Die (r)evolutionäre Verwandlung
Die ®evolutionäre Verwandlung
Oh Affen, seht mich an, da schwing ich von Ast zu Ast, ich bin noch nie von einem Baum runter gefallen oder gegen einen Baum geknallt, wohl gemerkt. Ich hätte sogar Tarzan noch was beibringen können. Die Affenweibchen standen auf mich, ich hatte genug zu essen und meine Freunde, und sogar einige meiner Feinde, respektierten mich. Immerhin war ich jetzt schon einer der stärksten Affen.
„Rüdiger, Schatz! Pass auf, dass du nicht wieder von einem Polizisten wegen zu schnellen Schwingens angehalten wirst, wir wollen nicht noch ein Strafblatt zahlen!“ Das war meine Mutter, die mir das jedes Mal nachrief, wenn ich aus dem Haus schwang und das, nur weil ich ein paar Mal angehalten worden war. Das hält sie mir jetzt eine Ewigkeit vor.
Unsere Familie lebte vorwiegend in Frieden mit den meisten anderen Bewohnern unseres „Paradieses“, wie es von den Einheimischen genannt wurde. Die Tiger und Löwen waren ziemlich gute Freunde, zumindest, wenn sie genug zu fressen hatten. Die Nilpferde, Giraffen und ähnliche Pflanzenfresser waren ohnehin friedlich, wenn man ihnen nicht auf die Eier ging und sie provozierte.
Die einzigen, die manchmal ein wenig Ärger machten war eine Bande von Orang-Utans, die sich der „U-Tan-Clan“ nannten. Recht üble Zeitgenossen, aber es war nicht sonderlich schwierig, ihnen aus dem Weg zu gehen. Hier im Urwald gab es dafür genug gute Gelegenheiten.
Ja, damals war das Leben noch schön und unbeschwert und einfach. Ich tat den ganzen Tag nichts anderes als zu fressen, den Weibchen zu imponieren, um sie später zu pimpern, und faul auf irgendeinem Baum liegen und mich von der Sonne bescheinen lassen. Es war herrlich angenehm. All das, was das Leben so schön machte, war zudem auch noch in Überfluss vorhanden!
Doch plötzlich änderte sich etwas, ich bekam, allerdings nur für kurze Zeit, sogar noch mehr Haare, als ich ohnehin schon hatte. Ein merkwürdiger Anfang für die Pubertät, dachte ich mir. Aber ich war auch froh, dass es bei mir endlich so weit war.
„Na warte, wenn das die Jungs sehn, die werden Augen machen“, dachte ich mir......vorerst. Meine Freunde waren mächtig von meinen Haaren, rund um den Mund und an den Wangen, beeindruckt, und die Weibchen fanden es richtig sexy.
„Juhuu, das bedeutet noch mehr Spaß für den guten alten Rüdiger“, ging es mir durch den Kopf. Und für ´ne Weile machte es sogar sehr viel Spaß.
Eines Abends dann, machte ich mich hübsch für einen netten Abend mit Heather, eine der schärfsten Schimpansen-Ladies, die ich kannte. Schon als wir uns das erste mal sahen, wussten wir, dass wir’s wie die Karnickel treiben würden.
Ich spuckte mir in die Hände und streifte mir meine Haare glatt, das war damals gerade in. Als ich dann in meine Hände blickte, sah ich, dass einige Haare drinnen waren.
„Hm......Haarausfall. Na egal, wo die herkommen, gibt’s eh noch mehr“, sagte ich mir damals und verließ dann meinen Baum. Zunächst dachte ich mir nichts.
„Ts, Haarausfall, na und, was soll´s, das hat man halt hin und wieder.“ Ich hatte sowieso nichts anderes als Heather im Kopf und den schönen Abend, den ich noch vor mir hatte. Oh Affe, und was für ein schöner Abend das wurde, ich sag´s dir, J.......aber darum geht es jetzt nicht, immerhin soll das kein Dr. Sommer Report aus Bravo werden.
Es hörte mit dem Haarausfall nicht auf. Immer mehr Haare gingen mir aus. Nur die im Gesicht blieben und am Kopf blieb mir auch eine lächerlich spärliche Behaarung zurück.
