendwann im Laufe des nächsten Tages bin ich dann draufgekommen: Verdammt, das ist die Flut. Und dann war ich hin und weg. Es ist, als hättest du show don't tell neu definiert. Das ist einfach nur ungewöhnlich und genial, und sowas liebe ich!

Also kam ich wieder und hab weitergelesen.

Sie hatte ein offenes Gesicht und ein Buch in der Hand.

Da bin ich drübergestolpert. Was ist ein "offenes Gesicht", für mich klingt das, als hätte sie eine Wunde.

Ein Stück später habe ich wieder aufgehört, weils mir sprachlich einfach zu heavy war, zu unfassbar. Aber dieses Mal habe ich aufgehört, mit der Intention, zurückzukommen.

Lars schloss die Augen, während das Lied der Frauen über ihn hinwegschwappte, und verlor das Bewusstsein.

Das fand ich eigenartig. Kann er nicht einfach einschlafen? Wieso verliert es das Bewusstsein? Ich mein, schon klar, man verliert auch beim Schlafen das Bewusstsein. Aber die Semantik geht schon eher Richtung höhere Gewalteinwirkung.

Ihre Kommilitoninnen jubelten ihr zu. Sie klatschen und lachten.
Aber irgendwas fehlte.
„Das waaaaaaaaaaaaaaar's“, brüllten sie zusammen.

Hier kenn ich mich nicht aus, aber wie gesagt, geistige Kapazität und so :P Mir ist nicht klar, was "fehlte". Das wird irgendwie nicht aufgeklärt, oder?

Lars öffnete die Tür, betrat sein leeres Haus und setzte sich auf die Couch. Dann holte er ein Bier aus dem Kühlschrank und machte den Fernseher an.

Macht es nicht mehr Sinn, sich ein Bier zu holen und dann erst auf die Couch zu setzen?

Lars schaltete den Fernseher aus und ging nach draußen. Ein Kätzchen mit schwarzem Fell stand vor der Tür. Lars brachte es ins Haus und besorgte eine Schüssel Milch.

Das ist auch eigenartig, irgendwie plot convenient, dass er hinausgeht. Er geht hinaus, da ist die Katze, wieso geht er überhaupt hinaus, wohl nur wegen der Katze?

Hinter der zweiten Absperrung fiel Marco einer Scharfschützin zum Opfer.

Da habe ich einen Moment gebraucht, um zu verstehen, was das soll. Als es soweit war, habe ich es für genial befunden.

Zusammen blickten die Führerinnen auf die große Leinwand in der Xentrale.

Und "Xentrale" fand ich auch großartig.

Alles in allem ein wirklich spannender Text, sprachlich sehr fein und sehr eigen. Über den Inhalt könnte man wahrscheinlich Seitenweise Textinterpretionen schreiben, das spare ich mir hier an dieser Stelle, weil ich ihn sowieso nicht vollkommen erfassen kann.
Ich muss sagen: Rein von der Geschichte her überhaupt nicht mein Fall. Aber abgesehen von der Geschmackssache, bin ich vielleicht auch einfach zu jung dafür. Ich spüre, wie gesagt, da ist vieles, das ich nicht fassen kann. Vielleicht ja irgendwann einmal.

Liebe Grüße,
Alveus

 

Hallo @JuJu ,

hm, der fiebrige Alptraum des sündigen Mannes? Die Schuldgefühle des Privilegierten in eine Phantasie gegossen? Oder das, was "der Mann" denkt, wovon "die Emanzen" träumen? Oder eine kleine rosa Provokationsbombe um uns zu verlocken, mit unseren Geschlechterbildern aus der Deckung zu kommen? Uns zum Widerspruch zu reizen? Ich merke, ich bin mehr mit der Frage nach der Absicht des Autors befasst, als mit der Auseinandersetzung mit dem Text.
Zu lesen ist das gut, die etwas gestelzte Sprache passt zu der künstlichen Situation. Es hat durch die vielen Clichés was Satirisches. Das Gedicht der Frauen ist scheußlich, soll hoffentlich kein Hinweis darauf sein, was ohne die Schöpferkraft des Mannes zustande kommt. Du merkst, ich bin ein klitzekleines bisschen misstrauisch. Ist aber auch ein vermintes Feld, in das du dich begibst und dafür gebührt dir Anerkennung.

Liebe Grüße von Chutney

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo @HenrikS!

So jetzt antworte ich dann mal:

Ich verstehe, was du hier machen willst, aber ich finde diese Aufzählung dann doch etwas zu lange.

