Die Rose
Vor einigen Tagen hatte Michael die Idee mit seinen Freunden in den neuen Freizeitpark zu fahren, der in Neuhausen vor zwei Wochen eröffnet wurde. Michael traf sich mit seinen Freunden am Busbahnhof. Von dort nahmen sie den Bus nach Neuhausen. Noch bevor sich Michael über den erhöhten Buspreis beschweren konnte, fiel ihm ein Mann ins Auge. Der Mann war sehr seltsam gekleidet. Er trug ausschließlich bunte Kleidung und in der rechten Hand hatte er einen Geigenkasten. Der Mann schaute Michael intensiv an. Michael versuchte den Blick von dem Mann abzuwenden, doch er wurde von dessen Blick angezogen.
Plötzlich fing der Mann an zu grinsen und stieg aus dem Bus aus. Michael grinste zurück. Er dachte noch lange Zeit darüber nach, was im Geigenkasten sein könnte.
Schließlich erreichten sie den Freizeitpark. Sie stürzten sich direkt ins Getümmel. Sie probierten ziemlich alle Attraktionen aus: Die Achterbahnen, die Wildwasserbahnen und auch die Geisterbahn. Zuletzt besuchten sie das Spiegelkabinett. Davon war Michael begeistert, besonders weil er sich selbst so oft sah. Aber dann erschien plötzlich der Mann mit dem Geigenkasten aus dem Bus wieder. Michael sah ihn deutlich im Spiegel. Als er sich jedoch umdrehte war der Mann verschwunden. An der Stelle, wo der Mann stand, lag eine Rose und ein Zettel. Er hob beides auf. Auf dem Zettel stand: "Folge der Rose, um das Rätsel zu lösen."
Sein Herz begann zu rasen. Er überlegte sich was für ein Rätsel gemeint sein könnte. Er wendete das Blatt. Auf der Rückseite stand folgendes: "Ich habe im Park eine Bombe versteckt. Diese wird in 30 Minuten hochgehen, wenn du mich nicht vorher findest. Wenn du mich ohne fremde Hilfe findest, wirst du belohnt. Wenn dir jemand hilft oder wenn du mich nicht findest, geht die Bombe hoch! Viel Spaß!" Michael rannte voller Panik aus dem Spiegelkabinett und suchte nach der Rose. Er ließ sogar seine Freunde einfach zurück. Schließlich hatte er nur noch 27 Minuten Zeit. Er mußte sich beeilen. Er lief einmal durch den ganzen Park, aber er fand nichts.
Jetzt dauerte es nur noch 15 Minuten bis zur Zündung der Bombe. Mittlerweile stand er wieder, völlig erschöpft, vor dem Spiegelkabinett. Die Leute starrten ihn schon dumm an. Michael kümmerte das nicht. Er wollte nur diese verdammte Rose finden. In dem Laden neben ihm hing zufällig ein Fernseher. Es lief gerade zufällig die Tagesschau. Der Nachrichtensprecher sagte: "Heute morgen ist ein verrückter Mörder aus der Psychiatrie ausgebrochen. Er gilt als sehr gefährlich. Wenden sie sich bitte sofort an die Polizei, wenn sie diesen Mann sehen." Ein Foto wurde eingeblendet. Michael war nicht sonderlich überrascht über das Foto. Es war der Mann aus dem Bus. Michael schaute auf die Uhr. Noch zehn Minuten. Er mußte diese Rose jetzt finden.
Er schaute nach links, nach rechts: Nichts!
Dann schaute er nach oben. Und da sah er sie! Er hatte die Rose gefunden. Es war eine riesige Rose auf dem Blumen- & Souvenirsladen. Er fragte sich, wie er sie bloß übersehen konnte.
Jetzt mußte er sich beeilen. Noch neun Minuten.
Michael rannte los. Die Leute, die ihm im Weg standen, rannte er einfach um. Nun stand er vor dem Blumenladen. Was jetzt! Er hatte noch sieben Minuten. Plötzlich fiel ihm ein Glitzern in dem Baum hinter dem Blumenladen auf. Sofort kletterte er auf den Baum. Und zwischen den Ästen steckte tatsächlich etwas. Es war ein kleines Kontrollpult mit drei Knöpfen. Auf dem Pult lag ein Zettel. Michael nahm ihn und las: "Du bist fast am Ziel. Du mußt nur noch die Knöpfe in der richtigen Reihenfolge betätigen. Entscheide dich!"
