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Serie Die Relativitätstheorie

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23.02.2010
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Die Relativitätstheorie

Die Relativitätstheorie
1. Teil​

Haben Sie das auch gehört, Herr Schneider? Minarette, höher als wie unser Turm von Sankt Paul wollen sie bauen. So riesige Blickfänger.
Also jetzt mal im Ernst: Das geht zu weit! Naja, wohl eher zu hoch hinaus, was Herr Schneider? Hahaha… zu hoch hinaus, haben sie es verstanden? Man muss ja so schrecklich aufpassen was man sagt, wenn man nicht als rassistisch abgestempelt werden will, aber wissen sie was, Herr Schneider? Wenn sie sich schon mit ihren 7 Kindern pro Familie hier ins Land absetzten und uns, den Steuerzahlern, die wir über fünfzig Jahre körperlich für dieses Land tätig waren –sie wissen, was ich meine- auf der Tasche liegen, weil sie zu faul zum Arbeiten sind und alle ihre Ärsche auf Hartz 4 ausruhen, dann kann man doch wohl wenigstens, wenigstens –ich bin ein bescheidener Mensch- erwarten, dass sie sich ein bisschen anpassen, was Herr Schneider? Aber nein, stattdessen besitzen sie doch tatsächlich den Hochmut direkt neben Sankt Paul einen ihrer Brülltürme zu bauen. Ach was sage ich, einen? Es sind zwei! Zwei, zwei Moscheeausgucke direkt neben Sankt Paul! Bei denen zu hause in Afrika werden noch Leute verbrannt, bloß weil sie eine Kirche bauen wollen, und bei uns dürfen sie sich ihre Terrorclubs gründen? Ich sage Ihnen eins, Herr Schneider, wenn das nicht bald aufhört, rennt bald ganz Deutschland vollverschleiert durch die Städte und die Männer werden Selbstmordattentäter und jagen Schulen in die Luft! Herr Schneider, ich sage ja gar nichts gegen solche Leute, ich habe auch nichts gegen Islamisten, aber es ist doch kein Geheimnis, dass die ihre Frauen unterdrücken. Und dann diese jugendlichen Imigrantenstraftäter…
Herr Schneider, ist das nicht eine Frechheit mit den Minatreppen- äh… Miarnetten… ähm…
Sehen wir uns Sonntag in Sankt Paul? Da ist dieser Alibaba da von den Islamisten da und will einen Vortrag halten über den ihre komischen Protztürme. Können ja Schilder basteln und protestieren, was Herr Schneider? So „keine Terroristentürme neben Sankt Paul“ und so?

Ach wissen Sie, Herr Pawel, eigentlich hätte ich Ihre Einladung sehr gern angenommen, zumal ich auch gern etwas mehr über Ihre Religion erfahren hätte –sie verstehen mich doch, Herr Pawel- aber leider, leider, leider habe ich an diesem Tag einen Vortrag zu halten. Sie wissen doch, als Vorsitzender der Islamischen Gemeinde Berlins muss ich doch wegen der beiden geplanten Minarette Stellung nehmen. Ich hoffe übrigens, Ihnen hat die Aprikosenmarmelade geschmeckt, die meine Frau eigens für Sie eingekocht hat? Meine beiden Töchter haben zu solchen Küchenarbeiten eben nicht so den Draht, sie wissen ja, die Jugend gibt sich eben lieber mit anderen Aktivitäten ab. Aber so lange, wie sie sich ordentlich auf ihr Abitur vorbereiten und meiner Frau ab und an im Haushalt helfen, damit sie auch noch neben ihrer Arbeit als Ärztin Entspannung findet, habe ich nichts dagegen, wenn sie sich genauso benehmen wie andere deutschstämmige Mädchen, nicht wahr, Herr Pawel?

Herr Schneider? Sie sind der Vorsitzende von den Moslems? Na das hätte ich… ich meine, Sie verstehen doch, wie das gemeint war, eben und so… also es sind ja auch gar nicht alle Moslems schlecht, Sie verstehen? Ich meinte ja nur, diese ganzen Dinge, die man so liest und so… Sie kennen das doch auch, Herr Schneider…
Also ich habe ja auch wirklich gar nichts gegen Ausländer…
man muss das doch alles relativieren...

 

Huhu LicaAnna,

sicher, dass du die richtige Kategorie erwischt hast? Das würde ich spontan eher bei "Gesellschaft" oder Ähnlichem einordnen, Philosophie erkenne ich da nicht so wirklich...

