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Die Probe

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07.09.2015
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Die Probe

Es war noch dunkel, als Paul und seine Mutter am Küchentisch saßen.
Sie fragte: „Kannst du alles?“.
„Ja, ja.“ sagte Paul, hielt den Löffel in der Hand und sah zum Fenster.
Sie nahm einen Schluck Kaffee. Dann sagte sie: „Ess doch bisschen was.“
Auf dem Fensterbrett standen weiße Blumentöpfe mit irgendwelchen Orchideen und ein paar Steine mit Flechten. Paul stellte sich vor, eine Ameise zu sein, die sich in diesem Land versteckt.
„Ich hab keinen Hunger.“, sagte er.
Sie kniff die Augenbrauen zusammen, nahm noch einen Schluck Kaffee, behielt ihren Blick dabei aber auf Paul.
„Ein halbes Brötchen, ja?“ sagte sie, zog seinen leeren Teller heran, nahm ein Brötchen aus dem Korb und schnitt es auf. „Die Kirschmarmelade?“
Sie strich Marmelade auf das Brötchen und schob Paul den Teller rüber. Er nahm einen Bissen, kaute langsam und sagte dann: „Ich muss ins Bad.“

Der Boden war noch nass vom Duschen, Paul achtete nicht auf seine feuchten Socken, er ging auf und ab und sagte sich einige Dinge laut vor. Dabei strich er sich über eine große Narbe an der Schläfe.
„War das? Ja vorher. Und der? Auch vorher. Ein Vertrag, der Vertrag? Später. Zum Schluss dann. Aber vorher? Der General. Ja. Ein anderer? Auch, auch, sicherlich, die Namen sind ja von beiden bekannt. Wie viel Soldaten? Ich hab das irgendwo notiert."
Als es draußen hupte und er auf die Uhr sah, war er drei Minuten zu spät.
Er rannte über die nassen Fliesen in den Flur, rief zur Küchentür hin: „Tschüss“, nahm seinen beinahe leeren Rucksack, hörte wie seine Mutter aufstand und rief: „Das wird schon.“, dann war er durch die Tür. Kam wieder herein und zog sich Schuhe an, rannte das Treppenhaus hinunter, hielt sich dabei in den Kurven am wackligen Geländer fest, die alte Nachbarin Geißler rannte er beinahe um. Die Haustür öffnete er mit der Schulter, er rannte nach draußen, rutschte aus, sein Gewicht zog ihn nach hinten, er bekam mit der Hand das kalte Geländer zu fassen, bog sich die Schulter und war mit einem Bein in der Luft. Als sein Gewicht die Finger aus ihrem Griff bog, war er mit der Schulter am Geländer und bekam so Halt.
Die drei Stufen zum Bürgersteig ging er langsam und mit einer Hand am Geländer. An der Straße wartete ein alter Golf mit dampfenden Auspuff, Nieselregen sammelte sich auf dem Dach. Der Beifahrer stieg aus, klappte den Sitz nach vorne, grinste und sagte: „Aha“.
„Ja, ja.“ sagte Paul.
Er bückte sich und stieg nach hinten wie in eine enge Höhle. Im Auto war Nebel und der Rauch brannte in den Augen. Auf der Rücksitzbank saßen noch zwei, man drängte sich zusammen. Rauch, Asche und der Geruch schwerer Winterjacken ließen der restlichen Luft keinen Platz.
„Morgen.“
„Morgen.“
„Pass auf, ist sauglatt.“ sagte Paul.
"Ach." sagte der Fahrer.
Der Blinker tickte. Der Fahrer sah in den Seitenspiegel und wartete, während die Autos vorbei fuhren. Er zog an einer Zigarette, dann gab er plötzlich Gas und fuhr auf die Straße, zwei Lichter hinter der Rückscheibe kamen schnell näher. Der Fahrer schimpfte und drückte dann die Zigarette in den Aschenbecher. Paul zog den Gurt nach unten, der Verschluss rastete nicht ein, er versuchte es noch ein paarmal, dann ließ er es.
Als sie aus der Stadt waren fuhr der Fahrer schneller, die meisten Leute waren aber vorsichtiger als sonst und die Rücklichter des Wagens vor ihnen wirkten groß an der schmutzigen Windschutzscheibe.
„Wie schaut´s bei dir aus?“ fragte der Beifahrer und drehte seinen Kopf halb nach hinten.
Paul sah auf sein Fenster. Die Scheibe war angelaufen. „Geht schon.“ sagte er.
„Ja, bei mir auch.“ sagte der Beifahrer und sah wieder nach vorn. Sie fuhren durch ein Waldstück, in dem der Nebel nass über der kalten Straße hing.
„Hast du mal ne Kippe? Ich will nicht immer vom selben schnorren.“ sagte der Beifahrer und streckte seine Hand nach hinten.
„Hab keine." antwortete Paul. "Mir wird früh davon schlecht. Ich hab mir schon ewig keine mehr gekauft.“
Der Fahrer sagte: „Ist eh schlecht für die Spermien, oder?" Er sah in den Rückspiegel. Der links auf der Rücksitzbank verdrehte die Augen.
„Rauchen?“ fragte Paul abwesend. Er dachte an eine Jahreszahl und verglich sie mit einer anderen. Welche war wahrscheinlicher, welche klang besser? Wer hatte wann was gemacht? Der eine? Oh, ganz sicher. Aber auch der andere? Das war unklar. Man stritt sich über diesen Punkt. Wer stritt? Das stand irgendwo. Wo?