Als ich eines Tages aufwachte, lag ich in einem Meer aus meinen Haaren, es war schrecklich. „Oh, großer Gott, nein!“, schrie ich, als ich bei meinem morgendlichen Bad in den Fluss blickte. Mein Spiegelbild war erschreckend. Brust, Rücken, Arme und Beine waren kaum noch behaart. Kopf- und Gesichtshaare blieben. Und was taten meine Freunde? Die, die mich früher um meine Gesichtshaare beneideten? Die lachten mich aus, wie ich noch nie ausgelacht worden war. Heather, sie war für mich die Äffin meines Lebens, sie wendete sich von mir ab. Kurze Zeit später traf sie sich, sehr zum Missfallen ihres Vaters, mit einem Affen aus dem „U-Tan-Clan“.
Ich verkroch mich auf meinen Baum. Die ganze Zeit blieb ich dort, mein Essen ließ ich mir liefern und Besuch wollte ich sowieso keinen. Meine Eltern kamen immer wieder in mein Zimmer und wollten mich ermutigen, wieder raus zu gehen, und ließen eine ihrer üblichen Elternreden vom Stapel. Dass es nicht aufs Äußere eines Affen ankommt und dass jeder, der mich danach beurteilt, nicht mein Freund ist, bla, bla, bla. Und obwohl diese Rede mich bis zum Äußersten langweilte, hatten sie doch irgendwie Recht, zumindest was den Teil betrifft, den ich mitbekommen hatte.
Ich fing wieder an, raus zu gehen. Alle, die mir komisch kamen, hab ich einfach verprügelt, denn meine Stärke hatte ich noch, und durch die Bäume schwingen konnte ich auch noch wie ein junger Gott, nur leider sah ich nicht mehr wie einer aus.
Doch als wäre der Haarausfall noch nicht genug gewesen, wurde alles noch viel schlimmer!
Als Nächstes veränderte sich mein Gesicht und danach meine Hände und Beine. Kann man das glauben, meine Daumen kamen meinen anderen Fingern immer näher, das selbe passierte auch mit meinen Zehen, allerdings kamen sie den anderen Zehen näher und nicht den Fingern. Mit meinen Füßen konnte ich nichts mehr fassen. Ich war total am Boden zerstört und verkroch mich wieder auf meinen Baum.
Spät in der Nacht, als alle anderen Affen in unserer Gegend schliefen, schlich ich mich nach draußen und wollte ein wenig durch den dunklen Dschungel schwingen. Ganz gemütlich, so wie ich es früher oft getan hatte. Einfach durch die Gegend schwingen, den Geräuschen der Nacht lauschen und an nichts denken. Der Urwald kann nämlich eine so beruhigende Wirkung auf Geist und Körper haben, ganz egal, ob bei Nacht oder Tag, ich hatte aber zu große Angst, gesehen zu werden.
Ist das zu fassen, kaum griff ich nach einer Liane, rutschte ich ab, fiel runter und landete auf meiner hässlichen Visage.
„Verdammt, tut das weh“, murmelte ich mit Erde zwischen den Zähnen.
„Okay, ich bin vielleicht ein wenig aus der Übung, das wird schon wieder.“ Doch dem war nicht so. Es war wie verhext, ich war grottenschlecht. Ich donnerte von einem Baum in den nächsten. Ich verhedderte mich in den Lianen und hing über zwei Stunden in der Luft, weil ich mich nicht mehr befreien konnte. Gott sei Dank kam ein freundlicher Elefant vorbei und half mir raus und stellte mich auf den Boden. Danach.....lachte er mich aus und ging weiter. Tja, neben all der Schönheit und Vielfalt, können die Natur und die Tiere auch sehr grausam sein.
„Dämliche Lianen.........DÄMLICHER ELEFANT!“, schrie ich.
Daraufhin drehte sich der Elefant um und rannte wutentbrannt auf mich zu.
„Oh Gott!“, schrie ich und rannte, so schnell ich konnte, davon. Früher hätte mich ein Elefant niemals eingeholt, doch diesmal schaffte er es. Er kam immer näher. Blitzschnell kam er mir vor.
