Die Puppenstube
Pimpinella ritt auf einem der bunten Schaukelpferde auf dem
Rathausplatz.
Ihre Mutter stand nebenan vor dem Gemüsegeschäft. Sie hatte eine Freundin getroffen und unterhielt sich mit ihr.
Pimpinella nahm Schwung und schaukelte so hoch sie nur konnte. Mit vier Jahren schafft man es schon fast bis zum Himmel. Sie schloss die Augen und spürte ein Kitzeln im Bauch. Nach einer Weile öffnete sie ihre Augen wieder ein ganz kleines bisschen. Wie schön sah doch die Weihnachtsbeleuchtung aus. Pimpinella hatte das Gefühl, ihr wüchsen Flügel. Schon hob sie ab und flog durch das funkelnde Glitzermeer. Der Dezemberwind trug sie hoch in die Lüfte bis hinauf zum Kirchturm. Die Zeiger der Uhr schimmerten in der untergehenden Sonne. Plötzlich hörte sie ein lautes: „Dong, Dong, Dong!“ Pimpinella erschrak so sehr, dass sie ein Stückchen in die Tiefe stürzte. Genau bis zu der Stelle, an der aus der hölzernen Wand des Kirchturmes Geräusche und Düfte in die Luft stiegen. Durch ein gesplittertes Holzbrett flackerte Licht. Sie hörte ein Hämmern und Rascheln, ein Knispern und Knuspern und es roch so lecker nach Lebkuchen. Pimpinella lugte in den hell erleuchteten Raum. Elfen und Heinzelmännchen huschten hin und her.
„He, komm herein, es gibt genug zu tun.“
Ein Heinzelmännchen hatte sie entdeckt und reichte ihr die Hand. Pimpinella zwängte sich durch den Spalt und staunte: hier also wurden die Weihnachtsgeschenke gemacht. Fein säuberlich gestapelt lagen dort jede Menge Spielsachen. Auch eine so schöne Puppenstube, dass ihr Herz vor Freude hüpfte. Doch bevor sie damit spielen konnte, zupfte sie eine Elfe am Arm und sagte: „Komm, es müssen noch Lebkuchen gebacken werden. Wir haben noch lange nicht genug.“ Aber dazu hatte Pimpinella keine Lust. Sie dachte an ihre Mutter. Eilig kroch sie zurück durch den Spalt im Holzbrett. Es schneite und mitten zwischen den weißen Flocken schwebte Pimpinella hinunter auf den Rücken des Schaukelpferdes.
„Pimpinella!“ hörte sie ihre Mutter rufen, „Komm, lass uns weitergehen.“
„Einmal noch“ antwortete Pimpinella und nahm ein letztes Mal kräftig Schwung. Aus ihrer Manteltasche zauberte sie einen duftenden Lebkuchen, den sie stibitzt hatte. Sie reichte ihn ihrer Mutter und sagte mit glänzenden Augen:
„Jetzt weiß ich, was ich mir zu Weihnachten wünsche, Mutti: Eine Puppenstube!“