Ich find die eigentlich zu kurz! :) War vorher länger. Aber weil wir alle an ADHS leiden, dachte ich so okay, dann kürze ich es eben.

Gibt es die Bezeichung "offenes Gesicht"? Sagt mir gar nichts

Ja, gibt es wohl nicht, aber ich finde, das sollte es geben. Es gibt offene und verschlossene Gesichter, findest du nicht? :) Aber es haben jetzt schon ein paar angemerkt, also ich habs geändert.

Mir persönlich hat die Geschichte jetzt nichts gegeben, aber wie gesagt, ist auch nicht mein Genre. Es kam keine Spannung auf und es hat mich auch nicht zum Nachdenken oder ähnliches angeregt.

Das ist ja eine vernichtende Kritik: ich hab's gelesen, und es hat mir nichts gegeben. Kein einziger Gedanke. Keine Spannung. Der Exodus der Frauen, ich las das und dachte so: gar nichts. Null Komma Nix. Da wäre mir ein krasser Veriss lieber!
Dennoch vielen Dank für die Korrekturen und fürs Lesen und fürs Feedback!


Hallo @zigga!

Ich kenne mich mit der biblischen Exodus-Geschichte gar nicht so gut aus, ehrlich gesagt, aber das ist jetzt auf meiner To-Do Liste. Ich denke bei "Exodus" an den Song von Bob Marley, bin eigentlich unreligiös aufgewachsen, wobei dann eben Bob Marley verehrt wurde und er im prinzip ne religiöse Figur ist. Hab ich so gar nicht drüber gedacht bei Schreiben, aber jetzt hör ich den Song wieder und das passt alles wunderbar :)


Hier erscheint ein Wurmloch, damit die Frauen verschwinden können. (Oder bauen sie es selbst? Ich fände es cool, wenn es einfach auftauchen würde. Wie in Interstellar. Das hätte dieses Biblische Element.) Wenn Gott einem das Meer teilt oder ein Wurmloch vor die Füße legt, bedeutet das: Du bist im Recht. Ich helfe dir, weil ich der Gott der Unterdrückten bin. (Wenn die Frauen mit Hilfe der Wissenschaft dieses Wurmloch nun selbst erschaffen hätten, könnte das im Gegenzug im Subtext deiner Story heißen: Unser postmoderner Gott, die Wissenschaft, hat es uns ermöglicht, unseren Peinigern zu entfliehen. Nur ein Gedanke.)

Ja coole Gedanken. Das steht nicht drin und wär aber spannend zu wissen, das stimmt. Mag das.

Das ist jetzt politisch sehr inkorrekt, aber ich finde durchaus, dieser Schaffensdrang, dieser faustische Funke, etwas Großes zu schaffen, etwas neues aufzubauen, neue Wege einzuschlagen, diese Kraft, das ist durchaus etwas Männliches.

Du hast auch so feine Sensoren für alles politische Unkorrekte, was? Ich find das so krass. Dass ist ja ein Gedanke, ich würd mal behaupten, der ist so alt wie Gedanken selbst. Bei den Römern und Griechen, bei diesen Sagen, ich denk grad an Orpheus, der so schön singen konnte, das ist alles so tief in uns, ich hab grad die erste Folge von Unser Planet auf Netflix gesehen, da zeigen sie versch. abgefahrenen Vögel, die irgendwelche coolen Tänze für die Weibchen aufführen, einer moonwalked sogar ... und wenn man das mit Frauen anschaut, dann lachen doch alle und finden das megatoll. Die wissen ganz genau, was da passiert. :)


Es hat schon eine coole Wirkung, dein Text; irgendwie frech, originell, abgedreht; gleichzeitig hab ich das Gefühl, dass da etwas Unausgesprochenes mitschwingt. Ein Abbild unserer Zeit, aus einer gewissen Perspektive. Coole Idee mit dem Auszug.

Das freut mich sehr, zigga! Vielen Dank fürs Lesen und deine Gedanken dazu.


Hallo Friedel,

schön dich wieder zu lesen! Ich muss jetzt los, ich komm nachher zu dir!

MfG

JuJu

 

Hej @JuJu ,

es war herausfordernd für mich, die Bilder mit dem Vorgehen und den Taten der Handlung zusammenzubringen, sie in meinem Kopf zu übertragen mit dem was ich weiß und kenne.
Es hat mir Spaß gemacht.

Es war nicht das Grauen, das ihn packte, es war etwas Schlimmeres. Es war die Ahnung davon.

love it!

War da nicht immer ein Hauch von dieser Ahnung in der Luft gewesen? Sogar in seinen glücklichsten Momenten.