„Ich bin wirklich außer Form“, dachte ich mir so, als ich erneut in der Liane von vorhin hing, in die mich der Elefant, nachdem er mich erwischte, wieder verknotet hatte.
Affe sei dank kam eine an Schlafstörungen leidende Giraffe vorbei, lachte mich zunächst mal kräftig aus, dann band sie mich aber freundlicherweise los, nur um mich im Anschluss weiter auszulachen.
„Dämliche Giraffe!........WUAAAAHH!“, schrie ich, nachdem sie sich wieder umdrehte und mich verfolgte, doch diesmal sprang ich gleich seitlich zu einem von Gestrüpp, Moos und Gras überwucherten Baum; diese Kombination ergab eine wunderbare natürliche Höhle.
„Endlich in Sicherheit“, seufzte ich vor Erleichterung, vollkommen außer Atem.
„Hihi.“ „Ahahaha.“ „Hehe“ „Hoho“, vernahm ich auf einmal von allen Seiten. Es schien, als würden mich sogar die Bäume, die Lianen, die Schlingpflanzen und das Gras auslachen. Dabei waren es nur ein paar Eichhörnchen und Biber und Lemuren, die mit ihren kleinen Fingern auf mich zeigten und lachten.
„Ah Gott sei Dank.“, sagte ich, erleichtert darüber, dass es nicht der Wald war, der mich auslachte, sondern nur die üblichen Leute, von denen ich es eh schon gewohnt war.
Ich konnte mich nicht mehr durch die Lüfte schwingen, wie ich es früher problemlos geschafft hatte. Was war nur los? Ich wollte wieder nach Hause, mein Ausflug war ein totaler Reinfall, doch, ich hatte vollkommen die Orientierung verloren, ich wusste nicht mehr, wo ich war, alles sah gleich aus.
„Wo bin ich denn jetzt?....Vielleicht geht’s da lang?.......Nein, sieht nicht so aus......Und da?......Oh, ein süßer Tiger......Oh, großer Gott, nein!......Vielleicht den Weg?.......Mist, ich dämlicher Affenarsch hab mich verlaufen!“ Ich versuchte den nächsten Notrufbaum ausfindig zu machen und rief meine Eltern an. Kurze Zeit später tauchte mein wutentbrannter Vater auf und brachte mich wieder nach Hause.
Die nächsten Tage über verbrachte ich in meinem Zimmer, auf dem Baum meiner Eltern.
Meine Eltern riefen sogar Dr. Livingston an, um mich zu untersuchen, den berühmtesten und bekanntesten und besten Affen unter all den Ärzten. Interessiert untersuchte er mich, doch selbst bei ihm bemerkte ich, dass er sich zeitweise ein Lachen über mein Äußeres verkneifen musste. Er kam zu keiner Diagnose. Meine Eltern waren am Verzweifeln, natürlich waren sie nicht annähernd so verzweifelt und niedergeschmettert wie ich es war, aber immerhin versuchten sie mit meiner Verzweiflung und Niedergeschlagenheit mit zu halten.
Lang und breit erklärte mir Dr. Livingston, was ich an dieser Stelle nur ganz kurz und prägnant zusammenfassen will: „Ich weiß nicht, was dir fehlt, mein Affe.“
Danach verschwand Dr. Livingston wieder, und ich lag wieder alleine auf dem Baum meiner Eltern. Meine Mutter heulte sich die ganze Zeit bei anderen Affenmüttern aus und redete mit ihnen. Mein Vater versuchte es zwar zu verbergen, aber die Scham nagte an seinen alten Affenknochen, ich merkte es immer dann, wenn er mit anderen Vätern unterwegs war, um was zu essen zu besorgen, oder wenn sie gerade von einer Runde Läusefressen zurückkamen, oder wenn er von der Arbeit kam und ich ihn vom Baum herab beobachtete. Dann merkte ich, dass er sich schämte.
Ich bin mir sicher, wenn ich bereits als kleines Affenbaby so auf die Welt gekommen wäre, hätten sie mich mit Sicherheit getötet. Hm, wäre vielleicht affener gewesen, dann hätte ich nicht so gelitten wie jetzt.
