Die Rose
Ich versuchte meine Gedanken zu fassen, ich versuchte mir selbst hinterherzulaufen. Schrie mir hinterher stehen zu bleiben, um nicht quer durch das Gestrüpp zu rennen. Immer weiter lief ich hinein, lief ohne nachzudenken und riss mir meine Hände an den zarten Rosen auf. Überall blitzten sie in ihren, von der ständigen Sonne verblichenen rosanen Gewändern auf und gaben mir Hoffnung. Sie hielt nicht lange an und wurde durch jeden einzelnen Tropfen Blut, der zu Boden fiel zunichte gemacht.
Ich suchte doch nur die Klarheit, die Wahrheit, ich suchte mich selbst. Wer bin ich? Wo bin ich? Fragte ich mich und fand doch nur einen Schatten von mir wieder. Mal ist er größer als ich es doch eigentlich bin und manchmal ist er so klein als hätte er Angst vor mir, als hätte ich Angst vor mir.
Ich konnte nicht halten, nicht rasten. Ich konnte mich mir nicht entwinden und war mir ausgesetzt. Dabei hatte ich doch die Wahl, in dieser riesigen Welt, die mir zu Füßen lag, zu wählen was ich zu tun vermag, trotzdem wählte ich jedes Mal die Dornen und das Gift.
In meinem ganzen Leben war ich am Rennen, nicht eine Sekunde konnte ich halten um nach Luft zu schnappen, mein Kopf war scheinbar leer, verdrängt den Sturm in mir.
Dann sah ich sie, in ihrem tiefen Rot erstrahlte sie in dem Licht der Sonne und ihre kleinen Blätter um ihren schmalen Körper herum bewegten sich leicht in dem Lüftchen, das auch mir wieder Luft zum Atmen gab. Eine rote Rose, sie war stark und die ein oder andere Dorne ragte gefährlich an ihr heraus. Sie war wunderschön. Sie würde perfekt in mein schönes Haus am Strand passen, dachte ich. Daheim stand eine alte griechische Vase darauf wartend, mit Blumen bestückt zu werden. So oft hatte ich mich an den anderen geschnitten. Ich hatte Angst sie mir zu nehmen und gleichzeitig hatte ich Angst sie zu zerreißen. Ich konnte mich nicht von ihrem Anblick lösen und so saß ich hier, Tag für Tag und schaute sie an, wie sie wie eine Königin über alle anderen hinüber wuchs. Ich konnte sie nicht nehmen und dann darauf warten wie sie langsam vertrocknete. Ich konnte sie nicht benutzen, wie all die anderen, die mich schließlich verletzten. Aber konnte ich bleiben? stellte ich mir die Frage, konnte ich bleiben um sie jeden Morgen, wenn der Raureif noch einzelne Tropfen von ihrer Blüte hinunterfließen ließ, bewundern?
Die Rose gab mir Kraft und Hoffnung, hier konnte ich das erste Mal zur Ruhe kommen und anfangen ich zu sein und Teile von meinem soweit gelaufenen Ich wieder einzusammeln. So fing ich an ein Haus zu bauen, eine kleine Hütte, zusammengenagelt aus ein paar Brettern und Platten, die ich auftreiben konnte. Ich baute mir mein eigenes kleines Heim. In meinem Garten wuchs die Rose und mit jedem Sonnenuntergang wurde ihr roter ein wenig dunkler und ihr Stängel ein wenig Stärker.
An jedem trockenen Tag, holte ich die alte Vase hervor, die ich aus meinem Haus mitgenommen hatte, befüllte sie mit dem klaren und kaltem Wasser aus dem Fluss und goss es langsam in die Erde an den Dornen vorbei, um ihr die Nährstoffe zu geben, die sie brauchte.
Ich hatte immer Angst, sie würde mich irgendwann verletzen, ich hatte Angst irgendwann eine Schönere zu finden und nicht mehr bleiben zu können, ich hatte Angst vor den Möglichkeiten in dieser Welt und andererseits hatte ich Angst nun keine mehr zu haben und festgekettet an dem starren Stängel mit all ihren Dornen zu sein.
Aber ich blieb. Für immer.