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Die Romantik in Florenz

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03.09.2024
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Die Romantik in Florenz

Ich trennte mich von Sebastian in Florenz. Mitten auf der Ponte Vecchio gegen Abend. Der Arno floss unter uns, Lichtreflexionen tanzten auf den Wellen.
„Was siehst du?“, fragte ich ihn.
„Eine amorphe Masse von Touristen, die sich über die Brücke wälzt“, antwortete er. Ich hatte diese Reise ausgesucht, dieses eine Mal.
„Tu wenigstens so, als wärst du gern hier!“, sagte ich. „Mir zuliebe.“
„Ich mache die ganze Zeit nichts anderes“, gab er zurück.
In meiner Vorstellung war Florenz, ähnlich wie Venedig oder Rom mit Romantik verbunden. Ihm ging es nicht so.
„Florenz sehe ich eher in der Renaissance verhaftet, also deutlich vor der Romantik“, erklärte er mir.
„Gab es Züge in der Renaissance-Epoche?“, fragte ich.
Er schüttelte den Kopf.
„Heute gibt es welche und ich nehme den nächsten.“
Er machte sich nicht die Mühe, mich aufzuhalten.

Meine Freundin wartete am Bahnhof, ich hatte sie aus dem Zug angerufen. Christiane nahm mich in den Arm und strich mir über den Kopf wie bei einem Kind. Dann fuhren wir zu ihr und tranken Wein. Zwei Flaschen Grauburgunder. Ich redete und weinte. Sie hörte zu und nickte. Am nächsten Morgen ging es mir nicht gut, aber ich holte meine Sachen aus der gemeinsamen Wohnung. Es war nicht viel, fast alles gehörte ihm. Das Klavier, die Bücher, Sofas und Schränke. Das Bett, der Schreibtisch, die Stühle. Wie eine Diebin klaubte ich meine Habseligkeiten zusammen und packte sie in Kartons. Christiane half mir. Wir fuhren zweimal, ihr Wagen war nicht groß. Am Nachmittag rief Sebastian an, ich ging nicht ran.

Im Fitnessstudio waren einige Trainer ausgefallen, ich übernahm gern die Kurse. Bauch, Beine, Po. Sebastian lachte immer darüber. Schon die Bezeichnung fand er erheiternd. Mit Yoga konnte er ebenso wenig anfangen. Für mich war es nicht nur willkommene Ablenkung, der Job machte mir Spaß. Ich übernachtete bei Christiane, aber auf Dauer musste eine neue Wohnung her. Die Mietpreise in den Inseraten waren horrend, es war frustrierend. Meine Freundin beruhigte mich.
„Wir kommen doch gut klar, lass dir Zeit!“
Sebastian schickte Nachrichten, manchmal mehrere an einem Tag.
„Er wird dich wiederhaben wollen“, sagte Christiane. Wir saßen auf ihrem Sofa bei einem Glas Wein.
„Ich mache Bauch, Beine, Po und er ist ein Intellektueller, der an der Uni lehrt“, antwortete ich.
„Das sind die Schlimmsten“, kam es von ihr.

Bei einer Wohnungsbesichtigung standen die Bewerber Schlange, der Makler verteilte Bögen zum Ausfüllen. Bei der Frage nach dem Beruf schrieb ich Bauch, Beine, Po. Dann zerknüllte ich das Papier und ging. Im Studio fing mein Yin-Yoga-Kurs an.
„Wir werden loslassen“, sagte ich den Teilnehmerinnen, „uns nur auf unser Innerstes konzentrieren.“ Die Frauen hörten mir zu.
Abends kochten Christiane und ich. Ihre Lieblings-Musik lief, Norah Jones und Mark Knopfler. „Wo sind bei dir die scharfen Messer?“, fragte ich. Sie gab mir eines, ich schnitt die Zwiebeln. Eine Nachricht von Sebastian blinkte auf dem Handy. Christiane wischte mit einem Tuch über den Tisch und sah mich an. Sie verdrehte die Augen.
„Schreibt der immer noch?“

Er hatte ein Restaurant in Kreuzberg vorgeschlagen. Bitte, sag ja, stand da zum Schluss. Ich machte mir Gedanken über die Garderobe. Nicht zu sexy. Attraktiv, aber dezent und seriös. Der enge Pulli mit Rollkragen in beige sah im Spiegel gut aus. Eine lange Kette darüber. Keine, die ich von ihm geschenkt bekommen hatte, eine von früher. Dazu die neuen Stiefel. Der Mantel farblich passend. Ein letzter prüfender Blick. So ging es.