Als nächstes wurde ich vom Psychoaffologen Dr. Affenstein begutachtet, doch auch er konnte nichts feststellen. Den einzigen Rat den er mir auf den Weg mitgab war, dass ich mich mehr unter Affen begeben sollte und mich nicht so auf einem Baum zurückziehen soll.
Daraufhin zwangen mich meine Eltern, die diesen Rat mehr beherzigten als ich, mich selbst um mein Essen und Trinken zu kümmern.
Einen Tag hielt ich es ohne Trinken aus, und wollte dann schon zum See gehen, doch dann merkte ich, wenn ich gerade stand, dass sich auch meine Arme verkürzt hatten, „Moment mal, ich steh ja gerade!“, schoss es mir auf einmal durch den Kopf. Ich stand aufrecht in meinem Zimmer, die Arme waren aber trotzdem kürzer. „Zeit einen vollständigen Körpercheck durchzuführen.“, sagte ich mir. „Haare: Größtenteils verschwunden. Gesicht: Entstellt (Dr. Livingston meinte, ich sehe aus wie ein `Mensch´, was sich für mich wie irgendein Fabelwesen anhörte, vermutlich hatte er sich nur einen Scherz mit mir erlaubt). Arme: Verkürzt. Hände und Füße: Verkrümmt. Gang: Aufrecht. Läuse: Noch da.“
Also marschierte ich aufrechten Schrittes los, was mir meine entstellten Beinen im Dickicht des Dschungels allerdings sehr erschwerten, um etwas zu essen und zu trinken zu besorgen. Okay, Hunger hatte ich keinen so großen, da ich genügend Läuse gefressen hatte, aber ich hatte einen enormen Durscht. Auf zum Wasser!
Ich ging zum See, da ich Lust hatte, mich vollkommen ins Wasser zu schmeißen, um ein Ganzkörperbad zu nehmen.
Während ich auf meinem Weg war, lachten mich alle anderen Tiere aus. Die Tiger und Löwen brüllten vor Lachen und zeigten mit ihren Krallen auf mich. Die Elefanten deuteten mit ihren Rüsseln zu mir rüber und stießen Lacher aus, so laut, dass der ganze Dschungel bebte. Ich wurde ausgelacht wie noch nie ein Affe in der gesamten Geschichte der Affen, ach, was sag´ ich, in der gesamten Geschichte des Dschungels, ausgelacht wurde. Hinter mir, lachte der gesamte Wald über mich Aff....oder sollte ich ab jetzt „Mensch“ zu mir sagen?
Beim See angekommen blickte ich nun, zum ersten Mal seit Wochen, in mein Spiegelbild. Es war grotesk und abstoßend, aber ich konnte nachvollziehen, warum die anderen Tiere mich auslachten. Auch ich hätte gelacht, wenn ich so eine.....“Kreatur“ hier bei uns im Urwald gesehen hätte. Ich hatte nichts mehr mit einem Affen gemeinsam, es war nichts mehr von meinem ursprünglichen, tollen Aussehen übrig.
„So sieht als ein „Mensch“ aus.“, dachte ich mir. „Widerlich. Und von jetzt an, muss ich mit so einer hässlichen Visage durchs Leben laufen. Das wird mit Sicherheit kein Zuckerschlecken!“ dachte ich mir und tauchte dann ganz in den See ein. Ich tauchte vollständig unter und als ich wieder rauf kam war.......der Dschungel verschwunden. Alles war weg. Die meterhohen, starken Bäume, die festen, unendlich langen Lianen, das geschmeidige, frischsaftige Gras, sogar die weiche, fruchtbare Erde war weg. Einfach alles war verschwunden.
Was ich nun sah, waren Steinklötze, die bis in den Himmel ragten, mit winzigen reflektierenden Rechtecken. Die Erde hatte einem harten und kalten Untergrund weichen müssen. Statt Lianen sah ich überall dünne, schwarze Kabel, die zu jedem dieser Steinbauten führten. Meine Freunde, alle Tiere, waren weg. Stinkende, auf vier Rädern rollende Ungeheuer rasten über den Boden und verursachten einen Lärm, gegen den das Getöse von Elefanten wie wohltuende Musik wirkte. Und egal, wo ich hin blickte, überall sah man diese.......Menschen.