Der Beifahrer drehte sich in seinem Sitz um. „Hör zu“ begann er, dann wurden alle ein Stück nach vorn geworfen. Paul rutschte dabei halb vom Sitz.
„Was denn los?“ fragte der Beifahrer. Der Fahrer winkte ab.
Eine kurze Pause entstand und Paul rutschte zurück auf seinen Sitz.
„Also folgendes:“ begann der Beifahrer noch einmal. „Stell dir mal vor, deine Eltern hätten Sex.“
„Ja toll.“ sagte Paul.
"Das hatten wir doch schon." sagte der links.
Der Beifahrer hob den Zeigefinger und fuhr fort: „Ja, aber das sollst grad du werden, verstehst du? Ja, aber dein Alter Herr hat jetzt, jetzt im Moment, vielleicht hört er was oder was weiß ich. Jedenfalls geht’s grad nicht, verstehst du. Nix. Gerade in deinem Moment.“
„Ah.“ sagte Paul und dachte an eine bestimmte Beleidigungen. Der eine hatte den anderen beleidigt. Das war klar. Man konnte das nicht auf sich sitzen lassen und musste unbedingt etwas tun und deshalb mobilisierte man seine Männer und schickte sie; wohin?
Der Beifahrer sagte: „Worauf ich hinaus will: Wenn deine Eltern es nen Tag oder ne Stunde später oder vielleicht auch nur Sekunde später getan hätten, wärst du dann du oder wärst du jemand anders? Ich mein, dann könnt ja ein anderer das Rennen gemacht haben. Ein anderes Spermium, wärst das dann auch du?“
Er machte eine Pause und sah die drei auf der Rücksitzbank an. Paul und der links lasen, der in der Mitte hatte die Augen geschlossen und den Kopf im Nacken. Der Beifahrer blies Luft durch die Backen. „Hört mal auf zu jammern, echt jetzt. Die reißen uns schon nicht den Kopf runter.“
Damit ließ er sich zurück auf seinen Sitz fallen.
„Ja, ja.“ sagte der in der Mitte.
Sie kamen in eine Stadt, der Verkehr wurde dichter. Sie hielten, fuhren an, hielten, fuhren langsam, dann ein wenig schneller. Ein paar Kinder spielten an einer Bushaltestelle dicht neben der Straße. Sie rannten umher und achteten auf nichts anderes. Es war wichtig, wer wen fing.
Der Beifahrer sagte: „Oder wenn sie sich gar nicht kennengelernt hätten, versteht ihr? Hätten beim Tanzen oder wo man sich früher so kennen gelernt hat, hätte einer einfach grad beim Pinkeln sein können. Oder vielleicht Schnupfen und dann wär er daheim geblieben.“
„Is gut jetzt.“ sagte Paul, dem der Name eines bestimmten Ortes nicht einfallen wollte.
Der links sagte: „Oder es wär Krieg und irgendwer hätte deinem Vater vorher den Schädel eingeschlagen.“
„Ja, spitze.“ sagte der Beifahrer.
„Ich weiß schon was du meinst. Aber ich hab gerade echt keinen Nerv auf so was.“ sagte der links.
Das Auto wurde langsamer.
Sie hielten.
Sie stiegen aus, gingen durch leere Flure und trennten sich nach Fächern.
Vor Pauls Tür warteten noch ein paar andere. Manche gingen umher, manche lasen in vollgekritzelten Papieren. Manche hockten einfach neben der Heizung auf dem Boden. Paul kannte nicht alle, es waren ein paar Klassen an der Reihe.
Er las in den Papieren eines Mädchens mit. Er wusste nicht genau, wie sie hieß aber ihre Notizen waren ordentlich und er hoffte, noch etwas wichtiges zu entdecken. Wenn das Mädchen fertig war mit einer Seite fragte er: „Kann ich?“ bekam die Seite und überflog sie.
Etliches an Lebensläufen. Die Meisten lang und voller Dies und Das. Jener hatte Dies eingenommen oder Das verteidigt. Hinter jeder Aufzählung hatte das Mädchen "etc." geschrieben. Zum Beispiel: "Mit nur 1000 Leuten gegen eine Übermacht den 5. Posten erobert, etc." Mehr war es ein paar Generationen später nicht mehr wert. Immer wenn sich die Tür öffnete und jemand heraus kam, ging ein anderer hinein. Manche kamen heraus, ballten die Fäuste, jauchzten und suchten nach ihren Handys. Manche kamen heraus und ließen den Kopf hängen. Einer kam heraus, lächelte so, als müsse er sich dazu zwingen, schüttelte den Kopf und tippte sich an die nasse Stirn. Paul sah ihm nach. Er rannte zwei drei Schritte, ging dann wieder, dann war er um die Ecke.
Dann war nur noch einer vor Paul.
Dann keiner mehr.
Paul ging hinein.
Paul kam heraus.
Das Mädchen ging hinein.
Das Mädchen kam heraus.
Paul saß immer noch vor der Heizung. Das Mädchen setzte sich zu ihm.
„Und?“ fragte sie.
„Durchgefallen.“
„Oh“ sagte das Mädchen.
„Ja.“
"So ein Pech.“
„Ja.“
„Kopf hoch, könnte schlimmer sein.“
„Was bitte könnte schlimmer sein?“ fragte Paul.
Er sah das Mädchen an.

