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Die Ritterin Johanna (Teil 2)
Ritterin Johanna und das Wettrennen
Es war Juli und schon die ganze Woche hatte es kein einziges Mal geregnet. Ritterin Johanna und ihr Pferd Morgentau schwitzten schrecklich.
Ein Schild stand neben dem Weg:
„Großes Ritter-Wettrennen am Sonntag, den 1. August um 12 Uhr. Der Gewinner erhält einen goldenen Pokal.“
„Ein Wettlauf“, dachte Johanna. „Da könnte ich mitmachen. Und gewinnen.“
„Ein goldener Pokal?“, sagte eine tiefe Stimme hinter Johanna. „Den werde ich gewinnen.“ Ein Ritter mit kohlrabenschwarzen Haaren war unbemerkt hinter Johanna getreten. An der Hand führte er ein großes schwarzes Pferd, dessen Flanken schweißnass waren.
Die Rennstrecke war schon mit bunten Pflöcken markiert worden. Nach dem Start ging es bergab zum Fluss, dort musste man um eine Birkengruppe laufen, kam hoch zur gepflasterten Straße und dann ging es direkt zum Eingang des Burggasthofes, welcher auch das Ziel sein sollte.
„Darf ich mich vorstellen“, sagte der Ritter. „Mein Name ist Arnulf. Ich komme aus der Burg Clam. Das Wettrennen werde ich sicherlich gewinnen.“
„Dann wünsche ich Euch viel Glück dazu. Ihr scheint ja recht kräftig zu sein.“
Der schwarzhaarige Ritter grinste über das Kompliment.
Bei sich dachte Johanna, dass er ein ganz schöner Angeber sei, wenn er schon vor dem Rennen so prahlte.
„Würdet Ihr mir Euren werten Namen nennen?“, fragte Arnulf.
„Ich heiße Johanna. Ritterin Johanna“, sagte Johanna und freute sich, dass Arnulf ganz überrascht dreinschaute.
„Ähm, ja, also werte Ritterin Johanna, würdet ihr mich zum Wassertrog begleiten. Es scheint, euer Pferd leidet genauso an Durst wie meines.“
Am Wassertrog trafen sie noch drei andere Ritter, die auch behaupteten, sie würden das Wettrennen gewinnen. Ein Ritter mit grünem Wappen sagte.
„Beim Wettrennen müssen wir unsere Rüstung tragen. Bei der Hitze wird das eine Qual werden. Wenn ich gewonnen habe, renne ich weiter bis zum Trog und werfe mich hinein, sodass es nur so spritzt.“
„Hahaha“, lachten alle.
„Warum lauft ihr nicht ohne Rüstung?“, fragte Johanna. „Da sind wir, ähm, ich meine da seid ihr doch viel schneller.“
„Ohne Rüstung?“, fragte Arnulf und zog die Augenbrauen hoch. „Ohne Rüstung kann ein Ritter nicht laufen. Da ist er ja kein Ritter.“
Johanna war zwar eine Ritterin, doch eine Rüstung besaß sie nicht. Sie konnte mit dem Bogen schießen und das Schwert schneller schwingen als ihre vier Brüder, doch eine schwere Rüstung tragen, die überall nur drückte, das wollte sie nicht.
Zuerst fragte sie ihren Vater um Rat:
„Natürlich musst du mit Rüstung laufen. Ein Ritter braucht eine Rüstung. Hat er keine Rüstung, ist er kein Ritter.“
Johanna überlegte kurz. Zum Glück gab es einen tüchtigen Schmied auf ihrer Burg. Schnell rannte sie zu ihm:
„Widukind. Ich brauche eine Rüstung.“
Widukind ordnete gerade seine Hufeisen und wischte sich über sein verschwitztes und rußverschmiertes Gesicht. Da in seiner Werkstatt immer das Schmiedefeuer brannte, war es noch viel heißer als sonst wo.
„Eine Rüstung? Für dich?“
Johanna nickte.
„Das passt gut. Ich habe jetzt ohnehin nichts zu tun.
Komm mal her und probier eine Brustplatte. Hier ist die kleinste, die ich habe.“
Er reichte Johanna die Brustplatte. Johanna hielt sie vor die Brust. Widukind brachte die Rückenplatte und begann sie an Johanna festzuschnallen.
„Aua, sagte sie. Die zwickt.“
„Ja, da werden wir noch etwas ändern müssen“, stelle Widukind fest.
Johanna ging ein paar Schritte.