Das Restaurant machte einen gehobenen Eindruck, weiße Tischdecken, gedämpftes Licht. Die Kellner bedienten die Gäste in schwarzen Hemden und Krawatten. Er war schon da. Ich konnte ihn von draußen an einem der Tische am Fenster sehen. Er trug ein Jackett über dem weißen T-Shirt, die Beine lässig übereinanderschlagen. Ein Kellner kam zu ihm, er schickte ihn mit einer Handbewegung weg. Sein Blick wanderte ungeduldig von der Armbanduhr zur Eingangstür. Er griff nach dem Handy und tippte darauf herum. Bei mir summte es. Wo bleibst du, las ich. Meine Erstarrung löste sich. Abends kühlte es ab, Mitte Oktober und es fing zu nieseln an. Ich knöpfte den Mantel zu und machte kehrt. In der U-Bahn schickte ich ihm eine Entschuldigung. Eine Antwort kam nicht. Die Stationen flogen vorbei, im Fenster spiegelte sich mein Gesicht. Ich sah es an.

 

Hallo @Jaylow!

Zunächst etwas Textarbeit:

Dort gab es einen schönen Blick auf den Fluss. Der Arno floss träge unter uns, Lichtreflexionen tanzten auf den Wellen.
Lieber noch mehr in der Art des zweiten Satzes und der erste erübrigt sich.

„Gab es Züge in der Renaissance-Epoche?“KOMMA fragte ich.
Er schüttelte mit dem Kopf.
„Heute gibt es welche und ich nehme den nächsten.“
Er machte sich nicht die MüheKOMMA mich aufzuhalten.

Christiane nahm mich in den Arm und strich mir über den Kopf, wie man es bei einem Kind tut.
Ginge kürzer: ... den Kopf, wie bei einem Kind.

Am nächsten Morgen ging es mir nicht gut, aber ich holte meine Sachen aus der Wohnung, in der ich mit Sebastian gelebt hatte.
Auch hier (versteht sich): ... aber ich holte meine Sachen aus der gemeinsamen Wohnung.

Die Mietpreise in den Inseraten waren horrende, es war frustrierend. Meine Freundin beruhigte michDOPPELPUNKT „Wir kommen doch gut klar, lass dir Zeit!“
horrende oder eher horrend? Bin mir nicht sicher.

Ihre Lieblings-Musik lief, Norah Jones und Mark Knopfler.

„Wo sind bei dir die scharfen Messer,?“ fragte ich.
Komma verrutscht.

Sie verdrehte die Augen zur Decke.
Entweder: Sie verdrehte die Augen. Oder: Sie sah hoch zur Decke. Beides zusammen klingt für mich komisch.

Solide geschrieben, aber was bekomme ich zu lesen? Ja, es steht Alltag drüber, aber so ist mir das zu wenig. Zack – Schluss gemacht. Zack – Zu einem Treffen zugesagt. Zack – Treffen sausen gelassen. Das geht mir zu fix, als dass ich da mitfühlen könnte.

Gruß,
Sammis

 

Hallo @Jaylow

Romantik in Florenz, das geht ja gar nicht! Warum hat die Protagonistin nicht Venedig gewählt oder meinetwegen Rom? Alles wäre gut gegangen und die beiden wären noch zusammen. Sie kommen wohl aus verschiedenen Gesellschaftsschichten und die unterschiedlichen Lebensauffassungen reichen, dass es zur Trennung kommt. Das ist mit sparsamen Strichen skizziert und angenehm zu lesen. Allerdings habe ich zu sehr den Eindruck, dass er „schuld“ ist an der Trennung. Er buttert sie einfach unter, ihr Urlaubsziel ist nicht nach seinem Geschmack, über ihren Job macht er sich lustig, die gemeinsame Wohnung wird von seiner Einrichtung dominiert. Das ist mir ein bisschen zu einseitig dargestellt. Spannender fände ich es, wenn sich herausstellt, dass auch sie wenig kompromissbereit ist, wenn sie sich ein wenig selbst entlarvt.

Was ist mit der Freundin? Vielleicht will sie mehr? („Wir kommen doch gut klar.“) Das wäre noch eine Möglichkeit, die Story auszubauen.

Und wie wäre es damit, das Ende offener zu gestalten, sodass der Leser selbst entscheiden kann: Gehe ich hinein oder nicht?

Hier noch Kleinigkeiten:

und strich mir über den Kopf, wie bei einem Kind.
Komma überflüssig
Bei der Frage nach dem Beruf, schrieb ich Bauch, Beine, Po.
Ein Komma zu viel.
Er trug ein Jackett, die Beine lässig übereinandergeschlagen.
Sonst nichts? Wenn jemand anfängt, Kleidung zu beschreiben, sollte er nicht auf halbem Weg aufhören. Ich habe mal irgendwo einen Roman gelesen, in dem der Autor eine Welt beschrieb, deren Bevölkerung aus halb angezogenen Menschen bestand. Sie alle teilten ein Schicksal. Sie wurden von Autoren gekleidet.
Außerdem hakt es mit der Grammatik: Wie trug er es? Die Beine lässig übereinandergeschlagen?
... hatte die Beine …

Grüße
Sturek

 

Hallo @Sammis,

besten Dank für die Einschätzung. Die Fehler habe ich bereits korrigiert. Intendiert war Zack, zack, zack. Da aber auch von @Sturek Ähnliches kam, ist die story vielleicht etwas dünn geraten.