Du schaffst eine Balance. Zuvor hast du etwas Großes, Einseitiges aufgebaut und dennoch habe auch ich ... geahnt, dass es eine Balance geben muss, die du dann erneut aufbrichst, radikal enden lässt. Dein Vorgehen, aufzulisten, auszuzählen, Eigenschaften, Eigenarten von Frauen und Männern, um dann den Exodus zu präsentieren, ist genauso möglich, wie eine Balance aufrecht zu erhalten.

Ich muss noch mal nachwirken lassen, ob ich damit klarkomme.;)

Eine anregende Geschichte in vielerlei Hinsicht ist es auf jeden Fall.

Lieber Gruß und einen schönen Ostertag, Kanji

 

Hallo @JuJu

Mit einem Bradbury Zitat bekommt man mich natürlich sofort! ?

(Rückblickend: Warum gerade das Zitat?)

Erst mal: Ich habe die Geschichte bis zum Ende gelesen und bin der Meinung, dass sie sich gut liest!

Im selben Atemzug: Ich habe die Geschichte nur ein mal gelesen und die bisherigen Kommentare kurz überflogen. Ich habe den Eindruck, dass man bei mehrfachem Lesen eine Menge entdecken kann. Daher würde ich sagen mein Feedback ist eher ein klassisches Konsumenten Feedback.

Am Ende ist mir nicht wirklich klar was genau passiert. Also, es ist schon klar was passiert, aber es bleibt die Frage: Was will der Autor mit dieser Geschichte sagen?

Dann: Wo ist der Konflikt? Die Frauen gehen und die Männer sind im Großen und Ganzen cool damit?

Ich hätte es spannend gefunden die Perspektive einer Einzelperson genauer unter die Lupe zu nehmen. Was ist mit einer Frau, die nicht mitgehen möchte? Kann man sich weigern? Was ist mit glücklichen Familien in so einem Szenario?

Und noch eine kurze Liste von Impulsen und Eindrücken beim Lesen:

- die Hauptcharaktere sterben schon fast willkürlich, warum sterben sie überhaupt?
- Die Dialoge wirken stellenweise ein bisschen wie aus einer Gerichtsverhandlung, erst trägt er sein Plädoyer vor, dann antwortet sie mit Arschloch.
- ein weiblicher Scharfschütze erschießt einen der Charaktere -> es fällt mir schwer das mit dem Aufstand und dem grundsätzlichen Szenario in Verbindung zu bringen.
- Absperrungen und Scharfschützen -> militärisch vorbereitet? Es wirkt eigtl. sehr spontan. Wie eine plötzliche Naturgewalt (Flut)
- Welche Rolle spielen die Studentinnen?
- Warum darf der Sohn mit nach Doppel X, wenn ein anderer Junge alleine zurückbleibt?

Ich hoffe das ist ein wenig hilfreich!

Liebe Grüße

tbrak

 
Zuletzt bearbeitet:

So, endlich etwas free time!

Hallo @Friedrichard,

vielen Dank mal wieder für deine spannenden Gedanken! Die Assoziaton zum Exodus war schon bei zigga vorhanden, das freut mich, die Story soll glaub auch was Mythenmäßiges haben.

"„Nein, du bleibst bei mir. Ich werde unsere Kinder großziehen. Ich werde Geld verdienen. Ich werde dein Fels in der Brandung sein und deine Schulter zum Ausweinen und deine Bürste wenn es kratzt und deine Augen[,] wenn es dunkelt[,] und dein Herz[,] wenn es höher schlägt."

Ich weiß, dass da eigentlich Kommas hingehören, aber in meiner Vorstellung spricht er das ohne Kommas. Die Kommas stören für mich an der Stelle aktiv den Sprechfluss. Weiß auch nicht, wie das anders ginge.

Die anderen Stellen hab ich korrigiert, danke!

Wie dem auch sei, gern gelesen vom

Freut mich, vielen Dank!

Hallo @Träumerle,

Auf der einen Seite nimmt Kathrin ihren Sohn mit, auf der anderen wird ein kleiner Junge zurück gelassen. Wo liegt bei den beiden Fällen der Unterschied?

Da es verschiedene Frauen sind, könnte es viele versch. Unterschiede geben. Also ich seh schon, was du meinst, vielleicht denk ich da auch anders, weil ich beruflich ziemlich viel mit "Heim-Kindern" und ihren Müttern zu tun habe - für mich das ist auch ohne Frauenexodus kein sonderbares Bild, das einer besonderen Erklärung bedürfte. Ich hab's drin wegen der Wirkung natürlich. Ich denke, die meisten Frauen haben ihre Söhne mitgenommen in die neue Welt, und ein paar wenige haben sie zurückgelassen - so wie das heute auch der Fall ist.


