- Zuletzt bearbeitet:
- Kommentare: 5
Die Puppenspielerin
In der Bestandsaufnahme ihrer Verluste, erkannte die Puppenspielerin ihre innere Leere. Sie wünschte sich eine neue Geschichte - eine Liebesgeschichte, vorzugsweise mit Happyend, weil sie unglücklich war.
Das Unglück rührte aus einer alten Liebe, die ihr mehr und mehr abverlangt wurde, aber Liebe kann man nicht verlangen, sonst verzerrt sie das Herz. Liebe kann nur aus einem vollen Herzen verschenkt werden.
Aus einer Träne, einem Wunsch und einem Funken Hoffnung formen kreative Hände Pappmasche zu einer Puppe, ein alter Zauber den kaum noch jemand versteht, aber wer die Gabe besitzt, Gefühlen eine Form zu verleihen, bannt diese darin. Angezogen von dem Wunder dieser melancholischen Sehnsucht, verfing sich das neugierige Herz eines Geschichtenerzählers.
Wo unser Herz auch verweilt, es zieht uns zu ihm. Manchmal unbewusst, in weiten Kreisen und manchmal so zielstrebig, dass man sich angekommen fühlt, bevor man sich des zurück gelegten Weges bewusst ist.
Und so lernten sie sich kennen - mussten sich kennen lernen. ...und die Puppenspielerin mochte den Geschichtenerzähler, aber die Liebe in ihr war verkümmert, weil sie geraubt worden war.
Sie liebte seine Geschichten und fand Trost darin, trotzdem war sie immer noch schwermütig, wenn er nicht da war, weil sie immer noch nicht ihre eigene Geschichte gefunden hatte.
Sie glaubte noch an das gute Ende ihrer alten Geschichte - eine Geschichte die aber längst erzählt war - eine sehr traurige Geschichte, die sie nicht loslassen konnte.
Geschichtenerzähler kennen den Zauber der Welt und die Macht kleiner Gesten.
In Momenten dankbarer Aufmerksamkeit verschenkt man Dinge, selbst wenn man diese Dinge nicht mehr zu besitzen glaubt, ...oder vielleicht auch gerade erst dann, weil man diese Dinge gar nicht bewusst verschenken kann. Sie stehlen sich einfach aus dem Bauch davon.
Die Puppenspielerin schenkte ihm ein kleines bisschen Glück, eine neue Welt und eine neue Geschichte.
Veränderungen beginnen in dem sich die Ereignisse verdichten. Sie füllen die Zeit und machen sie unweigerlich kürzer. Es entstehen kostbare Stunden, aus denen man sich nicht mehr los reißen möchte.
In einer dieser kostbaren Stunden, zeigte ihm die Puppenspielerin die Marionette ...und er erkannte sein Herz, von dem er sonst nie so genau wusste, wo es war. Er erkannte sein Herz und war so gebannt von der Anmut ihres Spiels, dass er ihr das Herz aus freien Stücken schenkte. Er sah die perfekte Schönheit und wollte für immer Teil davon sein. Er sah wie aus zwei Geschichten eine werden konnte und begann sie zu verweben.
Eine unkomplizierte, wunderbare Geschichte, voll von verstecktem Zauber, voll von Hoffnung und Lachen. Er liebt das Lachen, denn er ist ein Schelm und das Lachen wohnt in seinen Augen, Augen, denen sie sich von mal zu mal mehr ergab.
Die Puppenspielerin fühlte wie sich ihr Herz wieder mit Hoffnung und Lachen füllte. Sie lag nachts im Bett und spürte, dass das Herz des Geschichterzählers immer noch bei ihr war und sie wärmte.
Gefangen zwischen dem unschuldigen neuen Glück und ihrer alten, unvollendeten Geschichte kam die Angst. Angst kommt aus dem Kopf, nicht aus dem Herzen, was viele oft verwechseln. Angst kommt vom falschen nachdenken. Sie kommt wenn man an sie denkt und befällt dann alle Gedanken, auch die schönen - am liebsten die schönen!