„Rüdiger, Schatz! Pass auf, dass du nicht wieder von einem Polizisten wegen zu schnellen Schwingens angehalten wirst, wir wollen nicht noch ein Strafblatt zahlen!“ Das war meine Mutter, die mir das jedes Mal nachrief, wenn ich aus dem Haus schwang und das, nur weil ich ein paar Mal angehalten worden war. Das hält sie mir jetzt eine Ewigkeit vor.
Unsere Familie lebte vorwiegend in Frieden mit den meisten anderen Bewohnern unseres „Paradieses“, wie es von den Einheimischen genannt wurde. Die Tiger und Löwen waren ziemlich gute Freunde, zumindest, wenn sie genug zu fressen hatten. Die Nilpferde, Giraffen und ähnliche Pflanzenfresser waren ohnehin friedlich, wenn man ihnen nicht auf die Eier ging und sie provozierte.
Die einzigen, die manchmal ein wenig Ärger machten war eine Bande von Orang-Utans, die sich der „U-Tan-Clan“ nannten. Recht üble Zeitgenossen, aber es war nicht sonderlich schwierig, ihnen aus dem Weg zu gehen. Hier im Urwald gab es dafür genug gute Gelegenheiten.
Ja, damals war das Leben noch schön und unbeschwert und einfach. Ich tat den ganzen Tag nichts anderes als zu fressen, den Weibchen zu imponieren, um sie später zu pimpern, und faul auf irgendeinem Baum liegen und mich von der Sonne bescheinen lassen. Es war herrlich angenehm. All das, was das Leben so schön machte, war zudem auch noch in Überfluss vorhanden!
Doch plötzlich änderte sich etwas, ich bekam, allerdings nur für kurze Zeit, sogar noch mehr Haare, als ich ohnehin schon hatte. Ein merkwürdiger Anfang für die Pubertät, dachte ich mir. Aber ich war auch froh, dass es bei mir endlich so weit war.
„Na warte, wenn das die Jungs sehn, die werden Augen machen“, dachte ich mir......vorerst. Meine Freunde waren mächtig von meinen Haaren, rund um den Mund und an den Wangen, beeindruckt, und die Weibchen fanden es richtig sexy.
„Juhuu, das bedeutet noch mehr Spaß für den guten alten Rüdiger“, ging es mir durch den Kopf. Und für ´ne Weile machte es sogar sehr viel Spaß.
Eines Abends dann, machte ich mich hübsch für einen netten Abend mit Heather, eine der schärfsten Schimpansen-Ladies, die ich kannte. Schon als wir uns das erste mal sahen, wussten wir, dass wir’s wie die Karnickel treiben würden.
Ich spuckte mir in die Hände und streifte mir meine Haare glatt, das war damals gerade in. Als ich dann in meine Hände blickte, sah ich, dass einige Haare drinnen waren.
„Hm......Haarausfall. Na egal, wo die herkommen, gibt’s eh noch mehr“, sagte ich mir damals und verließ dann meinen Baum. Zunächst dachte ich mir nichts.
„Ts, Haarausfall, na und, was soll´s, das hat man halt hin und wieder.“ Ich hatte sowieso nichts anderes als Heather im Kopf und den schönen Abend, den ich noch vor mir hatte. Oh Affe, und was für ein schöner Abend das wurde, ich sag´s dir, J.......aber darum geht es jetzt nicht, immerhin soll das kein Dr. Sommer Report aus Bravo werden.
Es hörte mit dem Haarausfall nicht auf. Immer mehr Haare gingen mir aus. Nur die im Gesicht blieben und am Kopf blieb mir auch eine lächerlich spärliche Behaarung zurück.
Als ich eines Tages aufwachte, lag ich in einem Meer aus meinen Haaren, es war schrecklich. „Oh, großer Gott, nein!“, schrie ich, als ich bei meinem morgendlichen Bad in den Fluss blickte. Mein Spiegelbild war erschreckend. Brust, Rücken, Arme und Beine waren kaum noch behaart. Kopf- und Gesichtshaare blieben. Und was taten meine Freunde? Die, die mich früher um meine Gesichtshaare beneideten? Die lachten mich aus, wie ich noch nie ausgelacht worden war. Heather, sie war für mich die Äffin meines Lebens, sie wendete sich von mir ab. Kurze Zeit später traf sie sich, sehr zum Missfallen ihres Vaters, mit einem Affen aus dem „U-Tan-Clan“.