Aber zum Text. Seine Visitenkarte sind also im Prinzip Vorurteile etc. gegenüber ausländischen Mitbürgern. Keine schlechte Idee, irgendwie gefällt mir das. Eine Frage drängt sich mir nur auf: Was ist das für eine Gesprächsform? Ein Briefwechsel wohl kaum, wenn ich mir die Sprache anschaue. Für eine mündliche Unterredung sind die einzelnen Redeteile natürlich zu lang. Natürlich, man kann das ganz abstrakt betrachten, als großes Ganzes der Ansichten, Vorwürfe und Erklärungen, die die beiden austauschen. Dennoch wirkt die Sache etwas merkwürdig.

Ich frage mich auch, wie genau man den Titel "Die Relativitätstheorie" zu verstehen hat. Dass der Begriff des Relativierens im Text vorkommt, wäre als alleinige Inspiration ja etwas mager. Wie auch immer, bin gespannt, was du draus machst.

lg
eine pizza

 

Hej LicaAnna,

hat mich an Tucho's Herrn Wendriner erinnert. Vielleicht braucht es nicht ganz so viele "Herr Schneider"s und "Herr Pawel"s.

Dass Herr Schneider einerseits wie ein alter Bekannter angeredet wird und andererseits Vorsitzender ("von den Moslems" - ist diese Formulierung gewollt?) ist, wirkt irgendwie unrund. Ihr Verhältnis wird mir nicht klar.

Ich würde auch zu "Gesellschaft" raten.

Herzlich willkommen hier!

Viele Grüße
Ane

 

Hallo LicaAnna,

gefällt mir Dein Text. Hätte ihn zwar auch nicht zu den philosophischen Texten gepackt - ist doch eher Gesellschaft oder Humor - aber nun habe ich ihn eben hier gelesen.

Der Titel ist gar nicht schlecht. Ich schließe mich der Meinung von "eine pizza" nicht an:

Dass der Begriff des Relativierens im Text vorkommt, wäre als alleinige Inspiration ja etwas mager.
Schließlich ist der liebe Herr Pawel (hast Du da bewusst keinen "arischen" Namen gewählt?) ja genau der Typ, der wohl die Relativitätstheorie mit dem Relativieren seiner Meinung gleichsetzen könnte.

Im Übrigen, entschuldige, dass ich Dir schon wieder widerspreche "eine Pizza", kann ich mir die Szene gut vorstellen. Ich sehe den knapp-60er in seinem Kiosk, an dem Herr Schneider seine Zeitung kaufen möchte. Er trägt einen alten, abgewetzten Arbeitskittel und beugt sich, um im Vertrauen zu Herrn Schneider zu sprechen, leicht über die Theke. Er redet eben viel - ohne Punkt und ohne Komma und nicht immer unbedingt in vollständigen Sätzen.
Herr Schneider hingegen, in einem neuen, modischen Anzug, mit frisch geschnittenem Haar und einem geduldigen Lächen im Gesicht, hört dem Redeschwall mit Ruhe zu und genießt es vielleicht sogar ein wenig dem armen "Nachbarn" seine eigene Grube schaufeln zu lassen, bevor er seine Situation freundlich und kurz auskostet.

Perfekt und realitätsnah finde ich - das muss in keine Form gezwungen werden.

Nur die ganzen "Herr Schneider"s würde ich auch etwas kürzen. An und für sich ist das ein sehr schönes Stilmittel, nur übertreibst Du es damit ein wenig.

Danke für Deinen Text!

Liebe Grüße

elisabeth

 

@elisabeth: Mit Interesse las ich über deine Sicht der Dinge.

Perfekt und realitätsnah finde ich -
Es mag eine Ansichtssache sein, aber - ohne zu hart klingen zu wollen - das Attribut "realitätsnah" empfinde ich als weit hergeholt. Realitätsnah wäre der Text, wenn man seine Fantasie nicht groß anstrengen müsste, um sich die Situation lebhaft vorstellen zu können. Ich schätze, es geht den meisten dabei wie mir: Es ist nicht ganz leicht.

das muss in keine Form gezwungen werden.
Hier muss ich dir zustimmen, ein Hineinzwängen ist nicht mehr nötig. Das Ganze ist nämlich bereits in eine Form gepresst. Der Stil, in dem hier geschrieben wurde, passt, wie ich finde, eher zu einem Monolog, der unter leichter Anspannung wie der Bestandteil eines Dialoges wirken will. Auch hinsichtlich der Länge der Redebeiträge würde ich immer noch sagen, dass sich das Ganze nur sehr schwer in eine Alltagssituation umsetzen lässt. Dazu trägt bei, dass u.a. Bausteine wie der "versehentliche" Versprecher zwischen "Minarette" und "Minatreppen" überaus gekünstelt wirkt und mir in seiner Machart nur aus grottigen Kabarett- oder Comedyshows bekannt ist.

 

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