Schönes Wochenende wünscht
Jaylow

Hallo @Sturek, auch an Dich vielen Dank. Wie bereits oben erwähnt, fehlt der story möglicherweise ein bisschen Fleisch. Deine Ideen diesbezüglich finde ich übrigens gut!

Beide Kommentare haben mir geholfen.

Besten Gruß
Jaylow

 

Hallo @Jaylow,

Von meiner Seite nur eine kurze Rückmeldung. Ich finde deine Geschichte toll. Mir gefällt der minimalistische Erzählstil. Du sagst immer genau das Notwendige, nicht mehr. Das ist eine große Kunst in meinen Augen.

Meine Lieblingsstelle:

"Gab es Züge in der Renaissance-Epoche?“, fragte ich.
Er schüttelte den Kopf.
„Heute gibt es welche und ich nehme den nächsten.“
Das finde ich klasse! Sehr raffiniert! Irgendwie ist deine Protagonistin ihrem Partner dann ja doch meist überlegen, auch wenn das nicht so empfindet.

Ich habe den Text sehr gerne gelesen. Man merkt, dass du Erfahrung hast und weißt, was du tust.

LG Jorinde

 

Hallo @Jorinde21,

vielen Dank für die motivierenden Worte. Ich warte mal meine privaten Testleser ab, vielleicht ergänze ich eine kleine Sequenz, um die Charaktere etwas zu vertiefen. Aber kurz und knapp soll der Text bleiben.

Schönen Gruß

Jaylow

 

Bei der Frage nach dem Beruf schrieb ich Bauch, Beine, Po.

Mitten auf der Ponte Vecchio gegen Abend.
Gemeinhin wirken Ellipsen wir Brandbeschleuniger, aber der Erzähler passt sich leider dem träge dahin fließenden Arno an,

lieber @Jaylow,

aber es muss doch nichts daran scheitern, dass Romantik nun mal mit Rom beginnt und dann das Ende „antik“übersehen wird.
Wenn ich das alte Rom (man muss da nicht gleich mit den Geschäften des Herrn Julius Caesar kommen) richtig in Erinnerung hab, ging es da auch hoch her – ob bei Patrizia oder Plebeja.

Aber paar Anmerkungen, zu dieser gefälligen Geschichte:

Ich trennte mich von Sebastian in Florenz.[…]Der Arno floss träge unter uns, Lichtreflexionen tanzten auf den Wellen.

„Tu wenigstens so, als wärst du gern hier“, sagte ich. „Mir zuliebe.“
Setz doch bitte, bitte, bitte für die Bitten Ausrufezeichen, denn ich glaube nicht, dass der Erzähler die Satzzeichen demonstrativ verweigert. Eher sein Schöpfer ...

„Ich mache Bauch, Beine, Po und er ist ein Intellektueller, der an der Uni lehrt“, antwortete ich.
„Das sind die Schlimmsten“, kam es von ihr.
Eher klein,
die „schlimmsten“
– erscheint mir wie ein bloßes Adjektiv zu den Intellektuellen und/oder dem Lehrkörper .(oder beiden).

Bei einer Wohnungsbesichtigung standen die Bewerber Schlange, der Makler verteilte Bögen zum Ausfüllen.
Warum nicht schlicht Fragebögen?, die ja gemeinhin dem Makrler wieder zurückgegeben werden - ausgefüllt (andere verschwinden halt in der großen Ablage, unausgefüllt),

Wie dem auch wird,

gern gelesen vom

Friedel

 

Hallo @Jaylow ,

auch mir fehlt in dieser Geschichte etwas die Tiefe; die Alltagssituation bleibt alltäglich, zieht mich nicht rein, ich fühle nicht besonders mit der Prota mit, da geht noch was:). Die Sätze sind mir diesmal etwas zu abgehakt, zu staccatomäßig.

In meiner Vorstellung war Florenz, ähnlich wie Venedig oder Rom KOMMA mit Romantik verbunden.

Meine Freundin wartete am Bahnhof, ich hatte sie aus dem Zug angerufen.
vielleicht besser: ich hatte sie vom Zug aus angerufen ...?

Gern gelesen.

Viele Grüße
Kerzenschein

 

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