Und bei noch einen anderen Aspekt bin ich mir nicht sicher, wie ich damit umgehen soll. Oft fällt ja der Satz "Männer, die sind alle gleich!" In deinem Text kommt mir das aber anders vor. Du beschreibst die unterschiedlichen Facetten der Männer, wie Marco, der die "seelischen" Aspekte wahrnimmt, Lars, der eher materielle Werte verfolgt und Wolfgang, bei dem ich mir noch nicht sicher bin, was für eine Rolle er spielt.
Die Frauen kommen in deinem Text hingegen als einfältige Masse rüber. Keine erwiedert argumentativ auf die Belange der Männer und alle sind sie auf die gleiche Weise abweisend.
War das deine Intention?

Einmal kommt Ehebruch als Grund vor, da wird der Lars als "Arschloch" beschimpft. Auch gibt es das "Lied der Frauen", wo sie von ihrem Leid singen. Die Frauen gehen halt. Sie gehen. Ich denke, man/frau wird sich denken, warum. So wie du das schilderst, war das nicht meine Intention.

Insgesammt finde ich jedoch, du hast einen schönen Text abgeliefert. Danke für die Unterhaltung.

Danke dir, freut mich!

Hallo @PlaceboParadise,

Für meinen Geschmack reden die Männer viel zu gestelzt. Das hat mich aus dem Text geworfen. Verfolg diese hochgestochene wörtliche Rede einen Zweck? Wenn nicht, würde ich die Männer viel verrohter und echter reden lassen. Das man ihre Panik spürt. So klingt es wie eine Ode an die Frau, als hätten sie's vorher sorgfältig auswendig gelernt. :D Würde es lockerer machen:

»Ich werd da sein ab jetzt, ehrlich. Geh nich, ich werd dir immer sagen, das ich dich liebe und ... alles was du willst.«


Ich verstehe den Einwand sehr gut. Aber weil das Ganze so großspurig archetypisch angelegt ist, hatte ich das Gefühl, eine direkte, vielleicht auch etwas hochgestochene wörtliche Rede benutzen zu müssen. So wie im Theater oder so. Alles eine Nummer drüber. Irgendwie passt das für mich. Auch beim "Lied" ist es so. Das Lied scheint jetzt nicht so toll anzukommen .. aber ja ... iwie mag ich's :)

Fazit: Mir gefällt dein Text. Es gibt viele tolle Stellen, du kannst echt gut schreiben. Den Plot finde ich auch cool, diese fantastischen Elemente, gemischt mit der Wirklichkeit, das hat was. Hier und da würde ich es noch etwas weniger Dramatisch gestalten, dann entfaltet es noch eine größere Wirkung. Aber gut gemacht, hab's gern gelesen. :)

Vielen Dank für deine Gedanken zum Text, hat mich gefreut!

Hallo @Alveus Jekat

Da bin ich drübergestolpert. Was ist ein "offenes Gesicht", für mich klingt das, als hätte sie eine Wunde.

Das ist vielleicht eine Schöpfung von mir, die nicht funktioniert. Hat auch Henrik angemerkt. Ist nicht mehr drin. Ich find, man sollte Gesichter in "offene" und "verschlossene" einteilen können, so wirken Gesichter glaub auf mich, unter anderem.

Das fand ich eigenartig. Kann er nicht einfach einschlafen? Wieso verliert es das Bewusstsein? Ich mein, schon klar, man verliert auch beim Schlafen das Bewusstsein. Aber die Semantik geht schon eher Richtung höhere Gewalteinwirkung.

Schlafen wäre mir jetzt zu sehr zum Einschlafen .. er ist .. einfach weg :) Höhere Gewalteinwirkung -- die Wirkung ist schon okay.

Hier kenn ich mich nicht aus, aber wie gesagt, geistige Kapazität und so :P Mir ist nicht klar, was "fehlte". Das wird irgendwie nicht aufgeklärt, oder?

Ich denke einfach, in diesem Moment fehlt was.


Alles in allem ein wirklich spannender Text, sprachlich sehr fein und sehr eigen. Über den Inhalt könnte man wahrscheinlich Seitenweise Textinterpretionen schreiben, das spare ich mir hier an dieser Stelle, weil ich ihn sowieso nicht vollkommen erfassen kann.
Ich muss sagen: Rein von der Geschichte her überhaupt nicht mein Fall. Aber abgesehen von der Geschmackssache, bin ich vielleicht auch einfach zu jung dafür. Ich spüre, wie gesagt, da ist vieles, das ich nicht fassen kann. Vielleicht ja irgendwann einmal.