Michael hatte jetzt ein großes Problem. Das Leben aller Menschen in diesem Freizeitpark lag in seinen Händen. Zwei Minuten hatte er noch. Aber in welcher Reihenfolge sollte er die Knöpfe drücken.
Ihm fiel unbewußt ein Spruch ein, den er irgendwann mal im Fernsehen gehört hat: Rechts vor links, aber die goldene Mitte geht vor. Er entschied sich diesen Spruch zu befolgen. Er drückte den zweiten Knopf, dann den dritten und zuletzt den ersten. Michael wartete auf eine Reaktion, doch nichts passierte. Anscheinend war die Kombination richtig.
Als er jedoch zum Freudenschrei ausholte, spürte er einen festen Schlag auf seinem Kopf. Darauf fiel er bewußtlos vom Baum auf den Boden.
Er erwachte in einem hell beleuchteten Raum. Sein Kopf blutete. Vor ihm stand der Psychopath mit seinem Geigenkasten und in seinem bunten Anzug. Er sagte, mit einem riesigen Grinsen im Gesicht: "Ich habe dich etwas dümmer eingeschätzt, als sich herausgestellt hat. Du hast verhindert, dass die ganze Anlage in die Luft fliegt. Aber du hast mich gesehen. Ich muß dich daher auslöschen, damit keiner weiß wo ich bin." Der Mann öffnete seinen Geigenkasten. Michael erwartete ein Maschinengewehr oder eine ähnliche Waffe. Statt dessen kam eine Schere zum Vorschein. Es war keine übliche Schere. Die Schere hatte die Größe einer Geige. Michael wollte wegrennen, aber er konnte nicht. Er stand da, mit offenem Mund, und zitterte am ganzen Leib.
Der Mann kam immer näher. Er hatte immer noch das große Grinsen im Gesicht.
Michael wußte keinen Ausweg mehr. Er stieß einen grellen, ohrenbetäubenden Schrei aus. Der Psychopath zuckte zusammen. Ihm fiel sogar die Schere aus der Hand. Michael erkannte seine Chance sofort und rannte, immer noch schreiend, weg. Er rannte den Gang entlang, immer geradeaus. Er hatte keinen blassen Schimmer, wo er sich befand, trotzdem rannte er weiter. Nach einiger Zeit hörte er wieder Schritte, schnelle Schritte. Und sie kamen immer näher. Michael erhöhte sein Tempo. Er glaubte, dass er schon zwei Stunden durch diesen Gang läuft. In Wirklichkeit waren es nur zehn Minuten. Dann passierte etwas wunderbares. Die Lichter begannen zu flackern, und gingen schließlich ganz aus. Mit dem Stromausfall, hörten auch die Schritte auf. Michael mußte jetzt nur noch einen Ausgang finden, dann war er frei.
Nachdem er sich einige Meter durch die Dunkelheit getastet hatte, sah er ein Licht. Es war Sonnenlicht. Er rannte voller Vorfreude auf das Licht zu. Doch was er dann sah, ließ seine Freude verschwinden. Vor dem Ausgang stand er. Der Psychopath inklusive Schere.
Michael wußte, dass es sinnlos wäre zurückzulaufen. Daher ging er langsam auf den Psychopath zu. Dieser hatte sein Grinsen mittlerweile verloren. Statt dessen waren seine Augen blutunterlaufen.
Michael stand jetzt einen halben Meter vom Psychopathen entfernt. Er blickte ihm direkt in die Augen. "Dein letztes Stündlein hat geschlagen," sagte der Psychopath und erhob seine Schere. Was Michael dann tat, tat er völlig unbewußt.
Er spuckte dem Psychopathen mitten ins Auge, noch bevor dieser ihn mit seiner Schere verletzen konnte. Dieser ließ die Schere sofort fallen, die sich Michael schnappte. Voller Wut schlug er dem Psychopathen, mit der falschen Seite der Schere, immer wieder auf den Kopf, bis er bewußtlos zu Boden fiel. Darauf kletterte er den Ausgang hinauf. Er befand sich nun am Anfang des Parks.
Dann ging alles ganz schnell.
Er informierte die Polizei. Diese sicherte den Raum, führte den Psychopathen ab und brachte ihn zurück in die Anstalt. Davor übergab er Michael noch eine Rose, mit den Worten: "Ich werde mich an dir rächen, mein Junge. Noch bevor diese Rose verwelkt ist, wirst du von mir hören."
Michael schenkte diesen Worten keine Beachtung.
Aber die Rose hat bis heute kein einziges Blatt verloren.
[Beitrag editiert von: fatfab100 am 28.02.2002 um 17:22]