Ich verkroch mich auf meinen Baum. Die ganze Zeit blieb ich dort, mein Essen ließ ich mir liefern und Besuch wollte ich sowieso keinen. Meine Eltern kamen immer wieder in mein Zimmer und wollten mich ermutigen, wieder raus zu gehen, und ließen eine ihrer üblichen Elternreden vom Stapel. Dass es nicht aufs Äußere eines Affen ankommt und dass jeder, der mich danach beurteilt, nicht mein Freund ist, bla, bla, bla. Und obwohl diese Rede mich bis zum Äußersten langweilte, hatten sie doch irgendwie Recht, zumindest was den Teil betrifft, den ich mitbekommen hatte.
Ich fing wieder an, raus zu gehen. Alle, die mir komisch kamen, hab ich einfach verprügelt, denn meine Stärke hatte ich noch, und durch die Bäume schwingen konnte ich auch noch wie ein junger Gott, nur leider sah ich nicht mehr wie einer aus.
Doch als wäre der Haarausfall noch nicht genug gewesen, wurde alles noch viel schlimmer!
Als Nächstes veränderte sich mein Gesicht und danach meine Hände und Beine. Kann man das glauben, meine Daumen kamen meinen anderen Fingern immer näher, das selbe passierte auch mit meinen Zehen, allerdings kamen sie den anderen Zehen näher und nicht den Fingern. Mit meinen Füßen konnte ich nichts mehr fassen. Ich war total am Boden zerstört und verkroch mich wieder auf meinen Baum.
Spät in der Nacht, als alle anderen Affen in unserer Gegend schliefen, schlich ich mich nach draußen und wollte ein wenig durch den dunklen Dschungel schwingen. Ganz gemütlich, so wie ich es früher oft getan hatte. Einfach durch die Gegend schwingen, den Geräuschen der Nacht lauschen und an nichts denken. Der Urwald kann nämlich eine so beruhigende Wirkung auf Geist und Körper haben, ganz egal, ob bei Nacht oder Tag, ich hatte aber zu große Angst, gesehen zu werden.
Ist das zu fassen, kaum griff ich nach einer Liane, rutschte ich ab, fiel runter und landete auf meiner hässlichen Visage.
„Verdammt, tut das weh“, murmelte ich mit Erde zwischen den Zähnen.
„Okay, ich bin vielleicht ein wenig aus der Übung, das wird schon wieder.“ Doch dem war nicht so. Es war wie verhext, ich war grottenschlecht. Ich donnerte von einem Baum in den nächsten. Ich verhedderte mich in den Lianen und hing über zwei Stunden in der Luft, weil ich mich nicht mehr befreien konnte. Gott sei Dank kam ein freundlicher Elefant vorbei und half mir raus und stellte mich auf den Boden. Danach.....lachte er mich aus und ging weiter. Tja, neben all der Schönheit und Vielfalt, können die Natur und die Tiere auch sehr grausam sein.
„Dämliche Lianen.........DÄMLICHER ELEFANT!“, schrie ich.
Daraufhin drehte sich der Elefant um und rannte wutentbrannt auf mich zu.
„Oh Gott!“, schrie ich und rannte, so schnell ich konnte, davon. Früher hätte mich ein Elefant niemals eingeholt, doch diesmal schaffte er es. Er kam immer näher. Blitzschnell kam er mir vor.
„Ich bin wirklich außer Form“, dachte ich mir so, als ich erneut in der Liane von vorhin hing, in die mich der Elefant, nachdem er mich erwischte, wieder verknotet hatte.
Affe sei dank kam eine an Schlafstörungen leidende Giraffe vorbei, lachte mich zunächst mal kräftig aus, dann band sie mich aber freundlicherweise los, nur um mich im Anschluss weiter auszulachen.