„Die ist zu schwer. Hast du keine Leichtere? Ich möchte an einem Wettrennen teilnehmen. Da ist es besser, wenn die Rüstung leicht ist. Dann muss ich nicht soviel schleppen.“
Widukind sah sie überrascht an.
„Das Wettrennen der Ritter? Das kannst du nicht gewinnen. Dazu bist du zu schwach.“
„Ich könnte doch trainieren.“
„Nein“, schüttelte Widukind den Kopf. „Trainieren müsstest du ein Jahr, oder besser zwei, damit du schneller bist, als die anderen. Und das Rennen ist schon nächste Woche.“
„Was wäre denn, wenn ich eine leichtere Rüstung haben würde. Eine, die nicht so schwer wäre, wie die der anderen Ritter.“
Widukind sah sie an und lachte.
„Eine leichte Rüstung. Die müsste doch ganz dünn sein und die würde kein Schwert aufhalten.“
„Braucht sie ja gar nicht.“
„Eine Rüstung muss immer ein Schwert aufhalten und einen Dolch und einen Morgenstern und am besten auch eine Lanze. Das ist ihr Zweck.“
„Außer, es handelt sich um eine Laufrüstung. Die müsste ganz dünn sein.“
„Eine Laufrüstung. So etwas habe ich noch nie gehört.“
„Ist ja egal. Mach mir einfach die dünnste und leichteste Rüstung, die es gibt.“
Widukind sah nachdenklich drein.
„Eine ganz leichte Rüstung, mit der du schnell laufen kannst. Ja, das ist etwas, das ich noch nie gemacht habe. Aber ich werde es probieren.“
Johanna war kaum aus seiner Schmiede gegangen, als er auch schon zu hämmern anfing.
Jetzt musste sie aber noch trainieren. Jeden Tag rannte sie die Laufstrecke entlang und sah dabei auch die anderen Ritter. Die waren ganz schön schnell, trotz ihrer Rüstungen. Johanna kam auch ohne Rüstung ordentlich ins Schwitzen.
Nach dem Training besuchte sie Widukind, um ihre Rüstung abzuholen, doch das Schmieden dauerte bis zum Tag des Rennens.
Widukind hatte alle Teile auf einem Holzgestell aufgehängt. Die Brustplatte war so glatt und fein, dass Johanne sie als Spiegel verwenden konnte. Prüfend hob sie einen Ärmel hoch. Die feinen Kettenglieder hatten kaum mehr Gewicht als ein schwerer Wintermantel.
„Das ist die schönste Rüstung, die ich je gesehen habe!“
Johanna hätte Widukind am liebsten vor Freude umarmt und geküsst. Doch er Schmid war viel größer als sie und ganz rußig und überhaupt wusste Johanna nicht, ob eine Ritterin so etwas tun durfte.
„Aluminium“, sagte Widukind. „Das ist eine Aluminiumrüstung. Ein Metall, das nur halb so schwer ist, wie Eisen.“
Johanna rannte vor Freude los ohne sich von Widukind zu verabschieden. Durch das tägliche Training fühlte sie sich schon viel stärker. Am Start hatten sich schon viele Ritter versammelt. Einige dehnten ihre Beine und der Ritter Arnulf hüpfte immer hin und her.
Die Sonne schien schon den ganzen Tag und Johanna stellte sich in den Schatten. Ihr Gesicht war schweißüberströmt und ganz so bequem fand sie die Rüstung auch wieder nicht. Die Kettenglieder kratzten, und außerdem war eine Rüstung einfach zu heiß für einen so schönen Sommertag.
Viele Leute hatten sich schon versammelt und klatschten begeistert in die Hände.
Johanna erspähte Widukind, der ihr nachgekommen war und aufgeregt winkte.
„Trink noch was.“ Er reichte ihr ein Trinkhorn mit Wasser.
„Eine gute Idee“, schnaufte Johanna und trank hastig.
„Du darfst am Anfang nicht zu schnell laufen“, flüsterte Widukind. „Wer am Anfang vorne liegt, der gewinnt niemals. Lauf in der ersten Hälfte so, dass du nicht zu sehr außer Atem kommst, und auch wenn du schneller sein könntest, bleib hinter dem ersten Läufer. Erst ganz am Schluss, bevor ihr ans Ziel kommt, darfst du überholen.“
„Ich will doch gewinnen. Da kann ich ja gleich vorne weglaufen. Warum sollte ich warten?“
„Das nennt man Taktik“, sagte Widukind. „Alle guten Läufer machen das so.“
„Aber ich nicht. Ich habe eine Laufrüstung. Und ich werde von Anfang weg vorne laufen“, erwiderte Johanna trotzig.