Das ist spannend, habe deine Kritik gerne gelesen. Vielen Dank, hat mich gefreut.

Hallo @Chutney,

Ich merke, ich bin mehr mit der Frage nach der Absicht des Autors befasst, als mit der Auseinandersetzung mit dem Text.

Danach haben jetzt auch andere gefragt, ist ein interessanter Effekt, zumal ich selbst gar nicht hundertprozentig sagen kann, was meine Intention war. Die Geschichte ist inspiriert von Bradburys "Way in the middle of the air", eine Episode aus den Mars-Chroniken, (daher kommt das Zitat am Anfang) in der Geschichte verlassen alle Schwarze die Erde für den Mars. Hat Bradbury in den 40ern/50ern geschrieben. Daher die Idee für das Stück. Mich hat diese Idee gereizt, und ich wollte sehen, was passiert, wenn man das auserzählt. Ich hab keinen politischen Auftrag oder so. Im besten Falle ist man eh auf einer anderen Ebene beim Schreiben unterwegs. Klar, mir ist schon bewusst, dass wir uns gegenwärtig im Genderkrieg befinden, und man diesen Text ohne diese Brille kaum lesen wird - aber wenn du konkret nach meiner Intention fragst ... hm. Mir fällt was zur Inspiration ein. Diese Idee fand ich spannend und ich wollte sehen, was passiert, wenn man das durchzieht. Ich wusste anfangs nicht, wo das endet.

Zu lesen ist das gut, die etwas gestelzte Sprache passt zu der künstlichen Situation. Es hat durch die vielen Clichés was Satirisches. Das Gedicht der Frauen ist scheußlich, soll hoffentlich kein Hinweis darauf sein, was ohne die Schöpferkraft des Mannes zustande kommt. Du merkst, ich bin ein klitzekleines bisschen misstrauisch. Ist aber auch ein vermintes Feld, in das du dich begibst und dafür gebührt dir Anerkennung.

Vielen Dank für deine Gedanken zum Text.

Hallo @Kanji


love it!

Cool, die Stelle mag ich auch.

Du schaffst eine Balance. Zuvor hast du etwas Großes, Einseitiges aufgebaut und dennoch habe auch ich ... geahnt, dass es eine Balance geben muss, die du dann erneut aufbrichst, radikal enden lässt. Dein Vorgehen, aufzulisten, auszuzählen, Eigenschaften, Eigenarten von Frauen und Männern, um dann den Exodus zu präsentieren, ist genauso möglich, wie eine Balance aufrecht zu erhalten.

Ich muss noch mal nachwirken lassen, ob ich damit klarkomme.;)

Eine anregende Geschichte in vielerlei Hinsicht ist es auf jeden Fall.


Du redest von Balance, die aufgebrochen wird, das finde ich spannend, muss ich drüber nachdenken. Freut mich, dass du die Story anregend findest, vielen Dank.

Hallo @tbrak,

(Rückblickend: Warum gerade das Zitat?)

Siehe meine Antwort an Chutney

- Warum darf der Sohn mit nach Doppel X, wenn ein anderer Junge alleine zurückbleibt?
Siehe Antwort an Träumerle :)

- die Hauptcharaktere sterben schon fast willkürlich, warum sterben sie überhaupt?

Hm, ja -- warum nicht? gut, ist natürlich auch ein Stilmittel. Der Lars stirbt eig. nicht, erst ganz am Ende, wo alle sterben.

- ein weiblicher Scharfschütze erschießt einen der Charaktere -> es fällt mir schwer das mit dem Aufstand und dem grundsätzlichen Szenario in Verbindung zu bringen.

Marco will die Frauen aufhalten; sie wollen ihn aufhalten

- Welche Rolle spielen die Studentinnen?

Ich denke, dass die Studentinnen eine laute Rolle spielen

Danke für die Leseeindrücke! Freut mich, dass du sie gut lesbar fandest, da leg ich auch Wert drauf.

Was will der Autor mit dieser Geschichte sagen?

Siehe wieder Antwort an Chutney. Spannend, dass die Frage nochmal kommt bei der Geschichte, sonst werde ich das nicht so direkt gefragt. Also das ist ja fast eine philosophische Frage.. klar, irgendwas werde ich schon habe sagen wollen (am Ende eben unbewusst), aber was genau und so .. das ist ja immer ne schwierige Frage an den Autor.

Danke dir!

Mit freundlichen Grüßen,

JuJu


 

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