„Dämliche Giraffe!........WUAAAAHH!“, schrie ich, nachdem sie sich wieder umdrehte und mich verfolgte, doch diesmal sprang ich gleich seitlich zu einem von Gestrüpp, Moos und Gras überwucherten Baum; diese Kombination ergab eine wunderbare natürliche Höhle.
„Endlich in Sicherheit“, seufzte ich vor Erleichterung, vollkommen außer Atem.
„Hihi.“ „Ahahaha.“ „Hehe“ „Hoho“, vernahm ich auf einmal von allen Seiten. Es schien, als würden mich sogar die Bäume, die Lianen, die Schlingpflanzen und das Gras auslachen. Dabei waren es nur ein paar Eichhörnchen und Biber und Lemuren, die mit ihren kleinen Fingern auf mich zeigten und lachten.
„Ah Gott sei Dank.“, sagte ich, erleichtert darüber, dass es nicht der Wald war, der mich auslachte, sondern nur die üblichen Leute, von denen ich es eh schon gewohnt war.
Ich konnte mich nicht mehr durch die Lüfte schwingen, wie ich es früher problemlos geschafft hatte. Was war nur los? Ich wollte wieder nach Hause, mein Ausflug war ein totaler Reinfall, doch, ich hatte vollkommen die Orientierung verloren, ich wusste nicht mehr, wo ich war, alles sah gleich aus.
„Wo bin ich denn jetzt?....Vielleicht geht’s da lang?.......Nein, sieht nicht so aus......Und da?......Oh, ein süßer Tiger......Oh, großer Gott, nein!......Vielleicht den Weg?.......Mist, ich dämlicher Affenarsch hab mich verlaufen!“ Ich versuchte den nächsten Notrufbaum ausfindig zu machen und rief meine Eltern an. Kurze Zeit später tauchte mein wutentbrannter Vater auf und brachte mich wieder nach Hause.
Die nächsten Tage über verbrachte ich in meinem Zimmer, auf dem Baum meiner Eltern.
Meine Eltern riefen sogar Dr. Livingston an, um mich zu untersuchen, den berühmtesten und bekanntesten und besten Affen unter all den Ärzten. Interessiert untersuchte er mich, doch selbst bei ihm bemerkte ich, dass er sich zeitweise ein Lachen über mein Äußeres verkneifen musste. Er kam zu keiner Diagnose. Meine Eltern waren am Verzweifeln, natürlich waren sie nicht annähernd so verzweifelt und niedergeschmettert wie ich es war, aber immerhin versuchten sie mit meiner Verzweiflung und Niedergeschlagenheit mit zu halten.
Lang und breit erklärte mir Dr. Livingston, was ich an dieser Stelle nur ganz kurz und prägnant zusammenfassen will: „Ich weiß nicht, was dir fehlt, mein Affe.“
Danach verschwand Dr. Livingston wieder, und ich lag wieder alleine auf dem Baum meiner Eltern. Meine Mutter heulte sich die ganze Zeit bei anderen Affenmüttern aus und redete mit ihnen. Mein Vater versuchte es zwar zu verbergen, aber die Scham nagte an seinen alten Affenknochen, ich merkte es immer dann, wenn er mit anderen Vätern unterwegs war, um was zu essen zu besorgen, oder wenn sie gerade von einer Runde Läusefressen zurückkamen, oder wenn er von der Arbeit kam und ich ihn vom Baum herab beobachtete. Dann merkte ich, dass er sich schämte.
Ich bin mir sicher, wenn ich bereits als kleines Affenbaby so auf die Welt gekommen wäre, hätten sie mich mit Sicherheit getötet. Hm, wäre vielleicht affener gewesen, dann hätte ich nicht so gelitten wie jetzt.
Als nächstes wurde ich vom Psychoaffologen Dr. Affenstein begutachtet, doch auch er konnte nichts feststellen. Den einzigen Rat den er mir auf den Weg mitgab war, dass ich mich mehr unter Affen begeben sollte und mich nicht so auf einem Baum zurückziehen soll.
Daraufhin zwangen mich meine Eltern, die diesen Rat mehr beherzigten als ich, mich selbst um mein Essen und Trinken zu kümmern.