 
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Hallo,

der Text ist reduziert, das liest sich gut, einige feine Beobachtungen. Allerdings kommt er mir richtungslos vor. Es muss hier keine Pointe her oder so, aber diese Prüfungssituation, auf die alles zentriert ist, auf die alle Charaktere sich auch unterbewußt einigen, so eine intersubjektive Wahrnehmung, die ist für mich wirkungslos, die verpufft. Das hat für mich auch mit dem Dialog im Wagen zu tun. Der ist für sich genommen vielleicht ganz okay, aber der hat nichts mit dem Rest zu tun, das ist ein zweiter Teil von irgendetwas, aber er impliziert eine Wichtigkeit, denn er nimmt sehr viel Platz ein, alle sind in irgendeiner Weise beteiligt, er soll auf etwas vorbereiten, aber ich finde nichts in diesem Dialog. Das sind so ein paar platte Gedanken. Was wäre passiert, wenn dies nicht und das nicht? Auf was bezieht sich das, welcher Kontext ist das? Wo ist da ein philosophischer Ansatz? Ist das nicht etwas dünn: Eine Sekunde später, und du wärst jemand anders, oder gar nicht existent? Nicht in dieser Situation? Ich weiß nicht, ob das ausreicht. Zusätzlich dieser repetitive Dialog mit sich selbst, diese Gedanken, Gedankenfetzen, die sich um erlerntes Wissen drehen, Assoziationen, die hast du einmal, am Anfang, gut und passend als Effekt eingesetzt, aber dann? Ich sehe da den Mehrwert nicht, weil du diesen Effekt, dieses Stilmittel zu nichts führt, das kippt einfach ins Bedeutungslose, hat keine Verwendung im und für den Text, für den Charakter.

Natürlich kann man sagen: Da liegt irgendwo immer etwas hinter einer Oberfläche. Ich mag solche Texte auch, es sind oft Stimmungen implementiert, die man wahrnimmt, ohne etwas konkret benennen zu können, der Autor dekonstruiert etwas, in dem er auslässt, es nicht erwähnt, das Wesentliche nicht explizit macht, alles auf einer Spur erzählt, die neben dem Handfesten, Sichtbaren mitläuft, fast unsichtbar, das Eigentliche, der erzählerische Kern nur ein Artefakt. Diese Schwingung, dieses Oszillieren, das empfinde ich hier nicht, ich nehme es nicht wahr, da fehlt eine Polarität, eine Richtung, eine Eindeutigkeit.

Vielleicht kann man das zusammenfassen: Mir fehlt eine Aussicht, ein erzählerisches Versprechen, eine Idee, die ich spüre, und die sich im Text manifestiert. Ich sehe die Figur agieren, aber das ist wie eine Simulation. Nicht echt. Der Text hat eine ungemein künstliche Ebene, die fast hermetisch ist. Nichts Greifbares.

Gruss, Jimmy

 

Zu Beginn kommt mir Paul vor, als wäre er fünf oder sechs. Die Mutter macht ihm das Butterbrot z. B. Dann stellt er sich vor, er wäre eine Ameise, was diese Meinung noch verstärkt. Erst, als Paul nach einer Zigarette gefragt wird, erkennt man ihn als 15- oder 16-jährigen.