„Alle an den Start“, sagte der Starter.
Jeder wollte in der ersten Reihe stehen und Johanna erhielt gleich einen ordentlichen Stoß von einem Ritter in blauer Rüstung.
„He, pass auf!“, rief Johanna, doch auch die anderen Ritter drängelten sich in ihren schweren Rüstungen einfach vor und Johanna fand sich ganz hinten, als der Starter rief:
„Auf die Plätze: fertig: Los.“
Johanna lief hinter den anderen Rittern her. Sie liefen viel schneller als Johanna gedacht hatte. „Ohje“, dachte sie. „Da werde ich ja nie gewinnen.“
Sie überholte einen dicken Ritter, dessen Rüstung bei jedem Schritt schepperte.
„Andererseits“, dachte sie, „hat Widukind ja gesagt, dass ich am Anfang nicht vorne laufen sollte.“
In hohem Tempo ging es bergab in Richtung Fluss. Johanna sah ganz vorne einen Ritter mit glänzender Rüstung laufen, der schon einen beachtlichen Vorsprung hatte. Dahinter kam eine Gruppe mit Arnulf und dem grünen Ritter.
Johanna überholte einige weitere Ritter. Der Weg führte jetzt um die Birken herum und ging nicht mehr bergab. Johannas Herz pochte rasend, aber sie überholte weiter einen Ritter nach dem anderen.
Plötzlich überholte sie den Ritter in der glänzenden Rüstung, der schrecklich keuchte. Johanna keuchte auch schon, aber es machte ihr nicht so viel aus, denn sie freute sich, dass sie den Führenden überholt hatte. Der war aber auch von drei anderen überholt worden. Der grüne Ritter führte vor Arnulf und dahinter rannte ein Ritter mit blauem Wappen. Obwohl sich Johanna jetzt bis zum äußersten anstrengte, kam sie den drei Führenden kaum näher. Ihre Rüstung wurde auch immer schwerer und ihr Kopf schien fast schon zu kochen, so heiß war es. Am liebsten hätte sie sich sofort in den Wassertrog geworfen, aber der war noch weit weg. Jetzt taten ihr auch schon die Beine weh. Doch immerhin war das Ziel nicht mehr weit und Johanna war Vierte. Der blaue Ritter wurde langsamer. Sie nahm all ihre Kraft zusammen und überholte ihn. Sie dachte jetzt nur mehr an den Wassertrog, in den sie springen würde, sobald dieses Rennen aus war. Die Leute jubeln und viele feuerten sie an. Tatsächlich wirkten auch die beiden Ritter vor ihr schon recht müde.
Johanna versuchte ihre Knie höher zu heben, obwohl ihr schon alles weh tat. Ach ja, es gab ja den goldenen Pokal für den Sieger. Jetzt war sie direkt hinter Arnulf und Seite an Seite mit dem grünen Ritter. Arnulf sah kurz zu ihr. Er war völlig rot im Gesicht und sein Haar schweißverklebt. Er beschleunigte und bekam einen Meter Vorsprung. Ringsum tobten jetzt die Leute. Das Ziel war vielleicht noch 30 Meter entfernt. Johanna machte große Schritte und blieb direkt hinter Arnulf.
„Das schaffe ich nicht mehr“, dachte sie, doch die Leute schrien „Johanna, Johanna“, und irgendwie schaffte sie es, wenige Meter vor dem Ziel Arnulf zu überholen. Mit nur fünf Zentimeter Vorsprung lief sie durchs Ziel und blieb keuchend stehen. Die Leute jubelten und tobten und Johanna wurde von der Menge fast erdrückt.
„Wasser, Wasser“, stammelt sie nur und endlich begriffen die Leute und trugen sie jubelnd in den Wassertrog. Johanna tauchte den Kopf unter und trank gierig das kühle Wasser. Plötzlich machte es neben ihr platsch. Arnulf und der grüne Ritter ließen sich einfach in den Trog fallen und spritzten alle Leute an.
So endete das Rennen mit einer großen Wasserschlacht. Jeder spritzte jeden nass. Johanna erhielt den goldenen Pokal und übergoss damit noch einmal alle die noch trockene Kleidung trugen. Viele Ritter gratulierten ihr und selbst Arnulf meinte, dass er noch nie eine so talentierte Läuferin gesehen hätte.