Geschichtenerzähler kennen die Angst und die Angst fürchtet Geschichtenerzähler, weil Geschichtenerzähler mit der Angst spielen. Sie können sie herbei rufen oder fortschicken, ganz nach belieben.
Der Geschichtenerzähler blieb bei ihr, um ihrer Angst zu begegnen, aber die Angst kam natürlich nicht und so glaubte er, sie gebannt zu haben, weil er es glauben wollte. Was man sich auch immer über Geschichtenerzähler sagt, sie sind sehr leichtgläubig, denn nur in der Unbekümmertheit wachsen die vollkommenen Geschichten.
Die Angst war nicht fort, sie versteckte sich tief im Kopf und wartete auf eine günstige Gelegenheit, auf einen geeigneten Gedanken, in dem sie wieder wachsen konnte, wartete auf die Unaufmerksamkeit des Geschichtenerzählers.
Als die Puppenspielerin zum ersten mal ihr Herz wieder wirklich schlagen spürte, drohte es ihr in der Brust zu zerspringen. So voll mit Glückseligkeit ohne Bezug, so scheinbar ohne Grund , ...denn Glück ist umfassend, es benebelt und lässt sich nicht zuordnen. Es springt um einen herum und küsst dich hier und da, es beflügelt, lässt dich dumme Dinge tun, lässt dich glauben und träumen... aber es gibt sich nur in den seltensten Fällen preis. Nur eine Ahnung, eine Andeutung, ein Zwinkern ...du musst es festhalten, damit es bleibt.
An dem Tag fühlte die Puppenspielerin ihre neue Geschichte, sah sie ganz deutlich, sah ihr Glück, die lachenden Augen und wollte darin versinken.
Nur eins war noch zu tun, als der schöne neue Tag zu Ende ging - ein neuer Anfang.
Manche glauben das neue Anfänge nur getan werden können, wenn alles Alte abgeschlossen ist und am besten mit einem symbolischen Akt beglaubigt und besiegelt.
Nur Geschichtenerzähler wissen das in der alten Geschichte bereits die Neue ihren Anfang hat, dass sie feingliedrig verwoben einander nähren, kleine Zweige am Baum der Erzählung eines Lebens.
Die Puppenspielerin durchschnitt die Schnüre der Marionette, in der sie ihre traurige alte Geschichte gefangen glaubte und damit durchschnitt sie das Band zu seinem Herzen und ließ es frei. Aber das Herz war verschenkt und deshalb wollte bleiben, ...so sehr bleiben, Teil der Geschichte sein ...und es schrie und ...wankte, denn das Herz wusste, das es ohne den Zauber der Marionette nicht die Kraft hatte, stand zu halten. Es war zu frisch, zu verletzlich, es war noch nicht verwachsen, ...noch nicht.
Die Puppenspielerin schmiegte sich in ihr Bett. Die Stelle im Bett in der der Geschichtenerzähler gelegen hatte, als er die Angst in Schach hielt. Die Stelle fühlte sich besonders gut an und sie schlief ein, frei von Kummer, mit einem geträumten Kuss auf den Lippen.
Jeder Morgen birgt eine neue Geschichte in sich, verdrängen die noch schlummernde Träume mit Versprechen und Vorsätzen. In jedem Morgen wohnt vergessen. An jedem Morgen, ... an wirklich jedem Morgen erwacht irgendwo ein Herz in Einsamkeit.
Was blieb war eine Mischung aus flauer Angst, angespannten Erwartungen und leiser Hoffnung. Eine kleine Vorfreude auf die Versprechen des neuen Morgens und ihres wachsenden Herzens, das sie in der Brust spürte. Ein Herz mit einer kleinen neuen Narbe, die aber schon zu heilen begann.
.
Was blieb war eine Geschichte, die erzählt werden wollte. Eine Geschichte, von der man, wie bei vielen anderen, nicht sagen kann, ob sie gut oder schlecht ausgegangen ist, weil sie nie ausgegangen ist, ...weil sie in Wirklichkeit nie so passiert ist, ...weil es eben nur eine Geschichte ist.