Nach der Hälfte des Textes wurde die Geschichte langweilig und ich habs aufgegeben. Wenn du eine Geschichte schreibst, dann muss auch was passieren. Das "aufregendste" war, als er fast ausgerutscht ist.

Der Text kommt mir halbherzig und unmotiviert dahingeklatscht vor.

Irgendwie fehlt ein richtiges Ende:

„Und?“ fragte sie.
„Durchgefallen.“
„Oh“ sagte das Mädchen.
„Ja.“
"So ein Pech.“
„Ja.“
„Kopf hoch, könnte schlimmer sein.“
„Was bitte könnte schlimmer sein?“ fragte Paul.
Er sah das Mädchen an.

Was könnte denn schlimmer sein? Die Antwort fehlt. Absichtlich?

Und abschließend Motivation: Ich denke, du kriegst besser Texte hin. Du musst nur deinen Style finden. Früher oder später findest du den bestimmt. Wenn du an deinen Texten arbeitest und dafür sorgen kannst, dass der Leser sich in deine Hauptfigur hineinfühlen kann, hast du es eigentlich schon geschafft und kannst noch viel bessere Geschichten schreiben.

P.S.: Achte auf deine Grammatik! Vor allem bei wörtlicher Rede! Ohne Punkt, außer er fängt ein neuer, eigenständiger Satz an. Und immer ein Komma dahinter. Das hast du nämlich (fast) nie gemacht.


Hoffentlich wird die nächste Story besser und die übernächste, etc.

LG

Betze

 

Hi Jimmy,
Hi Betze,

Mist :-). Da hab ich wohl zu wenig Geschichte erzählt und den Grundgedanken zu tief verbuddelt, bzw. die einzelnen Teile zu unklar miteinander verknüpft. Wenn man hinterher erklären muss, hat man was falsch gemacht. Punkt. Na gut, Semikolon ;-)
Er kommt an dem Morgen in etliche, ganz normale Situationen die allerdings, realistisch betrachtet, ihm oder anderen allesamt das Leben kosten können. (Unfälle im Bad, im Treppenhaus, Autofahrt bei glatten Straßen ohne Gurt, mit ungeduldigem Fahrer, Rauchen, Kinder spielen Fangen etc.). Täglich haben Hunderte, allein bei uns, das Pech, genau solche Situationen eben nicht zu überleben.
Er nimmt die Situationen allerdings nicht als Gefahren war sondern die Gefahr lauert für ihn in Form eines abstrakten Testes der, objektiv betrachtet, keinerlei Gefahr in sich trägt.
Der Test handelt von Personen die das Pech hatten, tatsächlichen Gefahren ausgesetzt zu sein um zum Schluss irgendwo als Fußnoten oder Teil einer Zusammenfassung zu enden. (was für ein Zufall/Glück es ist, nicht in einer solchen Zeit/ Ort zu leben, auch wenn fast 100% aller bisher Geborenen das Pech hatten, ihn solchen oder ähnlichen Situationen zu leben, wird ihm nicht bewusst)
Der Monolog des Beifahrers soll schließlich verdeutlichen, was für ein extremer Zufall es war, überhaupt hier zu sein und sich jetzt über eine Prüfung Gedanken machen zu können.
Das Mädchen am Ende, das er zufällig trifft, eröffnet wieder genau ein solches Universum an Möglichkeiten oder eben auch nichts.
Von all dem bemerkt er nichts, für ihn zählt nur die Prüfung, bzw. die Angst vor dem Durchfallen.

Aber der ganze Quark nützt natürlich nichts, wenn er nicht deutlich wird.

Ok, ich nehme jetzt für mich raus: Ich hab mich zu wenig auf den Motor der Geschichte konzentriert. Im Endeffekt steht da, um im Bild zu bleiben, ein langweiliges Auto, bei dem keiner Lust verspürt, sich das Innere anzuschauen. (Auch wenn der Innenraum, ganz ohne jetzt zu dick aufzutragen, zumindest ein Highlight der Zivilisationsgeschichte darstellt.) Aber das Allerschlimmste: die Karre fährt nich mal ;-)
Ach ja und natürlich die Grammatik. Die bekomm ich jetzt aber nicht mehr ins Bild, sonst sind die Blinker auch noch weg.

Vielen Dank, dass ihr euch die Zeit genommen habt und viele Grüße :-)

Ps.: betzebub
Das er am Anfang jünger rüber kommt, ist an sich schon ok, er würde sich ja gern verkriechen, klein machen, in Sicherheit bringen etc.
Allerdings muss ich das Ganze dann auch so formulieren, dass ich den Leser nicht verwirre.

 

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