Einen Tag hielt ich es ohne Trinken aus, und wollte dann schon zum See gehen, doch dann merkte ich, wenn ich gerade stand, dass sich auch meine Arme verkürzt hatten, „Moment mal, ich steh ja gerade!“, schoss es mir auf einmal durch den Kopf. Ich stand aufrecht in meinem Zimmer, die Arme waren aber trotzdem kürzer. „Zeit einen vollständigen Körpercheck durchzuführen.“, sagte ich mir. „Haare: Größtenteils verschwunden. Gesicht: Entstellt (Dr. Livingston meinte, ich sehe aus wie ein `Mensch´, was sich für mich wie irgendein Fabelwesen anhörte, vermutlich hatte er sich nur einen Scherz mit mir erlaubt). Arme: Verkürzt. Hände und Füße: Verkrümmt. Gang: Aufrecht. Läuse: Noch da.“
Also marschierte ich aufrechten Schrittes los, was mir meine entstellten Beinen im Dickicht des Dschungels allerdings sehr erschwerten, um etwas zu essen und zu trinken zu besorgen. Okay, Hunger hatte ich keinen so großen, da ich genügend Läuse gefressen hatte, aber ich hatte einen enormen Durscht. Auf zum Wasser!
Ich ging zum See, da ich Lust hatte, mich vollkommen ins Wasser zu schmeißen, um ein Ganzkörperbad zu nehmen.
Während ich auf meinem Weg war, lachten mich alle anderen Tiere aus. Die Tiger und Löwen brüllten vor Lachen und zeigten mit ihren Krallen auf mich. Die Elefanten deuteten mit ihren Rüsseln zu mir rüber und stießen Lacher aus, so laut, dass der ganze Dschungel bebte. Ich wurde ausgelacht wie noch nie ein Affe in der gesamten Geschichte der Affen, ach, was sag´ ich, in der gesamten Geschichte des Dschungels, ausgelacht wurde. Hinter mir, lachte der gesamte Wald über mich Aff....oder sollte ich ab jetzt „Mensch“ zu mir sagen?
Beim See angekommen blickte ich nun, zum ersten Mal seit Wochen, in mein Spiegelbild. Es war grotesk und abstoßend, aber ich konnte nachvollziehen, warum die anderen Tiere mich auslachten. Auch ich hätte gelacht, wenn ich so eine.....“Kreatur“ hier bei uns im Urwald gesehen hätte. Ich hatte nichts mehr mit einem Affen gemeinsam, es war nichts mehr von meinem ursprünglichen, tollen Aussehen übrig.
„So sieht als ein „Mensch“ aus.“, dachte ich mir. „Widerlich. Und von jetzt an, muss ich mit so einer hässlichen Visage durchs Leben laufen. Das wird mit Sicherheit kein Zuckerschlecken!“ dachte ich mir und tauchte dann ganz in den See ein. Ich tauchte vollständig unter und als ich wieder rauf kam war.......der Dschungel verschwunden. Alles war weg. Die meterhohen, starken Bäume, die festen, unendlich langen Lianen, das geschmeidige, frischsaftige Gras, sogar die weiche, fruchtbare Erde war weg. Einfach alles war verschwunden.
Was ich nun sah, waren Steinklötze, die bis in den Himmel ragten, mit winzigen reflektierenden Rechtecken. Die Erde hatte einem harten und kalten Untergrund weichen müssen. Statt Lianen sah ich überall dünne, schwarze Kabel, die zu jedem dieser Steinbauten führten. Meine Freunde, alle Tiere, waren weg. Stinkende, auf vier Rädern rollende Ungeheuer rasten über den Boden und verursachten einen Lärm, gegen den das Getöse von Elefanten wie wohltuende Musik wirkte. Und egal, wo ich hin blickte, überall sah man diese.......Menschen.
Heute bin ich ein 42 jähriger Supermarktsangestellter, fahre selbst eins von diesen Ungeheuern, schau die ganze Zeit fern, sehe gezwungenermaßen ebenfalls aus wie ein Mensch, habe neunzehn Kilo Übergewicht, bin Single und habe keine Kinder. Das Einzige, was mir von meinem wunderschönen damaligen Leben geblieben ist und mich nach wie vor daran erinnern lässt, wo ich ursprünglich herkam, sind meine Läuse.
Ende.